11 / 2017

Prof. Dr. Norbert Neu, / Stefan Hamacher, LL.M., / Dr. Ralf Bornemann, sämtlich Bonn

Neues zur Steuerbegünstigung von Sanierungsgewinnen

I. Hintergrund

Mit Beschluss vom 28.11.2016 – GrS 1/15, GmbHR 2017, 310 m. Komm. Hinder/Broekmann hat der BFH entschieden, dass der sog. „Sanierungserlass” (BMF vom 27.3.2003, BStBl. I 2003, 240; ergänzt um BMF vom 22.12.2009, BStBl. I 2010, 18), wonach Sanierungsgewinne unter bestimmten Umständen nicht besteuert werden, gegen den Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung verstößt (s. zu einer kritischen Auseinandersetzung etwa Beutel/Eilers, FR 2017, 266 ff.).

Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme zum Entwurf eines Gesetzes gegen schädliche Steuerpraktiken im Zusammenhang mit Rechteüberlassungen vom 10.3.2017 auf Empfehlung des Finanz- und Wirtschaftsausschusses sehr rasch den Entwurf einer gesetzlichen Neuregelung zur Steuerbefreiung von Sanierungsgewinnen verabschiedet (BR-Drucks. 59/17 vom 10.3.2017). Nachdem die Bundesregierung Zustimmung signalisiert hat (BT-Drucks. 18/11531 vom 15.3.2017), hat der Finanzausschuss des Bundestages dem Bundestag eine – allerdings vom ersten Entwurf abweichende – Beschlussempfehlung vorgelegt (BT-Drucks. 18/12128 vom 26.4.2017), die dieser am 27.4.2017 angenommen hat (im Folgenden „Gesetzentwurf”).


II. Der Gesetzentwurf vom 26.4.2017

Der Gesetzentwurf vom 26.4.2017 baut auf dem Sanierungserlass auf, Voraussetzungen und Rechtsfolgen sind jedoch in Teilen durchaus unterschiedlich (s. Tabelle).

    

Sanierungserlass

Gesetzentwurf (v.a. § 3a EStG-E, § 7b GewStG-E)

Voraussetzungen

Erforderlich sind Sanierungsbedürftigkeit, -fähigkeit und -eignung sowie Sanierungsabsicht der Gläubiger.

Begünstigt sind nur unternehmens-, nicht unternehmerbezogene Sanierungen und nur betrieblich, nicht gesellschaftsrechtlich veranlasste Sanierungsgewinne.

Begünstigt sind Sanierungsgewinne nach Erlassvertrag (§ 397 BGB), Schuldanerkenntnis oder Konfusion.

Begünstigt sind Betriebsvermögensmehrungen oder Betriebseinnahmen aus einem Schuldenerlass zwecks unternehmensbezogener Sanierung sowie Erträge aus bestimmten insolvenzrechtlichen Maßnahmen nach § 3a Abs. 5 EStG-E (nach Gesetzesbegründung ggf. weiterer Anwendungsbereich).

Rechtsfolgen

Die nach Ausschöpfen der Verlustverrechnungsmöglichkeiten verbleibende Steuer ist auf Antrag des Steuerpflichtigen nach § 163 AO abweichend festzusetzen und nach § 222 AO mit dem Ziel des späteren Erlasses (§ 227 AO) ab Fälligkeit zu stunden (s. zur umstrittenen Zuständigkeit bei der Gewerbesteuer Hageböke/Hasbach, DStR 2015, 1713).

Der Sanierungsgewinn ist steuerfrei. Im Gegenzug verbraucht der um die nicht abziehbaren Sanierungskosten geminderte Sanierungsgewinn steuerliche Verluste bzw. Verlustpotentiale aus den Vorjahren, dem Sanierungsjahr und dem Folgejahr. § 3a EStG-E sieht eine Verlustverbrauchsreihenfolge in 13 (!) Stufen vor, ggf. sind auch Verluste nahestehender Personen des Steuerpflichtigen betroffen. Dies gilt auch für die Gewerbesteuer; § 7b Abs. 2 GewStG-E sieht hierzu Sonderregelungen vor.

Im Rahmen der Ermittlung des Umfangs der zu gewährenden Billigkeitsmaßnahmen mindern die Sanierungskosten (periodenübergreifend) den Sanierungsgewinn (OFD Frankfurt a. M. vom 22.2.2017 – S 2140 A - 4 - St 213, DB 2017, 581).

In unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang mit steuerfreien Sanierungsgewinnen stehende Betriebsausgaben und Betriebsvermögenminderungen (u.a. Aufwendungen aus Besserungsscheinen) sind unabhängig vom Entstehungszeitraum nicht abzugsfähig (§ 3c Abs. 4 EStG-E).

Bei Mitunternehmerschaften gesonderte Feststellung des Sanierungsgewinns.

Folgeänderungen finden sich in §§ 8c, 8d KStG, wonach die Vorschriften vorrangig vor § 3a EStG-E anzuwenden sind. Regelungen zu Betrieben gewerblicher Art und Eigengesellschaften sind in § 8 Abs. 8 u. 9 KStG, in Organschaftsfällen in § 15 KStG enthalten.


III. Zeitliche Anwendung und Übergangsregelung

Die Neuregelungen treten nach Art. 6 des Gesetzentwurfs an dem Tag in Kraft, an dem die EU-Kommission feststellt, dass die Neuregelungen keine schädliche Beihilfe i.S.d. Art. 107 Abs. 1 AEUV darstellen. Für diesen Fall ordnen § 52 Abs. 4a EStG-E und § 36 Abs. 2c GewStG-E an, dass § 3a EStG-E und § 7b GewStG-E erstmals in den Fällen anzuwenden sind, in denen die Schulden ganz oder teilweise nach dem 8.2.2017 (das ist der Tag der Veröffentlichung des GrS-Beschlusses auf den Internetseiten des BFH) erlassen wurden, es sei denn, dem Steuerpflichtigen sind auf Antrag Billigkeitsmaßnahmen aus Gründen des Vertrauensschutzes für einen Sanierungsertrag auf Grundlage von § 163 Abs. 2 S. 2 u. §§ 222, 227 AO zu gewähren.

Erfreulicherweise hat die Finanzverwaltung zeitgleich mit der Beschlussempfehlung ein BMF-Schreiben unter dem Az. IV C 6 - S 2140/13/10003 – DOK 2017/0322100 veröffentlicht (im Folgenden „BMF-Schreiben”, s. GmbHR 2017, 608 – in dieser Ausgabe), das sich dem Thema Vertrauensschutz widmet. Dabei wird in Anlehnung an den Gesetzentwurf danach differenziert, ob der der Forderungsverzicht der an der Sanierung beteiligten Gläubiger bis zum oder nach dem 8.2.2017 endgültig vollzogen wurde. Bei einem Insolvenzplan ist insoweit auf den rechtskräftigen Beschluss des Insolvenzgerichts über die Bestätigung des Insolvenzplans abzustellen.


IV. Fazit

Die schnelle Veröffentlichung eines Gesetzgebungsvorschlags ist begrüßenswert, wenngleich er – wohl auch aus Furcht vor missbräuchlichen Gestaltungen – ausgesprochen kompliziert ausgefallen ist und zumindest insoweit deutlich hinter dem ersten Entwurf des Bundesrats vom 10.3.2017 zurückbleibt. Aus Sicht der Praxis ist bedauerlich, dass gesellschaftsrechtlich veranlasste Sanierungsgewinne trotz der nach Veröffentlichung des Sanierungserlasses erfolgten Einschränkungen der steuerlichen Abzugsfähigkeit von Darlehensverlusten beim Gesellschafter (§ 3c Abs. 2 S. 2 ff. EStG, § 8b Abs. 3 S. 4 ff. KStG) weiterhin nicht begünstigt sind (s. zur Rechtslage unter der Ägide des Sanierungserlasses FinMin. Schleswig-Holstein vom 16.4.2014 – VI 3011 - S 2741 - 108).

Es ist zu begrüßen, dass das BMF zeitgleich ein Schreiben zum Vertrauensschutz veröffentlicht hat; auch insoweit ist die Geschwindigkeit rekordverdächtig. Allerdings sind die Formulierungen an einer Reihe von Stellen nicht eindeutig. Es bleibt zu hoffen, dass die Finanzämter die Fälle mit Augenmaß und im Sinne der notleidenden Unternehmen lösen und zudem die EU-Kommission weder für die Vertrauensschutz- noch für die gesetzliche Regelung von einer Beihilfe ausgeht.

*

Prof. Dr. rer. pol. Norbert Neu ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Stefan Hamacher, LL.M. ist Steuerberater; Dr. Ralf Bornemann ist Rechtsanwalt und Insolvenzverwalter. Sie sind sämtlich Partner der dhpg in Bonn. Prof. Dr. Norbert Neu ist zudem Honorarprofessor am Lehrstuhl für Betriebswirtschaftslehre, insbesondere Betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf.

Verlag Dr. Otto-Schmidt vom 28.08.2017 09:49