6 / 2016

Dr. Martin Nentwig, Rechtsanwalt, Berlin

Abführung von Krankenversicherungsbeiträgen für Arbeitnehmer in der Krise einer GmbH - strafbar oder zwingend geboten?

I. Einleitung

Die Frage der Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen im Rahmen der Krise einer GmbH ist für einen Geschäftsführer vor dem Hintergrund einer potentiellen persönlichen Haftung gemäß § 64 S. 1 GmbHG von großer Relevanz. Erschwert wird die Pflichtenlage des Geschäftsführers durch die drohende Strafbarkeit gemäß § 266a Abs. 1 StGB wegen mangelnder Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen. Im Rahmen dieser zivil- und strafrechtlichen Pflichtenkollision stellt sich im Hinblick auf die Abführung der Beiträge zur Krankenversicherung das Sonderproblem, ob und inwieweit diese auch im Hinblick auf freiwillig gesetzliche und privat krankenversicherte Arbeitnehmer gilt. Vor diesem Hintergrund ist nachfolgend ist zu klären, ob die Abführung der Krankenversicherungsbeiträge für freiwillig gesetzlich bzw. privat krankenversicherte Arbeitnehmer einer GmbH nach Eintritt der Insolvenzreife eine unzulässige Zahlung gemäß § 64 S. 1 GmbHG darstellt.

II. Unzulässige Zahlung gemäß § 64 S. 1 GmbHG

Ausgehend vom Urt. des BGH v. 25.1.2011 – II ZR 196/09, GmbHR 2011, 367 m. Komm. Poertzgen, Rz. 17 (vgl. hierzu Nentwig, GmbHR 2011, 346 [347 f.]) könnte eine unzulässige Zahlung gemäß § 64 S. 1 GmbHG deswegen verneint werden, weil sich der Geschäftsführer ggf. in einer Pflichtenkollision befindet, also bei fehlender Zahlung der vom Arbeitgeber zu zahlenden Beiträge für die freiwillig gesetzliche bzw. private Krankenversicherung strafbar macht.

III. Fazit

Auf Basis der vorstehenden Erkenntnisse kann im Hinblick auf die Abführung von Krankenversicherungsbeiträgen für freiwillig gesetzliche und privat krankenversicherte Arbeitnehmer folgendes Fazit gezogen werden:

1. Durch die Abführung von Beitragszuschüssen (Arbeitgeberanteil) für freiwillig gesetzlich bzw. privat Krankenversicherte nach Insolvenzreife unterliegen die Geschäftsführer dem Risiko einer Haftung gemäß § 64 S. 1 GmbHG.

2. Die Abführung des Arbeitnehmeranteils für freiwillig gesetzlich Krankenversicherte kann aufgrund der mangelnden Strafbarkeit bei Nicht-Abführung gemäß § 266 Abs. 1 Alt. 2, § 266a Abs. 1 StGB ebenfalls eine unzulässige Zahlung gemäß § 64 S. 1 GmbHG darstellen.

3. Im Hinblick auf die Strafbarkeit gemäß § 266a Abs. 3 StGB sollte das Unterlassen der weiteren Zahlung von Beitragszuschüssen (Arbeitgeberanteil) sowie Arbeitnehmeranteilen für freiwillig gesetzlich bzw. privat Krankenversicherte unverzüglich den jeweiligen Arbeitnehmern angezeigt werden.

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Verlag Dr. Otto-Schmidt vom 20.09.2016 14:36