BGH 10.7.2012, II ZR 212/10

Zur verdeckten Sacheinlage in Form des Hin- und Herzahlens bei zweimaliger Zahlung des Einlagebetrags

Zahlt der Gesellschafter den Einlagebetrag (hier: aus einer Kapitalerhöhung) nach Fassung des Kapitalerhöhungsbeschlusses ein zweites Mal an die Gesellschaft verbunden mit der Anweisung, die Zahlung an ihn zur Tilgung seiner Bereicherungsforderung aus einem ersten, fehlgeschlagenen Erfüllungsversuch zurück zu überweisen, liegt darin eine verdeckte Sacheinlage in Form des Hin- und Herzahlens.

Der Sachverhalt:
Die Beklagten zu 1) bis 4) sind Gesellschafter einer GbR, die ab August 2000 Alleingesellschafterin der Insolvenzschuldnerin, einer GmbH, war. Mit Gesellschafterbeschluss von Oktober 2000 wurde das Stammkapital der Insolvenzschuldnerin um rd. 970.000 € erhöht und die GbR zur Übernahme des Erhöhungsbetrages zugelassen. Die Kapitalerhöhung wurde im November 2000 beim Registergericht angemeldet, die Eintragung erfolgte im Dezember 2000. Zuvor waren auf Konten der Insolvenzschuldnerin 2 Mio. DM eingegangen mit dem Vermerk "T-Gruppe - Stammkapitalerhöhung". Die von den Beklagten beherrschte T-KG hatte der GbR insoweit ein Darlehen gewährt. Im Zeitpunkt der Fassung des Kapitalerhöhungsbeschlusses waren die überwiesenen 2 Mio. DM fast vollständig verbraucht.

Im Oktober 2000 nahm die GbR ein Darlehen i.H.v. 2 Mio. DM für den Verwendungszweck "Finanzierung Gesellschaftereinlagen" auf. Mit Wertstellung am 15.11.2000 überwies die GbR die ihr von der Bank gewährte Darlehenssumme von 2 Mio. DM an die Insolvenzschuldnerin unter Angabe des Verwendungszwecks "Stammeinlage". Am selben Tag überwies die Insolvenzschuldnerin diesen Betrag weiter an die T-KG, um deren Darlehensforderung gegen die GbR zu tilgen. Anfang 2007 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Dieser erhob Klage gegen die Beklagten zu 1) bis 4) mit der Behauptung, die aus der Kapitalerhöhung geschuldete Einlage sei i.H.v. rd. 930.000 € nicht erbracht worden, es liege insoweit keine schuldtilgende Voreinzahlung vor.

Im Hinblick auf das im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens am 1.11.2008 in Kraft getretene MoMiG wies das LG die Klage ab. Es liege eine verdeckte Sacheinlage nach § 19 Abs. 4 GmbHG nF vor; wegen des gleichwertigen und vollständigen Bereicherungsanspruchs der Beklagten aus der fehlgeschlagenen Voreinzahlung, der mit dem Anspruch der Insolvenzschuldnerin aus der Kapitalerhöhung konnex gewesen sei, sei die Klage aus § 19 Abs. 4 GmbHG unbegründet. Das OLG gab der Klage statt. Auf die Nichtzulassungsbeschwerden der Beklagten zu 1) und 2) und des Nebenintervenienten der Beklagten hob der BGH das Berufungsurteil auf und verwies die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurück.

Die Gründe:
Das OLG hat den Anspruch der Beklagten auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Der Erfolg der Rechtsverteidigung der Beklagten hängt von der Frage ab, ob bzw. in welcher Höhe die Bereicherungsforderung aus der fehlgeschlagenen Voreinzahlung gegen die Insolvenzschuldnerin im Zeitpunkt der Anmeldung der Kapitalerhöhung werthaltig war (§ 19 Abs. 4 S. 3, S. 5, § 56 Abs. 2 GmbHG). Es ist nicht auszuschließen, dass das OLG diese Frage anders beurteilt hätte, wenn es den Vortrag der Beklagten zur Kenntnis genommen hätte.

Die Voreinzahlung der GbR auf die Kapitalerhöhung hat nicht zum Erlöschen der Einlageforderung geführt. Im Ansatz zutreffend hat das OLG - im Anschluss an die wegen der aus § 19 Abs. 5 S. 1 GmbHG folgenden Subsidiarität rechtsfehlerhaften Prüfung des Eingreifens von § 19 Abs. 5 GmbHG - erkannt, dass hier ein Fall der verdeckten Sacheinlage nach § 19 Abs. 4 GmbHG in der Form des Hin- und Herzahlens vorliegt. Die GbR hat mit der zweiten, an sie zurückgeflossenen Einzahlung auf ihre Einlageverpflichtung aus der beschlossenen Kapitalerhöhung zu verdecken versucht, dass sie ihre Bereicherungsforderung gegen die Insolvenzschuldnerin aus der fehlgeschlagenen Voreinzahlung als Sacheinlage auf die Kapitalerhöhung eingebracht hat.

Hat der Gesellschafter auf eine geplante Kapitalerhöhung gezahlt, ist aber eine Tilgung seiner Einlageschuld dadurch nicht eingetreten, kann er seinen daraus resultierenden Bereicherungsanspruch als (offene) Sacheinlage einbringen. Geschieht das nicht, liegt eine verdeckte Sacheinlage i.S.d. § 19 Abs. 4 S. 1 GmbHG vor. Denn bei wirtschaftlicher Betrachtung wird die Einlage nicht durch Geldleistung, sondern durch Einbringung der Bereicherungsforderung des Gesellschafters erfüllt. Eine entsprechende Abrede wird bei einem engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang - wie im Streitfall gegeben - vermutet. Die (nochmalige) Zahlung des Einlagebetrages hat die Einlageforderung der Insolvenzschuldnerin ebenfalls nicht zum Erlöschen gebracht. Dieser Betrag ist auf Anweisung der Inferentin am selben Tag an sie zurückgeflossen, um ihren Bereicherungsanspruch gegen die Insolvenzschuldnerin zu erfüllen.

An der Rückzahlung an die GbR ändert der Umstand nichts, dass die Gesellschaft den Betrag nicht unmittelbar an die GbR, sondern auf deren Anweisung an die von den Beklagten beherrschte T-KG gezahlt hat, um die Darlehensverbindlichkeit der GbR gegenüber der T-KG zu erfüllen (§ 267 Abs. 1 S. 1, § 362 Abs. 2 BGB). Diese Art der gegenläufigen Überweisungen stellt keinen Fall des Hin- und Herzahlens nach § 19 Abs. 5 GmbHG, sondern eine verdeckte Sacheinlage in der Form des Hin- und Herzahlens nach § 19 Abs. 4 GmbHG dar. Die Bestimmung des § 19 Abs. 5 GmbHG betrifft nicht alle Fälle gegenläufiger Zahlungen, sondern nur solche, bei denen die Gesellschaft mit der Rücküberweisung einen - dazu noch vollwertigen und liquiden - Anspruch gegen den Gesellschafter erwirbt. Genau das war hier aber nicht der Fall.

Die Erfüllung der fortbestehenden Geldeinlagepflicht des Inferenten kann bei der vorliegenden "verdeckten verdeckten Sacheinlage" nur nach Maßgabe von § 19 Abs. 4 S. 3, S. 5, § 56 Abs. 2 GmbHG gelingen, d.h. wenn der Inferent nachweist, dass seine Bereicherungsforderung gegen die Gesellschaft im Zeitpunkt der Anmeldung der Kapitalerhöhung vollwertig, nämlich durch entsprechendes Vermögen der Gesellschaft vollständig abgedeckt war. Daran fehlt es, soweit eine Überschuldung der Gesellschaft vorgelegen hat. In der wiedereröffneten Berufungsverhandlung wird das OLG dem beweisbewehrten Vortrag der Beklagten zur Vollwertigkeit des Bereicherungsanspruchs im Zeitpunkt der Anmeldung der Kapitalerhöhung nachzugehen haben.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 07.09.2012 14:02
Quelle: BGH online

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