12 / 2019

Prof. Dr. Martin Weiss

Gewerbesteuer auf ausländische Dividenden – § 9 Nr. 7 GewStG vor dem Umbruch

Die Gewerbesteuer ist seit langem eine wachsende Einnahmequelle für die Gemeinden. Die letzte verfügbare „Steuerspirale“ für das Jahr 2018 weist Einnahmen aus dieser Steuerart von über 55 Mrd. Euro aus. Vor 10 Jahren waren es erst gut 41 Mrd. Euro. Durch steigende Gewerbesteuer-Hebesätze können die Gemeinden dieser für sie günstigen Entwicklung nachhelfen. In den letzten Jahren haben sie von dieser verlockenden Option auch Gebrauch gemacht, ist doch der durchschnittliche Hebesatz auf zuletzt 402 % gestiegen.

Ein anderer, viel diskutierter Faktor ist aber inzwischen das Sammelsurium von „Hinzurechnungen“ und „Kürzungen“, die die gewerbesteuerliche Bemessungsgrundlage nach den §§ 8, 9 GewStG beeinflussen. Die Ausgangsgröße der Ermittlung des Gewerbeertrags entstammt der Einkommen- und Körperschaftsteuer, während die Hinzurechnungen und Kürzungen ganz eigene gewerbesteuerliche Akzente setzen. Die Ziele sind dabei vielfältig, insbesondere „Finanzierungsneutralität“ und „Vermeidung gewerbesteuerlicher Doppelbelastungen“ werden genannt. Die Hinzurechnungen und Kürzungen sieht der BFH als Ausfluss des „Objektsteuercharakters der Gewerbesteuer“. Danach solle das „Steuerobjekt – der Gewerbebetrieb – ... mit der ihm eigenen Ertragskraft ohne Rücksicht auf die persönlichen Merkmale des Steuersubjekts und seiner persönlichen Beziehung zum Steuerobjekt erfasst werden“ (BFH v. 7.3.2007 – I R 60/06, BStBl. II 2007, 654).


I. Gewerbesteuergesetz bleibt in Bewegung

In letzter Zeit haben sich hingegen zahlreiche Gesetzesänderungen – wie die Sätze 7 ff. des § 7 GewStG – um die Umsetzung des sog. „Territorialitätsprinzips“ gedreht, wonach die Gewerbesteuer nur auf die inländischen Einkünfte der Gewerbebetriebe erhoben werden soll. Mehrere Hinzurechnungen und Kürzungen, wie § 8 Nr. 5, 8, 12 und § 9 Nr. 2, 3 GewStG machen dies deutlich. Zuletzt hatte sich dieses Prinzip im Bereich der Hinzurechnungsbesteuerung (§§ 7 ff. AStG) und der Grabenkämpfe rund um den gewerbesteuerlichen Aufgriff des Hinzurechnungsbetrags deutlich bemerkbar gemacht (Kahlenberg/Weiss, IStR 2019, 81). Auch beim Aufgriff der Einkünfte eines Fußball-Schiedsrichters ging es im Kern um die richtige Abgrenzung der gewerbesteuerlichen Besteuerungsbefugnis bei Tätigkeiten im Ausland (BFH v. 20.12.2017 – I R 98/15, BFH/NV 2018, 497).

Im Entwurf des Jahressteuergesetzes 2019 vom 8.5.2019 – offiziell „Entwurf eines Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ genannt – wird nun eine bereits antizipierte Änderung an einer weiteren Umsetzung des Territorialitätsprinzips, nämlich § 9 Nr. 7 GewStG, vorgeschlagen. Danach gab es bislang unterschiedliche Beteiligungshöhen und weitere unterschiedliche zeitliche und inhaltliche Anforderungen für eine Kürzung ausländischer Dividenden, je nachdem, ob diese aus Europa oder aus einem Drittstaat stammten.

Der zugrunde liegende unionsrechtliche Druck für die jetzt angestoßene Änderung stammt aus der Entscheidung des EuGH vom 20.9.2018 (EuGH v. 20.9.2018 – C-685/16, BStBl. II 2019, 111 = GmbHR 2018, 1211). Darin hatte der EuGH in § 9 Nr. 7 GewStG in seiner Variante für Drittstaaten-Fälle einen Verstoß gegen die unionsrechtliche Kapitalverkehrsfreiheit erkannt. Bereits der Leitsatz lässt erkennen, dass auch insoweit „alles relativ“ ist: die Regelung für Drittstaaten war nur insoweit nicht unionsrechtskonform, als sie strengere Bedingungen für die Kürzung als bei einer Ausschüttung einer nicht steuerbefreiten inländischen Kapitalgesellschaft aufstellte (Brühl, FR 2019, 257).


II. Gesetzgeber will handeln

Diesen Druck will der Gesetzgeber in eine Verschärfung für die bisher besser behandelten EU-Fälle bei Ausschüttungen ausländischer Kapitalgesellschaften umsetzen: Die bisherige Zweiteilung in § 9 Nr. 7 GewStG soll aufgehoben werden, bei Ausschüttungen ausländischer Kapitalgesellschaften soll einheitlich eine Beteiligung von mindestens 15 % zu Beginn des Erhebungszeitraums gefordert werden: Insoweit also ein Kompromiss zwischen Beteiligungshöhe und Zeitpunkt der Messung, der bislang in den beiden Fällen des § 9 Nr. 7 GewStG auseinander fiel.

Diese Art gesetzgeberischen Vorgehens wird allen bekannt vorkommen, die die Geschichte des § 8b Abs. 4 KStG vor einigen Jahren mitverfolgt haben. Dabei hatte ebenfalls unionsrechtlicher Druck – in diesem Fall aus dem EuGH-Urteil vom 20.10.2011 (EuGH v. 20.10.2011 – C-284/09, GmbHR 2011, 1211) – zu einer Änderung inländischer Freistellungen für Ausschüttungen geführt. Ein bisschen ähnlich wie in der jetzt zu klärenden Frage ausländischer Dividenden hatte der Gesetzgeber damals eine „Gleich-Schlecht-Behandlung“ zweier Gruppen, nämlich in- und ausländischer Dividendenempfänger – durch § 8b Abs. 4 KStG angeordnet. Ebenso wie § 9 Nr. 7 GewStG gilt diese Regelung im Übrigen nur für Ausschüttungen, aber gerade nicht für Veräußerungsgewinne (H 9.3 GewStH, „Veräußerungsgewinne“).


III. Zweifelhafte Folgen der geplanten Neuregelung

Allerdings ist zweifelhaft, ob die neuerliche „Gleich-Schlecht-Behandlung“ des vorgeschlagenen § 9 Nr. 7 GewStG in dieser Form für deutsche Kapitalgesellschaften einschneidende Wirkungen haben wird. Mit allen EU-Staaten und vielen wichtigen Drittstaaten bestehen Doppelbesteuerungsabkommen, von denen viele für Schachtelbeteiligungen ab 10 % eine DBA-Freistellung nach dem internationalen Schachtelprivileg vorsehen. Diese Beteiligungshöhe ist nach herrschender Meinung auch erst im Ausschüttungszeitpunkt erforderlich (Weiss, StuB 2016, 182, 184).

Die Wirkung der Neuregelung würde sich daher auf Fälle beschränken, in denen die DBA trotz Erreichen der Mindestbeteiligungshöhe keinen Schutz bieten, etwa aufgrund der verbreiteten Aktivitätsvorbehalte oder aufgrund des „materiellen Korrespondenzprinzips“, das ansonsten dem Gewerbesteuerrecht vollkommen unbekannt ist. Zudem kommen in den Genuss des Internationalen Schachtelprivilegs der DBA nur Kapitalgesellschaften, während § 9 Nr. 7 GewStG alle Gewerbebetriebe erfasst.

Somit sind etwa auch gewerbliche Personengesellschaften oder gewerbliche Einzelunternehmer von der jetzt angekündigten Änderung des § 9 Nr. 7 GewStG betroffen. Für diese stellt § 9 Nr. 7 GewStG die einzige Kürzungsmöglichkeit für ausländische Dividenden dar, während die DBA bei ihnen keine Kürzung vorschreiben. Alle Steuerpflichtigen werden hingegen unter der Neuregelung die Auffassung des BFH in seinem Urteil vom 16.4.2014 (BFH v. 16.4.2014 – I R 44/13, BStBl. II 2015, 303 = GmbHR 2014, 775) beachten müssen. Danach ist für umwandlungssteuerrechtliche Rechtsnachfolgen streng zwischen „Zeitpunkt“ und „Zeitraum“ zu unterscheiden – in Zukunft fragen sowohl § 9 Nr. 2a GewStG als auch § 9 Nr. 7 GewStG nur noch nach ersterem (Weiss/Brühl, Ubg 2018, 22).

Um die Fairness gegenüber dem Gesetzgeber zu wahren, soll jedoch nicht unerwähnt bleiben, dass es sich nicht wie im Fall des § 8b Abs. 4 KStG insgesamt um eine „Gleich-Schlecht-Behandlung“ handelt. Vielmehr wird eine Messung der Beteiligungshöhe von 15 % zukünftig nur noch „zu Beginn des Erhebungszeitraums“, also meist des Kalenderjahres, durchgeführt, um die Freistellung von Ausschüttungen bei der Gewerbesteuer zu bestimmen. Insoweit ergibt sich auch ein gewisser Gleichlauf mit der Regelung des § 8b Abs. 4 KStG, die strikt auf den „Beginn des Kalenderjahres“ abstellt. Nur in wenigen Fällen, beim abgekürzten Erhebungszeitraum (§ 14 Satz 3 GewStG), wird sich eine Abweichung ergeben.

Zudem fielen Sonderprobleme der „Drittstaaten-Regelung“ des § 9 Nr. 7 GewStG weg, wenn der Entwurf des § 9 Nr. 7 GewStG so umgesetzt würde. So ist etwa umstritten, ob die derzeitige Formulierung „seit Beginn des Erhebungszeitraums ununterbrochen“ auch nach erfolgter Ausschüttung noch zu beachten ist. Wer nach erfolgter Ausschüttung, aber vor Ende des Erhebungszeitraums seine Beteiligung an einer Drittstaaten-Kapitalgesellschaft unter 15 % senkte, musste bislang über diese Frage intensiv nachdenken, unter der vorgeschlagenen Neuregelung hingegen nicht. Insoweit gibt es mithin auch positive Aspekte der Neuregelung, die in der nun anstehenden Diskussion nicht untergehen sollten.

Siehe zum Referentenentwurf des „Jahressteuergesetzes 2019“ auch den Aufsatz zur geplanten Neuregelung des GrEStG von Schley, GmbHR 2019, 645 und die Zusammenfassung der ertragsteuerlichen Regelungen von Levedag, GmbHR 2019, R181 – jeweils in dieser Ausgabe.

Verlag Dr. Otto-Schmidt vom 13.06.2019 11:21