BGH 20.2.2018, II ZR 272/16

Zur substantiierten Darlegung einer Forderung gegen den Kommanditisten

Zur substantiierten Darlegung einer Forderung gegen den Kommanditisten nach § 171 Abs. 2, § 172 Abs. 4 HGB ist es ausreichend, wenn der Insolvenzverwalter die Insolvenztabelle mit festgestellten Forderungen vorlegt, die nicht aus der Insolvenzmasse befriedigt werden können. Die mittelbar aus § 201 Abs. 2 InsO folgende Rechtskraftwirkung der widerspruchslos erfolgten Feststellung von Forderungen zur Insolvenztabelle nimmt gem. § 129 Abs. 1, § 161 Abs. 2 HGB auch dem Kommanditisten die der Gesellschaft abgesprochenen Einwendungen gegen die Gläubigerforderungen.

Der Sachverhalt:
Der Kläger ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der M. Shipping GmbH & Co. KG (Schuldnerin). Der Beklagte hatte einen Kommanditanteil i.H.v. 15.000 € an der Schuldnerin übernommen. Seit Gründung in 2002 erwirtschaftete die Schuldnerin mit Ausnahme des Jahres 2006 fortlaufende Verluste. Das Kapitalkonto des Beklagten war bereits im Beitrittsjahr unter die Hafteinlage herabgemindert worden. In den Jahren 2004 bis 2007 flossen Ausschüttungen i.H.v. insgesamt 5.100 € an den Beklagten.

Mit Beschluss vom 1.4.2014 wurde über das Vermögen der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und darin der Termin zur Gläubigerversammlung am 11.6.2014 bestimmt. Der Beklagte wurde über die Insolvenzeröffnung informiert. Mit Beschluss vom 14.4.2014 wurde über das Vermögen der Komplementär-GmbH der Schuldnerin das Insolvenzverfahren eröffnet und ebenfalls der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.

Der Kläger nimmt den Beklagten unter dem Gesichtspunkt der Rückgewähr der geleisteten Kommanditeinlage persönlich in Anspruch. Der Beklagte hatte von den ursprünglich geforderten 5.100 € bereits vorprozessual 2.500 € an den Kläger gezahlt. Der Kläger legt zur Darlegung der Forderungen der Gläubiger gegen die Schuldnerin die Insolvenztabelle vor.

AG und LG gaben der Klage statt und verurteilten den Beklagten antragsgemäß zur Zahlung von 2.600 € nebst Zinsen sowie außergerichtlicher Kosten. Die Revision des Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Der Kläger hat einen Zahlungsanspruch i.H.v. 2.600 € gem. § 171 Abs. 2 i.V.m. § 172 Abs. 4 S. 2 HGB gegen den Beklagten.

In den Jahren 2004 bis 2007 wurden insgesamt 5.100 € seitens der Schuldnerin an den Beklagten als Kommanditisten ausgeschüttet, nachdem dieser seine Einlage geleistet hatte. Es wurden damit Gewinnanteile entnommen, wodurch die geleistete Einlage herabgemindert wurde. Es bestehen Forderungen von Gesellschaftsgläubigern mindestens in Höhe der Klageforderung. Der Kläger hat dies hinreichend substantiiert dargelegt. Zur Darlegung der Forderung ist es ausreichend, wenn der Kläger die Insolvenztabelle vorlegt mit festgestellten Forderungen, die nicht aus der Insolvenzmasse befriedigt werden können. Der Kläger hat hier die Insolvenztabelle mit nicht widersprochenen und festgestellten Forderungen von Gesellschaftsgläubigern i.H.v. rd. 1,95 Mio € vorgelegt. Die zur Insolvenztabelle festgestellten Forderungen können nicht aus der Insolvenzmasse befriedigt werden.

Ohne Erfolg bestreitet der Beklagte das Bestehen der ohne Widerspruch der Schuldnerin festgestellten Forderungen in der Insolvenztabelle. Hier ist das Bestreiten der Gläubigerforderungen unbeachtlich, da dem Beklagten diese Einwendung aufgrund der Wirkungen der widerspruchslosen Feststellung der Forderungen in der Insolvenztabelle nach § 129 Abs. 1, § 161 Abs. 2 HGB abgeschnitten ist. Die Schuldnerin könnte sich mit dieser Einwendung gegen ihre Inanspruchnahme nicht zur Wehr setzen. Die Feststellung der Forderungen zur Insolvenztabelle hat für den Insolvenzverwalter und die Gläubiger gem. § 178 Abs. 3 InsO die Wirkung eines rechtskräftigen Urteils. Für den Schuldner ergibt sich die Rechtskraftwirkung nicht aus § 178 Abs. 3 InsO, weil dieser dort nicht genannt ist. Sie folgt aber mittelbar aus § 201 Abs. 2 InsO.

Nach dieser Vorschrift können Insolvenzgläubiger, deren Forderungen festgestellt und nicht vom Schuldner im Prüfungstermin bestritten worden sind, nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens aus der Eintragung in die Tabelle wie aus einem vollstreckbaren Urteil die Zwangsvollstreckung gegen den Schuldner betreiben, wobei eine nicht bestrittene Forderung einer Forderung gleich steht, bei der ein erhobener Widerspruch beseitigt ist. Diese Wirkung tritt auch außerhalb des Insolvenzverfahrens ein. § 201 Abs. 1 InsO regelt nur die während des Insolvenzverfahrens nicht mögliche Vollstreckung (§ 89 InsO) nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens. Die Rechtskraftwirkung außerhalb der Vollstreckung besteht schon vor Aufhebung des Verfahrens, sobald die Feststellung zur Tabelle erfolgt ist. Die Rechtskraftwirkung eines Titels gegenüber der Gesellschaft beschränkt grundsätzlich die Einwendungsmöglichkeiten für den persönlich haftenden Gesellschafter.

Gegen die aus § 128 HGB begründete persönliche Haftung eines Gesellschafters einer offenen Handelsgesellschaft kann ein Gesellschafter gem. § 129 Abs. 1 HGB von persönlichen Einwendungen abgesehen nur die Einwendungen geltend machen, die auch von der Gesellschaft erhoben werden können. Ist im Gesellschaftsprozess ein rechtskräftiges Urteil gegen die Gesellschaft ergangen, wirkt dies auch gegen die Gesellschafter, indem es ihnen die Einwendungen nimmt, die der Gesellschaft abgesprochen wurden. Dahingestellt bleiben kann insoweit, ob der Sache nach eine Rechtskrafterstreckung auf die Gesellschafter oder ein Einwendungsausschluss vorliegt. Diese Grundsätze gelten gem. § 161 Abs. 2 HGB auch für die Haftung des persönlich haftenden Gesellschafters der Kommanditgesellschaft und die Haftung des Kommanditisten gegenüber den Gläubigern der Gesellschaft nach §§ 171, 172 Abs. 4 HGB. Eine einschränkende Auslegung des § 129 Abs. 1 HGB wie bei der Haftung eines ausgeschiedenen Gesellschafters kommt bei der Haftung eines Kommanditisten einer Kommanditgesellschaft, über deren Vermögen das Insolvenzverfahren eröffnet worden ist, nicht in Betracht.

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 26.03.2018 16:36
Quelle: BGH online

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