Jan Tibor Lelley,
Rechtsanwalt, Düsseldorf*

Bundesregierung beschließt Reform des Betriebsverfassungsgesetzes

Die Bundesregierung will aufgrund des Koalitionsvertrags das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) reformieren. Der Referentenentwurf wurde am 14.12.2000 in Berlin vorgestellt. Das Bundeskabinett hat das Gesetz in abgeschwächter Form am 14.2.2001 beschlossen. Der Entwurf möchte die betriebliche Mitbestimmung im Interesse der Beteiligung und Motivation der Arbeitnehmer stärken. Dadurch soll eine "zukunftsfähige Grundlage" für die Zusammenarbeit von Arbeitgebern und Betriebsräten geschaffen werden.

Mit der Reform des Betriebsverfassungsgesetzes schreibt die Regierungskoalition von SPD und Bündnis90/DIE GRÜNEN ein lange gehegtes Reformprojekt fort. Die Anfänge entstammen der Mitte der 80er Jahre. Schon damals wurde behauptet, daß die Mitbestimmung in deutschen Unternehmen nicht mehr zeitgemäß sei und daraufhin ausgeweitet werden müsse. Nach mehreren Vorschlägen auch von Arbeitnehmerseite hat die Bundesregierung nunmehr einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der für sich in Anspruch nimmt, "die Betriebsverfassung zukunftsfähig zu machen". Der Entwurf sieht bei der Reform des BetrVG folgende wesentliche Neuerungen vor:

1. Änderung der Organisationsgrundlage der Betriebsräte durch gesetzliche und vertragliche Lösungen (z.B. Filial- oder Sparten-Betriebsräte)

2. Leichtere Bildung von Betriebsräten durch Vereinfachung des Wahlverfahrens und Abschaffung des Gruppenprinzips (Arbeiter/Angestellte)

3. Einbindung besonderer Beschäftigungsformen in das BetrVG (z.B. Tele- und Leiharbeit)

4. Moderne Kommunikationstechniken für die Betriebsratsarbeit; Möglichkeit der Delegation von Beteiligungsrechten vom Betriebsrat an Arbeitsgruppen

5. Ausbau der Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte vor allem bei Qualifikation und Beschäftigungssicherung der Arbeitnehmer

6. Aufgaben des Betriebsrats im betrieblichen Umweltschutz

7. Verstärkte Einbindung der Arbeitnehmer in der Betriebsratsarbeit

8. Verstärkte Förderung der Chancengleichheit von Männern und Frauen durch den Betriebsrat

9. Stärkung der Jugend- und Auszubildendenvertretung

10. Maßnahmen zur Bekämpfung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im Betrieb
 
 

Kostenbelastungen für Arbeitgeber

Es wird bereits jetzt erwartet, daß neue Kosten für die Unternehmen durch die Betriebsverfassungs-Reform entstehen. Das federführende Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung sieht das offenbar genauso und schreibt in seiner Begründung von erheblichen finanziellen Mehrbelastungen der Wirtschaft.

Als besonderer Kostenfaktor für die Unternehmen könnten sich in der Zukunft die Neuregelungen über die erweiterte Freistellung von Betriebsratsmitgliedern, die Heranziehung von Arbeitnehmern als sachkundigen Auskunftspersonen, die Nutzung moderner Informations- und Kommunikationstechnik durch den Betriebsrat sowie die Hinzuziehung eines Beraters für den Betriebsrat bei Betriebsänderungen auswirken. Dem sollen Kostenentlastungen der Wirtschaft bei der Vereinfachung der Betriebsratswahlen gegenüber stehen. Hier nehmen die Reformer für sich in Anspruch, durch die Vereinfachung von Wahlvorschriften den Aufwand der Betriebsratswahlen und auch die Gefahr von Wahlanfechtungen, die gemäß § 20 Abs. 3, § 40 BetrVG immer auf Kosten des Arbeitgebers gehen, zu verringern. Wesentlicher Punkt dieser Vereinfachung ist die Abschaffung des Gruppenprinzips (Unterscheidung von Angestellten und Arbeitern bei Betriebsratswahlen).

Mehr Zuständigkeiten für den Betriebsrat

Ein wichtiger Punkt des Reformvorhabens ist die Ausweitung von Zuständigkeiten und Mitbestimmungsrechten der Arbeitnehmervertretungen. Aber auch die Zusammensetzung der Arbeitnehmervertretungen selbst soll nach den Vorgaben der Bundesregierung verändert werden: So sieht § 15 n.F. eine "Frauenquote" im Betriebsrat vor. Hiernach müssen die "Geschlechter" entsprechend ihrem zahlenmäßigen Verhältnis im Betrieb auch im Betriebsrat vertreten sein. Die Bundesregierung bestreitet, daß es sich hierbei um eine "Zwangskandidatur" handelt. Die Entwurfsbegründung läßt aber offen, wie sich ein zahlenmäßig repräsentatives Verhältnis zwischen Männern und Frauen in der Arbeitnehmervertretung einstellen soll, wenn nicht genug männliche und weibliche Kandidaten zur Verfügung stehen.

Auf allen Ebenen sollen die Zuständigkeiten der Arbeitnehmervertretungen erweitert werden. Die umstrittene Änderung des § 91 BetrVG (Mitbestimmung bei Änderung der Arbeitsbedingungen) wird allerdings nicht mehr angestrebt. So soll der Gesamtbetriebsrat auch für betriebsratslose Betriebe des jeweiligen Unternehmens zuständig sein. Daneben wurde, wenn ein Konzern i.S.d. § 18 AktG vorliegt, die Errichtung eines Konzernbetriebsrats zwingend vorgeschrieben. Diese Regelung wurde aber zwischenzeitlich durch eine Erleichterung der freiwilligen Bildung des Konzernbetriebsrats ersetzt. Die Bundesregierung begründet diesen Schritt damit, den Einfluß der Arbeitnehmer auf strategische Entscheidungen der Konzernspitze ausweiten zu wollen. Der Konzernbetriebsrat soll seinerseits für solche Unternehmen zuständig werden, die, aus welchen Gründen auch immer, keinen Gesamtbetriebsrat gebildet haben. Der Reformentwurf nennt diese Neuerung schlagwortartig "Mentoren-Prinzip".

Durch § 21 a BetrVG n.F. reagiert die Bundesregierung auf die jüngste Entscheidung des BAG zum Übergangsmandat des Betriebsrats (BAG v. 31.5.2000 – 7 ABR 78/99). Das BAG hatte hier das Übergangsmandat des Betriebsrats als "allgemein gültiges Rechtsprinzip" anerkannt, allerdings beschränkt auf 3 Monate. In § 21 a BetrVG n.F. soll das allgemeine Übergangsmandat des Betriebsrats jetzt festgeschrieben werden. Mit 6 Monaten Dauer geht der Entwurf sogar noch über die Vorgabe des BAG hinaus.

Die allgemeinen Aufgaben des Betriebsrats gemäß § 80 BetrVG sollen um das Stichwort "Beschäftigungsförderung und -sicherung" ergänzt werden. Nach § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG n.F. soll der Betriebsrat auch über die Beschäftigung von Personen unterrichtet sein, die "nicht in einem Arbeitsverhältnis zum Arbeitgeber stehen". Laut der Begründung des Reformentwurfs sind hiermit in erster Linie Leiharbeitnehmer nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz gemeint.

Ein Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei Arbeitnehmerüberlassung ist allerdings schon in § 14 AÜG vorgesehen. Die neue Vorschrift könnte daher von Betriebsräte zum Anlaß genommen werden, sich umfassend über die Tätigkeit von Beratern (z.B Wirtschaftsprüfern oder Rechtsanwälten) informieren zu lassen, die von der Unternehmensleitung ins Vertrauen gezogen werden. Der Reformvorschlag würde hier die Informationspflichten des Arbeitgebers nach vorne verschieben.

Die Mitbestimmung in den einzelnen Betrieben soll künftig durch ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung von technischen Anlagen und Arbeitsverfahren, die die Tätigkeit der Belegschaft ändern, erweitert werden. Dazu kommt die Ausweitung des Mitbestimmungsrechts bei personellen Einzelmaßnahmen (z.B. Versetzung). Hier soll zukünftig ein Mitbestimmungsrecht schon dann eingreifen, wenn im Unternehmen mehr als 20 Arbeitnehmer beschäftigt sind. Der bisherige Schwellenwert sah diese Zahl für den einzelnen Betrieb vor.

Erleichterung der Betriebsratsarbeit

Durch Regelungen des Reformentwurfs zur Betriebsratsarbeit werden weitere Kosten für die betroffenen Unternehmen entstehen. So wird z.B. durch § 38 n.F. die Zahl der Betriebsratsmitglieder erhöht, die von der Arbeitspflicht freizustellen sind. Hierdurch soll eine "Kompensation" der Arbeitsbelastung des Betriebsrats erreicht werden. Daneben werden die sachlichen Mittel, die dem Betriebsrat vom Arbeitgeber zur Verfügung zu stellen sind, aufgestockt. Dem Betriebsrat soll jetzt auch Informations- und Kommunikationstechnik zur Verfügung gestellt werden. Bei Betriebsänderungen wird dem Betriebsrat jetzt ausdrücklich das Recht eingeräumt, externe Berater zu engagieren, § 111 S. 2 BetrVG n.F. Die Kosten hat auch hier der Arbeitgeber zu tragen.

Kostenneutrale Betriebsverfassung?

Der Reformentwurf gibt klar zu erkennen, daß durch die geplanten Änderungen erhebliche Mehrkosten für die Unternehmen durch die Betriebsratsarbeit entstehen werden. In der Begründung des Reformentwurfs heißt es dazu, daß Demokratie nicht kostenneutral sei. Mit Blick auf das Reformvorhaben wurde weiterhin bereits darauf hingewiesen, daß heutzutage Arbeitnehmer oftmals immer weniger oder nur noch eingeschränkt ein Interesse an einer kollektiven Vertretung ihrer Interessen haben. Vor diesem Hintergrund stellt sich dann die Frage, ob Demokratie immer viel kosten muß.
 
 

* Raupach & Wollert-Elmendorff Rechtsanwaltsgesellschaft mbH.
 
 

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