Gewinnverwendung: Keine anderweitige Zuordnung durch nachträgliche Änderung eines Gewinnverteilungsbeschlusses

KStG 1984 § 8 Abs. 4 (seit 1990 Abs. 5), § 27 Abs. 1 u. Abs. 3 S. 1; EStG 1987 § 10 d Abs. 1.

Hat eine Kapitalgesellschaft aufgrund eines den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverteilungsbeschlusses für ein abgelaufenes Wirtschaftsjahr Gewinn ausgeschüttet, kann sie diese Ausschüttung nicht durch eine nachträgliche Änderung des Gewinnverteilungsbeschlusses anderen Wirtschaftsjahren zuordnen.

FG Niedersachsen, Urt. v. 6.10.1998 -- VI 217/94
(nicht rechtskräftig)

Aus dem Tatbestand:

Streitig ist ..., ob Gewinnverteilungsbeschlüsse mit steuerlicher Wirkung nachträglich dahin geändert werden können, daß die Ausschüttung für ein anderes als das ursprünglich bestimmte Wirtschaftsjahr erfolgt.

Die Kl. ist eine GmbH, die den Handel mit Kraftfahrzeugen und einer Kfz-Werkstatt betreibt. Vor Durchführung eines Verlustrücktrags aus dem Jahre 1991 ergaben sich für die Streitjahre 1987 bis 1990 folgende Besteuerungsgrundlagen:
 
 
1987
1988
1989
1990
 
DM
DM
DM
DM
Einkommen
270.690
86.439
339.354
860.381
Tarifbelastung
151.586
269.405
187.038
416.665
offene Gewinnausschüttungen
200.000
200.000
200.000
533.332
Minderung der KSt. aus offenen Gewinnausschüttungen
62.570
62.500
62.500
136.266

Für das Jahr 1991 ergab sich ein Verlust, den das FA zunächst auf 157.229 DM feststellte und i.H.v. 26.854 DM auf das Einkommen des Jahres 1989 und i.H.v. 27.050 DM auf das Einkommen des Jahres 1990 zurücktrug. (...).

Mit Schr. v. 2.12.1993 legte die Kl. gegen diese Bescheide Einspruch ein. Gegen die KSt.-Festsetzung 1989 war – ebenso wie gegen die KSt.-Festsetzungen 1987 und 1988 – zu diesem Zeitpunkt bereits aus anderen Gründen ein Einspruchsverfahren anhängig (...). Mit dem Einspruchsschr. v. 2.12.1993 trug die Kl. vor, sie habe mit Beschl. der Gesellschafterversammlung v. 26.11.1992 ihre in der Vergangenheit gefaßten Gewinnverwendungsbeschlüsse aufgehoben und die Zuordnung der Gewinnausschüttungen zu den Wirtschaftsjahren 1986 bis 1991 in der Weise geändert, daß der 1991 entstandene Verlust in voller Höhe auf das Einkommen des Jahres 1989 zurückgetragen werden könne. ...

Durch Einspruchsbescheid v. 2.3.1994 wies das FA diesen Antrag als unbegründet zurück. Es vertrat die Ansicht, daß die Änderung einmal gefaßter Gewinnverteilungsbeschlüsse nur in Ausnahmefällen (rückwirkende Gesetzesänderung, Ausschüttung von Mehrgewinn nach einer Betriebsprüfung) möglich sei. Derartige Gründe lägen im Streitfall nicht vor. Die Änderung der Gewinnverteilungsbeschlüsse diene dem ausschließlichen Zweck, die bereits entstandene Steuer des Jahres 1989 durch einen höheren Verlustrücktrag zu mindern, und sei daher willkürlich. ...

Aus den Entscheidungsgründen:

... Die Klage ist aber nicht begründet. Die Berücksichtigung eines höheren als des von dem FA zugrundegelegten Verlustrücktrags für das Jahr 1989 ist ausgeschlossen.

Nach § 8 Abs. 4 (seit 1990 § 8 Abs. 5) KStG in der für die Streitjahre maßgebenden Fassung ist der Verlustrücktrag nach § 10 d Abs. 1 EStG bei Kapitalgesellschaften und bei sonstigen Körperschaften i.S.d. § 43 KStG nur vorzunehmen, soweit im Abzugsjahr das Einkommen den ausgeschütteten Gewinn übersteigt, der sich vor Abzug der Körperschaftsteuer ergibt und für den die Ausschüttungsbelastung nach § 27 KStG herzustellen ist. Durch diese Regelung sollte verhindert werden, daß bei den zur Eigenkapitalgliederung verpflichteten Kapitalgesellschaften ein Verlustrücktrag im Fall des Zusammentreffens mit einer Gewinnausschüttung ohne steuerliche Entlastung verbraucht wurde (Wrede in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 8 KStG, Anm. 66; Streck, KStG, 5. Auflage, § 8 Anm. 153). Im Streitfall hat die Kl. aufgrund des Gewinnverteilungsbeschlusses vom 5.8.1990 für das Wirtschaftsjahr 1989 einen Gewinn i.H.v. 200.000 DM ausgeschüttet, für den im Veranlagungszeitraum 1989 die Ausschüttungsbelastung herzustellen war (§ 27 Abs. 3 S. 1 KStG). Nach § 8 Abs. 4 (Abs. 5) KStG ist der Verlustrücktrag aus 1991 daher auf 26.854 DM begrenzt. Um diesen Betrag überstieg das Einkommen vor Durchführung des Verlustrücktrags (339.354 DM) die Summe aus der offenen Gewinnausschüttung von 200.000 DM und der darauf entfallenden Ausschüttungsbelastung von 112.500 DM (36/64 des ausgeschütteten Betrags – § 27 Abs. 1 KStG in der für das Streitjahr 1989 maßgeblichen Fassung –), also den Betrag von 312.500 DM.

Entgegen der Auffassung der Kl. ist es nicht möglich, die für das Jahr 1989 beschlossene und tatsächlich vorgenommene Gewinnausschüttung nachträglich einem anderen Wirtschaftsjahr zuzuordnen und auf diese Weise für 1989 ein höheres Verlustrücktragspotential zu schaffen. Unter einer Ausschüttung i.S.d. § 27 Abs. 1 und 3 KStG ist der tatsächliche Abfluß der – hier: – den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechend beschlossenen Gewinnverteilung zu verstehen (BFH v. 9.12.1987 – I R 260/83, BStBl II 1988, 460, = GmbHR 1988, 201). Mit dem Abfluß der Gewinnanteile ist die Ausschüttung vollzogen. Der damit verwirklichte Sachverhalt ist der Besteuerung zugrundezulegen. Wird der Sachverhalt später dadurch "rückgängig" gemacht, daß der Gewinnverteilungsbeschluß aufgehoben wird und die Gewinnanteile zurückgefordert werden, so ist die Rückzahlung steuerrechtlichals Einlage zu beurteilen (BFH v. 29.4.1987 – I R 176/83, BStBl II 1987, 733 = GmbHR 1987, 492; v. 14.3.1989 – I R 105/88, BStBl II 1989, 741 = GmbHR 1990, 142). Die am 26.11.1992 erfolgte Aufhebung des Gewinnverteilungsbeschlusses für das Jahr 1989 konnte der zu diesem Zeitpunkt bereits erfolgten Ausschüttung für dieses Wirtschaftsjahr nicht mehr den Charakter einer auf einem den gesellschaftsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Beschluß beruhenden Gewinnverteilung nehmen. Entscheidend ist in diesem Zusammenhang allein, daß der Beschl. v. 5.8.1990 im Zeitpunkt seines Vollzuges rechtswirksam bestand.

In seinen Urt. v. 30.3.1983 – I R 178/79 (BStBl II 1983, 512 = GmbHR 1979, 205) und v. 5.6.1985 – I R 183/84 (BStBl II 1986, 84 = GmbHR 1986, 67), die beide noch zum früheren Körperschaftsteuerrecht ergangen sind, hat der BFH zwar die Auffassung vertreten, daß einmal gefaßteGewinnverteilungsbeschlüsse nachträglich mit dem Ziel geändertwerden können, einen (höheren) Gewinn auszuschütten. Im Streitfall begehrt die Kl. für 1989 aber nicht die nachträgliche Erhöhung, sondern die nachträgliche Herabsetzung einer beschlossenen und tatsächlich vollzogenen Gewinnausschüttung. Diese ist – wie dargelegt – mit steuerlicher Wirkung nicht möglich.

Auch der Umstand, daß die Kl. die einmal eingetretenen Wirkungen der Gewinnausschüttung nicht insgesamt rückgängig machen, sondern diese lediglich anderen Veranlagungszeiträumen zuordnen will, führt nicht zu einer anderen Beurteilung. Da der ausgeschüttete Betrag insgesamt unverändert geblieben ist, setzt die nachträgliche Erhöhung der Ausschüttungen für die anderen Streitjahre einen entsprechenden Rückfluß für das Streitjahr 1989 voraus. Die in dem Beschl. v. 26.11.1992 vorgesehene Verrechnung der unterschiedlichen Zahlungsströme stellt lediglich eine Abkürzung des Zahlungswegs dar, ändert abernichts an dem rechtlichen Gehalt der zugrundeliegenden Vorgänge. ...

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