14 / 2017

Sascha Kuhn, Rechtsanwalt, Düsseldorf

Diversity: Bunte Teams und schwarze Zahlen

Seit einigen Jahren hat eine stetig wachsende Zahl von Unternehmen die Bedeutung von Diversity für sich erkannt: Sie unterzeichnen die Charta der Vielfalt, präsentieren ihre Diversity-Maßnahmen auf Jobmessen und implementieren Diversity-Kennzahlen für Führungskräfte als bonusrelevante Performance-Kriterien.


Begriff „Diversity”

Was verbirgt sich aber hinter dem Begriff „Diversity” bzw. „Diversity-Management”? Eine übliche Definition lautet dahingehend, dass es sich um den konstruktiven Umgang mit Unterschiedlichkeiten in der Belegschaft handelt. Manche Arbeitnehmer sind z.B. türkisch-stämmig, andere sind lesbisch, wieder andere sind körperlich behindert – hiermit müssen Unternehmen angemessen umgehen. Hierbei wäre es zu kurz gegriffen, würde man ein gelungenes Diversity-Management als bloße Abwesenheit von Diskriminierung verstehen. Diversity-Management ist erst und nur dann erfolgreich, wenn die Unternehmensbelegschaft zumindest ansatzweise gesellschaftliche Realitäten widerspiegelt und Unterschiede zwischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nicht als Herausforderung oder gar als Problem, sondern als Potential und Ressource erkannt werden, die zum Unternehmenserfolg beitragen können.

Dabei gilt es, Diversity in allen Dimensionen zu betrachten: Neben den nach außen zumeist sichtbaren Dimensionen wie dem Geschlecht, der ethnischen oder rassischen Abstammung, dem Alter oder Behinderung, gibt es auch solche Dimensionen, die nicht auf den ersten Blick erkennbar sind. Religion und sexuelle Orientierung (heute häufig zumeist mit dem Schlagwort LGBTI oder LSBTI bezeichnet, also der Abkürzung für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transidente und Intersexuelle) sind hier als bedeutsam in der zweiten Kategorie zu erwähnen.


Mittel des Diversity-Managements

Die Mittel des Diversity-Managements, mit denen nicht nur Akzeptanz, sondern eine positive Wertschätzung der Unterschiedlichkeit der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen im Unternehmen gewährleistet werden soll, sind unterschiedlich und reichen von Mitarbeiterschulungen über Mitarbeiternetzwerke (bzw. Human Resources Groups) bis hin zu Änderungen in unternehmensinternen Richtlinien, welche unmittelbar oder mittelbar diskriminierend sind.

Dabei sind die Maßnahmen teilweise weniger aufwendig als dies von vielen befürchtet wird. Im Rahmen interner Richtlinien z.B. ist darauf zu achten, ob Kleidungsvorschriften Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern das Recht einräumt, sich entsprechend ihrer Geschlechtsidentität zu kleiden.

Auch die Umgestaltung von Recruitment-Maßnahmen ist hier zu nennen: Vieles ist gewonnen, wenn die für die Personalauswahl verantwortlichen Personen sich des sog. „Unconscious Bias” bewusst werden. Hierhinter verbirgt sich das Phänomen, dass wir alle teilweise unbewusst Rollenerwartungen und Rollenvorstellungen hegen, die mit der Realität häufig recht wenig zu tun haben, gerade Personalentscheidungen aber in unfairer Weise beeinflussen können: Das Verhalten, was bei einem männlichen Bewerber als energisch und kraftvoll betrachtet wird, erscheint bei einer weiblichen Bewerberin plötzlich als zickig.

Ein anderes wesentliches Werkzeug des Diversity-Managements ist das sog. Reversed Mentoring. Hierunter versteht man ein umgekehrtes Mentoring-Programm, in dem Führungskräfte von Mitgliedern verschiedener Diversity-Dimensionen (also z.B. Frauen, älteren Mitarbeitern und Mitarbeiterinnern, LGBTI-Kollegen etc.) dazu angeleitet und informiert werden, wie die Arbeitsrealität für Angehörige dieser Dimensionen im Unternehmen ist. Wie ist z.B. die Lebens- und Arbeitsrealität eines muslimischen Kollegen während des Ramadans? Wie ist es für eine weibliche Führungskraft, in Sitzungen häufig die einzige Frau zu sein? Besonders reizvoll sind derartige Programme in der Praxis immer dann, wenn sie international aufgezogen werden, wodurch Führungskräften im In- und Ausland oftmals wertvolles Wissen vermittelt werden kann.

Bei der Einrichtung von Mitarbeiternetzwerken ist naturgemäß ein arbeits- und datenschutzrechtlicher Rahmen zu beachten. Insbesondere ist sicherzustellen, dass die sich im Zusammenhang mit der sexuellen Orientierung und Behinderung ergebenden Daten als besondere personenbezogene Daten datenschutzrechtlich auch einem besonderen Schutz unterliegen. Sie sind besonders gegen unbefugten Zugriff zu schützen.

Im Übrigen aber gilt in diesem Zusammenhang: Mitarbeiternetzwerke funktionieren meist nur dann, wenn zwei Faktoren gegeben sind:
die Unterstützung durch die oberste Führungsebene und das Engagement einzelner Mitarbeiter.

Gründe für Diversity-Maßnahmen in Unternehmen

Wenn aber Diversity-Maßnahmen nicht immer besonders aufwendig sein müssen, stellt sich gleichwohl die Frage nach dem Warum: Warum sollen Unternehmen Zeit und (in manchen Fällen eben auch) Geld aufwenden, um sich mit dem Thema Diversity zu beschäftigen?

Die Antworten hierauf sind vielfältig. Zum einen verbirgt sich hinter entsprechenden Bemühungen großer und kleiner Unternehmen die Erkenntnis, dass Unternehmen, welche der Diskriminierung von Minderheiten aktiv entgegen wirken und die innerbetriebliche Chancengleichheit verbessern, signifikant bessere Ergebnisse erzielen. Gerade für die Frage der geschlechtlichen Zusammensetzung von Vorständen ist dies mittlerweile recht eindrucksvoll aufgezeigt worden: Unternehmen, welche weibliche Vorstandsmitglieder haben, erzielen bessere Umsätze und Gewinne, sie weisen eine bessere Rendite aus. Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, welche die eigene sexuelle Identität am Arbeitsplatz verheimlichen müssen (oder glauben sie verheimlichen zu müssen), verlieren bis zu circa 30 % ihrer Arbeitskraft. Anders gewendet: Bunte Teams schreiben bessere Zahlen.

Die Gründe hierfür liegen auf der Hand – immer gleiche Köpfe bringen immer gleiche Ideen hervor. In einer entwickelten Volkswirtschaft aber, die sich durch immer schnellere Innovationszyklen auszeichnet, sind die Teams und Unternehmen erfolgreich, welche unterschiedliche Lebensweisen und -kompetenzen in sich vereinigen und die Vielfalt der Kunden auch im eigenen Betrieb abbilden.

Neben den betriebswirtschaftlichen Aspekten stehen rechtliche Aspekte: Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (welches immerhin schon seit mehr als zehn Jahren in Kraft ist) verlangt von Unternehmen, dass sie Beschäftigte nicht aufgrund der Rasse oder ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion (bzw. Weltanschauung), einer Behinderung, des Alters oder einer sexuellen Identität diskriminieren. Verboten ist dabei nicht nur die unmittelbare, sondern auch die mittelbare Diskriminierung. Ein Beispiel hierfür sind diskriminierende Sprachtests auch für Arbeitsplätze, an denen die Beherrschung der deutschen Sprache in Wort und Schrift tatsächlich nicht in vollem Umfang erforderlich ist. Besonders bedeutsam ist daneben die nach § 12 AGG bestehende Pflicht, vorbeugende Maßnahmen gegen Diskriminierung zu ergreifen.

Darüber hinaus gewinnt Diversity-Management auch im Zusammenhang mit der Mitarbeitergewinnung und Mitarbeiterhaltung eine immer größere Bedeutung. Viele Unternehmen klagen heute über einen sich verschärfenden Fachkräftemangel. Gleichzeitig ist festzuhalten, dass mehr und mehr Bewerberinnen und Bewerbern ein wertschätzendes Miteinander auch am Arbeitsplatz besonders bedeutsam ist. Auf der Sticks & Stones, der größten LGBTI-Karriere-Messe Europas, findet sich seit Jahren ein bedeutsamer Prozentsatz heterosexueller Bewerber und Bewerberinnen, für die ein offener Umgang mit LGBTI-Bewerbern zugleich ein insgesamt offenes und wertschätzendes Arbeitsumfeld kennzeichnet. Zugleich berichten viele Unternehmen, die sich aktiv mit dem Thema Diversity beschäftigen, sei es in Form von Podiumsdiskussionen zum Thema „Frauen, Männer, Familien und Karriere” oder mit konkreten Unterstützungsangeboten für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, welche Familienangehörige pflegen, dass Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein spürbar besseres Bild von ihrem Arbeitgeber haben. Folge hiervon ist neben der höheren Unternehmensidentifikation auch eine höhere Unternehmensbindung bzw. „employee retention”.

Schließlich aber ist ein Gesichtspunkt zu nennen, der sich nicht in Zahlen und Quoten niederschlägt, gleichwohl aber von höchster Bedeutung ist: Unternehmen und Unternehmer agieren nicht im luftleeren Raum – sie agieren im Rahmen einer Wirtschaft und einer Gesellschaft, für welche sie auch eine Verantwortung tragen.

Aktives Diversity-Management stellt sich im Ergebnis als das (betriebs- und volks-)wirtschaftlich, rechtlich und moralisch Richtige dar.

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Partner bei Simmons & Simmons LLP.

Verlag Dr. Otto-Schmidt vom 28.08.2017 09:50