02 / 2017

Volker Stück, Aschaffenburg

Aktuelle rechtliche Aspekte kritischer Personalgespräche

 

I. Einleitung

In Zeiten permanenter und immer rasanterer wirtschaftlicher wie technischer Veränderungen, Restrukturierungen bzw. Transformationen, geänderter Anforderungsprofile und wachsenden Leistungserwartungen bei möglichst sinkenden Preisvorstellungen sowie steigenden Compliance Anforderungen müssen Geschäftsführer, Führungskräfte oder Personaler häufig mit ihren Mitarbeitern Personalgespräche führen, die auch „unangenehme” Inhalte haben können. Die rechtlichen Rahmenbedingungen derartiger Gespräche werden hier kurz vorgestellt werden, da ihnen immanent ist, insbesondere im bereits belasteten Arbeitsverhältnis, ein juristisches Nachspiel zu haben (dazu Stück, MDR 2016, 1061 ff.).


II. Rechtsgrundlagen

Personalgespräche sind nur rudimentär gesetzlich geregelt bzw. es ergeben sich entsprechende Pflichten oder Obliegenheiten aus der Rechtsprechung. Die wichtigsten gesetzlichen oder richterrechtlichen Grundlagen, die kritische Personalgespräche selbst betreffen oder damit in enger Verbindung stehen, sind:

  • § 81 Abs. 4 S. 3 BetrVG: Anforderungsanpassungsgespräche auf Initiative des Arbeitgebers.

  • § 82 Abs. 2 S. 2 BetrVG: Leistungsbeurteilungs-/Entwicklungsgespräche auf Initiative des Arbeitnehmers.

  • § 83 Abs. 1 S. 2 BetrVG: Einsichtsrecht in Personalakte auf Initiative des Arbeitnehmers.

  • § 84 Abs. 1 S. 2 BetrVG: Beschwerderecht des Arbeitnehmers.

  • Vor Aussprache jeder Verdachtskündigung hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer Gelegenheit zu geben, zu den Vorwürfen aus seiner Sicht Stellung zu nehmen, d.h. ihn anzuhören (sog. Reinigungsgespräch). Dies ist Wirksamkeitsvoraussetzung einer Verdachtskündigung, die ein selbständiger Kündigungstypus ist. Das BAG hält es grundsätzlich nicht für erforderlich, den Arbeitnehmer vor Durchführung einer Anhörung über den beabsichtigten Gesprächsinhalt zu unterrichten (BAG v. 12.2.2015 – 6 AZR 845/13, MDR 2015, 1016).

  • Gespräche im Rahmen unternehmensinterner Ermittlung zur Aufklärung von Compliance Verstößen (z.B. Korruptionsfälle) und ggf. zur Vorbereitung einer verhaltensbedingten Kündigung (Rudkoswki, NZA 2011, 612 ff.).

  • Ob vor Aussprache einer Abmahnung (§ 314 Abs. 2 BGB) der Arbeitnehmer angehört werden muss, wird nicht einheitlich beantwortet, ist aber zu verneinen, wenn nicht eine kollektive Regelung (Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag), z.B. § 13 Abs. 2 S. 1 BAT dies verlangt (BAG v. 21.5.1992 – 2 AZR 551/91, DB 1992, 2143)

  • Bei schwerbehinderten Arbeitnehmern (§ 2 SGB IX) oder Gleichgestellten (§ 2 Abs. 3 SGB IX) hat der Arbeitgeber nach der Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG bereits bei Eintreten von personen-, verhaltens- oder betriebsbedingten Schwierigkeiten im Arbeits- oder sonstigen Beschäftigungsverhältnis, die zur Gefährdung dieses Verhältnisses führen können ein Präventionsverfahren (§ 84 Abs. 1 SGB IX) einzuleiten, also bevor er arbeitsrechtliche Maßnahmen ergreift – „Prävention und Rehabilitation vor Entlassung” (BAG v. 21.4.2016 – 8 AZR 402/14, NZA 2016, 1131).

  • Bei allen Beschäftigten, die im letzten Jahr länger als sechs Wochen arbeitsunfähig waren, hat der Arbeitgeber ein betriebliches Eingliederungsmanagement (§ 84 Abs. 2 SGB IX) einzuleiten. Das betriebliche Eingliederungsmanagement findet nicht statt, wenn der über das Verfahren ordnungsgemäß zu informierende Arbeitnehmer dies ablehnt (Stück, MDR 2010, 1235 ff.; BAG v. 20.11.2014 – 2 AZR 755/13, MDR 2015, 778).

  • Fehlzeiten-/Krankenrückkehrgespräche: Formalisierte Krankengespräche zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern unterliegen grundsätzlich, da ein kollektiver Bezug zur betrieblichen Ordnung und zum Arbeitsverhalten gegeben ist – auch bei Freiwilligkeit –, der Mitbestimmung des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG (BAG v. 8.11.1994 – 1 ABR 22/94, NZA 1995, 857; LAG München v. 13.2.2014 – 3 TaBV 84/13). Der arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer ist aber grundsätzlich nicht verpflichtet, an einem vom Arbeitgeber angeordneten Personalgespräch teilzunehmen (BAG v. 2.11.2016 – 10 AZR 596/15).

  • Die Rechtsprechung sieht bei Low-Performern zunächst den Arbeitgeber aufgrund des sog. Ultima-Ratio-Grundsatzes für verpflichtet an, die Ursachen zu klären und vor einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses Abhilfemaßnahmen erfolglos versucht zu haben (LAG Nürnberg v. 12.6.2007 – 6 Sa 37/07, NZA-RR 2008, 178). Dies kann regelmäßig nur durch dokumentiertes Beobachten und Personalgespräche erfolgen (Stück, AuA 2012, 632 ff.).

  • Gespräche im Zusammenhang mit einer Änderung von Arbeitsbedingungen bzw. Aussprache einer Änderungskündigung (§ 2
    KSchG).

III. Teilnahmepflicht des Arbeitnehmers

Im Rahmen des Direktionsrechts (§ 106 GewO) kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer einseitig anweisen, während der Arbeitszeit an einem Personalgespräch teilzunehmen, um z.B. mit ihm seine Leistungen, sein Verhalten, seine berufliche Entwicklung, seinen weiteren Einsatz etc. zu besprechen. Das arbeitgeberseitige Weisungsrecht beinhaltet die Berechtigung, den Arbeitnehmer zur Teilnahme an Gesprächen zu verpflichten, in denen der Arbeitgeber Weisungen vorbereiten, erteilen oder ihre Nichterfüllung beanstanden will (BAG v. 23.6.2009 – 2 AZR 606/08, NZA 2009, 1011). Die Grenzen des Direktionsrechts, nämlich Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarungen, Tarifvertrag und Gesetz, werden dabei regelmäßig nicht überschritten. Eine solche konkrete Anordnung entspricht immer dann billigem Ermessen, wenn es dafür einen sachlich begründeten Anlass gibt (z.B. konkrete Leistungs-/Qualifikationsdefizite), die Maßnahme keinen schikanösen, maßregelnden Charakter (nach Ort, Dauer etc.) hat und keine überwiegenden persönlichen Interessen des Arbeitnehmers dem Personalgespräch an sich oder dessen Terminierung entgegenstehen. Umstände in der Person des Arbeitnehmers können im Rahmen der Prüfung des für eine rechtmäßige Weisung zu beachtenden billigen Ermessens (§ 106 GewO, § 315 Abs. 3 BGB) nur berücksichtigt werden, wenn sich der Arbeitnehmer bei Erteilung der Weisung auf sie beruft; ein Nachschieben persönlicher Umstände ist rechtlich unbeachtlich (LAG Nürnberg v. 9.1.2007 – 7 Sa 79/06, NZA-RR 2007, 357). Der arbeitsunfähig erkrankte Arbeitnehmer ist grundsätzlich nicht verpflichtet, an einem vom Arbeitgeber angeordneten Personalgespräch teilzunehmen (BAG v. 2.11.2016 – 10 AZR 596/15).

Erscheint der Arbeitnehmer entgegen der Anweisung nicht zum Personalgespräch, kann dies mit einer Abmahnung geahndet werden (LAG Hamm v. 28.1.2016 – 18 Sa 1140/15). Im Falle der fortgesetzten beharrlichen Weigerung kann eine verhaltensbedingte Kündigung sozial gerechtfertigt sein, wenn sich der Arbeitnehmer hartnäckig und unbegründet weigert, an einem wichtigen Gespräch teilzunehmen.

Keine Teilnahmepflicht des Mitarbeiters besteht an einem Personalgespräch, in dem es laut schriftlicher Einladung ausschließlich um Verhandlungen über vom Arbeitgeber gewünschte Änderungen des Arbeitsvertrags (hier befristete Verringerung einer Sonderzahlung auf 46 %) gehen soll, so dass auch eine wegen Gesprächsverweigerung ausgesprochene Abmahnung unwirksam ist. Dies ist nicht mehr vom Direktionsrecht gedeckt (BAG v. 23.6.2009 – 2 AZR 606/08, NZA 2009, 1011).


IV. Mobbingvorwurf

Nicht selten wird in der Praxis Vorgesetzten, die unangenehme Themen anzusprechen haben, entgegengehalten, sie „mobbten”. Wenn das Gespräch aus sachlichem Anlass erfolgte und in sachlicher, angemessener Weise geführt wird, entbehrt dieser Vorwurf regelmäßig der Grundlage. „Mobbing” ist nämlich das systematische, aufeinander aufbauende oder ineinander übergreifende Anfeinden, Schikanieren oder Diskriminieren von Arbeitnehmern untereinander oder durch Vorgesetzte, wobei diese Verhaltensweisen nach Art und Ablauf einen Zusammenhang, also einen „roten Faden”, aufweisen müssen. Für die Bejahung eines Mobbingsachverhalts, der geeignet sein soll, Schadensersatzansprüche wegen Persönlichkeits-/Ehrverletzung und Schmerzensgeldansprüche wegen Gesundheitsverletzung auszulösen, ist es grundsätzlich erforderlich, dass sich den Vorfällen eine entsprechend systematisch angelegte Motivation des Täters (d.h. des „Mobbenden”) sowie eine klare Täter-Opfer-Konstellation entnehmen lässt, wofür der Arbeitnehmer darlegungs- und beweispflichtig ist (Stück, MDR 2013, 378 ff.; BAG v. 14.1.2015 – 7 ABR 95/12, NZA 2015, 632).


V. Beteiligung Dritter

Angeordnete Personalgespräche sind vom Arbeitnehmer grundsätzlich höchstpersönlich wahrzunehmen (§ 613 BGB). Der Arbeitnehmer kann demzufolge in der Regel nicht verlangen, dass die Anwesenheit seines Anwalts bei dem Gespräch zugelassen wird (LAG Hamm v. 23.5.2001 – 14 Sa 497/01, MDR 2001, 1361). Das LAG Berlin-Brandenburg hat angenommen, dass im Rahmen einer Anhörung für eine Verdachtskündigung der Arbeitnehmer berechtigt ist, einen Anwalt hinzuzuziehen (LAG Berlin-Brandenburg v. 6.11.2009 – 6 Sa 1121/09). Die Teilnahme eines Rechtsanwalts an einem BEM-Gespräch wird hingegen abgelehnt (LAG Rheinland-Pfalz v. 18.12.2014 – 5 Sa 518/14, NZA-RR 2015, 262). Ein Arbeitnehmer kann Einsicht in seine Personalakte nehmen und hierzu ein Mitglied des Betriebsrates hinzuziehen. Einen Anspruch auf Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes besteht dazu allerdings nicht (BAG v. 12.7.2016 – 9 AZR 791/14).

Häufig wird die Forderung erhoben, ein Betriebsratsmitglied zu dem Personalgespräch hinzu zu ziehen. Ein genereller Anspruch des Arbeitnehmers darauf, bei jedem mit dem Arbeitgeber geführten Gespräch ein Betriebsratsmitglied hinzuzuziehen, folgt aus dem BetrVG jedoch nicht. Vielmehr regeln § 81 Abs. 4 S. 3, § 82 Abs. 2 S. 2, § 83 Abs. 1 S. 2 und § 84 Abs. 1 S. 2 BetrVG das Recht des Arbeitnehmers auf Hinzuziehung eines Betriebsratsmitglieds jeweils bezogen auf bestimmte Gegenstände und Anlässe. Aus diesem gesetzlichen Zusammenhang folgt im Umkehrschluss, dass der einzelne Arbeitnehmer keinen betriebsverfassungsrechtlichen Anspruch darauf hat, zu den von diesen Vorschriften nicht erfassten Personalgesprächen ein Mitglied des Betriebsrats hinzuzuziehen. Auch für Personalgespräche über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags begründet das BetrVG keinen allgemeinen Anspruch des Arbeitnehmers auf Hinzuziehung eines Betriebsratsmitglieds (BAG v. 16.11.2004 – 1 ABR 53/03, NZA 2005, 416).

Werden mit einem Arbeitnehmer, dem im Rahmen eines Personalgespräches ein Aufhebungsangebot gegen Abfindungszahlung unterbreitet wurde und der dieses eindeutig ablehnte, weitere vier Gespräche wegen einer Trennung geführt, so kann dieser im Wege einer einstweiligen Verfügung vom Arbeitgeber die Unterlassung weiterer Trennungsgespräche verlangen (ArbG Berlin v. 1.12.2003 – 28 Ga 29101/03, AuR 2004, 235).

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ABB AG, Leiter Personal & Integrity Beauftragter Hochspannungsprodukte, Hanau. Der Beitrag gibt die persönliche Meinung wieder.

Verlag Dr. Otto-Schmidt vom 23.02.2017 08:55