BGH 16.5.2017, II ZR 284/15

Ratenweise zu erbringende Einlage eines atypisch stillen Gesellschafters mit Eigenkapitalcharakter

Kommt der ratenweise zu erbringenden Einlage eines atypisch stillen Gesellschafters einer mehrgliedrigen Publikumsgesellschaft nach den gesellschaftsvertraglichen Regelungen Eigenkapitalcharakter zu, ist der stille Gesellschafter bei Beendigung der Gesellschaft zur Zahlung seiner noch nicht erbrachten Einlageraten einschließlich der im Beendigungszeitpunkt noch nicht fälligen Raten jedenfalls zu den vertraglichen Fälligkeitsterminen verpflichtet, soweit seine Einlage zur Befriedigung der Gläubiger des Geschäftsinhabers benötigt wird.

Der Sachverhalt:
Der Beklagte hatte sich im Dezember 2003 als atypischer stiller Gesellschafter an der A-AG & Co. KG beteiligt, deren Rechtsnachfolgerin die Klägerin ist. Hierzu wählte er das Beteili-gungsprogramm "Sprint" mit einer Rateneinlage von 18.000 € zzgl. 6 % Agio, zahlbar ab Februar 2004 in monatlichen Raten von je 100 € sowie einer Anzahlung von 3.000 €. Die Vertragsmindestlaufzeit betrug 15 Jahre. Nach dem atypisch stillen Gesellschaftsvertrag (GV) belief sich das vom Geschäftsinhaber eingelegte Kapital auf 500.000 € mit der Möglichkeit der Erhöhung auf bis zu 5 Mio. € (§ 1 Nr. 5 GV); das stille Gesellschaftskapital betrug bis zu 150 Mio. € und konnte durch den Geschäftsinhaber durch Aufnahme weiteren stillen Kapitals auf bis zu 190 Mio. € (§ 4 Nr. 1 GV) erhöht werden.

Die stillen Gesellschafter wurden an Gewinn und Verlust des Unternehmens sowie an den stillen Reserven der Vermögenssubstanz beteiligt, wobei sich die Höhe der Beteiligung jeweils nach der Höhe der tatsächlich eingezahlten Einlage bestimmte. Außerdem wurden ihnen Mitwirkungsrechte bei über den laufenden Geschäftsbetrieb hinausgehenden Geschäften sowie Informations- und Kontrollrechte gem. § 233 HGB, § 716 BGB eingeräumt. Nach § 10 Nr. 6 GV traten die stillen Gesellschafter mit ihren Auszahlungs- und Abfindungsansprüchen im Rang hinter die Erfüllung der Forderun-gen von Gläubigern des Geschäftsinhabers zurück. Im Falle der Insolvenz des Geschäftsinhabers waren sie nach § 17 Nr. 2 GV gem. § 236 Abs. 2 HGB zur Einzahlung rückständiger Einlagen in die Insolvenzmasse verpflichtet.

Im Dezember 2009 beschlossen die stillen Gesellschafter, die stille Gesellschaft zu "liquidieren". Die Klägerin nahm den Beklagten auf Zahlung von bis Februar 2014 aufgelaufenen offenen Raten i.H.v. 4.725 € sowie weiterer 38 monatlicher Raten i.H.v. 100 € ab März 2014 und einer Schlussrate von 80 € in Anspruch. Das LG gab der Klage statt. Die Berufung des Beklagten blieb vor dem OLG weitestgehend erfolglos. Das Gleiche galt für seine Revision vor dem BGH.

Gründe:
Der Klägerin steht gegen den Beklagten nach dem Liquidationsbeschluss aus Dezember 2009 ein Anspruch auf Zahlung seiner gesamten noch nicht erbrachten Rateneinlage jedenfalls zu den vertraglich vereinbarten Fälligkeitsterminen zu.

Kommt der ratenweise zu erbringenden Einlage eines atypisch stillen Gesellschafters einer mehrgliedrigen Publikumsgesellschaft nach den gesellschaftsvertraglichen Re-gelungen Eigenkapitalcharakter zu, ist der stille Gesellschafter bei Beendigung der Gesellschaft zur Zahlung seiner noch nicht erbrachten Einlageraten einschließlich der im Beendigungszeitpunkt noch nicht fälligen Raten jedenfalls zu den vertraglichen Fälligkeitsterminen verpflichtet, soweit seine Einlage zur Befriedigung der Gläubiger des Geschäftsinhabers benötigt wird. Diese Voraussetzungen hatte das Berufungsgericht hier zu Recht für die gesamte gezeichnete und noch offene Einlage des Beklagten bejaht.

Die Einlage des Beklagten hat nach den vertraglichen Vereinbarungen in Höhe des gesamten Zeichnungsbetrages von 18.000 € Eigenkapitalcharakter. Dieser ist nicht auf die tatsächlich eingezahlten Einlagen der stillen Gesellschafter beschränkt. Eine solche Beschränkung lässt sich den gesellschaftsvertraglichen Regelungen nicht entnehmen. § 4 Nr. 1 GV definiert das stille Gesellschaftskapital von bis zu 150 Mio. € ausdrücklich unter Einbeziehung der Gesamtleistungsverpflichtung der Ratenzahler und Wiederanleger, ohne dabei zwischen bereits eingezahlten und noch offenen Beträgen zu differenzieren.

Zu Recht ist das Berufungsgericht auch davon ausgegangen, dass sich der Eigenkapitalcharakter und die daraus resultierende Einzahlungspflicht auch auf die Rateneinlagen erstreckt, die im Zeitpunkt der Auflösung der stillen Gesellschaft im Dezember 2009 noch nicht fällig waren. Dass dem Beklagten bei dem von ihm gewählten Beteiligungsmodell "Sprint" die Möglichkeit eingeräumt worden war, diesen Gesamtbetrag in monatlichen Raten zu erbringen, gab keinen Anlass zu einer anderen Beurteilung. Hierbei handelte es sich lediglich um eine zeitliche Staffelung der Fälligkeit, die als solche nichts an dem Entstehen der gesamten Einlageverpflichtung des Beklagten im Zeichnungszeitpunkt ändert.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 10.07.2017 11:16
Quelle: BGH online

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