Teilzeit für Alle! Arbeitsrechtliche Neuregelungen zum Jahr 2001
Am 16.11.2000 hatte der Bundestag ein Gesetz über Teilzeitarbeit und befristete Arbeitsverträge verabschiedet, das mit Wirkung zum 1.1.2001 in Kraft getreten ist und das frühere Beschäftigungsförderungsgesetz ersetzt (BT-Drucks. 14/4374 sowie 14/994 [Ausschußdrucksache]). Es dient in erster Linie einer Umsetzung der Europäischen Richtlinien 97/81/EG und 1999/70/EG und faßt die von der Rechtsprechung bislang zu Teilzeitarbeit und befristeten Arbeitsverhältnissen entwickelten Diskriminierungs- und Umgehungsverbote zusammen. Über diese Vorgaben hinaus gibt das Gesetz jedem Arbeitnehmer – bislang einmalig im deutschen Arbeitsrecht – das Recht, einseitig die Dauer und Lage seiner vertraglichen Arbeitszeit zu bestimmen. In Wissenschaft und Praxis wird darin überwiegend ein unzulässiger Eingriff in die Vertragsfreiheit und verfassungsrechtlich geschützte Unternehmensautonomie gesehen (Handelsblatt v. 24.10.2000; Schiefer, DB 2000, 2118 [2120]). Die Neuregelung enthält folgende Kernpunkte:
Anspruch auf Teilzeitarbeit
Ein Arbeitnehmer (Arbeiter, Angestellter, leitender oder außertariflicher Mitarbeiter), dessen Arbeitsverhältnis länger als 6 Monate besteht, kann grundsätzlich nach freiem Belieben die Verringerung seiner Arbeitszeit verlangen. Er muß die gewünschte Dauer und Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Arbeitstage seinem Arbeitgeber 3 Monate im voraus mitteilen (z.B. Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit um 5 oder 10 Stunden, Einführung von Abrufarbeit, Schichtarbeit, u.s.w.). Äußert sich der Arbeitgeber hierauf nicht rechtzeitig, wird eine Anpassung des Arbeitsvertrags gemäß den Wünschen des Arbeitnehmers fingiert. Kommt es dagegen zwischen den Parteien zu Verhandlungen über die neue Arbeitszeit, kann der Arbeitnehmer im Falles ihres Scheiterns das Arbeitsgericht anrufen.
Der Anspruch auf Teilzeitarbeit ist ausgeschlossen, wenn "betriebliche Gründe" einer Verringerung der Arbeitszeit entgegenstehen oder der Arbeitgeber in der Regel weniger als 16 Mitarbeiter beschäftigt. Einen abschließenden Katalog betrieblicher Gründe enthält das Gesetz nicht. Nach der Gesetzesbegründung sollen hierfür "rationale, nachvollziehbare" Gründe genügen (BT-Drucks. 14/4374, S. 17). Streitigkeiten über die Auslegung des Begriffs sind vorprogrammiert.
Daneben sind zum 1.1.2001 Änderungen des Bundeserziehungsgeldgesetzes in Kraft getreten (BGBl. I 2000, 1646), die in § 15 Abs. 5 bis Abs. 7 BErzGG einen speziellen Anspruch auf Teilzeitbeschäftigung während des Erziehungsurlaubs (neuerdings: "Elternzeit") vorsehen. Der Anspruch ist in seiner Ausgestaltung den obigen Regeln angenähert. Die Ablehnung des Teilzeitverlangens eines Erziehungsurlaubers durch den Arbeitgeber setzt allerdings "dringende betriebliche Gründe" voraus.
Bei der Neubesetzung freier Stellen sind teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer künftig vorrangig zu berücksichtigen, wenn sich die Position für eine Teilzeittätigkeit eignet. Der arbeitgeber hat solche Stellen im Betrieb auszuschreiben.
Befristete Arbeitsverhältnisse
Im Falle einer Neueinstellung ist die kalendermäßige Befristung eines Arbeitsvertrages nach wie vor ohne Vorliegen sachlicher Gründe bis zur Dauer von 2 Jahren zulässig. Die Parteien können einen befristeten Arbeitsvertrag bis zu dieser Gesamtdauer höchstens 3 mal verlängern. In Abweichung von § 1 Abs. 1 und Abs. 3 BeschFG a.F. verlangt die Neuregelung, daß der Arbeitnehmer nicht bereits (irgendwann) zuvor bei seinem Arbeitgeber beschäftigt war. Diese Bestimmung erzeugt erhebliche Rechtsunsicherheit, da ein zeitlicher Zusammenhang zwischen Vorbeschäftigung und Beginn der Befristung vom Gesetzgeber nicht gefordert wird. Den Parteien wird insbesondere die bislang bestehende Möglichkeit genommen, eine Befristung ohne sachlichen Grund an eine Sachgrundbefristung anzuschließen. Hat der Arbeitnehmer das 58. Lebensjahr (früher: 60. Lebensjahr) vollendet, ist die Befristung grundsätzlich unbeschränkt zulässig, sofern zu einem vorhergehenden unbefristeten Arbeitsvertrag mit dem selben Arbeitgeber nicht ein enger sachlicher Zusammenhang besteht. Ergänzend übernimmt das Gesetz die vom Bundesarbeitsgericht zur Wirksamkeit von Sachgrundbefristungen und Rechtsfolgen unwirksamer Befristungen entwickelten Grundsätze. Es unterstellt auflösend bedingte Arbeitsverträge – in teilweiser Abweichung von der Rechtsprechung des Gerichts – ausdrücklich den für befristete Arbeitsverträge geltenden Regeln (vgl. BAG v. 23.2.2000, NZA 2000, 821 zu § 1 Abs. 5 BeschFG a.F.).
Kritische Würdigung
Ein einklagbarer Anspruch auf Teilzeitarbeit wird von den Gewerkschaften
schon lange gefordert. Es drängt sich der Verdacht auf, daß
Arbeitsminister Riester mit dem neuen Gesetz durchsetzt, was er
vor seinem Amtsantritt in Tarifverträgen nicht zu regeln vermochte.
Daneben weckt das Gesetz Erinnerungen an die ebenfalls im Hau-Ruck-Verfahren
eingeführten Regelungen zur Bekämpfung vermeintlicher Scheinselbständigkeit:
Anfänglicher Euphorie der Bundesregierung folgte ein nüchterner
Rückzug in Raten (Grobys, GmbHR 1999, R 269), mit dem die ursprüngliche
Intention des Vorhabens weitgehend neutralisiert wurde. Auch die neuen
Teilzeit- und Befristungsregeln könnten sich im Hinblick auf den damit
bezweckten beschäftigungspolitischen Erfolg und die Durchsetzung der
Gleichstellung von Frauen und Männern als kontraproduktiv erweisen.
Neueinstellungen werden nicht dadurch gefördert, daß Arbeitgeber
Angst haben müssen, nach 6 Monaten nur noch einen "halben" Mitarbeiter
zu haben. Folglich ist mit einer faktischen Diskriminierung gerade solcher
Bewerber zu rechnen, bei denen nach ihren persönlichen Umständen
am ehesten zu erwarten ist, daß sie den Teilzeitanspruch geltend
machen. Dies sind regelmäßig Frauen. Unabhängig davon steht
zu befürchten, daß der Teilzeitanspruch in seiner praktischen
Umsetzung zu einer erhöhten Anzahl gerichtlicher Auseinandersetzungen
und einer Verschlechterung des Arbeits- und Investitionsklimas in den Unternehmen
führt. Die Bereitschaft, Arbeitsplätze für Teilzeittätigkeiten
einzurichten und Betriebsabläufe gegebenenfalls entsprechend umzuorganisieren
läßt sich nicht durch dirigistische Eingriffe in die wirtschaftliche
Entscheidungsfreiheit der Unternehmen erzeugen. Einen Ansatzpunkt hierfür
bieten attraktive wirtschaftliche Rahmenbedingungen, die sowohl für
Arbeitgeber als auch für Arbeitnehmer finanzielle Anreize zur Durchführung
von Teilzeitarbeit bieten. Die im vergangenen Jahr beschlossene Reform
der geringfügigen Beschäftigungsverhältnisse hat dazu nicht
beigetragen. Mit der Verabschiedung des Gesetzes über Teilzeitarbeit
und befristete Arbeitsverträge hat die Bundesregierung erneut eine
Chance vertan.
* GAEDERTZ Rechtsanwälte.