BGH 6.5.2014, II ZR 217/13

Zur Geltendmachung mehrerer Ansprüche durch Erhebung einer Teilklage sowie Hemmung der Verjährung aller Teilansprüche

An der ständigen BGH-Rechtsprechung, dass bereits die Erhebung einer Teilklage, mit der mehrere Ansprüche geltend gemacht werden, deren Summe den geltend gemachten Teil übersteigt, die Verjährung aller Teilansprüche hemmt und die Bestimmung, bis zu welcher Höhe bzw. in welcher Reihenfolge die einzelnen Teilansprüche verfolgt werden, nachgeholt werden kann, wird festgehalten. Die abweichende Rechtsprechung des XI. Zivilsenats zum Mahnbescheidsantrag bzw. diejenige des IX. Zivilsenats zur Forderungsanmeldung im Insolvenzverfahren beruht auf den Besonderheiten der jeweiligen Verfahren.

Der Sachverhalt:
Der Kläger war einer der Geschäftsführer der beklagten GmbH. Mit mehreren Schreiben hatten die Rechtsanwälte der Beklagten namens des Aufsichtsrates seit Dezember 2001 die Abberufung des Klägers sowie die fristlose Kündigung seines Geschäftsführerdienstvertrags aus wichtigem Grund erklärt. Mit der Klage hat der Kläger die Feststellung beantragt, dass das Dienstverhältnis durch die Kündigungen nicht aufgelöst sei, sondern fortbestehe. Die Beklagte hat mit der Widerklage u.a. beantragt, festzustellen, dass der Kläger verpflichtet ist, ihr einen Schaden bis zu einem Höchstbetrag von 1 Mio. € zu ersetzen.

Das LG hat die Klage abgewiesen, den Kläger aber zur Zahlung von 4.508 € verurteilt und unter Abweisung der weitergehenden Widerklage festgestellt, dass der Kläger verpflichtet ist, der Beklagten einen Schaden bis zu einem Höchstbetrag von 1 Mio. € zu ersetzen. Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt. Nach einem Hinweis des Berufungsgerichts hat die Beklagte hilfsweise beantragt festzustellen, dass der Kläger verpflichtet ist, der Beklagten einen Schaden bis zu einem Höchstbetrag von 5.368 € pro Kreditvertrag zu ersetzen.

Das OLG hat das Urteil des LG teilweise abgeändert und die Widerklage abgewiesen. Auf die Revision der Beklagten hat der BGH das Berufungsurteil insoweit aufgehoben, als die Widerklage mit dem Hilfsfeststellungsantrag abgewiesen worden war und die Sache im Umfang der Aufhebung zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das OLG zurückverwiesen.

Gründe:
Die Revision war nur beschränkt auf den Hilfsfeststellungsantrag zugelassen. Zu Unrecht hatte das Berufungsgericht den Hilfsfeststellungsantrag wegen Verjährung der geltend gemachten Ansprüche abgewiesen. Die Erhebung der unzulässigen Teilwiderklage mit dem Hauptfeststellungsantrag hat die Verjährung gehemmt, § 204 Abs. 1 Nr. 1 BGB.

An der ständigen BGH-Rechtsprechung, dass bereits die Erhebung einer Teilklage, mit der mehrere Ansprüche geltend gemacht werden, deren Summe den geltend gemachten Teil übersteigt, die Verjährung aller Teilansprüche hemmt und die Bestimmung, bis zu welcher Höhe bzw. in welcher Reihenfolge die einzelnen Teilansprüche verfolgt werden, nachgeholt werden kann, also "zurückwirkt", ist festzuhalten und sie war auch auf die hier vorliegende Teilfeststellungsklage anzuwenden. Die abweichende Rechtsprechung des XI. Zivilsenats zum Mahnbescheidsantrag bzw. diejenige des IX. Zivilsenats zur Forderungsanmeldung im Insolvenzverfahren beruht auf den Besonderheiten der jeweiligen Verfahren.

Dass ohne ausreichende Individualisierung der Einzelforderungen und genaue Aufteilung des geforderten Teilbetrages auf der Grundlage des Mahnbescheides kein der materiellen Rechtskraft fähiger Vollstreckungstitel ergehen können soll, betrifft nur das Mahnverfahren, aber nicht das Klageverfahren. Der Vollstreckungsbescheid, für den der Mahnbescheid die Grundlage ist, enthält keine weitere Individualisierung. Bei der Klage muss spätestens das Urteil als Vollstreckungstitel eine Individualisierung durch die Urteilsgründe enthalten. Das gilt auch für die Zuordnung von Teilansprüchen. Lediglich wenn der Kläger eine Aufschlüsselung bis zum Urteil nicht nachholt, erwächst ein Sachurteil nicht in materielle Rechtskraft.

Auch dass eine Individualisierung des Mahnbescheids durch Aufschlüsselung erforderlich sein soll, um dem Schuldner eine Beurteilung zu ermöglichen, ob er sich gegen den Anspruch ganz oder teilweise zur Wehr setzen will, betrifft nur das Mahnverfahren. Die Veränderungen durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz geben keinen Grund für eine Änderung der Rechtsprechung. Die Rechtslage hat sich nach der Neuregelung des Verjährungsrechts durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz nicht geändert.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 14.07.2014 14:16
Quelle: BGH online

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