19 / 2018

Prof. Dr. Jessica Schmidt, LL.M.

Ein „Rettungsanker“ für die Limiteds – Der RefE für ein 4. UmwÄndG

Die Brexit-Uhr „tickt“: Sofern der Prozess nicht doch noch in letzter Minute gestoppt wird, wird das Vereinigte Königreich am 29.3.2019 aus der EU ausscheiden. Über den etwa 8.000–10.000 UK Limiteds mit Verwaltungssitz in Deutschland schwebt damit ein regelrechtes „Damoklesschwert“: Im „worst case“ eines „no deal Brexit“ oder eines „harten“ Brexit ohne Fortgeltung der Niederlassungsfreiheit im Verhältnis zum UK werden sie mit Wirksamwerden des Brexit aus deutscher Sicht in eine GbR oder oHG nach deutschem Recht (bzw. im Falle einer Einpersonen-Limited in einen Einzelkaufmann bzw. eine „normale“ Einzelperson) umqualifiziert. Folge ist, dass die Gesellschafter (bzw. die Einzelperson) plötzlich wieder persönlich haften; zudem ergeben sich eine ganze Reihe praktischer und rechtlicher Probleme, weil die Gesellschaft im UK weiterhin als Limited behandelt würde (sog. Statutenverdopplung) (näher zum Ganzen Lutter/Bayer/J. Schmidt, Europäisches Unternehmens- und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2018, 7.118, m.w.N.).


I. Potentielle „Rettungswege“ für die Limited de lege lata

In Praxis und Schrifttum wurden bislang schon eine ganze Reihe verschiedener „Rettungswege“ für solche Limiteds vorgeschlagen (dazu etwa Lieder/Bialluch, NotBZ 2017, 209 ff.; Miras/Tonner, GmbHR 2018, 601 ff.; Wachter, GmbHR 2018, R260 ff.), die jedoch alle irgendeinen „Pferdefuß“ haben.

Denkbar wäre zunächst – auf der Basis der EuGH-Judikatur in den Rs. VALE und Polbud (EuGH v. 12.7.2012 – C-378/10 – VALE, GmbHR 2012, 860 [LS]; EuGH v. 25.10.2017 – C-106/16 – Polbud, GmbHR 2017, 1261 m. Komm. Bochmann/Cziupka; dazu etwa Bayer/J. Schmidt, ZIP 2017, 2225 ff.) – ein grenzüberschreitender Formwechsel in eine deutsche Rechtsform. Dies scheitert jedoch in der Praxis daran, dass das britische Companies House sich weigert, solche Formwechsel anzuerkennen und deshalb auch die deutschen Registergerichte diese nicht eintragen (vgl. nur Heckschen, NotBZ 2017, 401 [404]; Wachter, GmbHR 2018, R260 ff.). Der im „Company Law Package“ vorgeschlagene neue spezielle EU-Rechtsrahmen für grenzüberschreitende Formwechsel (dazu ausf. J. Schmidt, DK 2018, 273 ff.) wird für die Limiteds wohl nicht mehr rechtzeitig kommen (vgl. auch Wachter, GmbHR 2018, R260 ff.).

In Betracht kommt weiterhin eine grenzüberschreitende Verschmelzung auf eine deutsche Rechtsform. Allerdings ist eine solche derzeit rechtssicher nur auf eine Kapitalgesellschaft möglich, weil Titel II Kapitel II GesRRL und die deutschen Umsetzungsvorschriften in §§ 122a ff. UmwG nur Kapitalgesellschaften erfassen. Konsequenz ist, dass die strengen Kapitalvorschriften für AG bzw. GmbH zu beachten sind (die UG kommt wegen des Sacheinlageverbots in § 5a Abs. 2 S. 2 GmbHG nur in bestimmten Sonderfällen als aufnehmender Rechtsträger und nie als neuer Rechtsträger in Betracht, vgl. J. Schmidt in Michalski/Heidinger/Leible/J. Schmidt, 3. Aufl. 2017, § 5a Rz. 47, m.w.N.). Eine grenzüberschreitende Verschmelzung auf eine Personengesellschaft (GbR, oHG oder KG) ist zwar nach dem EuGH-Urteil in der Rs. Sevic (EuGH v. 13.12.2005 – C-411/03 – SEVIC, GmbHR 2006, 140 m. Komm. Haritz) ebenfalls durch die Niederlassungsfreiheit geschützt; da jedoch hierfür weder auf EU- noch auf deutscher Ebene ein spezieller Rechtsrahmen existiert, ist dies mit erheblichen Unsicherheiten behaftet (vgl. Lutter/Bayer/J. Schmidt, Europäisches Unternehmens- und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2018, 7.101 f. m.w.N.). Hinzu kommt, dass all diese Transaktionsoptionen vor dem Brexit abgeschlossen sein müssten, weil danach – sofern nicht doch noch etwas anderes verhandelt wird – die Niederlassungsfreiheit und die GesRRL voraussichtlich für das UK nicht mehr gelten werden.

Als weitere Option wird schließlich noch ein Anwachsungsmodell vorgeschlagen (vgl. etwa Süß, ZIP 2018, 1277 ff.; Miras/Tonner, GmbHR 2018, 601 [604 ff.]); auch dieses hat jedoch seine „Tücken“ (vgl. Lieder/Bialluch, NotBZ 2017, 209 [215]; Wachter, GmbHR 2018, R260 [R261]).


II. Neue „Rettungsanker“ durch den RefE für ein 4. UmwÄndG

1. Die Kernpunkte des Entwurfs

Vor diesem Hintergrund hat das BMJV am 3.9.2018 einen RefE für ein 4. UmwÄndG veröffentlicht (www.bmjv.de/SharedDocs/Gesetzgebungsverfahren/Dokumente/RefE_Umwandlungsgesetz.pdf?__blob=publicationFile&v=1 ), durch welchen den Limiteds mit Verwaltungssitz in Deutschland weitere Umwandlungsmöglichkeiten eröffnet werden sollen. Kernpunkte sind folgende:

Erstens soll die als übernehmender oder neuer Rechtsträger ausdrücklich geregelt werden (§§ 122a Abs. 2 S. 2, 122b Abs. 1 Nr. 2 UmwG-E und weitere Folgeänderungen in §§ 122c Abs. 2, 122e S. 3, 122f S. 1 UmwG-E). Damit soll den UK-Limiteds insbesondere eine grenzüberschreitende Verschmelzung auf eine KG ermöglicht werden; dies ist vor allem deshalb interessant, weil diese KG dann auch als GmbH & Co. KG oder UG & Co. KG ausgestaltet werden kann (vgl. RefE S. 5).

Die neuen Regelungen zur grenzüberschreitenden Hineinverschmelzung auf eine deutsche Personenhandelsgesellschaft sind allerdings nach Wortlaut und Systematik nicht ausschließlich auf UK-Limiteds als übertragenden Rechtsträger beschränkt, sondern gelten prinzipiell für alle Rechtsträger, die auch sonst übertragender Rechtsträger einer grenzüberschreitenden Verschmelzung sein könnten, also z.B. auch eine UK plc, eine französische SA oder eine polnische Sp. z.o.o. Der RefE bewirkt somit – obgleich dies in der Begründung nirgends offen gesagt wird – tatsächlich eine generelle Ausdehnung des Anwendungsbereichs der §§ 122a ff. UmwG auf grenzüberschreitende Hineinverschmelzungen mit einer Personenhandelsgesellschaft als übernehmendem oder neuem Rechtsträger.

Zweitens soll es geben (§ 122m UmwG-E): Die Hineinverschmelzung auf eine deutsche übernehmende oder neue Gesellschaft (egal ob Kapital- oder Personenhandelsgesellschaft) soll für Gesellschaften, die dem Recht des UK unterliegen, auch dann noch möglich sein, wenn der Verschmelzungsplan vor dem Brexit oder vor Ablauf einer etwaigen „Brexit-Übergangsfrist“ notariell beurkundet worden ist und die Verschmelzung unverzüglich, spätestens aber zwei Jahre nach diesem Zeitpunkt, zum Register angemeldet wird. Diese „Übergangsfrist“ gilt ausdrücklich nicht nur für Limiteds, sondern für alle Gesellschaften, die dem Recht des UK unterliegen und auch sonst übertragender Rechtsträger einer grenzüberschreitenden Verschmelzung sein können. Erfasst sind also jedenfalls auch UK plc. Darüber hinaus dürfte dies aber auch für UK LLP gelten. Diese fallen zwar nicht in den Anwendungsbereich von Titel II Kapitel II GesRRL, aber in den Schutzbereich der Niederlassungsfreiheit (Art. 49, 54 AEUV); zudem gelten die englischen Umsetzungsvorschriften zu Titel II Kapitel II GesRRL – die Companies (Cross-Border Mergers) Regulations 2007 (SI 2007/2974) – entsprechend auch für LLP (vgl. r. 46 The Limited Liability Partnerships [Application of Companies Act 2006] Regulations 2009 [SI 2009/1804]).

vorgesehen ist im RefE hingegen eine im Sinne einer weiteren Anerkennung der betroffenen Gesellschaften als englischer Limited/plc/LLP. Ob eine solche (zumindest für einen gewissen Übergangszeitraum nach dem Brexit) geschaffen werden sollte bzw. ob die Notwendigkeit der Gewährung von Vertrauensschutz nicht bereits aus allgemeinen rechtsstaatlichen Prinzipien abzuleiten ist, wird im Schrifttum äußerst kontrovers diskutiert (dazu Lutter/Bayer/J. Schmidt, Europäisches Unternehmens- und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2018, 7.119 m.w.N.). Nach der Begründung zum RefE (S. 6) würde eine dauerhafte weitere Anerkennung der betroffenen Gesellschaften als Limited (bzw. plc oder LLP) jedoch eine ungerechtfertigte Privilegierung gegenüber deutschen Gesellschaften bedeuten, zumal das UK nach dem Brexit sein Gesellschaftsrecht völlig frei von jeglichen unionsrechtlichen Vorgaben ändern könnte.


2. Bewertung

Insgesamt erweckt der RefE einerseits ein wenig den Eindruck von „Brexit-Aktionismus“, andererseits wirkt er ein wenig halbherzig.

Zunächst einmal stellt sich die Frage, ob überhaupt ein rechtpolitisches Bedürfnis für eine Erweiterung der Umwandlungsmöglichkeiten speziell für Limiteds (sowie plc und LLP) existiert und insbesondere für eine ausdrückliche Regelung der grenzüberschreitenden Hineinverschmelzung auf eine Personenhandelsgesellschaft. Reicht die – bereits bestehende – Option einer Hineinverschmelzung auf eine AG, GmbH und u.U. auch eine UG nicht aus? Schließlich wollten die Gründer ja gerade eine Kapitalgesellschaft. Wenn Zielrechtsform am Ende eine GmbH & Co. KG oder eine UG & Co. KG sein soll, muss im Übrigen ohnehin noch eine deutsche Kapitalgesellschaft gegründet bzw. erworben werden.

Zum anderen ist fraglich, ob das Ganze in der Praxis tatsächlich funktionieren wird. Wenn das englische Companies House sich schon jetzt – trotz der eindeutigen EuGH-Judikatur – standhaft weigert, grenzüberschreitende Formwechsel einzutragen, so dürften die Chancen dafür, dass grenzüberschreitende Verschmelzungen auf Personenhandelsgesellschaften (die eben gerade nicht in den Anwendungsbereich der GesRRL fallen, sondern „nur“ durch die Niederlassungsfreiheit geschützt sind) eingetragen werden, nicht unbedingt sehr rosig sein – zumal das UK nach einem „harten“ Brexit ja weder an die GesRRL noch an die Niederlassungsfreiheit gebunden sein wird. Einziges Incentive aus UK-Sicht könnte vielleicht noch sein, dass man die unliebsamen „deutschen“ Limiteds endlich „los sein“ möchte ...

Losgelöst vom Fokus auf die Limited bleibt im Übrigen eine ganz grundsätzliche Frage: Warum macht man es denn nicht gleich „richtig“ und erweitert den ausdrücklichen Anwendungsbereich der §§ 122a ff. UmwG generell auf sämtliche grenzüberschreitende Hinein- und Hinausverschmelzungen von Rechtsträgern i.S.v. Art. 54 AEUV? Aufgrund der Sevic-Entscheidung sind diese ohnehin zulässig und so würde hierfür zumindest auf deutscher Ebene endlich ein klarer Rechtsrahmen geschaffen werden (im „Company Law Package“ ist eine entsprechende Erweiterung leider nicht vorgesehen, kritisch dazu J. Schmidt, DK 2018, 273 [285]).

Verlag Dr. Otto-Schmidt vom 28.09.2018 09:10