02 / 2018

Dr. Ralf Deutlmoser, LL.M.

Die (unterbliebene) Rückforderung von Bearbeitungsentgelten für Unternehmerdarlehen – „verschenktes Geld“ und Haftungsfalle für GmbH-Geschäftsführer

Die (vorformulierten) Klauseln vieler Banken sahen in der Vergangenheit neben den vertraglichen Zinsen ein laufzeitunabhängiges Bearbeitungsentgelt zu Lasten des Darlehensnehmers vor. Als Bezeichnung wurden im Einzelfall unterschiedliche Begriffe gewählt wie Kreditgebühr, Kreditbearbeitungsgebühr, Bearbeitungsentgelt, Bearbeitungsgebühr und später – in kreativer Abwandlung –, Strukturierungsentgelt, etc.


I. Laufzeitunabhängige Bearbeitungsentgelte auch in Unternehmerdarlehensverträgen unwirksam

In zwei Grundsatzurteilen hat der BGH diese formularmäßigen Bearbeitungsentgelte im Sommer des Jahres 2017 für unwirksam erklärt (BGH v. 4.7.2017 – XI ZR 562/15 u. XI ZR 233/16). Begründet hat der BGH dies im Wesentlichen damit, dass solche Klauseln auch Unternehmer „entgegen den Geboten von Treu und Glauben unangemessen benachteiligen (§ 307 Abs. 1 S. 1 BGB)“; für private Darlehensnehmer war dies bereits 2014 ausgeurteilt worden (BGH v. 28.10.2014 – XI ZR 348/13 u. XI ZR 17/14). Der BGH führt aus, dass die Banken mit solchen Gebühren nämlich Kosten für Tätigkeiten, die sie in eigenem Interesse erbringen oder mit denen sie ihre gesetzlichen Pflichten erfüllen, decken. Dies stellt eine unangemessene Benachteiligung des Unternehmers dar: Im Darlehensrecht sieht das Gesetz vor, dass der Kreditnehmer (nur) laufzeitabhängige Gebühren, nämlich den Zins, zahlt. Eine so weitgehende Abweichung vom gesetzlichen Leitbild, wie es die Bearbeitungsgebühr darstellt, kann nicht durch eine vorformulierte Klausel wirksam vereinbart werden, da sie „mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung unvereinbar ist“, so die Bundesrichter.


II. Rückforderungsanspruch des Darlehensnehmers (condictio indebiti) und Verjährung

Aus der Unwirksamkeit der Vereinbarung der Bearbeitungsentgelte folgt zunächst „nur“ ein Anspruch auf Herausgabe des Erlangten. Die entsprechenden Zahlungen sind rechtsgrundlos, weil auf eine nicht bestehende Schuld, geleistet und damit als Standardfall der Leistungskondiktion gemäß § 812 Abs. 1 S. 1 Fall 1 BGB (condictio indebiti) vom Darlehensgeber herauszugeben. Daneben tritt die Pflicht zum Nutzungsersatz nach § 818 Abs. 1 BGB ab dem Tag nach dem Zufluss der jeweiligen Zahlung, wobei eine „tatsächliche Vermutung dahingehend besteht, dass Banken Nutzungen im Wert des üblichen Verzugszinses in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz gezogen hat“ (nur etwa BGH v. 28.10.2014 – XI ZR 348/13 u. XI ZR 17/14).

Ob man dieses Urteil nun für fundamental verfehlt oder in einzelnen Argumentationen für angreifbar hält, ist für die praktischen Konsequenzen einerlei: Zum einen können die unwirksam vereinbarten Bearbeitungsgebühren nun von den Banken zurückgefordert werden. Zum anderen besteht für die Rückforderung Handlungsbedarf, da die Rückforderungsansprüche der dreijährigen Regelverjährungsfrist] gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB unterliegen, die nach § 199 BGB mit positiver Kenntnis oder fahrlässiger Unkenntnis der anspruchsbegründenden Umstände beginnt. Demzufolge kommt es lediglich auf die Tatsachenkenntnis an, aus denen sich das Fehlen des Rechtsgrundes ergibt. Das heißt, Bearbeitungsgebühren, die im Laufe des Jahres gezahlt wurden, werden nach dem Jahresende kaum mehr erfolgreich zurückverlangt werden können (im Newsletter „Update Unternehmensrecht“ vom 13.12.2017 wurde bereits auf die am Jahresende verjährenden Ansprüche aus dem Jahr hingewiesen!).

Auch wenn der BGH erst im Jahr 2017 entschieden hat, dass selbst im unternehmerischen Verkehr Bearbeitungsentgelte nicht wirksam vereinbart werden können, war, so der BGH ausdrücklich, Unternehmern – wie Verbrauchern – bereits im Jahr 2011 eine Klageerhebung zumutbar. In diesem Jahr hatte sich eine „gefestigte Auffassung der Oberlandesgerichte herausgebildet, wonach Klauseln über Bearbeitungsentgelte in Abweichung von einer früheren höchstrichterlichen Rechtsprechung unwirksam sind“.

Es ist daher zunächst festzuhalten: Leistungen von Unternehmen auf formularmäßig vereinbarte Bearbeitungsentgelte erfolgten rechtsgrundlos und können zurückverlangt werden; daneben tritt ein Anspruch auf Herausgabe der gezogenen Nutzungen, regelmäßig in Höhe der üblichen Verzugszinsen. Da die regelmäßige Verjährungsfrist Anwendung findet, verjähren Ansprüche aufgrund von in 2015 geleisteten entsprechenden Zahlungen grundsätzlich mit dem Jahresende 2018.

Aus obigem Zwischenergebnis ergibt sich nun jedoch nicht nur ein Leistungsgebot für GmbH-Geschäftsführer, sondern auch eine rechtliche Handlungspflicht, bei deren Verletzung (zumindest) zivilrechtliche, Konsequenzen in Form der persönlichen Haftung mit dem gesamten privaten Vermögen drohen.


III. Stellung und Pflichten des GmbH-Geschäftsführers als Verwalter fremden Vermögens

Das Risiko der persönlichen Inanspruchnahme findet seine Grundlage für GmbH-Geschäftsführer in der Haftungsnorm des § 43 Abs. 2 GmbHG. Demnach haftet ein GmbH-Geschäftsführer im Falle der Verletzung der GmbH gegenüber bestehender Pflichten, bei Verletzung des in § 43 Abs.1 GmbHG angelegten Sorgfaltsmaßstabes, wenn dadurch ein Schaden verursacht wird.

Einen Pflichtenkanon des GmbH-Geschäftsführers ist gesetzlich nicht definiert. Selbstverständlich, und daher nicht im Gesetz expressis verbis niedergelegt, ist die Pflicht zur Geschäftsführung. Die Geschäftsführung umfasst dabei zunächst das Treffen der zur Verfolgung des Gesellschaftszwecks erforderlichen Entscheidungen. Zugleich ist der Geschäftsführer, so schon das OLG Bremen im Jahr 1964, „in der verantwortlichen leitenden Stellung des Verwalters eines fremden Vermögens“, mit entsprechenden daraus folgenden „Interessenwahrungspflichten“ (OLG Bremen v. 28.2.1963 – 2 U 81/62 – O 118/60, GmbHR 1964, 8 [9]). Seine Grundlage findet diese Interessenwahrungspflicht in der organschaftlichen, besonderen Verfügungsmacht des Geschäftsführers. In der Folge darf der Geschäftsführer Gesellschaftsvermögen (natürlich) nicht verschwenden.

Auch im Hinblick auf die Geltendmachung von Forderungen ergibt sich eine allgemeine Handlungspflicht des Geschäftsführers: Fällige Forderungen hat der Geschäftsführer zeitnah einzuziehen und die Entwertung, sei es tatsächlich aufgrund Zahlungsunfähigkeit des Schuldners, oder rechtlich, etwa aufgrund eintretender Verjährung, zu verhindern (OLG Koblenz v. 30.11.2006 – 6 U 330/06). Dies gilt zwanglos bei unstreitigen Forderungen, ebenso aber auch bei Forderungen, die aufgrund höchstrichterlicher Rechtsprechung, trotz „Gegenwehr des Schuldners“, bei objektiver Betrachtung kaum ernsthaft bestritten werden können. Der Geschäftsführer ist nicht Herr des Vermögens, sondern lediglich dessen Verwalter. Daher formuliert das OLG Koblenz ebenso zutreffend wie lapidar: „Als Geschäftsführer [...] hatte der Beklagte [...] die Pflicht, Forderungen der Gesellschaft vor Eintritt der Verjährung beizutreiben.“ Nur damit lässt sich im Ergebnis das Postulat durchsetzen, dass „Einwirkungsmöglichkeit und Verantwortung“ gleichlaufen müssen (Hopt, ZGR 2004, 1 [19]).

Neben der Pflichtverletzung erfordert eine Inanspruchnahme des Geschäftsführers die Verletzung des in § 43 Abs. 1 GmbHG angelegten Sorgfaltsmaßstabs; der Geschäftsführer muss also gegen die Sorgfalt des ordentlichen Kaufmannes verstoßen haben. Im Falle des untätigen Verjährenlassens einer bestehenden Forderung liegt der Verstoß auf der Hand. Der „ordentliche Geschäftsmann“ macht in aller Regel Forderungen vor Eintritt der Verjährung geltend. Hierzu zählt auch die Rückforderung rechtsgrundlos geleisteter Zahlungen, wie Kreditbearbeitungsgebühren. Ein eigener Ermessensspielraum des Geschäftsführers, der einen haftungsfreien Handlungsspielraum eröffnen könnte, ist kaum denkbar. Ein persönliches Verschulden ist überdies nicht erforderlich.

Hinsichtlich der Beweislastverteilung ist Folgendes zu beachten: Im Prozess gegen den Geschäftsführer muss die klagende Gesellschaft (bzw. der Insolvenzverwalter) darlegen und beweisen, dass ein Schaden aufgrund eines möglicherweise pflichtwidrigen Verhaltens des Geschäftsführers in seinem Pflichtenkreis entstanden ist. Dabei kommen der Gesellschaft ggf. die Erleichterungen des § 287 ZPO zugute. Der Geschäftsführer muss sodann nachweisen, dass er seinen Sorgfaltspflichten nachgekommen ist, alternativ, dass der Schaden auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten eingetreten wäre.

Der Anspruch gegen den Geschäftsführer verjährt dabei gemäß § 43 Abs. 4 GmbHG in fünf Jahren. Die Verjährung beginnt dabei mit der Anspruchsentstehung, also mit dem Eintritt des Schadens dem Grunde nach. Beruht die Haftung des Geschäftsführers auf der Nichtgeltendmachung von Ansprüchen der Gesellschaft, die in der Folge verjähren, tritt der Schaden mit dem Zeitpunkt des Verjährungseintritts für diese Ansprüche ein (OLG Koblenz v. 30.11.2006 – 6 U 330/06). Für mit Schluss des Jahres 2018 verjährende Ansprüche der Gesellschaft heißt das, dass das Haftungsrisiko des Geschäftsführers bis zum Schluss des Jahres 2023 fortbesteht.


IV. Relevanz eines abweichenden Gesellschafterbeschlusses

Die persönliche Inanspruchnahme scheidet dann aus, soweit der Geschäftsführer auf Grund bindender Anweisung des zuständigen Gesellschaftsorgans – also der Gesellschafterversammlung aber auch kraft Satzung eines fakultativen Aufsichtsrats oder Beirats – handelt. Die Umsetzung einer bindenden Weisung, zu welcher der Geschäftsführer verpflichtet ist, kann im Verhältnis zur Gesellschaft nicht gleichzeitig pflichtwidrig sein. Diese Wirkung der Anweisung setzt jedoch die ordnungsgemäße Vorbereitung des Beschlusses, also die umfassende Information über Sachverhalt und Auswirkungen, voraus, sowie das Unterlassen pflichtwidriger Einflussnahme auf die Willensbildung.

Da der Geschäftsführer auf ein bloßes Schweigen keinesfalls vertrauen darf, ist es in jedem Fall angezeigt, einen positiven Beschluss der Gesellschafter herbeizuführen.


V. Fazit

Unternehmen und deren Geschäftsführern kann nur geraten werden die Ansprüche auf Rückerstattung von Kreditbearbeitungsgebühren, die im Jahr 2014 bezahlt wurden, verjährungsunterbrechend geltend zu machen. Widrigenfalls droht dem Unternehmen wirtschaftlicher Schaden und dem Geschäftsführer die persönliche Inanspruchnahme. Soweit die Vermögensinhaber, also die Gesellschafter, nicht der Geschäftsführer, von der Geltendmachung absehen wollen, ist hierüber vor Verjährungseintritt ein wirksamer Gesellschafterbeschluss zu fassen und der Geschäftsführer entsprechend anzuweisen. Auf die große Keule zusätzlicher strafrechtlicher Verantwortlichkeit, „Untreue“, kann an dieser Stelle nur zusätzlich warnend hingewiesen werden.

Selbstredend ist die Thematik nicht auf GmbHs und deren Geschäftsführer beschränkt. Obige Grundsätze finden im Wesentlichen auch im Hinblick auf Aktiengesellschaften, Genossenschaften, etc. Anwendung. Die Interessenwahrungspflicht als Ausgangspunkt der Haftung kann letztlich bei allen treuhänderischen Tätigkeiten bestehen.

Verlag Dr. Otto-Schmidt vom 08.01.2018 12:23