BGH 5.7.2011, II ZR 199/10

Nach Auflösung einer als GbR ausgestalteten Publikumsgesellschaft steht die Geschäftsführung allen Gesellschaftern gemeinschaftlich zu

Auch bei einer als GbR ausgestalteten Publikumsgesellschaft hat die Auflösung der Gesellschaft grundsätzlich zur Folge, dass die einzelnen Gesellschaftern verliehene Einzelgeschäftsführungsbefugnis nach § 730 Abs. 2 S. 2 BGB erlischt; die Geschäftsführung und Vertretung steht von der Auflösung an allen Gesellschaftern gemeinschaftlich zu. Bei der Abwicklung einer GbR kann das Gericht aus wichtigen Gründen entsprechend § 146 Abs. 2 HGB Liquidatoren ernennen.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin ist eine GbR in Liquidation. Sie wurde von K. H. und W. K. im Juni 2001 gegründet. Der Gesellschaftsvertrag lautet auszugsweise:

  • § 4 Ausgestaltung des Gesellschaftszwecks
    Der Gesellschaftszweck besteht ausschließlich in der Beteiligung weiterer Gesellschafter an der S-GbR und dem Halten und Verwalten der eingelegten Beträge.
  • § 5 Beteiligungsdauer, Auseinandersetzung
    Nach der Verschmelzung der S-GmbH auf die S-Finanzdienstleistungen-AG erwerben die Gesellschafter der S-GbR Aktien in einer Stückzahl, die den Beteiligungsbedingungen und Risikohinweisen entspricht. Die Auseinandersetzung erfolgt ohne gesonderten Beschluss der Gesellschafter gem. § 726 BGB (Zweckerreichung).
  • § 6 Beendigung der Gesellschaft
    Mit der Verschmelzung und anschließenden Übernahme der Aktien in vorbezeichneter Weise ist der Gesellschaftszweck erreicht. Mit Begründung der Aktionärseigenschaft der Gesellschafter wird die Gesellschaft auseinandergesetzt.
  • § 7 Geschäftsführungsbefugnis, Vertretungsmacht
    Die Geschäftsführungs- und Vertretungsbefugnis steht ausschließlich den Gesellschaftern H. und K. einzeln zu.

Der Beklagte ist einer von ca. 3.400 Gesellschaftern. Er brachte statt einer Bareinlage einen Anspruch gegen die S-GmbH aus der Aufhebung eines Vertrages über den Erwerb von Genussrechten in die Klägerin ein. Sowohl die S-GmbH als auch die S-Finanzdienstleistungen-AG wurden in der Folge insolvent. Zahlungen auf die abgetretene Forderung erfolgten nicht. Auf einer Gesellschafterversammlung der Klägerin im Dezember 2002, bei der ein Liquidator bestimmt werden sollte, kam es nicht zu einem entsprechenden Beschluss.

Die Klägerin, vertreten durch W. K. als "Liquidator", verlangt von dem Beklagten Zahlung des Nominalwerts der eingebrachten Forderung i.H.v. rd. 20.500 €, hilfsweise die Feststellung, dass in der Auseinandersetzungsrechnung für den Beklagten lediglich der Betrag anzusetzen sei, der aus der Insolvenzmasse der S-GmbH an die Klägerin gezahlt werde.

LG und OLG wiesen die Klage ab. Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Die Klage ist unzulässig, weil die Klägerin durch ihren ehemals einzeln geschäftsführungs- und vertretungsbefugten Gesellschafter W. K. in der Liquidation nicht mehr vertreten wird. Zur Vertretung berechtigt sind von der Auflösung an alle Gesellschafter gemeinschaftlich (§ 51 Abs. 1 ZPO; § 730 Abs. 2 S. 2, § 714 BGB).

Die Klägerin ist aufgelöst, nachdem durch die Insolvenz der S-GmbH und der S-Finanzdienstleistungen-AG die Erreichung des in den §§ 4 bis 6 des Gesellschaftsvertrages näher ausgestalteten Gesellschaftszwecks unmöglich geworden ist (§ 726 BGB). Die Auflösung der Gesellschaft hat grundsätzlich zur Folge, dass die einzelnen Gesellschaftern verliehene Einzelgeschäftsführungsbefugnis nach § 730 Abs. 2 S. 2 BGB erlischt. Die Geschäftsführung und Vertretung steht von der Auflösung an allen Gesellschaftern gemeinschaftlich zu.

Eine Ausnahme davon ergibt sich weder aus einem Beschluss der Gesellschafter der Klägerin noch aus einer Auslegung des Gesellschaftsvertrages. Die Gesellschafter können die Geschäftsführung und Vertretung der Abwicklungsgesellschaft durch Beschluss einzelnen Gesellschaftern übertragen. Das ist hier jedoch gerade nicht geschehen. Und auch die Auslegung des Gesellschaftsvertrages der Klägerin ergibt nicht, dass im Falle der Auflösung durch Zweckverfehlung der bisherige geschäftsführende Gesellschafter die Geschäfte der Auseinandersetzungsgesellschaft führen sollte.

Der ehemalige Geschäftsführer ist auch nicht in analoger Anwendung von § 265 Abs. 1 AktG, § 66 Abs. 1 GmbHG zur Liquidation der Klägerin berufen. Für eine analoge Anwendung fehlt eine Regelungslücke, selbst wenn man berücksichtigt, dass es sich bei der Klägerin um eine Publikumsgesellschaft handelt. Die Gesellschafter der Klägerin können auch ohne Übertragung der Regelungen aus dem Kapitalgesellschaftsrecht die Handlungsfähigkeit der Klägerin in der Liquidation sicherstellen. Ihnen steht es frei, durch einen Beschluss eine von § 730 Abs. 2 S. 2 BGB abweichende Anordnung zu treffen und die Abwicklung auf einen bestimmten Gesellschafter zu übertragen. Daneben besteht die Möglichkeit, dass das Gericht auf Antrag eines Gesellschafters analog § 146 Abs. 2 HGB einen Liquidator ernennt, wenn dafür ein wichtiger Grund besteht.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 16.09.2011 14:43
Quelle: BGH online

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