BGH v. 16.1.2020 - IX ZR 351/18

Transparenzgebot bei Ausgabe einer Namensschuldverschreibung

Dem Transparenzgebot ist nicht genügt, wenn bei Ausgabe einer Namensschuldverschreibung eine Klausel ohne jede Beschränkung Beschlussfassungen der Gläubiger über Rechte und Pflichten der Anleger gestattet.

Der Sachverhalt:
Der Kläger zeichnete vier Unternehmensanleihen i.H.v. jeweils 15.000 € an vier in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG geführten Gesellschaften (Emittentinnen), deren Firmen entsprechend dem Gesellschaftszweck übereinstimmend die Kennzeichnung "U. Namensschuldverschreibung" führen. In den gleich lautenden Zeichnungsscheinen heißt es, dass der Übernehmer eine Namensschuldverschreibung i.S.d. § 1 Abs. 2 Nr. 5 VermAnlG ohne Verbriefung eingeht. Die Anleihebedingungen der Unternehmensanleihen sind im Wesentlichen inhaltsgleich. Sie sehen unter § 2 die Zwischenschaltung einer Treuhänderin vor, bei der es sich um eine von den Emittentinnen benannte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft handelt, welcher die Verwaltung und Wahrnehmung sämtlicher sich aus den Schuldverschreibungen ergebender Rechte der Anleger obliegt. Nach § 18 der Anleihebedingungen können im Blick auf Rechte und Pflichten des Anlegers Beschlüsse in Anlegerversammlungen gefasst werden.

Anlässlich von Anlegerversammlungen am 8.10.2015 wurden die Anleihebedingungen durch breiten Mehrheitsbeschluss, wobei die Anleger weithin durch die Treuhänderin vertreten wurden, dahin modifiziert, dass die Rückzahlung des Anleihekapitals und der vereinbarten Zinsen vorzeitig durch Übertragung von Aktien der D. erfüllt werden konnten. Die Emittentin stimmte den Beschlüssen jeweils zu. Danach entfielen auf den Kläger Aktien der Klasse D auf der Basis eines Stückpreises von 13,50 €. Die Anleihegesellschaften als maßgebliche Emittentinnen wurden zwischenzeitlich liquidiert und im Handelsregister gelöscht. Die Beklagte ist die Komplementär-GmbH der jeweiligen Emittentin. Der Kläger hat mit Schreiben vom 20.6.2017 sämtliche Namensschuldverschreibungen außerordentlich gekündigt. Mit vorliegender Klage beansprucht er soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung die Rückzahlung des Einlagekapitals von insgesamt 60.000 €.

Das OLG gab der Klage insoweit statt. Die Revision der Beklagten hatte vor dem BGH keinen Erfolg.

Die Gründe:
Der Kläger kann gem. § 8 Nr. 1, § 13 der Anleihebedingungen nach Beendigung der Laufzeit der vier über jeweils 15.000 € gezeichneten Namensschuldverschreibungen Rückzahlung des Kapitals i.H.v. insgesamt 60.000 € beanspruchen. Der Anspruch des Klägers auf Rückzahlung des Kapitals wurde nicht durch den Beschluss der Anlegerversammlung vom 8.10.2015 wirksam dahin abbedungen, dass die Emittentin vorzeitig Anleihekapital und Zinsen durch Übertragung von Aktien der D. tilgen kann. Die Modifizierung der Rückzahlungsansprüche der Anleihegläubiger kann insbesondere nicht auf § 18 der Anleihebedingungen gestützt werden. Die Regelung hält jedenfalls einer Kontrolle am Maßstab des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB nicht stand. Die Bedingungen der Namensschuldverschreibungen unterliegen als AGB einer gerichtlichen Inhaltskontrolle. § 18 der Anleihebedingungen verstößt jedenfalls gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB.

Nach dieser Vorschrift kann sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners, die gem. § 307 Abs. 1 Satz 1 BGB die Unwirksamkeit der betreffenden Bestimmung zur Folge hat, auch daraus ergeben, dass diese nicht klar und verständlich ist. Das Transparenzgebot verpflichtet den Verwender AGB, Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Der Verwender muss folglich einerseits die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für ihn keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Der Vertragspartner soll andererseits ohne fremde Hilfe möglichst klar und einfach seine Rechte feststellen können, damit er nicht von deren Durchsetzung abgehalten wird. Dies gilt auch für die Bestimmungen zu den Hauptleistungspflichten. Die Klausel muss zudem die wirtschaftlichen Nachteile und Belastungen für einen durchschnittlichen Vertragspartner soweit erkennen lassen, wie dies nach den Umständen gefordert werden kann. Abzustellen ist dabei auf die Erwartungen und Erkenntnismöglichkeiten eines typischen Vertragspartners bei Verträgen der geregelten Art.

Diesen Anforderungen wird § 18 der Anleihebedingungen nicht gerecht. Die Klausel sieht lediglich vor, dass die Anlegerversammlung Beschlüsse "um Rechte und Pflichten" der Anleger treffen kann. Der Begriff der Rechte und Pflichten entbehrt jeder Konkretisierung. Der Anleger muss sich wenigstens ein grobes Bild davon machen können, welche Belastungen auf ihn zukommen. Daran fehlt es im Streitfall. Würde die Regelung des § 18 der Anleihebedingungen gebilligt, könnte durch Beschluss der Anlegerversammlung nach Belieben in die Rechtsposition der Anleihegläubiger eingegriffen werden. Eine Änderung des Äquivalenzverhältnisses zwischen den beiderseitigen Leistungen muss für den Anleger erkennbar und kalkulierbar sein. Ein mehr oder weniger schrankenloses Ermessen ist mit dem Transparenzgebot unvereinbar. Dabei fällt zusätzlich ins Gewicht, dass nicht erschienene Anleger in der Anlegerversammlung durch die von der Emittentin bestimmte und nur kraft der vorformulierten Anleihebedingungen bevollmächtigte Treuhänderin vertreten werden.


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 18.02.2020 17:08
Quelle: BGH online

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