Aktuell in der GmbHR

Haftung bei der Unterbrechung von Lieferketten durch Force Majeure (Ulrich, GmbHR 2020, R103)

Die durch die Globalisierung entstandenen Lieferketten sind durch die Auswirkungen der neuen Corona-Virus-Epidemie bedroht, sei es durch Reisebeschränkungen, Quarantänemaßnahmen oder tatsächliche oder angeordnete Produktionsstopps. Dies hat nicht nur tatsächliche, sondern auch rechtliche Auswirkungen. Es stellt sich insbesondere die Frage, wer das Risiko für dadurch entstehende Lieferausfälle übernimmt.

I. Gesetzliche Regelung bei Lieferausfällen

II. Vertragliche Regelungen
 

I. Gesetzliche Regelung bei Lieferausfällen
Um sich bei Lieferausfällen nicht haftbar zu machen, berufen sich viele Lieferanten auf Force Majeure. Obwohl die Doktrin des Force Majeure im internationalen Wirtschaftsverkehr eine große Rolle spielt, hat sie keine konkrete und allgemein anerkannte Aussagekraft in Bezug auf die genauen Umstände, welche sie abdeckt. Im deutschen Recht lässt sie sich am ehesten mit dem im Reiserecht verwendeten Terminus der höheren Gewalt vergleichen. Der BGH (BGH, Urt. v. 16.5.2017 – X ZR 142/15, MDR 2017, 986) definiert die höhere Gewalt als ein „von außen kommendes, kein betrieblichen Zusammenhang aufweisendes, auch durch äußerste, vernünftigerweise zu erwartende Sorgfalt nicht abwendbares Ereignis“. Ob höhere Gewalt auch die Ausfälle von Lieferungen entschuldigt, ist nicht abschließend geklärt.

Das deutsche Recht sieht für Lieferverträge keine gesonderte Regelung bei höherer Gewalt vor, sodass man sich an den allgemeinen Regelungen über das Leistungsstörungsrecht orientieren muss. Nach § 275 BGB kann die Leistungspflicht des Schuldners unter bestimmten Voraussetzungen ausgeschlossen werden. Für einen Ausschluss des Leistungsanspruchs muss gemäß Abs. 1 eine tatsächliche Unmöglichkeit der Leistung vorliegen. Sie muss dafür objektiv unmöglich geworden sein und nach den Naturgesetzen oder nach dem Stand der Erkenntnis von Wissenschaft und Technik nicht mehr erbracht werden können. Diese Voraussetzungen werden nur in den wenigsten Fällen vorliegen, da die Leistung mit erhöhter Anstrengung trotz höherer Gewalt meist doch erfüllbar bleibt. Ist die Leistung hingegen nur im groben Missverhältnis zu dem Leistungsinteresse des Gläubigers erbringbar, kann der Schuldner gemäß Abs. 2 die Leistung verweigern. Das grobe Missverhältnis muss ein unmöglichkeitsähnliches Ausmaß erreichen. In der Praxis ist die Anwendung des Abs. 2 ebenfalls kritisch, da mit dem erhöhten Aufwand des Schuldners in der Regel auch das Leistungsinteresse des Gläubigers steigen wird, sodass es kaum zu einem groben Missverhältnis kommen kann.

Bei einer (zu) hohen Kostensteigerung kann aber eine sog. Äquivalenzstörung eintreten, die den Schuldner zu einer Vertragsanpassung i.S.d. § 313 BGB berechtigt. Die Parteien sind zu einer Änderung des Vertrags berechtigt, wenn sich die Vertragsgrundlage schwerwiegend verändert hat. Ob höhere Gewalt eine solche Veränderung hervorrufen kann, ist vom Einzelfall abhängig. Es gibt verschiedene Indikatoren, die Ausschluss darüber geben können, wie die Meldungen des Auswärtigen Amt oder der WHO, die bereits in der Vergangenheit im Rahmen des SARS-Virus bei dem Urteil des AG Augsburg zu Informationszwecken hinzugezogen wurden. Das AG Augsburg (AG Augsburg, Urt. v. 9.11.2004 –14 C 4608/03) entschied in dem Verfahren aus dem Jahr 2004, dass ...
 


Verlag Dr. Otto Schmidt vom 01.04.2020 10:30

zurück zur vorherigen Seite

B5186FAB0AA1440D8B9453A3D1AFE848