Informationserzwingungsverfahren: Festsetzung des Geschäftswerts bei Vorliegen mehrerer Anträge

GmbHG § 51 b; AktG § 132 Abs. 5; KostO § 14 Abs. 3, § 31 Abs. 3

Im Informationserzwingungsverfahren ist der Geschäftswert auch dann einheitlich festzusetzen, wenn mehrere Beteiligte Informationsanträge gestellt haben.

BayObLG, Beschl. v. 14.11.2000 – 3Z BR 321/00

Gründe:

I.

Der Beteiligte zu 1) ist Gesellschafter der Beteiligten zu 2), einer GmbH. Er beantragte mit Schriftsatz v. 20.11.1999:

"I. Festzustellen, daß die Geschäftsführer der Antragsgegnerin (Agg.) Auskunft zu geben haben über die von der Agg. in der Zeit vom 1.1.1998 bis 30.9.1999 abgewickelten Auftrage im Bereich a) Bauträger im Sinne des § 34 c GewO,

b) Vermittlung von Grundbesitz aller Art,

c) Handel mit Grundbesitz aller Art,

d) alle sonstigen geschäftlichen Tätigkeiten der Agg..

II. Festzustellen, daß die Geschäftsführer der Antragsgegnerin Auskunft darüber zu geben haben, ob sich die Agg. durch Vertrage verpflichtet hat, die den gewöhnlichen Geschäftsrahmen überschreiten, insbesondere zu den in § 5 Abs. 3 des Gesellschaftergeschäftsführeranstellungsvertrags zustimmungspflichtigen Rechtsgeschäfte, nämlich a) Erwerb, Veräußerung und Belastung von Grundstücken,

b) Errichtung von Gebäuden und Vornahme baulicher Maßnahmen in bestehenden Gebäuden,

c) Gewährung von Darlehen und Krediten,

d) Übernahme von Bürgschaften und Aufnahme von Darlehen,

e) Vornahme von Investitionen von mehr als DM 5.000 im Geschäftsjahr,

f) Erteilung oder Widerruf von Prokura oder Handlungsvollmacht,

g) Beteiligung an anderen Unternehmen, Gründung

einer Zweigniederlassung,

h) Einstellung und Entlassung von Angestellten, Änderung bestehender Dienstverträge,

i) Abschluß oder Änderungen von Miet-, Pacht- und sonstigen Dauerverträgen,

j) Verträge von über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb hinausgehender Bedeutung.

III. Festzustellen, daß die Geschäftsführer der Agg. Einsichtnahme zu gewähren haben in a) die Finanzbuchhaltung, bestehend aus Belegwesen und Konten für die Jahre 1998 und 1999,

b) den Jahresabschluß per 31.12.1997,

c) den Jahresabschluß per 31.12.1998, hilfsweise den vorläufigen Jahresabschluß per 31.I2.1998,

d) alle weiteren Geschäftsunterlagen der GmbH.

IV. Festzustellen, daß die Geschäftsführer der Agg. Auskunft, Information und Einsichtnahme über den Gang der laufenden Geschäfte einschließlich der beabsichtigten Geschäftspolitik, d.h. alles, was für die Kontroll-, Gewinn- und Vermögensinteressen des Ast. von Bedeutung sein kann, zu geben und zu gewahren haben."
Die Beteiligte zu 2) beantragte mit Schriftsatz v. 1.2.2000 "im Sinn einer Widerklage" "1. Es wird festgestellt, daß die Agg. berechtigt ist, die vom Ast. in seiner Klage begehrte Auskunft zu verweigeRz.

2. Es wird festgestellt, daß der Ast. als vormaliger Geschäftsführer der Agg. Auskunft zu erteilen hat über die von der Agg. in der Zeit bis zum 19.3.1998 aufgeführten folgenden Geschäftsvorgänge:

a) Darlehensumbuchung bzw. Darlehensaufnahme zur Entlastung der Agg.

b) Darlehensumbuchung bzw. Darlehensaufnahme zugunsten der Fa. ... GmbH.

c) Anschaffungen in der Zeit bis zur Beendigung der Geschäftsführertätigkeit über 5.000 DM.

d) Mietverhältnis mit der Agg. über die Nutzung von Räumlichkeiten in ....

e) Begründung des Anstellungsverhältnisses der Frau ... bei der Agg.

f) Beschlüsse über Gehaltszahlungen für die Gesellschafter ... bis Oktober 1997 bzw. deren Übernahme durch die Agg.

g) Darlehensverträge, die für die Agg. abgeschlossen wurden.

h) Befreiungen des Ast. über ein satzungsgemäß vereinbartes Wettbewerbsverbot, insbesondere im Hinblick auf die Tätigkeit des Ast. bei der Fa. ....

i) Beschlüsse über die Sitzverlegung der Agg. von ... nach ....

j) Beschlüsse über die Begründung eines Mietverhältnisses über dieses Projekt einschließlich der Höhe eines vereinbarten Mietzinses.

k) Nachweis über sämtliche weitere Entscheidungen, die nach der Satzung oder dem Geschäftsführervertrag der zwischen der Agg. und dem Ast. bestanden hat.

l) Nachweise über die Einzahlung der Stammeinlage bei Gründung der Gesellschaft.

m) Auskunft über die Beendigung des Kredit-Engagement bei der ... Bank.

Der Beteiligte zu 1) erklärte durch Schriftsatz v. 5.4.2000 "den Rechtsstreit" bezüglich Ziffer III Buchstabe b und c seiner Anträge für erledigt.

Durch Beschluß v. 1.8.2000 gab das LG den verbliebenen Antragen des Beteiligten zu 1) statt, erklärte dessen Auskunftsbegehren im übrigen für erledigt, wies die Gegenanträge der Beteiligten zu 2) zurück, legte die Kosten der Beteiligten zu 2) auf, setzte (in Ziffer V) den Geschäftswert auf 50.000 DM fest und entschied, daß die sofortige Beschwerde gegen diese Entscheidung nicht zugelassen werde. In den Gründen führte das LG u.a. aus, der Regelgeschäftswert von 10.000 DM sei infolge der Vielzahl der Anträge und "Gegenanträge" angemessen höher festzusetzen gewesen.

Mit ihrer Beschwerde wendet sich die Beteiligte zu 2) gegen die Geschäftswertfestsetzung und begehrt die Festsetzung des Regelgeschäftswerts von 10.000 DM.

Der Vorsitzende der Kammer für Handelssachen hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

II.

1. Das BayObLG ist zur Entscheidung über die Beschwerde zuständig. Gemäß § 51 b GmbHG i.V.m. § 132 Abs. 5 S. 1 AktG gilt für die Kosten des Informationserzwingungsverfahrens die Kostenordnung. Wird gegen die Geschäftswertfestsetzung des LG Beschwerde eingelegt, entscheidet hierüber das im Rechtszug nächsthöhere Gericht (§ 31 Abs. 3 i.V.m. § 14 Abs. 3 S. 1 KostO, § 568 Abs. 1 ZPO). Hierbei ist nicht auf das in der Gerichtsorganisation allgemein nächsthöhere Gericht, sondern auf den jeweiligen Rechtszug in der Hauptsache abzustellen (BayObLG, NJW-RR 2000, 1201; Korintenberg/Lappe, KostO, 14. Aufl., § 14 Rz. 149). Zur Entscheidung in der Hauptsache, und damit auch über die Geschäftswertbeschwerde, ist das BayObLG berufen (§ 132 Abs. 3 S. 1, §99 Abs. 3 S. 8 AktG, § 12 Abs. 2 GZVJu).

2. Die Geschäftswertbeschwerde ist gemäß § 51 b S. 1 GmbHG i.V.m. § 132 Abs. 5 S. 1 AktG, § 31 Abs. 3 S. 1, § 14 Abs. 3 S. 1 KostO statthaft. Anders als bei der Entscheidung über den Informationsanspruch selbst, die nur bei Zulassung durch das LG der sofortigen Beschwerde unterliegt (vgl. § 51 b S. 1 GmbHG i.V.m. § 132 Abs. 3 S. 2 AktG), ist im Wertfestsetzungsverfahren die Beschwerde ohne diese Einschränkung gegeben (BayObLG, NJW-RR 2000, 1201). Der Rechtszug ist insoweit durch die Verweisung auf die KostO selbständig geregelt. Die KostO verlangt für die Erstbeschwerde keine Zulassung. § 14 Abs. 3 S. 2 KostO greift nicht ein, weil das LG die Hauptsacheentscheidung nicht als Beschwerdegericht getroffen hat.

Der Beschwerdewert liegt über 100 DM (§ 14 Abs. 3 S. 1 KostO, § 567 Abs. 2 S. 2 ZPO).

Der Senat entscheidet unmittelbar in der Sache (vgl. Zöller/Gummer, ZPO, 21. Aufl., § 571 Rz. 1), obwohl das Abhilfeverfahren (§ 14 Abs. 3 S. 1 KostO, §571 ZPO) fehlerhaft durchgeführt worden ist. Anstelle des Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen hätte über die Nichtabhilfe die voll besetzte Kammer entscheiden müssen (§ 105 Abs. 1 GVG). Es handelt sich hier um ein Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit (§ 132 Abs. 3 S. 1, § 99 Abs. 1 AktG), in dem § 349 Abs. 2 Nr. 11 ZPO nicht anwendbar ist (vgl. BayObLGZ 1988, 248 [258]; 1995, 92 [93]).

3. Das Rechtsmittel ist nicht begründet.

Für das Informationserzwingungsverfahren nach § 51 b GmbHG ist ein einheitlicher Geschäftswert festzusetzen (BayObLG, AG 1993, 517). Dieser bestimmt sich gemäß § 51 b S. 1 GmbHG, § 132 Abs. 5 S. 6 AktG, unabhängig von der Zahl der gestellten Anträge, nach § 30 Abs. 2 KostO und beträgt im Regelfall 10.000 DM. Sind mehrere Anträge gestellt, so ist der Geschäftswert nicht durch Multiplikation des Regelgeschäftswerts mit der Zahl der Antrage zu ermitteln, weil eine solche Bewertung zu schematisch wäre. Dem Umfang der gestellten Antrage und der einzelnen Auskunftsbegehren ist vielmehr dadurch Rechnung zu tragen, daß der Regelgeschäftswert im Rahmen der zulässigen Obergrenze von einer Mio. DM angemessen erhöht wird. Von Gewicht ist dabei, ob es sich um unabhängige, selbständige Informationsbegehren handelt oder ob und in welchem Umfang die Auskünfte zusammenhängen (BayObLG, aaO; BB 2000, 1155 = NJW-RR 2000, 1201). Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn es sich wie hier um mit wechselnden Parteirollen gestellte Anträge handelt (vgl. den Grundgedanken des § 19 Abs. 1 GKG). Grundsätze der KostO stehen dem schon deshalb nicht entgegen, weil das Gericht wie im Zivilprozeß selbständig über die Gerichtskosten entscheidet (§ 132 Abs. 5 S. 7 AktG).

Die Anträge des Beteiligten zu 1) hängen nur insoweit miteinander zusammen, als sie ihre Grundlage in der Beteiligung an der Beteiligten zu 2) haben. Sie haben jedoch den weitest denkbaren Umfang, nämlich letztlich allumfassende Information über sämtliche Geschäftsvorgänge einschließlich der beabsichtigten Geschäftspolitik der Beteiligten zu 2) ab dem Jahresabschluß für 1997 bis zum 30.9.1999. Ähnlich weitreichend sind die Anträge der Beteiligten zu 2) bezüglich der Zeit bis zum 19.3.1998. Anhaltspunkte für den Umfang der Geschäftstätigkeit der Beteiligten zu 2) bilden nach Aktenlage lediglich die genannten Antrage; die Jahresabschlüsse sind nicht bei den Akten. Bei Annahme einer branchenüblichen Mindestgeschäftstätigkeit und Berücksichtigung der Beteiligungshöhe des Beteiligten zu 1) von 26 % sowie des Umstands, daß die Beteiligten selbst keinen Sachvortrag mit weiteren bewertbaren Umständen gebracht haben, ist die Festsetzung des Geschäftswertes auf 50.000 DM, wie sie das LG vorgenommen hat, angemessen.

4. Eine Kostenentscheidung war gemäß § 132 Abs. 5 S. 1 AktG i.V.m. § 31 Abs. 3 S. 2 und 3 KostO nicht zu treffen.

Einsender: RiBayObLG Johann Demharter, München
 
 
 

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