BFH v. 20.9.2018 - IV R 39/11

Zum wirtschaftlichen Eigentum an einem Mitunternehmeranteil

Vor der zivilrechtlichen Übertragung des Gesellschaftsanteils ist dem Erwerber eines Anteils an einer Personengesellschaft die Mitunternehmerstellung nur dann zuzurechnen, wenn der Erwerber rechtsgeschäftlich eine auf den Erwerb des Gesellschaftsanteils gerichtete, rechtlich geschützte Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann, und Mitunternehmerrisiko sowie Mitunternehmerinitiative vollständig auf ihn übergegangen sind.

Der Sachverhalt:

Die Klägerin ist eine GmbH und die Rechtsnachfolgerin der A-KG, die in den Streitjahren 2003 bis 2005 Produkte vertrieb. Komplementärin der A-KG war die nicht am Kapital beteiligte A-GmbH. Das Wirtschaftsjahr der A-KG wich in den Streitjahren vom Kalenderjahr ab (1. Oktober bis 30. September). Alleiniger Kommanditist der A-KG sowie alleiniger Gesellschafter und Geschäftsführer der A-GmbH war zunächst B. Im Jahr 1998 verkaufte dieser jeweils 49 % seiner Kommanditanteile an der A-KG sowie seiner Geschäftsanteile an der A-GmbH an die C-GmbH. Ende 2000 brachte B seine verbliebenen Anteile (jeweils 51 %) an der A-KG und der A-GmbH in die B-GmbH ein.

Im September 2001 veräußerte die B-GmbH einen 31 %-igen Anteil an der A-GmbH und einen 50 %-igen Anteil an der A-KG an die C-GmbH, so dass der B-GmbH noch ein 20 %-iger Anteil an der A-GmbH und ein 1 %-iger Anteil an der A-KG verblieben. Zugleich wurden geänderte Gesellschaftsverträge der A-GmbH und A-KG geschlossen. Im September 2003 veräußerte die B-GmbH ihre verbliebenen Beteiligungen an der A-GmbH (20 %) und der A-KG (1 %) an die C-GmbH. Die B-GmbH übernahm eine Freistellungsverpflichtung gegenüber der C-GmbH bezüglich etwa anfallender Gewerbesteuer einschließlich etwaiger steuerlicher Nebenleistungen i.S.d. § 3 Abs. 4 AO auf den Veräußerungsgewinn aus dem Verkauf und/oder der Übertragung der Anteile an der A-KG und der A-GmbH.

Im Dezember 2005 wurde die A-GmbH (Komplementärin der A-KG) als übertragender Rechtsträger auf die C-GmbH (zuletzt alleinige Kommanditistin der A-KG) als übernehmender Rechtsträger verschmolzen, wobei die Firma der C-GmbH in die der bisherigen A-GmbH geändert wurde. Im Zuge weiterer Verschmelzungsvorgänge mit Übernahme weiterer Gesellschaften wurde die Firma der C-GmbH (zu jener Zeit "A-GmbH") im Mai 2008 erneut geändert. Die Anteile an der A-GmbH wurden in den Jahren 2000 bis 2002 in so bezeichneten "Ergänzungsbilanzen" der Kommanditisten (B bzw. B-GmbH sowie C-GmbH) bei der A-KG erfasst, Dividenden der A-GmbH wurden als Sonderbetriebseinnahmen behandelt.

In der für die A-KG abgegebenen Gewerbesteuererklärung für 2003 und Erklärung zur gesonderten und einheitlichen Feststellung von Grundlagen für die Einkommensbesteuerung für 2003 wurde der Gewinn der B-GmbH aus der Veräußerung ihres Geschäftsanteils an der A-GmbH (20 %) und ihres Kommanditanteils an der A-KG (1 %) als nicht gewerbesteuerpflichtig angesehen. Nach einer die A-KG betreffenden Außenprüfung für die Streitjahre gelangte das Finanzamt zu der Auffassung, dass der Anteilsverkauf aufgrund des Kauf- und Abtretungsvertrags aus September 2003 die Veräußerung eines Mitunternehmeranteils durch eine Kapitalgesellschaft darstelle, die nach § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG gewerbesteuerpflichtig sei. Entgegen dieser Vorschrift sei der Veräußerungsvorgang bislang im Rahmen des Sonderbetriebsvermögens der veräußernden B-GmbH als gewerbesteuerfrei behandelt worden. Im Hinblick auf die im Kaufvertrag vereinbarte Freistellungsverpflichtung der Verkäuferin (B-GmbH) bezüglich anfallender Gewerbesteuer einschließlich etwaiger steuerlicher Nebenleistungen auf den Veräußerungsgewinn wurde eine Minderung des Veräußerungsgewinns und der Anschaffungskosten der Beteiligung berücksichtigt. Dies führte zu einem niedrigeren Ansatz des Mehrkapitals in der Ergänzungsbilanz der C-GmbH bei der A-KG und darauf aufbauend zu einer um 8.759 € geringeren Abschreibung des Firmenwerts der A-KG für die Folgejahre.

Das FG wies die Klage, die darauf gerichtete war, den streitbefangenen Veräußerungsgewinn nicht als Gewerbeertrag der A-KG zu behandeln, ab. Die hiergegen gerichtete Revision der Klägerin blieb vor dem BFH erfolglos.

Gründe:

Die Würdigung des FG, dass der im Streitjahr 2003 von der B-GmbH erzielte Gewinn aus der Veräußerung ihres restlichen Anteils an der A-KG gem. § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG zum Gewerbeertrag der A-KG gehört, weil die B-GmbH zum Zeitpunkt der Veräußerung Mitunternehmerin der A-KG gewesen ist, ist auf der Grundlage der nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und den erkennenden Senat deshalb nach § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen des FG revisionsrechtlich im Ergebnis nicht zu beanstanden.

Nach § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG gehört zum Gewerbeertrag (auch) der Gewinn aus der Veräußerung des Anteils eines Gesellschafters, der als Unternehmer (Mitunternehmer) des Betriebs einer Mitunternehmerschaft anzusehen ist, soweit er nicht auf eine natürliche Person als unmittelbar beteiligter Mitunternehmer entfällt. Für den in dieser gewerbesteuerrechtlichen Norm verwendeten Begriff des Mitunternehmers ist die einkommensteuerliche Begriffsbestimmung maßgebend. Mitunternehmer i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG ist, wer zivilrechtlich Gesellschafter einer Personengesellschaft ist oder - in Ausnahmefällen - eine diesem wirtschaftlich vergleichbare Stellung innehat, Mitunternehmerrisiko trägt und Mitunternehmerinitiative entfaltet sowie die Absicht zur Gewinnerzielung hat.

Steht bei einer Personengesellschaft fest, dass die Voraussetzungen einer Mitunternehmerschaft i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erfüllt sind, ist vor der zivilrechtlichen Übertragung eines Gesellschaftsanteils dem Erwerber eines Anteils an dieser Personengesellschaft die Mitunternehmerstellung des Veräußerers nur dann als wirtschaftlicher Inhaber des Mitunternehmeranteils (§ 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO) zuzurechnen, wenn der Erwerber rechtsgeschäftlich eine auf den Erwerb des Gesellschaftsanteils gerichtete, rechtlich geschützte Position erworben hat, die ihm gegen seinen Willen nicht mehr entzogen werden kann, und Mitunternehmerrisiko sowie Mitunternehmerinitiative vollständig auf ihn übergegangen sind.

Infolgedessen hatte im vorliegenden Fall der den Anteil übertragende Mitunternehmer bis zuletzt am Erfolg und Misserfolg des gewerblichen Unternehmens teilgenommen. Verbleibt jedoch ein Rest an Mitunternehmerrisiko, kann eine Mitunternehmerstellung nicht abweichend von § 39 Abs. 1 AO dem Erwerber eines Gesellschaftsanteils (wirtschaftlich) zugerechnet werden. Denn es fehlt dann schon an dem notwendigen vollständigen Übergang (auch) des Mitunternehmerrisikos auf den Erwerber.

Außerdem ist in den Gewerbeertrag einer Personengesellschaft auch der Gewinn einzubeziehen, den ein Gesellschafter (Mitunternehmer) aus der Veräußerung von Sonderbetriebsvermögen II erzielt. Denn durch die Verweisung in § 7 Satz 1 GewStG auf die Gewinnermittlungsvorschriften des EStG werden entsprechend der einkommensteuerrechtlichen Handhabung auch die Wirtschaftsgüter des Sonderbetriebsvermögens sowie die Sonderbetriebseinnahmen und die Sonderbetriebsausgaben in die Ermittlung des Gewerbeertrags einbezogen.

Wird - wie hier - im Zusammenhang mit der Veräußerung des gesamten Anteils eines Gesellschafters als Mitunternehmer auch die als Sonderbetriebsvermögen II bei der KG zu behandelnde Beteiligung an der (Komplementär )Kapitalgesellschaft übertragen, so richtet sich auch die Einbeziehung des einsprechenden Veräußerungsgewinns in den Gewerbeertrag der KG nach § 7 Satz 2 Nr. 2 GewStG. Denn als Sonderbetriebsvermögen II ist die Kapitalbeteiligung Bestandteil des veräußerten Mitunternehmeranteils.

Linkhinweis:

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Verlag Dr. Otto Schmidt vom 02.01.2019 17:04
Quelle: BFH online

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