7 / 2016

Dr. Ulrich Brötzmann, Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, Mainz

Ein Zeugnis für den GmbH-Geschäftsführer

Die Literatur behandelt den Zeugnisanspruch eines GmbH-Geschäftsführers relativ knapp und zugleich bejahend im Zusammenhang mit der Beendigung des Anstellungsvertrags; die Anzahl der Urteile dazu ist sehr überschaubar. Dies wird daran liegen, dass die Praxis sich dem Wunsch eines Geschäftsführers auf Ausstellung eines Zeugnisses in der Regel nicht verschließen wird oder ein ausscheidender Geschäftsführer im Zweifel nicht den Weg eines Zeugnisrechtsstreits begehen möchte; der Geschäftsführer fühlt sich als Unternehmer. Im Folgenden eine Standortbestimmung:

I. Dienstvertrag

Nach der sog. Trennungstheorie ist grundsätzlich zwischen dem organschaftlichen Akt der Bestellung und der schuldrechtlichen Beziehung zwischen der GmbH und dem Geschäftsführer zu unterscheiden. Die schuldrechtlichen Beziehungen werden meist in einem gesonderten Vertrag geregelt; dies ist auch üblich, wenn der Geschäftsführer selbst Gesellschafter ist. Bei entgeltlicher Tätigkeit ist der Geschäftsführeranstellungsvertrag ein Geschäftsbesorgungsvertrag, auf den die Regeln des Dienstvertrags anzuwenden sind (Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl. 2012, Anh. § 6 Rz. 2 f.; Stück, GmbHR 2006, 1009 [1012]). Dies gilt ebenso für den abhängigen Fremdgeschäftsführer (Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl. 2012, Anh. § 6 Rz. 3). Ob der GmbH-Geschäftsführer und auch der Geschäftsführer, der lediglich Minderheitsgesellschafter ist, infolge der EuGH-Rspr. unionsrechtlich als Arbeitnehmer einzuordnen ist, kann an dieser Stelle dahingestellt bleiben. An dem Ergebnis der folgenden Ausführungen wird sich deshalb vor diesem Hintergrund nichts ändern. Die Pflicht zur Zeugniserstellung ergibt sich aus § 630 BGB, zu unterscheiden von dem Zeugnisanspruch nach § 109 GewO, der vom Wortlaut her nur auf Arbeitnehmer Anwendung findet. Das Zeugnis gibt Auskunft über Art und Dauer der ausgeübten Tätigkeit sowie ggf. über die persönliche und fachliche Qualifikation des Dienstverpflichteten. Folglich stellt es eine wichtige Unterlage für die weitere berufliche Zukunft und das berufliche Fortkommen dar. Zugleich dient das Zeugnis dem potentiellen Dienstberechtigten als Entscheidungsgrundlage für eine mögliche Einstellung (Belling in Erman, BGB, 14. Aufl. 2014, § 630 Rz. 1).

II. Gesetzliche Grundlage

§ 630 BGB umfasst grundsätzlich Dienste jeder Art. Darunter fallen u.a. Ein-Unternehmen-Handelsvertreter, angestellte Handelsvertreter und schließlich Organmitglieder juristischer Personen wie GmbH-Geschäftsführer (Belling in Erman, BGB, 14. Aufl. 2014, § 630 Rz. 3).

Davon ausgenommen sollen nach einer Interpretation der Entscheidung des II. Senats des BGH v. 9.11.1967 – II ZR 64/67, BGHZ 49, 30 = GmbHR 1968, 12 GmbH-Geschäftsführer sein, die zugleich Gesellschafter sind. Der BGH unterscheidet zum einen nicht zwischen Gesellschaftern, sei es Minderheits-, Mehrheitsgesellschafter oder Gesellschafter mit entscheidendem Einfluss, zum anderen lässt der BGH in seinem Urteil es zunächst unentschieden, zum anderen widersprüchlich, bejaht er wohl, dass ein Anspruch nur einem Nichtgesellschafter zusteht, der zum Geschäftsführer bestellt und als solcher angestellt worden ist. Soweit der BGH sich somit positioniert haben sollte, wird diese Rechtsauffassung, soweit ersichtlich, von der h.M. nicht (mehr) geteilt. Selbst der Hinweis auf die Rspr. des BGH (aaO) mit diesem Tenor erscheint unpräzise, denn der BGH führt aus, dass in dem streitbefangenen Verfahren nicht zu entscheiden sei, ob ein Gesellschafter-Geschäftsführer Anspruch auf Erteilung eines Zeugnisses hat, sondern nur, ob ein solcher Anspruch einem Nichtgesellschafter zustehe, der zum Gesellschaftsführer bestellt und als solcher angestellt worden ist. Aus diesen Ausführungen des II. Senats wird hinlänglich der Schluss gezogen, dass nach dem BGH für Gesellschafts-Geschäftsführer kein Zeugnisanspruch bestehen würde. Etwas isoliert findet sich jedoch dann der Nachfolgesatz, nach dem der BGH diese Frage zu bejahen scheint.

III. Der Geschäftsführer und Mitgesellschafter

1. Soweit ein Geschäftsführer auch Gesellschafter ist, ergibt sich zweifelsfrei eine besondere Pflichtenbindung. Ihn trifft beispielsweise als geschäftsführenden Gesellschafter die besondere Pflicht zur loyalen Befolgung von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung und eine Treuepflicht gegenüber den Mitgesellschaftern (BGH v. 14.9.1998 – II ZR 175/97, GmbHR 1999, 186).

Aus der Treuepflicht kann sich ferner eine mitgliedschaftliche Unterlassungspflicht zum Wettbewerb ergeben, zwar nicht allgemein, sondern nur, wenn das Wettbewerbsverbot vertraglich vereinbart ist oder wenn der betreffende Gesellschafter einen bestimmenden Einfluss auf die Gesellschaft ausübt – etwa als geschäftsführender Gesellschafter. Eine 50 %-Beteiligung soll selbst dafür nicht ausreichen. (Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl. 2012, § 14 Rz. 25 f.; OLG Karlsruhe v. 6.11.1998 – 15 U 179/97, GmbHR 1999, 539).

2. Beim Erwerb von Unternehmen durch Finanzinvestoren (Private-Equity-Unternehmen) etwa wird durchaus üblicherweise dem Management des erworbenen Unternehmens eine gesellschaftsrechtliche Minderheitsbeteiligung eingeräumt. In den den Entscheidungen des BGH v. 19.9.2005 – II ZR 342/03, GmbHR 2005, 1561 m. Komm. Hinderer [1] u. Sinewe [2] sowie v. 19.9.2005 – II ZR 173/04, GmbHR 2005, 1558 m. Komm. Hinderer [1] u. Sinewe [2] zugrundeliegenden Sachverhalten handelte es sich um die Managementbeteiligung eines Elektronikfilialisten; das Konzept sieht vor, dass für jeden Elektronikfachmarkt eine eigene GmbH gegründet wird, an der der jeweilige Filialleiter als Minderheitsgesellschafter beteiligt wird. Der Filialleiter ist gleichzeitig einer von idR. zwei Geschäftsführern der betreffenden GmbH. Die Minderheitsbeteiligung der Filialleiter soll deren enge Bindung an das Unternehmen und ein größeres Interesse an den Gewinnen des Unternehmens bewirken.

In diesem Zusammenhang hat der BGH keine Bedenken gegen Satzungsklauseln, nach deren in einer GmbH, in der alle Gesellschafter persönlich und vereinzelt auch als Geschäftsführer mitarbeiten, ein Geschäftsanteil eingezogen werden kann, wenn der betreffende Gesellschafter nicht mehr in dem Gesellschaftsunternehmen tätig ist. Selbst im Rahmen eines „Managermodells” kann der Geschäftsführer einer GmbH wirksam verpflichtet werden, seinen ihm mit Rücksicht auf seine Geschäftsführerstellung überlassenen Geschäftsanteil nach Beendigung seiner Geschäftsführertätigkeit zurück zu übertragen (BGH v. 19.9.2005 – II ZR 173/04, GmbHR 2005, 1558 m. Komm. Hinderer [1] u. Sinewe [2]). Daraus ist abzuleiten, dass auch der Gesellschafter-Geschäftsführer seine Tätigkeit auf der Grundlage eines Dienstvertrags erbringt und seinen Gesellschaftsanteil zumindest bei den genannten Management-Anteilen dispositiv ist. Die Rückübertragungsverpflichtung wird zudem nicht als eine unzulässige Kündigungserschwerung angesehen. Der Geschäftsanteil ist somit im schuldrechtlichen Sinne ein Anteil – pointiert formuliert – ohne rechtlichen Wert; die wirtschaftliche Abhängigkeit wird dadurch dokumentiert.

3. Zudem steht auf der Grundlage der jüngeren BSG-Rspr. der Minderheitsgesellschafter sozialversicherungsrechtlich in einem Beschäftigungsverhältnis (BSG v. 11.11.2015 – B 12 KR 13/14, GmbHR 2016 – erscheint demnächst). In dem dem BSG zugrundeliegenden Sachverhalt war die Klägerin mit 40 % an der Gesellschaft beteiligt. Auch in dem zweiten vom BSG entschiedenen Fall war der Geschäftsführer über eine bloße Minderheitsbeteiligung ohne gesellschaftsvertraglich begründete Sperrminorität tätig. Im Übrigen hat LSG Bayern v. 23.11.1015 – L 7 R 173/14 entschieden, dass eine Versicherungspflicht (Beschäftigungsverhältnis) auch dann bestehe, wenn der Minderheitsgesellschafter-Geschäftsführer „Kopf und Seele” des Unternehmens sei. Mindestens bei Minderheitsgesellschaftern wird somit sozialversicherungsrechtlich von einem Beschäftigungsverhältnis auszugehen sein, so dass in seiner Allgemeinheit Gesellschafter-Geschäftsführer von keinem rechtlichen Gesichtspunkt aus vom Zeugnisanspruch ausgeschlossen werden können. Minderheitsgesellschafter einer GmbH sind alle Personen, die an der GmbH einen Anteil von weniger als 50 % halten. Mit dieser geringen Beteiligung verfügen sie naturgemäß über keine entscheidende Rechtsmacht und können keine Beschlüsse verhindern, z.B. nicht die eigene Entlassung. Daraus ergibt sich das Lösungsmodell der Stimmrechtsbindung, womit die 50 %-Hürde überwunden werden soll und eine Sperrminorität geschaffen wird. An dieser Stelle nicht zu vertiefen ist, wie diese Stimmrechtsbindungsregelungen zu gestalten sind.

4. Jeder Geschäftsführer, insofern wird auf § 630 BGB verwiesen, auch der beherrschende Gesellschafter-Geschäftsführer, hat somit einen Anspruch auf Zeugniserteilung (Kleindiek in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 18. Aufl. 2012, § 14 Rz. 29, 48; Marsch-Barner/Diekmann in Münch.Hdb.GesR, Bd. III: GmbH, 4. Aufl. 2012, § 43, Rz. 59, m.w.N.; OLG München v. 18.4.2012 – 7 U 3882/11, GmbHR 2012, 852; KG Berlin v. 6.11.1978 – 2 U 2290/78, BB 1989, 988).

Auch der Unternehmer-Geschäftsführer muss, obwohl von ihnen im Falle einer beruflichen Veränderung nicht durchweg die Vorlage eines Zeugnisses erwartet werden wird, im Interesse des Fortkommens eine Bewertung der Leistung durch die Gesellschaft erlangen können (Paefgen in Ulmer/Habersack/Löbbe, GmbHG, 2. Aufl. 2014, § 35 Rz. 244, m.w.N.).

Aus dem Status eines Geschäftsführer-Gesellschafters ergeben sich somit zwar besondere Pflichten aus seiner gesellschaftsrechtlichen Stellung, sie vermögen jedoch nicht einen Zeugnisanspruch überzeugend zu verneinen.

IV. Zuständigkeit

Die Zeugniserteilung obliegt dem Anstellungsorgan. Viele GmbHs verfügen neben der Gesellschafterversammlung auch über einen Beirat, der unterschiedliche Aufgaben wahrnehmen kann und insofern wird zwischen einem schuldrechtlichen und einem organisationsrechtlichen Beirat unterschieden. Die Satzungsfreiheit erlaubt weitgehende Kompetenzverlagerung von den Geschäftsführern und der Gesellschafterversammlung auf den Beirat. Somit kann auch der Beiratsvorsitzende ein Zeugnis des Geschäftsführers ausstellen, sofern ihm entsprechende Kompetenzen im Hinblick auf den Anstellungsvertrag beispielsweise übertragen sind. Allerdings kann der Geschäftsführer die Ausstellung des Zeugnisses durch einen Mitgeschäftsführer oder von einem Prokuristen ablehnen (Schneider in Rowedder/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 5. Aufl. 2013, § 35, Rz. 244).

Verlag Dr. Otto-Schmidt vom 20.09.2016 14:35