1 / 2016

Dr. Götz Tobias Wiese, Rechtsanwalt und Steuerberater, Hamburg

Wichtige Themen des Unternehmenssteuerrechts 2016 - ein Ausblick

Eine Silvesteransprache Helmut Kohls kam bekanntlich dadurch zu gewissem Ruhm, dass sie im Folgejahr noch einmal gezeigt wurde. Ein Versehen, wie der Sender meinte. Eine Verschwörung, wie manche im Lager des Bundeskanzlers argwöhnten.

Was das mit diesem kleinen Beitrag zum Jahresauftakt 2016 zu tun hat? Nun, dieser Ausblick auf das Unternehmenssteuerrecht des Jahres 2016 ähnelt thematisch dem Beitrag des Vorjahres auf verblüffende Weise. Auch vor einem Jahr ging es um Erbschaftsteuer, BEPS und laufende Änderungen. Dass diese Themen jetzt wieder aufgegriffen werden, liegt schlicht am steuerlich wie politisch brisanten Stand der Dinge. Es tut sich was! Zwar wissen wir noch nicht in jedem Einzelfall, was „hinten ‘raus kommt”, um ein Bonmot des Altkanzlers aufzugreifen. Aber die Dinge konkretisieren sich: Bis zum 30.6.2016 muss das neue Erbschaftsteuerrecht im Bundesgesetzblatt stehen. Ab 2016 wird die Umsetzung des BEPS-Aktionsplans, der im November 2015 von der OECD und den Regierungschefs der G20 angenommen wurde, nicht nur das internationale Steuerrecht beeinflussen, sondern für die Unternehmenspraxis insgesamt von Bedeutung sein. Und das Jahressteuergesetz 2015 bringt ebenfalls Änderungen im Unternehmenssteuerrecht. Schließlich folgt noch ein Thema, das sich am Horizont bereits andeutet: Die Abgeltungsteuer. Bleibt sie? Mit welchen Sätzen? Wird sie abgeschafft? Und wie verhält es sich mit Streubesitzanteilen?


I. Update Erbschaftsteuer

Mit dem Urteil vom 14.12.2014 – 1 BvL 21/12, GmbHR 2015, 88 hat das BVerfG das Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz bekanntlich für gleichheitswidrig erklärt und dem Gesetzgeber aufgegeben, das Recht bis zum 30.6.2016 verfassungskonform auszugestalten. Noch wird auf politischer Ebene gerungen: Die Bundesregierung hat am 7.9.2015 ihren Gesetzentwurf in den Bundestag eingebracht (BT-Drucks. 18/5923). Am 25.9.2015 legte der Bundesrat dazu seine Stellungnahme vor (BR-Drucks. 353/15).

Einige Punkte werden seither auf technischer Ebene diskutiert: Die Bundesregierung strebt beim Verwaltungsvermögenstest (§ 13b Abs. 2 ErbStG) einen Systemwechsel an und will eine Abgrenzung begünstigungsfähigen unternehmerischen Vermögens vom sonstigen, nicht begünstigten Vermögen vornehmen. Dabei soll eine Hauptzweckprüfung erfolgen, die in der Praxis jedoch zu großer Rechtsunsicherheit führen dürfte. Der Bundesrat hält dagegen – m.E. zu Recht – am praxisbewährten Verwaltungsvermögenstest fest. Aus Verhandlungskreisen ist zu hören, dass sich der Bundesrat hier wohl durchsetzen wird.

Hingegen ist die Neuregelung der Verschonungsregelungen für mittlere und große Betriebsvermögen völlig offen. Einigkeit besteht augenscheinlich nur darin, die bisherigen Abschläge von 85 % (im Regelfall, § 13b Abs. 4 ErbStG) bzw. 100 % (bei Option, § 13a Abs. 8 Nr. 4 ErbStG) nur noch bis zur Höhe von 26 Mio. € zu gewähren. Für bestimmte Familienunternehmen soll unter – die Regelung praktisch völlig entwertenden – gewissen Voraussetzungen eine Schwelle von 52 Mio. € gelten. Darüber hinaus soll der Verschonungsabschlag nach dem Regierungsentwurf bis zur Höhe von 116 Mio. € (bzw. 142 Mio. € bei bestimmten Familienunternehmen) abschmelzen und bei Werten darüber hinaus nur noch 20 % (Regelfall) bzw. 35 % (Option) betragen; alternativ ist eine individuelle Verschonungsbedarfsprüfung vorgesehen. Nach der Stellungnahme des Bundesrates soll die Abschmelzung bereits bei Erwerben von 34 Mio. € bis auf Null erfolgen und darüber hinaus nur noch eine Verschonungsbedarfsprüfung möglich sein. Das heißt in jedem Fall: Nur noch bei Erwerben von bis zu 26 Mio. € bleibt die alte Verschonung bestehen. Darüber hinaus wird es drastisch schlechter, wenn nicht eine individuelle Verschonung möglich ist. Damit gewinnt die Bewertungsebene, die bei den geltenden Verschonungsregeln praktisch weniger relevant war, überragende Bedeutung.

Zudem steigt die Zahl der Betriebe, die von der Lohnsummenregelung (§ 13a Abs. 1 S. 2 u. Abs. 8 Nr. 1 ErbStG) erfasst werden: Die Freistellungsregelung des § 13a Abs. 1 S. 4 ErbStG soll nur noch bei Betrieben entfallen, die nicht mehr als drei Beschäftigte haben. Bei Betrieben von 4 – 10 bzw. 11 – 15 Beschäftigten sollen künftig verringerte Mindestlohnsummen gelten. Die Ausweitung des Lohnsummentests folgt dem Grunde nach den Vorgaben des BVerfG.

Vieles spricht also für eine Verschärfung des bestehenden Rechts, schon aus politischen Gründen. Oder kommt doch ein Niedrigsteuermodell ohne Ausnahmen für Betriebsvermögen? Finanzwissenschaftlich wäre dies sicher ein richtiger Schritt, den auch der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung befürwortet (Jahresgutachten 2015/16, 11.11.2015, S. 373 f.). Bei niedrigen Steuersätzen und langfristiger Stundungsmöglichkeit wären Verschonungen weitgehend verzichtbar. In die politische Diskussion ist im November 2015 noch einmal Bewegung gekommen, und die Regierungsfraktionen lassen Niedrigsteuermodelle vom BMF durchrechnen. So wünschenswert und richtig ein Flat Tax Modell wäre: Der Finanzminister hat sich bislang dem „minimalinvasiven Eingriff” verschrieben. Eine weitergehende Reform käme einer Sensation gleich.


II. Update BEPS (Base Erosion and Profit Shifting)

Eine beeindruckende politische Kraftanstrengung ist in den letzten drei Jahren der OECD gelungen, die ein Maßnahmenpaket gegen Steuervermeidung im grenzüberschreitenden Bereich vorgelegt hat. Die G20-Regierungschefs haben am 15./16.11.2015 den entsprechenden Abschlussbericht des BEPS-Projekts (Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung) angenommen. Die OECD hat eine eine deutschsprachige Zusammenfassung zu den 15 Aktionspunkten veröffentlicht, die jetzt umgesetzt werden sollen (www.oecd.org/ctp/beps-erlauterung-2015.pdf).

Der OECD geht es vor dem Hintergrund der technologischen Entwicklung insbesondere um die Vermeidung doppelter Nichtbesteuerung. Ziel ist es, die Regelungen des internationalen Steuerrechts besser aufeinander abzustimmen. Der Wertschöpfung in Konzernen mit eng verflochtenen Gesellschaften soll mehr Aufmerksamkeit zukommen, um so gegen die Verlagerung von Gewinnen und Besteuerungssubstrat vorzugehen. Mindeststandards sollen schädliche Gestaltungen vermeiden. Im Vordergrund stehen gleiche Wettbewerbsbedingungen durch konsistente Maßnahmen in den Bereichen Treaty Shopping, länderbezogene Berichterstattung, Bekämpfung schädlicher Steuerpraktiken und Verbesserung der Streitbeilegung. Namentlich werden insbesondere Verrechnungspreisleitlinien, Zinsabzugsschranken, hybride Gestaltungen, die künstliche Vermeidung von Betriebsstätten und die Regeln der Hinzurechnungsbesteuerung genannt. Dabei wird auch die Einrichtung eines „multilateralen Instruments” erwogen, mit dem die Staaten bestehende DBAs schnell ergänzen können. In der Praxis sollen alle BEPS-Maßnahmen fortlaufend überwacht und ausgewertet werden.

Das BEPS-Projekt ist von herausragender Bedeutung. Mit der Umsetzung des BEPS-Maßnahmenpakets soll schon 2016 begonnen werden. Viele Grundsätze, die im BEPS-Bericht angesprochen sind, beherzigt Deutschland seit Jahrzehnten. Aber einige zusätzliche Maßnahmen zeichnen sich doch ab:

  • Betriebsausgabenabzugsverbote: Der Gesetzgeber hatte bereits 2014 erwogen (Entwurf des ZollkAnpG vom 7.11.2014, BR-Drucks. 432/14), mit einem neuen § 4 Abs. 5a EStG-E den Betriebsausgabenabzug im Inland bei hybriden Gestaltungen zu verhindern. Nach dem Abschluss der BEPS-Verhandlungen wird diese Änderung jetzt aller Voraussicht nach kommen. Auch ein Abzugsverbot für Zahlungen an ausländische IP-Boxen wird erwogen, ggf. vorbehaltlich einer internationalen Regelung.

  • Offenlegung „aggressiver Steuergestaltung”: Das BMF prüft, ob eine Offenlegungspflicht für „aggressive Steuerstrukturen” empfehlenswert ist. Naturgemäß ist die Bestimmbarkeit das zentrale Problem einer abstrakten Offenlegungsliste.

  • Verrechnungspreisdokumentation und länderbezogene Berichterstattung: Hier sollte die Bundesregierung große Sorgfalt walten lassen. So wichtig und verständlich es ist, die Aufteilung des Steuersubstrats an Wertschöpfungsbeiträge zu knüpfen, so ist doch zur Zeit noch völlig offen, wie die Beiträge ermittelt werden können. Das Konfliktpotential eines Country-by-Country Reporting liegt auf dem Tisch: Deutschland als Land mit Industrie-know-how und Exportüberschüssen muss seine Interessen gegenüber Schwellen- und Niedriglohnländern, in denen Konzerngesellschaften und Konsumenten sitzen, wahren. Entscheidend wird sein, ob es gelingt, einheitliche und verbindliche Kriterien zwischen den Staaten abzustimmen.

In jedem Falle ist über die nationale Ebene hinaus mit der Anpassung des OECD-Musterabkommens, mit der Erarbeitung eines „multilateralen Instruments” (s.o.) und mit einer möglichen EU-Richtlinie zur Umsetzung diverser Aktionspunkte des BEPS-Maßnahmenpakets zu rechnen. Eigentlich hat BEPS jetzt erst richtig begonnen.


III. Steueränderungsgesetz 2015

Das Steueränderungsgesetz 2015 vom 2.11.2015 (BGBl. I 2015, 1834) ist dagegen überschaubar. Hervorzuheben ist neben Verbesserungen bei der Konzernklausel des § 8c KStG vor allem die Änderung des UmwStG mit einer „Lex Porsche”, die Gegenleistungen bei steuerneutralen Einbringungen begrenzt: Künftig dürfen sonstige Gegenleistungen nur noch (i) 25 % des Buchwerts des eingebrachten Betriebsvermögens oder (ii) 500.000 €, höchstens jedoch den Buchwert des eingebrachten Betriebsvermögens bzw. der eingebrachten Anteile, betragen. Diese Neuregelung soll für alle Fälle ab dem 31.12.2014 gelten.


IV. Ausblick: Abgeltungsteuer und Streubesitz

Ein kleiner Ausblick über das Jahr 2016 hinaus erlaubt uns auch, die Abgeltungsteuer (§ 32d EStG) und Veräußerungsgewinne bei Streubesitzanteilen (§ 8b Abs. 4 KStG) zu erwähnen. Hier bestehen Begehrlichkeiten: Systembrüche, die der Gesetzgeber zu verantworten hat, sollen jetzt, je nach politischer Couleur, ausgenutzt werden. Die Abgeltungsteuer auf Dividenden ist im Hinblick auf das körperschaftsteuerliche Nulleinkünfteverfahren angemessen, eine innere Rechtfertigung bei Zinseinkünften besteht dagegen nicht in gleichem Maße. Die Besteuerung von Streubesitzeinkünften von Kapitalgesellschaften ist ein völliger Systembruch und gehört abgeschafft. Voraussichtlich wird dies aber 2016 (noch) nicht geschehen. Der Gesetzgeber sollte auch hier auf Konsistenz achten.

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LATHAM & WATKINS LLP. Der Autor ist Mitglied des Herausgeber-Beirats der GmbH-Rundschau, Lehrbeauftragter an der Bucerius Law School und geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Hamburger Forums für Unternehmensteuerrecht e.V.

Verlag Dr. Otto-Schmidt vom 20.09.2016 14:38