BFH 15.3.2017, I R 11/15

Rückstellungen für ein Aktienoptionsprogramm

Eine AG kann Rückstellungen für Verbindlichkeiten aus einem Aktienoptionsprogramm zugunsten von leitenden Mitarbeitern nicht bilden, wenn die Optionen nur ausgeübt werden können, falls der Verkehrswert der Aktien zum Ausübungszeitpunkt einen bestimmten Betrag (hier: 10 % des Ausübungspreises) übersteigt und/oder wenn das Ausübungsrecht davon abhängt, dass es in der Zukunft zu einem Verkauf des Unternehmens oder einem Börsengang kommt. Der Grad der Wahrscheinlichkeit des Eintritts eines dieser Ereignisse ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung.

Der Sachverhalt:
Streitig ist im Revisionsverfahren noch die Bildung von Rückstellungen für ein Aktienoptionsprogramm; Streitjahre sind 2006 bis 2010. Die klagende GmbH ist nach Verschmelzung und Formwechsel Rechtsnachfolgerin der K-AG. 2006 beschloss die Hauptversammlung der K-AG eine bedingte Kapitalerhöhung zur Gewährung von Optionen auf den Bezug von Aktien an Mitglieder ihres Vorstands und an weitere Mitarbeiter der Gesellschaft und nachgeordneter verbundener Unternehmen. Auf der Grundlage der schriftlichen Optionsbedingungen ("Stock Option Terms") gab die K-AG von 2006 bis 2009 Aktienoptionen an Vorstandsmitglieder und Mitarbeiter aus.

Die Optionsbedingungen sahen u.a. folgende Regelungen vor:

  • Die Optionen können grundsätzlich ausgeübt werden:
    • wenn ein "Exit-Ereignis" eintritt (Verkauf der wesentlichen Vermögenswerte der K-AG bzw. der Aktienmehrheit an unabhängigen Dritten oder, im Zusammenhang mit einem Börsengang, jeder Verkauf von Aktien durch bestimmte "Sponsoren" an unabhängige Dritte)
    • und wenn der Verkehrswert mindestens 10 % über dem Ausübungspreis pro Aktie liegt ("Erfolgsziel").
  • "Vesting": Es können nur so viele Aktien erworben werden, wie sich aus einer festgelegten "Vesting"-Formel ergibt. Das "Vesting" der Optionen vollzieht sich in fünf jährlichen Schritten von jeweils 20 % (beginnend mit 20 % der Optionen im Jahr 2007 und endend mit 100 % der Optionen im Jahr 2011). Bei einem Verkauf der Gesellschaft "vesten" sämtliche Optionen.
  • Verfall: Die Optionen verfallen spätestens zehn Jahre nach dem Ausgabetag. Wenn ein Teilnehmer nicht mehr bei der K-AG oder einer Tochtergesellschaft beschäftigt ist, verfällt der Teil der Optionen dieses Teilnehmers, der noch nicht "gevestet" ist; der bereits "gevestete" Teil der Optionen kann bis 60 Tage nach dem Beendigungszeitpunkt unabhängig vom Vorliegen eines Exit-Ereignisses ausgeübt werden. Bei Ausscheiden eines Teilnehmers durch arbeitgeberseitige Kündigung aus wichtigem Grund verliert der Teilnehmer sämtliche Optionsrechte.
  • Rückkaufoption: Bei Ausscheiden eines Teilnehmers aus den Diensten der K-AG oder einer Tochtergesellschaft ist die K-AG berechtigt, sämtliche ausgegebenen Options-Aktien sowie sämtliche (auch die bereits "gevesteten") Optionen zum jeweiligen Verkehrswert der Aktien am Beendigungstag zurückzukaufen.
  • Ersetzungsrecht: Nach Ausübung einer Option kann die K-AG nach eigenem Ermessen festlegen, dass statt der Ausgabe von Options-Aktien ein deren Verkehrswert entsprechender Barbetrag abzüglich des Ausübungspreises an den entsprechenden Teilnehmer gezahlt wird.

Im Oktober 2009 erklärte die K-AG gegenüber den Optionsberechtigten, sie werde von ihrem Ersetzungsrecht Gebrauch machen; bei Ausübung der Optionen würden die Berechtigten Barzahlungen statt Aktien erhalten. Nur für die Befriedigung von Optionen, die in Zusammenhang mit einem vorzeitigen Ausscheiden bereits vor einem "Exit-Ereignis" ausgeübt würden, werde das Ersetzungsrecht noch nicht ausgeübt. Mit Verschmelzungsvertrag vom 28.10.2010 wurde die K-AG mit steuerlicher Rückwirkung zum 30.6.2010 auf die Klägerin verschmolzen. Für Zahlungsverpflichtungen aus dem Aktienoptionsprogramm bildete die K-AG jeweils auf den 31.12. der Jahre 2006 bis 2010 Rückstellungen.

An sämtlichen vorgenannten Bilanzstichtagen lag der von der K-AG ermittelte Verkehrswert ihrer Aktien über dem "Erfolgsziel". Das Finanzamt erkannte nach Außenprüfungen die Rückstellungen für die Streitjahre 2006, 2009 und 2010 insgesamt nicht an. Für die Streitjahre 2007 und 2008 berücksichtigte es die Rückstellungen nur in geringem Umfang. Die Klägerin macht mit ihrer Klage geltend, die Rückstellungen seien anzuerkennen, weil zu allen Bilanzstichtagen überwiegend wahrscheinlich gewesen sei, dass es innerhalb der zehnjährigen Verfallsfrist des Optionsprogramms zu einem "Exit-Ereignis" kommen und dass die K-AG von dem Ersetzungsrecht durch Barzahlung Gebrauch machen werde.

Das FG wies die Klage ganz überwiegend ab. Die Revision der Klägerin hatte vor dem BFH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Das FG hat zu Recht entschieden, dass die K-AG in den in Rede stehenden Bilanzen über die vom Finanzamt anerkannten Beträge hinaus keine Rückstellungen für Verpflichtungen aus dem Aktienoptionsplan passivieren durfte.

Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten setzen entweder das Bestehen einer ihrer Höhe nach ungewissen Verbindlichkeit oder die überwiegende Wahrscheinlichkeit des Entstehens einer Verbindlichkeit dem Grunde nach voraus, deren Höhe zudem ungewiss sein kann. Ist die Verpflichtung am Bilanzstichtag nicht nur der Höhe nach ungewiss, sondern auch dem Grunde nach noch nicht rechtlich entstanden, so kann eine Rückstellung nur unter der weiteren Voraussetzung gebildet werden, dass sie wirtschaftlich in den bis zum Bilanzstichtag abgelaufenen Wirtschaftsjahren verursacht ist. Die Ausgabe von Aktienoptionen an Mitarbeiter durch eine AG im Rahmen eines Aktienoptionsplans, der mit einer bedingten Kapitalerhöhung verbunden ist, führt nicht zu einem gewinnwirksamen Personalaufwand. Darüber hinaus besteht im Hinblick auf die künftige Ausgabe neuer Aktien mangels gegenwärtiger wirtschaftlicher Belastung kein Raum für die Passivierung einer Verbindlichkeitsrückstellung.

Vorliegend bezogen sich die gebildeten Rückstellungen auch nicht auf eine künftige Ausgabe von Aktien, sondern auf die eventuellen künftigen Zahlungsverpflichtungen aus der in den Optionsbedingungen geregelten Ersetzungs- bzw. Rückkaufsbefugnis der AG. Die Rückstellungsbildung hinsichtlich der Ansprüche der Optionsberechtigten auf Barausgleich scheitert daran, dass die Verbindlichkeiten zu den Bilanzstichtagen der Streitjahre weder rechtlich entstanden noch wirtschaftlich verursacht waren. Denn die wirtschaftliche Verursachung einer Verbindlichkeit im abgelaufenen Wirtschaftsjahr oder in den Vorjahren setzt voraus, dass die wirtschaftlich wesentlichen Tatbestandsmerkmale erfüllt sind und das Entstehen der Verbindlichkeit nur noch von wirtschaftlich unwesentlichen Tatbestandsmerkmalen abhängt. Maßgebend ist hiernach die wirtschaftliche Wertung des Einzelfalls im Lichte der rechtlichen Struktur des Tatbestands, mit dessen Erfüllung die Verbindlichkeit entsteht.

Der rechtliche und wirtschaftliche Bezugspunkt der Verpflichtung muss in der Vergangenheit liegen, sodass die Verbindlichkeit nicht nur an Vergangenes anknüpft, sondern auch Vergangenes abgilt. Im Streitfall belegte schon allein das in den Optionsbedingungen der AG ausgegebene "Erfolgsziel", nach dem die Optionen nur ausgeübt werden können, wenn der Aktienwert zum späteren Ausübungszeitpunkt den Ausübungspreis um 10 % übersteigt, einen nicht unmaßgeblichen Zukunftsbezug der Optionsverpflichtungen der AG. Daraus folgt, dass das Optionsrecht nicht in erster Linie gewährt worden ist, um dadurch in der Vergangenheit erbrachte Arbeitnehmerleistungen abzugelten, sondern um dem begünstigten Führungspersonal eine zusätzliche besondere Erfolgsmotivation für die Zukunft zu verschaffen. Der Zukunftsbezug war zudem auch an dem weiteren Ausübungserfordernis des "Exit-Ereignisses" festzumachen. Da das Recht zur Optionsausübung für die im Betrieb verbleibenden Optionsberechtigten mit dem Eintritt des "Exit-Ereignisses" steht oder fällt, handelt es sich um ein auch aus wirtschaftlicher Sicht bedeutsames Tatbestandsmerkmal.

Aus dem Fehlen einer Verbindung des Tatbestandsmerkmals "Exit-Ereignis" zu den von den Optionsberechtigten bis zu den Bilanzstichtagen erbrachten Arbeitsleistungen ergab sich jedoch zugleich der mangelnde Vergangenheitsbezug dieses Tatbestandselements. Die Rückstellungen konnten auch deshalb nicht anerkannt werden, weil die Zahlungspflichten aus dem Optionsprogramm Bestandteil des Pflichtengeflechts aus den Arbeitsverhältnissen der Optionsteilnehmer mit der AG waren und einzelne Positionen aus schwebenden Geschäften wegen der zu vermutenden Ausgewogenheit der Vertragsbeziehungen grundsätzlich nicht zu bilanzieren sind. Die Voraussetzungen eines Erfüllungsrückstands der AG lagen daher mangels Vergangenheitsbezug der Optionsverpflichtungen nicht vor.

Linkhinweis:

  • Der Volltext der Entscheidung ist auf der Homepage des BFH veröffentlicht.
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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 04.08.2017 12:09
Quelle: BFH online

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