8 / 2016

Dr. Hans-Martin Schmidt, Köln

Mein Großvater, Dr. Otto Schmidt, Gründer der Centrale für GmbH und des Verlages Dr. Otto Schmidt, vor 150 Jahren geboren

Er hatte einen Sohn und drei Töchter, von seinen 12 Enkeln war ich der erste männliche; ich (Jg. 1929) habe ihn noch bewusst wahrgenommen. Zum 100. Geburtstag von Dr. Otto Schmidt im Jahre 1966 schrieb ich in einer Familien-Festschrift: „Ich kann mich an seine Gestalt, seine Augen und an seine Stimme durchaus noch erinnern; zum letzten Mal – glaube ich – sah ich ihn am 20.7.1944 in Lahr/Königswinter; er verfolgte mit angespanntestem Interesse und zwiespältiger Unruhe die Nachrichten über das Attentat auf Hitler.” Wir waren „gut Freund” auf gemeinsamen Spaziergängen um den Lohrberg. Wir wechselten auch eine Reihe von Briefen; möglicherweise stammt sein letzter vom 16.11.1944, in dem es heißt: „Was Deine Zukunft anbetrifft, so habe ich den Wunsch, dass es Dir vergönnt sein möge, etwas zu lernen, und zwar recht viel. Bei Fleiß, Zuverlässigkeit und Anständigkeit wirst du dann durchs Leben kommen.” Großvater starb am 20.3.1945 im Keller seines Hauses im Siebengebirge, während die Angriffe der Amerikaner auf Ittenbach hin- und herwogten und das Haus dem Artilleriefeuer immer wieder neu ausgesetzt war. Und am Schluss meines damaligen Beitrages resümierte ich, nachdem ich acht Jahre in seinem Unternehmen gearbeitet hatte: „Wenn die Begründung eines Großvater-Enkel-Verhältnisses überhaupt je zur Debatte stünde, würde ich sofort zugreifen. Ich würde auch deshalb heute mit vollem Bewusstsein zugreifen, weil ich gerne das von ihm gegründete Werk mitbewahren, fortführen, ausweiten würde. Das nämlich, was bei Begründung des natürlichen Großvater-Enkel-Verhältnisses noch in keiner Weise abzusehen war – die Lust am Recht, am Buch und am Geschäft –, ist jetzt da. Dass ich dieser Lust in dieser für mich geradezu idealen Konstellation und mit dieser Verantwortungsbreite frönen kann, das habe ich in erster Linie Opa zu danken.”

Wer war dieser – am 18.4.1866 geborene – großväterliche Mensch, dem ich damals die Eigenschaften „familienbewusst und gastfreundlich, national und ,moralisch‘ denkend, eigenständig und uneitel, auf Gesundheit bedacht” zuschrieb? Dem sind wir schon beim 100. Geburtstag intensiv nachgegangen (GmbHR 1966, 70 ff.):

Sein Sohn, mein Onkel Dr. Otto Schmidt d.J. (u.a. langjähriger Vorsitzender des Finanzausschusses des Deutschen Bundestages), beschrieb die 39 Jahre seines Vaters vor der Gründung der Centrale für GmbH im Jahre 1905 (hier zusammengefasst) so: Als 12jähriges Waisenkind wird er in Barmen von seiner älteren Schwester, einer „Kleinkinderlehrerin”, erzogen. Nach dem Schulabgang wird er Postgehilfe und Gerichtsschreiber, studiert mithilfe eines Mäzens Volkswirtschaft in Rostock und promoviert in Leipzig. Nach einer Tätigkeit als Handelskammersekretär in Konstanz strebt er in die Selbstständigkeit und gründet die genossenschaftlich organisierte Annoncen-Expedition des Deutschen Inserentenverbandes GmbH, die sich aber gegen die großen Expeditionen, Mosse an der Spitze, nicht halten kann. 1905 überträgt er alle seine Erfahrungen auf die Interessenlage der GmbH. Die preußische Regierung beabsichtigt, die GmbH der AG gleichzustellen, d.h. neben den Gesellschaftern, die ihr Einkommen aus der Gesellschaft bisher schon zu versteuern hatten, sollen auch die Gesellschafter als solche zur Einkommensteuer herangezogen werden. Mit Versammlungen, Eingaben und Denkschriften, Centrale-Mitteilungen und später der Rundschau für GmbH führt Otto Schmidt mit der Centrale für GmbH zunächst hunderte und dann bis zu 5.000 GmbH zusammen.

Ich selbst habe meinem Großvater bei seinem 100. Geburtstag (in GmbHR 1966, 73 ff.) und zum 75. Jubiläum der Centrale für GmbH im Jahre 1980 (in Pro GmbH, S. 9 ff.) Denkmäler gesetzt. Mein Resümee lautete: „Die Ziele des Gründers für seine Centrale für GmbH, Interessenwahrnehmung für die GmbH, Beratung in allen die GmbH als solche betreffenden Rechts- und Steuerangelegenheiten, zweckentsprechende Veröffentlichungen zur GmbH, sind im Wesentlichen gleich geblieben. Die Centrale für GmbH, ungewöhnlicherweise ein Unternehmens- und Beraterverband in Unternehmensform, hat sich vom Kampfbund der ersten Jahre zu einer Interessengemeinschaft entwickelt, in der die Informationszentrale, auch für Berater, insbesondere mithilfe des schon 1919 selbstständig gewordenen Verlages mehr und mehr Gewicht bekommen hat.”

Als die Dienstleistungen der Centrale für GmbH im Jahre 2005 100 Jahre alt wurden, habe ich meinem Großvater die Rolle eines Adoptivvaters der GmbH zugeschrieben (GmbHR 2005, R1 [R2]): „Die Adoption der 13jährigen GmbH durch den 39jährigen Dr. Otto Schmidt und die 1905 von ihm gegründete Centrale für GmbH hat dem Wohl der ,minderjährigen‘ GmbH sehr gedient. Gerade die personenbezogene, der Kommanditgesellschaft nahestehende GmbH, deren ,Vater‘, Wilhelm von Oechelhäuser, schon 1902 gestorben war, bedurfte dringend des Schutzes vor einem zugreifenden Fiskus, gerade die ganz neuartige Gesellschaftsform GmbH war auf wissenschaftlich fundierte Auslegung und kompetente Beratung angewiesen. Wenn auch die Annahme an Kindes statt primär ein Mittel der Fürsorge für elternlose und verlassene Kinder sein soll, so ist doch auch die Aufrechterhaltung des ,Eltern-Kind-Verhältnisses‘ im Erwachsenenalter des adoptierten ,Kindes‘ von nicht zu unterschätzender Bedeutung: Auch die ,mündige‘ GmbH konnte die nicht bevormundende, aber doch fachkundige Begleitung in den Jahrzehnten vor und nach dem 2. Weltkrieg sehr gut gebrauchen, sowohl die weitere Unterstützung im Streit mit einem auf Mehreinnahmen und auf Perfektion bedachten Gesetzgeber, als auch die Orientierung angesichts einer immer differenzierter und komplizierter werdenden Rechtsprechung und Meinungsbildung im Schrifttum.”

Auch als juristischer Verleger hat Dr. Otto Schmidt Fachliteratur-Geschichte geschrieben. Nur zwei seiner „Geniestreiche” seien erwähnt: Der 1914 erschienene Kommentar zum Preußischen EStG des Vorsitzenden Richters am RFH Mrozek hat bis heute seine Fortsetzung im Kommentar zum EStG und KStG von Herrmann/Heuer/Raupach (273. Lfg., 10 Bände) gefunden; der 1928 veröffentlichte Kommentar zum GmbH-Gesetz des OVG-Richters Scholz (ich habe ihn 1958 in Berlin mit zu Grabe getragen) hat gerade die 11. Auflage (3 Bände) erlebt. Meine Botschaft zum 150. Geburtstag: Der Adoptivvater Dr. Otto Schmidt hat sich um das Wohl seiner Adoptivtochter GmbH, aber auch um das Wohl des rechts- und steuerwissenschaftlichen Schrifttums, verdient gemacht!

Verlag Dr. Otto-Schmidt vom 20.09.2016 14:35