06 / 2018

Prof. Dr. Walter Bayer und Dipl.-Kfm. Thomas Hoffmann

Kapitalmarktorientierte Unternehmergesellschaften

I. Die UG als Emittentin börsennotierter Wertpapiere

Was haben die „Siemens AG“, die „BASF SE“ oder die „Bayer AG“ mit „Mini-GmbH“ wie der „Driver thirteen UG (haftungsbeschränkt)“, der „RevoCar 2017 UG (haftungsbeschränkt)“ oder der „Private Driver 2015-1 UG (haftungsbeschränkt)“ gemeinsam? In allen Fällen handelt es sich um kapitalmarktorientierte Kapitalgesellschaften im Sinne von § 264d HGB, also um Gesellschaften, deren selbst ausgegebene Wertpapiere zum Handel an einem organisierten Markt im EU/EWR-Gebiet zugelassen sind (bzw. entsprechende Zulassungsantragstellung). Bei den börsennotierten Wertpapieren der jeweiligen Unternehmergesellschaften (UG) geht es freilich – anders als bei den aufgezählten Aktiengesellschaften – allein um Schuldtitel (Inhaberschuldverschreibungen) und nicht um Eigenkapitaltitel (Aktien).

Auf dem ersten Blick scheinen kapitalmarktorientierte Unternehmergesellschaften jedenfalls ein Widerspruch in sich zu sein, gilt die „Mini-GmbH“ doch gemeinhin als Rechtsformvariante für Kleinstunternehmer, während die „Kapitalmarktorientierung“ zumindest einen Hauch von Größe und Weltläufigkeit ausstrahlt. Grundsätzlich steht aber auch einer GmbH, und damit ebenfalls ihrer Untervariante UG, der organisierte Kapitalmarkt für eigene Wertpapieremissionen offen. GmbH-„Konkurrenzprodukte“ ausländischer Rechtsordnungen – etwa die niederländische B.V. – bedienten sich zudem schon immer des organisierten Kapitalmarkts. So scheint es nur folgerichtig, dass sich unter den rund 600 kapitalmarktorientierten Kapitalgesellschaften deutscher Rechtsform auch einige UG befinden (vgl. z.B. Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht [BaFin], Aufstellung der dem Enforcement unterliegenden Unternehmen zum Stichtag 1.7.2017, abrufbar unter www.bafin.de).

Ende 2017 existierten – soweit ersichtlich – immerhin 20 kapitalmarktorientierte UG in Deutschland (s. die Aufstellung in der unten stehenden Tabelle, exkl. ggf. noch laufende Zulassungsanträge für den Handel am organisierten Markt). Zwei dieser 20 UG, die „Asset-Backed European Securitisation Transaction Eleven UG (haftungsbeschränkt)“ und die „Retail Consumer CP Germany 2016 UG (haftungsbeschränkt)“, haben als Herkunftsstaat im Sinne der Richtlinie 2013/50/EU das Großherzogtum Luxemburg gewählt und finden sich insoweit nicht auf der soeben zitierten BaFin-Liste, sondern auf der „Enforcement-Liste“ der Commission de Surveillance du Secteur Financier (CSSF) des Großherzogtums Luxemburg (abrufbar unter www.cssf.lu/de).

Die genannten 20 UG machen zwar nur einen minimalen Bruchteil der deutlich über 100.000 liegenden Zahl an insgesamt vorhandenen UG aus (zur UG-Zahl s. auch Kornblum, GmbHR 2017, 739 [740]). Deren finanzielle Bedeutung wird jedoch schnell klar, wenn man bedenkt, dass diese 20 Mini-GmbH zusammengerechnet Wertpapiere im Volumen von knapp 20 Mrd. € emittiert haben (s. die nachstehende Tabelle). Nicht in der Tabelle finden sich Fälle von ehemals kapitalmarktorientierten UG, also solchen, bei denen mittlerweile ein Delisting stattgefunden hat (z.B. „Free Mobility No. 6 UG“, „Retail Automotive CP Germany 2013 UG“, „Red & Black Auto Germany 2 UG“).

Tabelle: Kapitalmarktorientierte UG

Asset-Backed Eur. Sec. Trans. Eleven UG

7.500 €

XS1195202665

x

454,0

FGA Bank Germany

XS1195203390

15,0

XS1195203556

13,0

XS1195203044

15,0

Driver thirteen UG

5.100 €

XS1158338712

25,5

Volkswagen Bank

XS1158325909

x

691,5

Private Driver 2014-4 UG

5.100 €

XS1123599661

x

775,0

XS1123600428

25,6

Private Driver 2015-1 UG

5.100 €

XS1196173162

x

927,0

XS1196173329

38,0

Red & Black Auto Germany 3 UG

7.500 €

XS1165637627

x

888,0

Bank Deutsches Kraftfahrzeug-Gewerbe

Red & Black Auto Germany 4 UG

7.500 €

XS1493553165

x

930,0

Retail Consumer CP Germany 2016 UG

7.500 €

XS1492827933

x

975,0

Credit Plus Bank

RevoCar 2015 UG

5.100 €

XS1209511143

x

290,9

Bank11 für Privatkunden und Handel

RevoCar 2016 UG

5.100 €

XS1374913892

x

467,5

RevoCar 2017 UG

5.100 €

XS1578768217

x

387,1

XS1578768720

32,2

XS1578769298

8,1

XS1578769702

13,1

XS1578769538

9,5

SC Germany Auto 2014-2 UG

4.500 €

XS1107063676

x

2.895,0

Santander Consumer Bank

XS1107063593

105,0

SC Germany Auto 2016-1 UG

4.500 €

XS1405762045

43,5

XS1405757714

x

556,5

SC Germany Auto 2016-2 UG

4.500 €

XS1446535053

x

1.440,0

XS1446535301

60,0

SC Germany Auto 2017-1 UG

4.500 €

XS1626616046

42,0

XS1626609264

x

558,0

SC Germany Consumer 2014-1 UG

4.500 €

XS1043161667

x

1.205,0

XS1043162046

145,0

SC Germany Consumer 2015-1 UG

4.500 €

XS1324497830

x

1.155,0

XS1324497913

101,5

XS1324498051

39,2

XS1324498481

58,8

XS1324498135

45,5

SC Germany Consumer 2016-1 UG

4.500 €

XS1489761558

x

635,8

XS1489762366

43,2

XS1489762523

28,2

XS1489763091

11,3

XS1489763331

31,5

SC Germany Consumer 2017-1 UG

4.500 €

XS1718425223

x

712,3

XS1718434720

53,2

XS1718436345

33,6

XS1718436691

13,1

XS1718439364

37,8

SC Germany Vehicles 2013-1 UG

4.500 €

XS0980215825

x

630,0

XS0980216807

70,0

SC Germany Vehicles 2015-1 UG

4.500 €

XS1217133815

x

633,5

XS1217140356

66,5

Stand: Ende 2017; ggf. parallel bestehende nicht-börsennotierte Wertpapiere sind nicht mit aufgeführt, Quelle: eigene Zusammenstellung nach Angaben von BaFin, CSSF, EZB, Handelsregister, Bundesanzeiger-Jahresabschlüsse und Börse Luxemburg.


II. Die UG als Verbriefungszweckgesellschaft

Inhaltlich handelt es sich bei den vorgefundenen kapitalmarkorientierten UG um Zweckgesellschaften (strukturierte Gesellschaften/Special Purpose Vehicles) mit den hierfür typischen Merkmalen (vgl. allgemein z.B. Pollmann/Huth, DStR 2014, 865 ff.; Senger/Hoehne, Münch.Komm.Bilanzrecht, 2013, § 290 HGB Rz. 107 ff.). Hierzu gehören die eng begrenzte und genau definierte Zielsetzung, die minimale Eigenkapitalausstattung und die fast ausnahmslose Erbringung der für den Geschäftsbetrieb notwendigen Dienstleistungen durch Dritte. Hinzu kommt ein konzernfremder Gesellschafterkreis, wobei die Mehrheit der Chancen und Risiken indes beim Mutterunternehmen liegt.

Einzelne Banken (z.B. die „Volkswagen Bank GmbH“) haben hier als Originatoren die UG als Verbriefungszweckgesellschaften initiiert, die als Vehikel für sog. ABS („Asset-Backed-Securities“)-Transaktionen dienen. Seitens der Banken wurden dabei eigene Konsumentenkreditforderungen zu Portfolien gebündelt und dann an die Zweckgesellschaften – hier in der Rechtsformvariante einer UG – im Rahmen einer True-Sale-Transaktion im Wege der Abtretung veräußert (§§ 433, 398 ff. BGB). Dies führte zu einer Separierung der Bonität des übertragenden Forderungspools von der Unternehmensbonität der übertragenden Bank. Die Anleihen konnten nun von externen Investoren gezeichnet oder vom Originator zurückbehalten und ggf. auch zur Notenbankrefinanzierung genutzt werden. Die in der Tabelle gesondert gekennzeichneten Wertpapiere – typischerweise die höherqualitativen und stets gerateten Senior-Notes der Verbriefungen – sind auf der Webpräsenz der EZB mit Stand 18.1.2017 als marktfähige Sicherheiten, welche die Notenbankfähigkeitskriterien erfüllen, aufgeführt.

Regelmäßig übernimmt die portfolioveräußernde Bank weiterhin die laufende Betreuung der Kredite auf Grundlage eines Servicevertrags („stille Zession“). Bei den hier im Fokus stehenden Fällen ging es besonders häufig um Fahrzeugkredite, die sich teilweise auch auf Dieselfahrzeuge bezogen. In den letzten Monaten ist in den relevanten Fachkreisen intensiv über die Auswirkungen der Dieselaffäre im Bereich der Auto-ABS-Transaktionen diskutiert worden.

Als Gesellschafter der Verbriefungszweckgesellschaften wurden jeweils eine oder mehrere deutsche oder niederländische Stiftungen eingesetzt, die u.a. gesellschaftsrechtliche Unabhängigkeit vom Originator sicherstellen. Häufig waren dies die von der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) errichteten, der Wissenschaftsförderung dienenden gemeinnützigen Stiftungen namens „Stiftung Kapitalmarktrecht für den Finanzstandort Deutschland“, „Stiftung Unternehmensfinanzierung und Kapitalmärkte für den Finanzstandort Deutschland“ und „Stiftung Kapitalmarktforschung für den Finanzstandort Deutschland“, die neben ihrer Funktion als Gesellschafterinnen von Zweckgesellschaften jeweils auch Promotionsstipendien, Druckkostenzuschüsse und Förderpreise im geringen Umfang vergeben.

Zur Finanzierung der Portfoliokäufe wurden von den Verbriefungszweckgesellschaften durch das Portfolio besicherte Schuldverschreibungen – meist in mehreren Anteilsklassen – emittiert, deren ISIN in der Tabelle ebenfalls angegeben sind. Meistens sind diese Anleihen durch eine Agentur geratet. Für die Notierung der Schuldtitel entschied man sich stets nicht für eine deutsche Börse, sondern für den geregelten Markt der Luxemburger Börse, der ebenfalls als organisierter Markt im Sinne von § 2 Abs. 11 WpHG (vormals § 2 Abs. 5 WpHG) i.V.m. § 264d HGB zählt (organisierter Markt im Sinne der EU-Wertpapierdienstleistungsrichtlinie 2004/39/EG). Auch nichtkapitalmarktorientierte UG dienen übrigens als Vehikel für Verbriefungstransaktionen. Die emittierten Wertpapiere sind dann allerdings nicht zum Handel an einem organisierten Markt zugelassen, sondern werden ggf. lediglich im Freiverkehr gehandelt (z.B. bei der „Wendelstein 2015-1 UG [haftungsbeschränkt]“ und der „SCB Alpspitze UG [haftungsbeschränkt]“).

Soweit Anleihen bei kapitalmarktorientierten UG in Stückelungen im Nennwert von je mindestens 100.000 € aufgelegt wurden, was bei den in der Tabelle aufgeführten Emissionen immer der Fall war, gelten die Erleichterungen von § 327a HGB hinsichtlich der Frist zur Offenlegung des Jahresabschlusses.

Stets brauchte bei den vorgefundenen kapitalmarktorientierten UG kein Prüfungsausschuss eingerichtet zu werden. Kapitalmarktorientierte Unternehmen im Sinne von § 264d HGB ohne Aufsichtsratsmitglieder, welche die Voraussetzungen des § 100 Abs. 5 AktG erfüllen, müssen zwar zunächst grundsätzlich über einen Prüfungsausschuss (ggf. als eigenständiges Organ) verfügen, und zwar auch dann, wenn (rechtsformbedingt/mangels Mitbestimmung) an sich gar kein Aufsichtsrat zu bilden ist (§ 324 Abs. 1 S. 1 HGB). Eine Ausnahme greift jedoch für solche kapitalmarktorientierten Unternehmen, deren ausschließlicher Zweck in der Ausgabe von Wertpapieren, die durch Vermögensgegenstände besichert sind, liegt (§ 324 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 HGB), was bei den kapitalmarktorientierten UG jeweils der Fall war.

Wie alle kapitalmarktorientierte Unternehmen, die nicht selbst zur Aufstellung eines Konzernabschlusses verpflichtet sind, mussten auch die in der Tabelle aufgeführten kapitalmarktorientierten UG ihren Jahresabschluss um eine Kapitalflussrechnung und einen Eigenkapitalspiegel erweitern (§ 264 Abs. 1 S. 2 HGB). Zudem war der Lagebericht um eine Beschreibung wesentlicher Merkmale des internen Kontroll- und Risikomanagementsystems im Hinblick auf den Rechnungslegungsprozess zu ergänzen (§ 289 Abs. 4 HGB). Da kapitalmarktorientierte Gesellschaften – einschl. der kapitalmarktorientierten UG – als große Kapitalgesellschaften gelten (§ 267 Abs. 3 S. 2 HGB), finden alle größenabhängigen Erleichterungen hier keine Anwendung.


III. Satzungsgestaltungen

Die Satzungen der vorgefundenen kapitalmarkorientierten UG definieren ein enges Korsett für die Geschäftsführungen (Stichwort „Auto-Pilot“). Dazu zählen z.B. bei den „SC Germany“-Zweckgesellschaften: die Begrenzung der Tätigkeit auf den Zweck als Verbriefungsgesellschaft, das Verbot des Betreibens eines aktiven Managements unter Ertragsgesichtspunkten und von nach dem KWG erlaubnispflichtigen Geschäften, das Verbot des Erwerbs von Grundbesitz und der Beteiligung an anderen Unternehmen, das Verbot des Abschlusses von Unternehmensverträgen (insbesondere Gewinnabführungs- und Beherrschungsverträge), die Untersagung der Einstellung von Personal. Hinsichtlich der Geschäftsführungsorgane werden strenge Vorgaben für deren Unabhängigkeit vom Portfoliolieferanten (Banken) und von den Gesellschaftern der Zweckgesellschaft (Stiftungen) gemacht. Verfügungen über Geschäftsanteile der Zweckgesellschaften, wie Veräußerungen, Abtretungen, Teilungen oder Verpfändungen, bedürfen nicht nur der vorherigen Zustimmung sämtlicher Gesellschafter der Zweckgesellschaft (Stiftungen), sondern auch des von der portfolioliefernden Bank bestellten „Transaktionstreuhänders“.

Letztendlich bestehen bei den hier behandelten UG keine zentralen Unterschiede zu „klassischen“ GmbH, die als (kapitalmarktorientierte) Verbriefungszweckgesellschaften eingesetzt werden. Ob die jeweils mehrere Millionen oder gar Milliarden Euro umfassenden emittierten Anleihevolumen sich nun auf Gesellschaften mit nur 25.000 € Stammkapital oder aber auf Gesellschaften mit 5.000 € Stammkapital beziehen, macht im Ergebnis keinen Unterschied. Die vorgefundenen kapitalmarkorientierten UG verdeutlichen indes jedenfalls das breite Anwendungsspektrum der nun fast 10 Jahre alten UG als besonderer GmbH-Variante. Ihrer bedienen sich nicht nur Klein- und Kleinstunternehmer, sondern auch große Bankhäuser, welche die UG als Vehikel für Kreditverbriefungstransaktionen einsetzen und dafür auch den organisierten Kapitalmarkt nutzen.

 

Verlag Dr. Otto-Schmidt vom 02.05.2018 10:34