BGH 24.1.2012, II ZR 119/10

Zum Nachweis der Zahlungseinstellung im Hinblick auf die Verletzung der Pflicht zur Führung und Aufbewahrung von Büchern und Belegen durch GmbH-Geschäftsführer

Die Voraussetzungen der Zahlungseinstellung gelten nach den Grundsätzen der Beweisvereitelung als bewiesen, wenn der Geschäftsführer einer GmbH, der von einem Gesellschaftsgläubiger wegen Insolvenzverschleppung in Anspruch genommen wird, seine Pflicht zur Führung und Aufbewahrung von Büchern und Belegen verletzt hat und dem Gläubiger deshalb die Darlegung näherer Einzelheiten nicht möglich ist.

Der Sachverhalt:
Die Klägerin schloss am 18.5.2005 einen Frachtvertrag mit der D.S.-GmbH (Schuldnerin), aus dem ihr - nach Abzug einer Teilzahlung von 2.500 € - ein am 26.5.2005 fällig gewordener Vergütungsanspruch i.H.v. 36.500 € zusteht. Ein am 14.7.2005 gestellter Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin wurde mit der Begründung abgelehnt, die Schuldnerin habe bei Verbindlichkeiten i.H.v. 452.000 € keinerlei Aktivvermögen, so dass die Kosten des Verfahrens nicht gedeckt seien. Der Beklagte ist - neben seiner Ehefrau - Geschäftsführer der Schuldnerin. Die Klägerin nimmt ihn wegen verspäteter Insolvenzantragstellung und Eingehungsbetrugs auf Schadensersatz in Anspruch.

Das LG gab der Klage antragsgemäß statt und verurteilte den Beklagten zur Zahlung von 36.500 € nebst Zinsen und Anwaltskosten. Das OLG wies die Klage ab. Auf die Revision der Klägerin hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Nach dem festgestellten Sachverhalt hat die Klägerin einen Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 64 Abs. 1 GmbHG aF (jetzt § 15a InsO); da zu dessen Höhe noch keine ausreichenden Feststellungen getroffen worden sind, war die Sache an das OLG zurückzuverweisen.

Die Schuldnerin war zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit der Klägerin am 18.5.2005 zahlungsunfähig und damit insolvenzreif, und der Beklagte hat seine daraus folgende Pflicht zur rechtzeitigen Stellung des Insolvenzantrags schuldhaft verletzt. Der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens ist bei Eintritt der Insolvenzreife grundsätzlich sofort zu stellen. Die höchstens dreiwöchige Frist des § 64 Abs. 1 GmbHG aF ist nur dann eröffnet, wenn eine rechtzeitige Sanierung "ernstlich zu erwarten ist". Die Voraussetzung dieser Ausnahme hat derjenige darzulegen, der sich darauf beruft, hier der Beklagte. Mangels anderslautendem Vortrag des Beklagten war revisionsrechtlich davon auszugehen, dass eine rechtzeitige Sanierung der Schuldnerin nicht zu erwarten war.

Nach § 17 Abs. 2 S. 2 InsO ist Zahlungsunfähigkeit in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Die tatsächliche Nichtzahlung eines erheblichen Teils der fälligen Verbindlichkeiten reicht für eine Zahlungseinstellung aus, auch wenn noch geleistete Zahlungen beträchtlich sind, aber im Verhältnis zu den fälligen Gesamtschulden nicht den wesentlichen Teil ausmachen. Haben im fraglichen Zeitpunkt fällige Verbindlichkeiten bestanden, die bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht beglichen worden sind, ist regelmäßig von Zahlungseinstellung auszugehen. Diese Voraussetzungen waren hier am 18.5.2005 erfüllt.

Allerdings muss die Voraussetzungen der Zahlungseinstellung grundsätzlich derjenige darlegen und beweisen, der daraus Rechte für sich herleiten will. Das ist hier die Klägerin. Sie hat teilweise keine substanziierten Angaben zu den Entstehens- und Fälligkeitszeitpunkten der bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens offenen Verbindlichkeiten gemacht. Dessen bedurfte es aber auch nicht. Denn nach der Rechtsprechung des Senats gelten die Voraussetzungen der Insolvenzreife nach den Grundsätzen der Beweisvereitelung als bewiesen, wenn der Geschäftsführer die ihm obliegende Pflicht zur Führung und Aufbewahrung von Büchern und Belegen nach §§ 238, 257 HGB, § 41 GmbHG verletzt hat und dem Gläubiger deshalb die Darlegung näherer Einzelheiten nicht möglich ist.

Dies war vorliegend der Fall, denn zu den verschiedenen vom Beklagten als offen stehend bezeichneten Verbindlichkeiten der Schuldnerin wurden im Rahmen des Ermittlungsverfahrens gegen den Beklagten keine Unterlagen aufgefunden. Damit ist davon auszugehen, dass der Beklagte jedenfalls insoweit seine Pflicht aus § 257 Abs. 1 Nr. 2 bis 4 HGB verletzt hat. Hätte er die Unterlagen aufbewahrt, hätte die Klägerin nach Einsichtnahme in die Ermittlungsakte entsprechenden Vortrag halten können. Das war ihr jedoch aufgrund der Verletzung der Aufbewahrungspflicht durch den Beklagten unmöglich.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 02.04.2012 13:07
Quelle: BGH online

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