06 / 2017

Raik Brete, Rechtsanwalt, Hannover

Die Rechtsbeschwerde vor dem OLG Köln gegen Ordnungsgeld-Entscheidungen des LG Bonn zur Offenlegung von Jahresabschlüssen

I. Problemstellung und Gesetzgebung

1. Bekanntermaßen hat der Gesetzgeber mit dem Gesetz über elektronische Handelsregister und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) im Jahr 2006 die Verletzung von Offenlegungspflichten von Jahresabschlüssen einer verschärften Sanktionierung unterworfen. Seither ist das im Zuge des EHUG geschaffene Bundesamt für Justiz für die Überwachung und Durchsetzung der Offenlegungspflichten zuständig und hat in den mittlerweile rund 10 Jahren mehrere tausende Ordnungsgeldverfahren eingeleitet. Die Streitpunkte mit den betroffenen Unternehmen sind vielfältig; im Wesentlichen geht es um unterlassene oder nicht rechtzeitige Offenlegung, aber auch um die Frage größenabhängiger Erleichterungen bei der Offenlegung oder in jüngerer Vergangenheit um die Höhe des festgesetzten Ordnungsgeldes.

Blieb die Ordnungsgeldandrohung oder -entscheidung streitig bzw. half das Bundesamt für Justiz dem Einspruch oder der Beschwerde nicht ab, war bis Oktober 2013 allein das LG Bonn bundesweit für eine gerichtliche Überprüfung und Entscheidung zuständig. Ein Rechtsmittel gegen Entscheidungen des LG Bonn war gemäß § 335 Abs. 5 S. 6 HGB nicht statthaft.

2. Das Ordnungsgeldverfahren ist von Anfang an auf zahlreiche und berechtigte Kritik gestoßen (s. u.a. Brete, GmbHR 2009, 617 ff.; Starck, DStR 2008, 2035 ff.), u.a. auch wegen der fehlenden Möglichkeit eines Rechtsmittels gegen Beschlüsse des LG Bonn (Kuntze-Kaufhold, GmbHR 2013, 57 [68]). Wegen der großen Zahl von Beschwerden waren (und sind noch immer) verschiedene Kammern des LG Bonn mit den Ordnungsgeldverfahren befasst, was zum Teil – und vorhersehbar – zu einer uneinheitlichen Rechtsprechung führte.

3. Den anhaltenden Kritiken an den Offenlegungsvorschriften konnte sich dann offenbar auch der Gesetzgeber nicht mehr völlig verschließen. Zunächst wurden in 2012 durch das MicroBilG Erleichterungen bei der Offenlegung für sog. Kleinstkapitalgesellschaften geschaffen. Sodann führte der Gesetzgeber mit Wirkung zum 10.10.2013 die Möglichkeit einer Rechtsbeschwerde beim OLG Köln gemäß dem neu geschaffenen § 335a Abs. 3 HGB ein (BGBl. I 2013, 3746), im Wesentlichen zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (s. BT-Drucks. 17/13221; Stork in Heidel/Schall, HGB, 2. Aufl. 2015, § 335a Rz. 6; Zwirner/Froschhammer, BC 2013, 516 ff.; Schülke, NZG 2013, 1375 ff.; Kuhsel, DStR 2013, 1958 ff.). Seither befasst sich am OLG Köln der 28. Senat mit den Rechtsbeschwerden gegen Entscheidungen des LG Bonn.


II. Rechtsbeschwerde und Rechtsprechung

1. Die Rechtsbeschwerde nach § 335a Abs. 3 HGB ist nunmehr gegen Ordnungsgeldbeschlüsse des LG Bonn statthaft, für alle Ordnungsgeldverfahren, die nach dem 31.12.2013 eingeleitet wurden (OLG Köln v. 18.10.2016 – 28 Wx 28/16; s. auch Schülke, NZG 2013, 1375 [1379]). Für die Rechtsbeschwerde gelten die Vorschriften der §§ 70 ff. FamFG.

Allerdings stellt die Möglichkeit einer Rechtsbeschwerde keine vollwertige zweite Instanz dar. Die Rechtsbeschwerde ist nämlich nur statthaft, wenn sie vom LG Bonn entweder wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen wird.

Die Beschwerdemöglichkeit steht sowohl der betroffenen Gesellschaft als auch dem Bundesamt für Justiz zu.

2. Seit Inkrafttreten des § 335a Abs. 3 HGB wurden mittlerweile eine Vielzahl von Rechtsbeschwerdeverfahren geführt und vom OLG Köln entschieden. Die Verfahren befassen sich mit diversen Problemstellungen, wobei die Streitpunkte im Wesentlichen denen entsprechen, über die bereits bislang gestritten wurde. So geht es im Kern zumeist um Ordnungsgeldfestsetzungen wegen verspäteter Einreichung des Jahresabschlusses, verbunden auch mit erneuter Androhung oder erfolgter weiterer Ordnungsgeldfestsetzung sowie mittlerweile auch um die Frage einer Herabsetzung des Ordnungsgeldes.

Weiterhin ist festzustellen, dass auch nach rund 10 Jahren seit Einführung des EHUG immer noch Verfahren geführt werden, bei denen es um die Frage geht, ob bzw. inwieweit sich eine offenlegungspflichtige Gesellschaft ein (mögliches) Verschulden des Steuerberaters zurechnen lassen muss (so z.B. OLG Köln v. 2.2.2016 – 28 Wx 20/15, GmbHR 2016, 367), obwohl dies als geklärt angesehen werden kann: offenlegungspflichtige Gesellschaften müssen sich ein Verschulden des Steuerberaters über § 278 BGB in aller Regel zurechnen lassen (so bereits LG Bonn v. 29.10.2008 – 30 T 104/08), wenn nicht besondere Umstände vorliegen oder hinzutreten (s. LG Bonn v. 6.6.2013 – 31 T 59/13), was aber die Ausnahme ist.

3. Wie oben unter I.3. erwähnt, wurde die Rechtsbeschwerde nach den Vorstellungen des Gesetzgebers im Wesentlichen zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eingeführt. In diesem Zusammenhang lässt sich an dieser Stelle festhalten, dass die Erfolgsquote der erhobenen Rechtsbeschwerden jedenfalls nicht unterdurchschnittlich erscheint, auch wenn hierzu keine belastbaren Zahlen ersichtlich sind, zumal die Rechtsbeschwerde durch das LG Bonn auch ausdrücklich zugelassen werden muss. In vielen Fällen bleiben die Rechtsbeschwerden zwar ohne Erfolg, d.h. das OLG Köln bestätigt die Ordnungsgeldentscheidungen des LG Bonn. Jedoch gibt es auch eine Reihe von Entscheidungen, mit denen Beschlüsse des LG Bonn aufgehoben oder die Sache wieder zurück ans LG Bonn verwiesen wurde (zugunsten des Bundesamtes für Justiz: OLG Köln v. 20.5.2016 – 28 Wx 3/16, GmbHR 2016, 937; OLG Köln v. 2.2.2016 – 28 Wx 20/15, GmbHR 2016, 367; OLG Köln v. 1.7.2015 – 28 Wx 8/15, GmbHR 2015, 860; OLG Köln v. 29.6.2015 – 28 Wx 1/15, GmbHR 2015, 858; zugunsten der betroffenen Gesellschaft: OLG Köln v. 14.7.2016 – 28 Wx 6/16, GmbHR 2016, 1042; zu weiteren Entscheidungen s. auch unter www.nrwe.de ).


III. Fazit

1. Positiv festzuhalten bleibt, dass es mit der Schaffung des § 335a Abs. 3 HGB nunmehr überhaupt eine Rechtsmittelinstanz gibt, auch wenn dies schon seit der Einführung des EHUG gefordert wurde und hiernach noch rund sieben Jahre gedauert hat.

Auch wenn die Entscheidungen des OLG Köln (bislang) in der Mehrzahl zugunsten des Bundesamts für Justiz ausgefallen sind, wird doch anhand der diversen abweichenden Entscheidungen deutlich, dass die neu geschaffene weitere gerichtliche Instanz in der Praxis tatsächlich eine Kontrollfunktion einnimmt und ausfüllt.

2. Gleichwohl ist und bleibt auch weiterhin Kritik angezeigt: konkret zur Rechtsbeschwerde bzw. deren Ausgestaltung ist zu kritisieren, dass es keine vollwertige zweite Instanz ist, denn die Rechtsbeschwerde ist eben nur statthaft, wenn sie vom LG Bonn wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zugelassen wurde. Zwar soll nach der Rechtsprechung des BVerfG kein Anspruch auf einen Instanzenzug bestehen (s. nur BVerfG v. 29.1.2002 – 2 BvR 494/01). Jedoch wäre es zur Wahrung effektiven Rechtsschutzes der betroffenen Gesellschaften zumindest überlegenswert gewesen, auf die Einschränkung durch Zulassung durch das LG Bonn zu verzichten, denn so erscheint die Möglichkeit einer Rechtsbeschwerde zuweilen vom Zufall abzuhängen.

3. An den im Übrigen seit Einführung des EHUG geäußerten Kritikpunkten ändert sich auch nach Schaffung der Rechtsbeschwerde nichts. So bleiben insbesondere auch die zur Offenlegung an sich geäußerten verfassungsrechtlichen Zweifel bestehen, auch wenn sich das BVerfG mit diesen nicht oder nur oberflächlich auseinandergesetzt hat und im Ergebnis keine Grundrechtsverstöße sieht (zur Rechtsprechung des BVerfG s. Brete, GmbHR 2011, R145 f.).

Auch hat die Akzeptanz der Offenlegungspflicht bei den betroffenen Gesellschaften bzw. Unternehmen nicht etwa deshalb zugenommen (s. die Ergebnisse einer Befragung der betroffenen Unternehmen bei Grottke/Löffelmann/Späth/Haendel, DStR 2012, 94 ff.), nur weil mittlerweile mehr als 90 % dieser Verpflichtung nachkommen (BT-Drucks. 17/13221, S. 1).

Es ist vielmehr so, dass sich die betroffenen Unternehmen mit der Offenlegung arrangiert haben, schlicht, weil der Gesetzgeber sie dazu zwingt. Das mit dem EHUG ausgegebene Ziel des Gläubigerschutzes wird hingegen nach wie vor nicht erreicht, denn die Erfüllung der Offenlegungspflicht hat bis heute keinen Gläubiger effektiv vor Forderungsausfällen geschützt.

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Partner der Steuerberatungs- u. Rechtsanwaltskanzlei Thomsen&Partner. Der Autor dankt Frau Richterin Wiebke Trümper für die hilfreiche Unterstützung bei der Abfassung des Beitrags.

Verlag Dr. Otto-Schmidt vom 23.03.2017 15:06