08 / 2017

Dr. Michael Hippeli, LL.M., MBA (MDX), Oberregierungsrat, Frankfurt a. M

Investorengespräche des Aufsichtsratsvorsitzenden – DCGK-Änderungen und GmbH

 

I. Einleitung

Am 7.2.2017 hat die Regierungskommission Deutscher Corporate Governance Kodex Änderungen für den Deutschen Corporate Governance Kodex (DCGK) beschlossen (vgl. bereits Ulrich, GmbHR 2017, R21). Im Kern geht es dort um nun ausdrücklich gestattete Investorengespräche des Aufsichtsratsvorsitzenden der AG. Von der Brisanz des Themas zeugen nicht nur die derzeit zahlreich erscheinenden Fachaufsätze, sondern etwa auch die Diskussionen auf der VGR-Jahrestagung vom 4.11.2016 und auf einer Vortragsveranstaltung am Institut für Kreditrecht der Johannes Gutenberg-Universität Mainz am 18.1.2017.

Auch wenn der eigentliche Adressatenkreis des DCGK nicht aus GmbHs besteht, so lässt sich eine mittelbare Wirkung des DCGK auch im GmbH-Recht nicht leugnen. Daher drängt sich eine Befassung mit Investorengesprächen auf Ebene des Aufsichtsratsvorsitzenden der GmbH (sofern ein fakultativer oder ein aus mitbestimmungs- oder investmentrechtlichen Gründen obligatorischer Aufsichtsrat besteht) förmlich auf.


II. Investorengespräche nach dem DCGK

Unter der Überschrift „Aufgaben und Befugnisse des Aufsichtsratsvorsitzenden” heißt es künftig in Ziff. 5.2 Abs. 2 DCGK wie folgt: „Der Aufsichtsratsvorsitzende sollte in angemessenem Rahmen bereit sein, mit Investoren über aufsichtsratsspezifische Themen Gespräche zu führen”.

Im Konsultationsverfahren wurde dazu näher erläutert: „Das sind Gegenstände, für die der Aufsichtsrat allein verantwortlich ist und die von ihm allein zu entscheiden sind. Bei Fragen, die nur gemeinsam von Vorstand und Aufsichtsrat zu entscheiden sind, sollen Gespräche entweder allein vom Vorstand oder vom Aufsichtsratsvorsitzenden zusammen mit dem Vorstand geführt werden”.

Zur Begründung dessen hieß es weiter: „Gespräche des Aufsichtsratsvorsitzenden mit Investoren sind mittlerweile gelebte Praxis in vielen größeren Unternehmen und Bestandteil einer guten Corporate Governance. Das Gesetz selbst verbietet solche Gespräche nicht, deshalb kann hier eine Empfehlung im Kodex vorgesehen werden. Dies gilt umso mehr, als der Aufsichtsratsvorsitzende heute eine bei weitem größere Bedeutung hat als zu Zeiten der Entstehung des Aktiengesetzes. Eine Ablehnung solcher Gespräche würde bedeuten, dass Investoren überhaupt keine Gesprächspartner zu Themen hätten, die nur der Aufsichtsrat entscheiden kann. Dies entspricht nicht dem der Corporate Governance heute zugrundeliegenden Gedanken von Transparenz und Offenheit. Rechtlich kann man hier eine Annexkompetenz zu den erweiterten Pflichten des Aufsichtsrats annehmen, die § 76 Abs. 1, § 78 Abs. 1 S. 1, § 111 Abs. 4 AktG nicht entgegenstehen. Eine entsprechende Empfehlung dient gleichzeitig der Beseitigung von (Rechts-)Unsicherheit. Der Aufsichtsratsvorsitzende hat nach dieser Empfehlung ein Ermessen, mit wem und wann er derartige Gespräche führen will. Er muss dabei die Kompetenzen von Vorstand und Aufsichtsrat beachten und gleichzeitig immer sicherstellen, dass keine Insiderinformationen gegeben werden und der Grundsatz der gleichmäßigen Information der Aktionäre beachtet wird”.


III. Einordnung


IV. Übertragung auf die GmbH?

Analog zum Aufsichtsrat der AG wird qua satzungsmäßiger Verankerung oder ausnahmsweise auch auf schuldrechtlicher Basis qua Gesellschafterbeschluss nicht selten ein GmbH-Aufsichtsrat errichtet. Dieser Aufsichtsrat weist typischerweise einen Vorsitzenden auf, auch wenn dies bei der GmbH (jedenfalls im Falle eines nur fakultativen Aufsichtsrats) keineswegs zwingend ist. Aufgaben des Aufsichtsrats sind wie bei der AG auch, jedoch graduell abhängig von der Causa der Einrichtung, regelmäßig die Beratung und die Überwachung der Geschäftsführung (vgl. im Detail etwa Uffmann, NZG 2015, 169 ff.). Die Abgrenzung der Kompetenzen zwischen Geschäftsführung und Aufsichtsrat richtet sich dann nach den Regelungen des Gesellschaftsvertrags bzw. des Gesellschafterbeschlusses, in jedem Fall ist die Außenvertretung der GmbH – ähnlich wie bei der AG – aber Sache der Geschäftsführung (vgl. § 35 Abs. 1, § 37 Abs. 2 GmbHG).

§ 52 Abs. 1 GmbHG ordnet im Hinblick auf einen errichteten Aufsichtsrat schließlich an, dass etwa die §§ 110 – 114 AktG entsprechend anzuwenden sind. Voraussetzung ist allerdings, dass die entsprechende Anwendung von aktienrechtlichen Vorschriften nicht im Gesellschaftsvertrag abbedungen wurde. Jedenfalls sind die §§ 110 – 114 AktG im Falle ihrer sinngemäßen Geltung letztlich entscheidend, wenn es darum geht, einerseits das Kooperationsverhältnis v.a. von Geschäftsführung/Aufsichtsrat und andererseits einzelne Sonderkompetenzen des Aufsichtsratsvorsitzenden zu bestimmen, die ihn als „primus inter pares” überhaupt erst in die Lage versetzen, die Kommunikation mit Investoren namens des Aufsichtsrats zu übernehmen. Die entsprechende Anwendung führt dann dazu, dass auch der Aufsichtsratsvorsitzende einer GmbH in den Anwendungsbereich des Problemkreises der Investorenkommunikation fallen kann.

Interessant sind schließlich Überlegungen zu relevanten Gemeinsamkeiten und Unterschieden zwischen AG und GmbH (vgl. im Detail auch Zöllner/Noack in Baumbach/Hueck, GmbHG, 21. Aufl. 2017, § 52 Rz. 5). So besteht bei der GmbH natürlich keine Kapitalmarktorientierung. Solange aber der Begriff „Investoren” nicht genau definiert ist, muss davon ausgegangen werden, dass zumindest bestehende Gesellschafter, womöglich aber auch externe Stakeholder von GmbHs ohne Börsenbezug mittelbar dem Anwendungsbereich der voraussichtlich bald neuartigen DCGK-Vorgaben für die Investorenkommunikation des Aufsichtsrats unterfallen können.

Die mithin schwierigste Abgrenzung ist bei AG und GmbH aber identisch. Sowohl bei der AG als auch bei der GmbH sind nach h.M. weder der bestehende Aufsichtsrat noch sein Vorsitzender für die externe Kommunikation und damit für eine Vertretung der Gesellschaft nach außen im Sinne dann eines Realhandelns berufen. So ist es im Zusammenhang mit der GmbH bislang überwiegend anerkannt, dass der Aufsichtsratsvorsitzende anstelle oder neben der hierfür berufenen Geschäftsführung allenfalls dann eine Außenkommunikation (bestehend aus Investor Relations + Investorenkontakten) vornehmen kann, wenn er damit entweder Schaden von der GmbH abwendet oder aber eine Gestattung seitens der Geschäftsführung oder der Gesellschafterversammlung vorliegt (vgl. Lutter/Hommelhoff in Lutter/Hommelhoff, GmbHG, 19. Aufl. 2016, § 52 Rz. 104 f.; Spindler in Münch.Komm.GmbHG, 2. Aufl. 2016, § 52 Rz. 395).


V. Fazit

Nicht nur bei der AG, sondern auch bei der GmbH mit fakultativ oder obligatorisch eingerichtetem Aufsichtsrat dürften nun gewisse Unsicherheiten auftreten. Allerdings wird bei bestehenden GmbHs zunächst ein Blick in den Gesellschaftsvertrag anzuraten sein. Erst wenn überhaupt ein Aufsichtsrat samt einem Aufsichtsratsvorsitzenden vorhanden ist, können sich gleichgelagert solche Rechtsfragen ergeben, wie sie derzeit im Aktienrecht bestehen.

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Dr. Michael Hippeli, LL.M., MBA (MDX), ist Oberregierungsrat und Mitarbeiter der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) in Frankfurt a. M. sowie Lehrbeauftragter an zwei Hochschulen und gibt ausschließlich seine eigenen Auffassungen wieder.

Verlag Dr. Otto-Schmidt vom 05.04.2017 15:43