Aktuell in der GmbHR

Die elektronische Gründung von Kapitalgesellschaften (Teichmann, GmbHR 2018, 1)

In das Gründungsverfahren von Kapitalgesellschaften nach deutschem Recht ist der Notar in vielfältiger Weise eingebunden. Dies entspricht dem deutschen System der vorsorgenden Rechtspflege. Die Datenübermittlung zwischen Notar und Handelsregister erfolgt bereits heute in rein elektronischer Form. Doch künftig soll nach Vorstellung der Europäischen Kommission auch die Kommunikation mit den Gründern rein elektronisch ablaufen. Dieser Vorschlag ist in Deutschland auf heftige Kritik gestoßen. Ohne die notarielle Mitwirkung – so die Befürchtung – könne weder die Identität der Gründer noch die Rechtmäßigkeit des Gründungsakts zuverlässig überprüft werden. Der Beitrag stellt die Erfahrungen derjenigen EU-Mitgliedstaaten vor, die ein elektronisches Eintragungsverfahren bereits auf qualitativ ansehnlichem Niveau praktizieren. Im Lichte dessen erscheint es möglich, die gewohnten Standards der vorsorgenden Rechtspflege künftig auch in Deutschland bei einer rein elektronischen Gründung zu erhalten.

  1. Vorsorgende Rechtspflege im Gründungsrecht der Kapitalgesellschaften
    1. Der Notar: Die "Außenstelle" der Justiz
    2. Elektronische Handelsregisteranmeldung
    3. Notarielle Beurkundung
      1. Historische Ursprünge
      2. Beurkundungsverfahren
  2. Europäische Rahmenbedingungen
    1. Grundfreiheiten-Rechtsprechung des EuGH
    2. Publizitätsrichtlinie
    3. Rechtspolitische Vorschläge zur voll elektronischen Gründung
  3. Rechtsvergleich mit anderen EU-Mitgliedstaaten
    1. Das angelsächsische Regelungsmodell
    2. Frankreich
      1. Rechtliche Grundlagen
      2. Praxis des Anmeldeverfahrens
      3. Bewertung
    3. Dänemark
      1. Rechtliche Grundlagen
      2. Praxis des Anmeldeverfahrens
      3. Bewertung
    4. Estland
      1. Rechtliche Grundlagen
      2. Praxis des Anmeldeverfahrens
      3. Bewertung
    5. Zwischenergebnis
  4. Online-Gründung mit Notar (de lege ferenda)
    1. Standardisierte Online-Gründung ohne Beratung
      1. Identifizierung durch ePersonalausweis und Videoident-Verfahren
      2. Rechtmäßigkeitsprüfung und Belehrung
      3. Prüfauftrag des Notars
      4. Begrenzung auf Einpersonengesellschaften
    2. Standardisierte Online-Gründung mit Beratungsfunktion
    3. Die Online-Gründung mit Beratungsfunktion und Gestaltungsfreiheit
      1. Grundzüge des Verfahrens
      2. Elektronisches Beurkundungsverfahren
  5. Zusammenfassung und Ausblick

I. Vorsorgende Rechtspflege im Gründungsrecht der Kapitalgesellschaften
Die Diskussion um die elektronische Gründung von Kapitalgesellschaften ist in Deutschland von der Vorstellung geprägt, es müsse dabei das System des vorsorgenden Rechtsschutzes in seiner bisherigen Qualität erhalten bleiben. In diesem fungiert der Notar gewissermaßen als „Außenstelle“ der Justiz (unter 1.) und kommuniziert schon heute bei allen Handelsregisteranmeldungen elektronisch mit dem Registergericht (unter 2.). Neben der dafür nötigen Beglaubigung stellt allerdings auch die notarielle Beurkundung ein wesentliches Element der vorsorgenden Rechtspflege dar. Ob sich deren Funktionen (unter 3.) auf ein System übertragen lassen, in dem die Kommunikation mit dem Gründer rein elektronisch verläuft, wird im Laufe dieses Beitrags näher zu untersuchen sein.

1. Der Notar: Die "Außenstelle" der Justiz
Die Tätigkeit der Notare ist als sog. vorsorgende Rechtspflege funktional in das System der staatlichen Rechtspflege eingebettet.  § 1 BNotO bezeichnet den Notar daher als „Träger eines öffentlichen Amtes“, dem bestimmte Aufgaben „auf dem Gebiet der vorsorgenden Rechtspflege“ anvertraut sind.  Als unabhängiger Amtsträger ist er jedoch organisatorisch nicht in den Justizapparat integriert; er bildet gewissermaßen eine „Außenstelle“ der Justiz und soll deren Tätigkeit erleichtern.

Diese Einbindung der Notare impliziert ein weites Verständnis von staatlicher Rechtspflege. Die Bereitstellung von Gerichten ermöglicht als staatliche Kernaufgabe die verfahrensrechtlich geordnete Austragung von Konflikten. Die vorsorgende Rechtspflege hingegen soll die Gefahr von Konflikten präventiv reduzieren.  Der Notar wirkt daher als rechtskundige und neutrale Person an der Gestaltung privater Rechtsverhältnisse um der künftigen Rechtsicherheit und Streitverhütung willen mit.  Die notarielle Urkunde bietet in erhöhtem Maße die Gewähr dafür, dass privatrechtliche Verhältnisse rechtskonform und interessengerecht gestaltet werden.  Wegen der Betreuung durch den Notar genießt die Urkunde in einem späteren Gerichtsverfahren hohe Beweiskraft (vgl. §§ 415, 418 ZPO).

2. Elektronische Handelsregisteranmeldung
Anmeldungen zum Handelsregister sind nur in öffentlich beglaubigter Form zulässig (§ 12 Abs. 1 S. 1 HGB), an ihnen wirkt daher in aller Regel ein Notar mit (vgl. § 129 Abs. 1 S. 1 BGB). Die Beglaubigung bestätigt den Vollzug der Unterschrift in Anwesenheit des Notars (vgl. § 40 BeurkG). Gemäß § 378 Abs. 3 FamFG  hat der Notar außerdem jede Handelsregisteranmeldung, unabhängig ...


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 10.01.2018 09:53
Quelle: Verlag Dr. Otto Schmidt

zurück zur vorherigen Seite