Gewinnausschüttung: Tarifspreizung bei der Einkommensteuer zwischen gewerblichen und und anderen Einkünften verfassungswidrig?

GG Art. 3 Abs. 1, Art. 100, Art. 106 Abs. 3; EStG § 2 Abs. 1, 3 und 6, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 20 Abs. 1 Nr. 3, § 32a, § 32 c i.d.F. des StandOG; KStG § 1, § 3 Abs. 1, § 27, § 49 Abs. 1; GewStG § 2, § 7, § 8, § 9 Nr. 2 a; BVerfGG § 80 Abs. 1

Es wird die Entscheidung des BVerfG darüber eingeholt, ob § 32 c EStG mit Art. 3 Abs. 1 GG insoweit vereinbar ist, als diese Vorschrift
1. die Tarifbegrenzung nach näherer Maßgabe des § 32 c Abs. 2 EStG nur für gewerbliche Einkünfte gewährt, die beim Bezieher der Gewerbesteuer unterlegen haben;
2. bei Gewinnen, die von einer Körperschaft – hier: im Rahmen einer Schachtelbeteiligung – ausgeschüttet werden, die Tarifbegrenzung versagt (§ 32 c Abs. 2 S. 2 EStG i.V.m. § 9 Nr. 2 a GewStG), obwohl diese Gewinne bei der Körperschaft der Gewerbesteuer unterlegen haben;
3. die Tarifbegrenzung für gewerbliche Einkünfte insoweit ausschließt, als deren Anteil am zu versteuernden Einkommen unterhalb des die Entlastung auslösenden Grenzbetrags (§ 32 c Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 und 5 EStG) bleibt.

BFH, Beschl. v. 24.2.1999 – X R 171/96

A. Gegenstand der Vorlage (Sachverhalt, Entscheidung des FG und Vortrag der Beteiligten)

Die Kl. sind Eheleute, die für das Streitjahr 1994 zur Einkommensteuer (ESt.) zusammenveranlagt wurden. Der Kl. ist Alleingesellschafter einer GmbH. Er hat seinen Gewerbebetrieb an die GmbH verpachtet; es besteht eine Betriebsaufspaltung. Er erzielte hieraus im Streitjahr 1994 einen Gewinn i.H.v. ... DM. Außerdem schüttete die GmbH an ihn einen Betrag i.H.v. ... DM aus. Den Betrag der anrechenbaren Körperschaftsteuer (KSt.) bescheinigte die GmbH mit ... DM. Die Summe dieser Beträge erklärten die Kl. in der ESt.-Erklärung für 1994 als Einkünfte aus Gewerbebetrieb ("Verpachtungsbetrieb"). Sie beanspruchten für diesen Betrag die Tarifbegrenzung des § 32 c EStG. In seiner GewSt.-Erklärung für das Streitjahr setzte der Kl. ebenfalls den Gewinn aus Gewerbebetrieb mit ... DM an. Er kürzte diesen Betrag um Gewinne aus Anteilen an nicht steuerbefreiten inländischen Kapitalgesellschaften i.H.v. ... DM.

Das FA folgte zunächst den Angaben der Kl. und gewährte in den gemäß § 164 AO 1977 unter Nachprüfungsvorbehalt erlassenen ESt.-Bescheiden v. 13.2. und 15.3.1996 den Entlastungsbetrag für gewerbliche Einkünfte (§ 32 c EStG). Im Bescheid v. 23.4.1996 ging das FA jedoch davon aus, daß die Gewinnanteile aus nicht steuerbefreiten Kapitalgesellschaften gemäß § 32 c Abs. 2 S. 2 Halbs. 1 EStG nicht tarifbegünstigt seien.

Mit dem Einspruch gegen den Bescheid v. 23.4.1996 machten die Kl. erfolglos geltend, § 32 c Abs. 2 S. 2 Halbs. 1 EStG verstoße gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG).

Das FG hat die Klage abgewiesen. Es hat zur Begründung ausgeführt: Die streitigen Gewinnanteile fielen, worüber zwischen den Beteiligten Einvernehmen bestehe, offensichtlich unter § 32 c Abs. 2 S. 2 Halbs. 1 EStG. Zwar spreche für die Verfassungswidrigkeit dieser Vorschrift, daß die gewerblichen Einkünfte gemäß § 32 c EStG grundsätzlich unabhängig davon der Tarifbegrenzung unterlägen, ob sie entnommen würden. Hierzu sei zu bedenken, daß § 32 c Abs. 2 Nr. 1 Halbs. 2 i.d.F. von Art. 1 Nr. 7 des ursprünglichen Gesetzentwurfs (BT-Drucks. 12/4487, S. 6) für die streitigen Einkünfte die Tarifbegrenzung vorgesehen habe. Andererseits unterlägen "die Ausschüttungen einer GmbH nach §§ 27 ff. KStG i.V.m. § 20 EStG im übrigen unabhängig davon, ob die GmbH gewerbliche Einkünfte (§ 8 Abs. 2 KStG) erzielt (habe), stets der tariflichen Einkommensteuer". Das Urteil des FG [FG Baden-Württemberg v. 20.9.1996 – 9 K 195/96] ist veröffentlicht in FR 1997, 308 [= GmbHR 1997, 458].

Mit der vom FG zugelassenen Revision rügen die Kl. die unzutreffende Auslegung des § 32 c Abs. 2 S. 2 Halbs. 1 EStG i.V.m. § 9 Nr. 2 a GewStG. Sie tragen zur Begründung vor:

Der Gesetzgeber habe beabsichtigt, alle der GewSt. unterliegenden Einkünfte zu begünstigen. Nur die Gewinnanteile, die beim Anteilseigner Einkünfte aus Kapitalvermögen (Gewinnausschüttungen gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG) darstellten, fielen nicht unter § 32 c EStG. Da er, der Kl., zu 100 % an der GmbH beteiligt sei und dieser Geschäftsanteil zum notwendigen Betriebsvermögen seines Einzelunternehmens gehöre, seien diese Beteiligungseinkünfte gewerbliche i.S.d. § 32 c EStG. Der Gesetzgeber habe eine Tarifbegrenzung auch im Rahmen der Betriebsaufspaltung gewähren wollen. In den Gesetzesmaterialien seien die Gewinnanteile, die ein Betriebsunternehmen an den Verpachtungsbetrieb ausschütte, ausdrücklich als tarifbegünstigt erwähnt. Die Formulierung in § 32 c Abs. 2 EStG sei nicht mit der vom Bundestag beabsichtigten Methode zur Berechnung des Entlastungsbetrags identisch. Jedenfalls sei § 32 c EStG wegen Verstoßes gegen das Gleichheitsgebot und das Leistungsfähigkeitsprinzip verfassungswidrig.

Die Kl. beantragen,

das angefochtene Urteil aufzuheben und unter Aufhebung der Einspruchsentscheidung v. 7.6.1996 sowie unter Abänderung des ESt.-Bescheides für 1994 v. 23.4.1996 die ESt. um ... DM auf ... DM herabzusetzen,

hilfsweise, die Sache nach Art. 100 GG dem BVerfG vorzulegen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen. Es trägt vor: Der Auffassung des FG sei zuzustimmen. Der Gesetzgeber habe mit der Tarifbegrenzung die gewerblichen Gewinne nicht begünstigen, sondern deren Überbelastung durch die GewSt. mildern wollen. In der Literatur werde die Frage erörtert, ob es unter dem Gesichtspunkt eines Ausgleichs der Belastung mit GewSt. sachgerecht wäre, die Tarifbegrenzung auf Gewinnausschüttungen von Kapitalgesellschaften auszudehnen. Denn obwohl diese Gewinne bei der Kapitalgesellschaft mit GewSt. belastet seien, unterlägen sie bei den Gesellschaftern einer ungemilderten ESt. Indes knüpfe der Gesetzgeber im Steuerrecht an die Rechtsform an. Zwischen Gesellschaft und Gesellschaftern könnten zu betrieblichem Aufwand führende Leistungen ausgetauscht werden; sowohl die Gewinne wie auch die Kapitalausstattung der Kapitalgesellschaft könnten geringgehalten werden. Durch eine Verlagerung von Einkünften und Vermögenswerten auf die Gesellschafterebene könne die GewSt.-Belastung erheblich gemindert werden, was bei Einzelunternehmern ausgeschlossen sei. Durch den Abschluß entsprechender Verträge sei es möglich, das Einkommen auf verschiedene Einkommensarten zu verteilen und die einkunftsspezifischen Freibeträge und Werbungskostenpauschbeträge in Anspruch zu nehmen. Gehe der Gesetzgeber bei der Betriebsaufspaltung von zwei selbständigen Unternehmen aus, müsse steuerrechtlich auch jedes Unternehmen für sich beurteilt werden. Die auf die ausgeschütteten Gewinne bei der Kapitalgesellschaft zu erhebende KSt. liege unter 47 % Beim Besitzunternehmen entstehe keine Belastung mit GewSt.. Daher sei eine Tarifbegrenzung nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes nicht erforderlich. Dies erkläre auch, warum die ursprünglich im Gesetzgebungsverfahren vorgesehene Tarifbegrenzung für Betriebsaufspaltungen nicht Gesetz geworden sei. Der Steuergesetzgeber sei zum Erlaß wirtschaftslenkender Normen berechtigt. In der BT-Drucks. 12/5016 (S. 79, 1. Absatz) werde hierzu ausgeführt, die als notwendig erachtete Senkung des KSt.-Satzes für einbehaltene Gewinne erfordere aus Gründen der Wettbewerbsgleichheit eine entsprechende Verringerung der ESt.-Belastung der gewerblichen Gewinne.

B. Entscheidungsgründe

I. Anwendung des § 32 c EStG im Streitfall

1. Inhalt der gesetzlichen Regelung

§ 32 c EStG i.d.F. StandOG v. 13.9.1993 (BGBl. I 1993, 1569 = BStBl. I 1993, 774) regelt die Tarifbegrenzung bei gewerblichen Einkünften wie folgt:

"(1) Sind in dem zu versteuernden Einkommen gewerbliche Einkünfte i.S.d. Abs. 2 enthalten, deren Anteil am zu versteuernden Einkommen mindestens 100.278 DM beträgt, ist von der tariflichen Einkommensteuer ein Entlastungsbetrag nach Abs. 4 abzuziehen.

(2)1Gewerbliche Einkünfte i.S. dieser Vorschrift sind vorbehaltlich des S. 2 Gewinne oder Gewinnanteile, die nach § 7 oder § 8 Nr. 4 des GewStG der Gewerbesteuer unterliegen. 2Ausgenommen sind Gewinne und Gewinnanteile, die nach § 9 Nr. 1 S. 2 und 3, Nr. 2a, 3, 5, 7 und 8 GewStG zu kürzen sind; ausgenommen sind auch Kürzungsbeträge nach § 9 Nr. 2 GewStG, soweit sie auf Anteile am Gewinn einer ausländischen Betriebsstätte entfallen, sowie Gewinne, die einer Steuerermäßigung nach § 34 unterliegen."

Im Streitfall ist die Kürzung nach § 9 Nr. 2 a GewStG einschlägig. Diese Vorschrift bestimmt zum sog. gewerbesteuerrechtlichen Schachtelprivileg: "Die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen wird gekürzt um ...

2 a. die Gewinne aus Anteilen an einer nicht steuerbefreiten inländischen Kapitalgesellschaft i.S.d. § 2 Abs. 2, ... wenn die Beteiligung zu Beginn des Erhebungszeitraums mindestens ein Zehntel des Grund- oder Stammkapitals beträgt und die Gewinnanteile bei der Ermittlung des Gewinns (§ 7) angesetzt worden sind. ..."
 
 

2. Keine Tarifbegrenzung für Gewinnausschüttung der GmbH bei Gültigkeit des § 32 c

Auf der Grundlage dieser Vorschrift haben FA und FG zutreffend angenommen, daß im Umfang des Kürzungsbetrags nach § 9 Nr. 2 a GewStG eine Tarifbegrenzung nicht in Betracht kommt.

a) Gewerbliche Einkünfte i.S.d. § 32 c EStG, die nach § 7 GewStG der GewSt. unterliegen, sind auch die – wie im Streitfall – aufgrund einer Betriebsaufspaltung beim Besitzunternehmen als gewerblich qualifizierten "Gewinne oder Gewinnanteile" des Betriebsunternehmens (hier: der GmbH). Das BVerfG hat die st. Rspr. des BFH zur Gewerblichkeit des Besitzunternehmens als verfassungsmäßig anerkannt (BVerfG v. 12.3.1985 – 1 BvR 571/81 u.a., BVerfGE 69, 188 [202 ff.] = GmbHR 1985, 232). Auch wenn wie vorliegend aufgrund sachlicher und personeller Verflechtung der Tatbestand der Betriebsaufspaltung erfüllt ist, sind Besitz- und Betriebsunternehmen rechtlich selbständige Unternehmen, die ihren Gewinn selbständig ermitteln und jeweils mit ihren Gewinnen/Erträgen der ESt./KSt. und der GewSt. unterliegen (BFH v. 8.11.1971 – GrS 2/71, BFHE 103, 440 = BStBl. II 1972, 63 = GmbHR 1972, 41; BFH v. 1.10.1996 – VIII R 44/95, BFHE 182, 327 = BStBl. II 1997, 530 = GmbHR 1997, 662 m.w.N. der Rspr.).

b) Ausgenommen von der Tarifbegrenzung sind nach § 32 c Abs. 2 S. 2 EStG auch bei einer Betriebsaufspaltung die bei der Ermittlung des Gewinns nach § 7 GewStG angesetzten, aber unter den Voraussetzungen des Schachtelprivilegs nach § 9 Nr. 2 a GewStG zu kürzenden Gewinne oder Gewinnanteile (Gewinnausschüttungen der Betriebskapitalgesellschaft an das Besitzunternehmen). Dies ist insofern folgerichtig, als diese Beträge beim Besitzunternehmen wegen der Kürzung nach § 9 GewStG nicht der GewSt. unterliegen. Die verfassungsrechtliche Problematik ergibt sich u.a., wie unter VII. darzulegen sein wird, daraus, daß diese Gewinne bei der Betriebskapitalgesellschaft mit GewSt. belastet sind.

c) Die Tarifbegrenzung nach § 32 c EStG ist auch im Rahmen einer Betriebsaufspaltung anwendbar, etwa für Einkünfte aus Leistungsbeziehungen des Besitzunternehmens mit der Betriebsgesellschaft oder in Fällen, in denen Mitglieder einer "Personengruppe" jeweils weniger als 10 % der (Geschäfts-)Anteile an der Betriebsgesellschaft halten. Dies ist gemessen am Zweck des Gesetzes folgerichtig, weil diese Gewinne (Gewinnanteile) – außerhalb des Anwendungsbereichs des gewerbesteuerrechtlichen Schachtelprivilegs – beim Besitzunternehmen auch der GewSt. unterliegen.

Anhaltspunkte dafür, daß von Gesetzes wegen für "die Betriebsaufspaltung" Besonderheiten hinsichtlich der Tarifbegrenzung oder deren Einschränkung gelten würden, ergeben sich weder aus dem Wortlaut der Vorschrift noch aus deren Zweck oder dem Regelungszusammenhang des EStG. Diese Vorschrift ist daher nach einhelliger Auffassung, der sich der Senat anschließt, auch anzuwenden auf Gewinnausschüttungen der Betriebs-Kapitalgesellschaft an das Besitzunternehmen (z. B. Blümich/Gosch, EStG, KStG, GewStG, § 9 GewStG Rn. 137; dies., § 32 c EStG Rn. 43, 74; M. Wendt in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 32 c EStG, Anm. 33, 40, 57; M. Wendt, DStZ 1996, 698 [702]; W. Wendt, FR 1997, 298; Glanegger/Güroff, GewStG, 3. Aufl. 1994, § 2 Rn. 149; Schmidt/Glanegger, EStG, 17. Aufl. 1998, § 32 c Rn. 28; Autenrieth, NWB Blickpunkt Steuern 4/1997, S. 1 f.).

Entgegen der Auffassung der Kl. ist es ohne rechtliche Bedeutung, daß nach der Begründung zum Regierungsentwurf eines StandOG (BT-Drucks. 12/4487, S. 6, 34) eine Tarifbegrenzung auch im Rahmen einer Betriebsaufspaltung für die von der Betriebskapitalgesellschaft ausgeschütteten Gewinnanteile gelten sollte. Die ursprüngliche Fassung des Entwurfs ist nicht Gesetz geworden. Der letztlich beschlossene Gesetzeswortlaut beruht auf einem Vorschlag des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags, der "weitgehend" sicherstellen wollte, daß die Tarifbegrenzung nur für solche Gewinne gilt, die tatsächlich der GewSt. unterliegen (BT-Drucks. 12/5016, S. 88). Dieses Ziel ist jedenfalls für Fälle der Betriebsaufspaltung – bezogen auf die Besteuerung des Besitzunternehmens – folgerichtig verwirklicht worden.

3. Keine verfassungskonforme Ausgelegung des §32c EStG möglich

Auf der Grundlage des vorstehenden Auslegungsergebnisses müßte der erkennende Senat, die Verfassungsmäßigkeit des § 32 c EStG unterstellt, die Revision als unbegründet zurückweisen. Indes widerspricht diese Bestimmung nach der Überzeugung des Senats dem allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG; hierzu unten V. bis VIII.).

Eine verfassungskonforme Auslegung (BVerfG v. 26.4.1994 – 1 BvR 1299/89 und 1 BvL 6/90, BVerfGE 90, 263 [275 ff.]), die den nachfolgenden Erwägungen zum Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG Rechnung tragen würde, ist in Anbetracht des klaren und dem Gesetzeszweck entsprechenden Wortlauts nicht möglich (ebenso M. Wendt in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 32 c EStG Anm. 7). Selbst wenn man annehmen wollte, es reiche für die Anwendung des § 32 c Abs. 1 EStG aus, daß die von einer Kapitalgesellschaft ausgeschütteten Gewinne bei dieser der GewSt. unterlegen haben (Bornheim, DB 1999, 352), widerspräche eine solche Auslegung im Anwendungsbereich des § 32 c Abs. 2 S. 2 EStG i.V.m. § 9 Nr. 2 a GewStG dem klaren Gesetzeswortlaut (ebenso FG Münster v. 8.1.1998 – 14 K 5268/96 F, DStRE 1998, 709 = GmbHR 1998, 1096 [LS]). Eine andere Auslegung als die vom Senat befürwortete wäre auch unvereinbar mit dem Willen des historischen Gesetzgebers. Dieser Wille ging dahin, die Tarifbegrenzung bei der im Streitfall gegebenen gewerbesteuerrechtlichen Schachtelbeteiligung (§ 9 Nr. 2 a GewStG) zu versagen. Hieraus ist zu schließen, daß es auf die Belastung mit GewSt. bei der Betriebsgesellschaft nicht ankommt.

II. Entstehungsgeschichte des § 32 c EStG

1. Einfügung durch das StandOG 1993

§ 32 c EStG ist durch das StandOG in das EStG eingefügt worden. Durch dieses Gesetz wurden der Steuersatz für thesaurierte (einbehaltene) Gewinne von Körperschaften auf 45 % und die Ausschüttungsbelastung auf 30 % gesenkt. Mit der Tarifbegrenzung bei gewerblichen Einkünften (§ 32 c EStG) soll eine Benachteiligung von Einzelgewerbetreibenden und gewerblich tätigen Personengesellschaften gegenüber Kapitalgesellschaften vermieden werden; denn Einzel- wie Mitunternehmern wird der erzielte Gewinn auch dann im Jahr der Entstehung zugerechnet, wenn er nicht entnommen wird. Mangels finanzpolitischen Spielraums wurde der Grenzsteuersatz der ESt. von 53 % nicht allgemein gesenkt (Faltlhauser, Die Verlockungen der Schedule, FS W. Ritter, 1997, S. 511 ff.; R. Wendt, FR 1993, 1, [3 f.]; Blümich/Gosch, EStG, KStG, GewStG, § 32 c EStG Rn. 3, 71). Die Beschränkung der Neuregelung auf der Gewerbesteuer unterliegende Einkünfte hat – nach dem Willen des historischen Gesetzgebers als Übergangslösung zu einer beabsichtigten Abschaffung der GewSt. – den Zweck, die kumulative Steuerbelastung beim Zusammentreffen des Grenzsteuersatzes der ESt. mit der GewSt. zu beseitigen. Dieses Zusammentreffen zweier Steuern erachtete der Gesetzgeber als investitionshemmend. Im internationalen Vergleich stelle die GewSt. eine Sonderbesteuerung von gewerblichen Betrieben dar (BT-Drucks. 12/4158, S. 23 f.).

Mit dem StandOG sollten die steuerlichen Rahmenbedingungen für Investitionen und die Schaffung von Arbeitsplätzen "weiter verbessert" werden. Eine zu hohe Grenzsteuerbelastung der Einkommen, insbesondere der Gewinne, lähme die Leistungsbereitschaft und hemme die unternehmerische Initiative. Der Gesetzentwurf ziele insbesondere auf die Stärkung der inländischen Wachstumskräfte durch Senkung der Steuersätze bei den Steuern vom Einkommen. Bezweckt sei auch eine Stärkung der Wachstumsimpulse aus dem Ausland. Offenkundig werde der Handlungsbedarf beim KSt.-Satz für einbehaltene Gewinne, der im internationalen Vergleich mit seinerzeit 50 % zu hoch sei. Auch beim Höchstsatz der ESt. schneide die Bundesrepublik Deutschland im internationalen Vergleich ungünstig ab. Schon deshalb bestehe Veranlassung, die ertragsteuerliche Grenzbelastung bei solchen Betrieben zu senken, die im Bereich der Grenzsteuersätze belastet seien.

2. Gesetzgebungsverfahren

Die Entstehungsgeschichte des Gesetzes stellt sich im einzelnen wie folgt dar:

a) Da kurzfristig eine grundlegende Reform der GewSt. nicht durchführbar sei, sah der Entwurf – als "zweitbeste Lösung" (BT-Drucks. 12/5016, S. 78; Zeitler, BB 1993, 1704 [1706]) – vor, den KSt.-Satz für einbehaltene Gewinne von 50 % auf 44 % zu senken und außerdem für eine Übergangszeit bei gewerblichen Einkünften den Höchststeuersatz im ESt.-Tarif auf 44 % zu begrenzen. Damit sollten zugleich steuerlich bedingte Wettbewerbsverzerrungen zwischen Körperschaften und Personenunternehmen möglichst vermieden und der Einfluß des Steuerrechts auf die Gewinnverwendung zurückgedrängt werden. Eine befristete Teilentlastung gewerblicher Einkünfte von der kumulativen Belastung der Erträge durch ESt. und Gewerbeertragsteuer sei daher gerechtfertigt. In dem Entwurf heißt es (BT-Drucks. 12/4487, S. 24):

"Für Steuerzahler mit anderen als gewerblichen Einkünften ist die Tarifbegrenzung und der zeitweilige Verzicht auf eine Rückgabe von sog. heimlichen Steuererhöhungen ein indirekter Solidarbeitrag zur Finanzierung des Aufbaus in den jungen Ländern." In der gegenwärtigen finanzpolitischen Lage sei eine einheitliche Herabsetzung des ESt.-Höchstsatzes für alle Einkünfte nicht möglich. Die Herabsetzung der Grenzbelastung für gewerbliche Einkünfte trage der Sonderbelastung von gewerblichen Betrieben durch die GewSt. Rechnung. Weiterhin führt der Entwurf wörtlich aus (BT-Drucks. 12/4487, S. 25): "Besonders drückend und damit investitionshemmend ist die ertragsteuerliche Grenzbelastung in den Fällen, in denen ein hoher ESt.-Satz mit der GewSt.-Belastung zusammentrifft. Nur in diesen – gewerbesteuerpflichtigen – Fällen ist deshalb eine befristete Teilentlastung der gewerblichen Einkünfte vorgesehen. Durch die Tarifbegrenzung auf 44 % wird zugleich der Höchstsatz der ESt. bei gewerblichen Personenunternehmen an den KSt.-Satz für einbehaltene Gewinne von Kapitalgesellschaften angeglichen." b) Nach § 32 c Abs. 2 Nr. 1 des Entwurfs eines StandOG (aaO, S. 6) waren als "gewerbliche Einkünfte begünstigt die Gewinne aus inländischen Betriebsstätten eines Gewerbebetriebs mit Ausnahme von Gewinnen aus der Verpachtung eines Gewerbebetriebs im ganzen oder eines Teilbetriebs, es sei denn, es handelt sich um eine Betriebsaufspaltung". Ausgenommen waren auch Gewinne aus Anteilen an einer Kapitalgesellschaft, wenn die Beteiligung zu Beginn des Veranlagungszeitraums mindestens ein Zehntel des Nennkapitals beträgt. Damit sollte dem Grundsatz nach nur für solche Einkünfte aus Gewerbebetrieb die Tarifbegrenzung gewährt werden, die der GewSt. unterliegen; hierbei würden, so der Entwurf, aus Gründen einer einfachen Handhabung der Norm als nicht begünstigte Ausnahmen nur die wichtigsten Bereiche erwähnt, nämlich u.a. die Gewinne aus einer Betriebsverpachtung, die keine Betriebsaufspaltung sei, und aus Schachtelbeteiligungen (§ 9 Nr. 2 a und 7 GewStG; BT-Drucks. 12/4158, S. 34).

c) Die jetzige Fassung des § 32 c EStG beruht auf einem Vorschlag des Finanzausschusses des Deutschen Bundestags. Dieser führte zur Begründung aus, die von ihm vorgeschlagene Formulierung stelle "weitgehend sicher, daß die Tarifbegrenzung nur für solche Gewinne gilt, die tatsächlich der GewSt. unterliegen" (BT-Drucks. 12/5016, S. 88). Auch werde nunmehr die Tarifbegrenzung bei der Verpachtung eines Teilbetriebs im Rahmen des Gewerbebetriebs gewährt, weil diese Betätigung der GewSt. unterliege. Die Erwähnung der Betriebsaufspaltung als Unterausnahme ist ohne Begründung entfallen.

d) Nach Auffassung des Bundesrats sollte eine Spreizung des ESt.-Tarifs "unter keinen Umständen hingenommen werden" (BT-Drucks. 12/4487, S. 51 f.). In den stark unterschiedlichen Belastungen der Einkunftsarten liege ein Verstoß gegen das Verfassungsgebot der steuerlichen Gleichbehandlung. Die vorgeschlagene Steuersenkung erstrecke sich auch auf diejenigen gewerblichen Gewinnanteile, die nicht für Investitionen, sondern für den privaten Verbrauch verwendet würden. Die begünstigten Gewinnanteile wären dann um neun Prozentpunkte bessergestellt als andere Einkünfte, die gleichfalls dem Konsum zugeführt würden. Weiterhin formulierte der Bundesrat die folgende "grundlegende steuersystematische Überlegung":

"Die ESt. bemißt sich allein an der finanziellen Belastbarkeit des Bürgers. Das folgt aus der spezifischen Beschaffenheit des ESt.-Tarifs. Dieser ist progressiv ausgestaltet, damit die Bezieher niedriger Einkommen geschont werden und andererseits die Zahllast – absolut und prozentual – mit steigender Leistungsfähigkeit ansteigt. Ein solcher Tarif läßt sich nur rechtfertigen, wenn die Größe, auf die er anzuwenden ist, nämlich das zu versteuernde Einkommen, nach der Leistungsfähigkeit (Belastbarkeit) und nicht nach anderen Wertungen bemessen wird. Daher müssen alle Formen der Einkunftserzielung das gleiche Gewicht haben. Es darf keine 'guten' oder 'schlechten' Einkünfte geben.

Sondertarife für einzelne Einkunftsarten wären mit dem System der ESt. nicht vereinbar. Solche Sondertarife würden den synthetischen Einkommensbegriff, der die ESt. auszeichnet, zugunsten einer Schedulenbesteuerung nach früherem Muster aufheben, die durch die Einführung einer modernen ESt. als endgültig überwunden angesehen wurde."

Demgegenüber falle, so der Bundesrat, eine Spreizung der Steuersätze von KSt. und ESt. nicht ins Gewicht, weil beide Steuerarten vom systematischen Ansatz her verschieden seien.

Diese Bedenken sind auch Inhalt von Entschließungsanträgen der Bundestagsfraktion der SPD (BT-Drucks. 12/5036).

e) Hiergegen brachte die Bundesregierung u.a. vor (BT-Drucks. 12/4487, S. 68): Der einheitliche Tarif des § 32 a EStG, der auf das gesamte zu versteuernde Einkommen angewandt werde, sei nicht in Frage gestellt, erst in einem weiteren Schritt werde ein Entlastungsbetrag für gewerbliche Einkünfte abgezogen. Die vom Bundesrat vorgeschlagene Beschränkung der Tarifsenkung auf die KSt. führe außerdem zu einem Ungleichgewicht bei der Einkommensbesteuerung zwischen Kapitalgesellschaften einerseits und Einzelunternehmen sowie Personengesellschaften andererseits. Würde die Senkung des ESt.-Tarifs für gewerbliche Einkünfte abgelehnt, wäre die Rechtsformneutralität des Steuerrechts verletzt. Der Verzicht auf die Tarifbegrenzung für gewerbliche Einkünfte hätte zur Folge, daß den mittelständischen Unternehmen in der Rechtsform der Personengesellschaft durch die vorhergesehenen Maßnahmen zur Gegenfinanzierung der Tarifsenkung Mittel zur Stärkung ihrer Eigenkapitalausstattung entzogen würden.

f) Anläßlich einer öffentlichen Anhörung durch den Finanzausschuß des Deutschen Bundestags (Protokoll v. 3.3.1993 Nr. 47 Az. 2450) ist von Sachverständigen auf "das erhebliche verfassungsrechtliche Risiko" des Entwurfs hingewiesen worden (J. Lang, S. 47/13 f., 79 ff., 81 f., 357 ff.; L. Osterloh, S. 47/57 ff., 76 f.; R. Wendt, S. 47/60 ff., 75 f.; Oberhauser, S. 47/394 ff.; a.A. Knobbe-Keuk, S. 47/64 f. – typisierende Berücksichtigung der Gewerbesteuerbelastung; Beisse, S. 47/14, 82 f., 339 ff.; G. Söffing, S. 47/342 f.). Der Entwurf sei mittelstandsfeindlich, weil nur diejenigen Mittelständler – das sei nur ein kleiner Teil: "ein paar zehntausend von etwa 2 Millionen Unternehmen" – entlastet würden, deren Grenzsteuersätze über 44 % lägen, während durch die Maßnahmen der Gegenfinanzierung – vor allem durch die Verschlechterung der Abschreibungsbedingungen – auch die Mittelstandsunternehmen, deren Grenzsteuersätze 44 % nicht erreichten, belastet würden (Oberhauser, aaO, S. 47/15, 22). Es sei im übrigen keineswegs zwingend, daß eine Senkung der Spitzensteuersätze zur Schaffung von Arbeitsplätzen im Inland führe; sie könne ebenso dazu benutzt werden, Investitionen im Ausland zu finanzieren oder um die Verschuldung des Unternehmens zu verringern (Oberhauser, aaO, S. 47/22 f.; D. Schneider, aaO, S. 47/23 f.; v. Loeffelholz, aaO, S. 47/54). Der Sachverständige Möckershoff wies darauf hin, daß die Angehörigen der freien Berufe zwischen 1,5 und 2 Mio. Arbeitsplätze bereitstellen (aaO, S. 47/100).

g) Auch der Wissenschaftliche Beirat beim BMF hat in einer Stellungnahme vom März 1993 gegen die Sonderbehandlung von Einkünften aus Gewerbebetrieb "schwere Bedenken unter steuersystematischen Aspekten" erhoben (BMF-Dokumentation 2/1993, S. 10 ff.). Mit ihr würde erneut vom Grundsatz einer unterschiedslosen Besteuerung aller Einkunftsarten abgewichen und damit die Demontage der synthetischen Einkommensbesteuerung fortgesetzt. Die bisherigen Eingriffe hätten vor einem einheitlichen Steuertarif als dem konstitutiven Element einer synthetischen Einkommensbesteuerung haltgemacht. Eine gravierende Verletzung der Rechtsformneutralität liege in der deutlichen Begünstigung der gewerblichen Personenunternehmen, die unabhängig davon, ob sie ihre Gewinne im Unternehmen belassen oder entnehmen, in den Genuß der Tarifkappung gelangten. Demgegenüber unterlägen Gewinne von Kapitalgesellschaften im Falle der Ausschüttung – eine solche sei bei mittelständischen Unternehmen im Regelfall anzunehmen – nach wie vor einer maximalen Grenzbelastung von insgesamt rd. 61 % durch ESt. (53 %) und GewSt. (effektiv ca. 8 %). Der Wissenschaftliche Beirat hebt damit darauf ab, daß die Ausschüttungen von Kapitalgesellschaften als Einkünfte aus Kapitalvermögen von der Tarifbegrenzung nicht profitieren (aaO, S. 12 ff.). Auch werde der Grundsatz der Gewinnverwendungsneutralität verletzt (aaO, S. 13).

h) Die von der Opposition (Entschließungsantrag der Fraktion der SPD im Finanzausschuß des Deutschen Bundestags, BT-Drucks. 12/5016 S. 114 ff.; Entschließungsantrag der Fraktion der SPD im Deutschen Bundestag, BT-Drucks. 12/5036) und in der öffentlichen Anhörung vor dem Finanzausschuß vorgebrachte Kritik an der geplanten Neuregelung wies die Bundesregierung aus folgenden Gründen zurück (BT-Drucks. 12/5016, S. 78 ff.):

– Der Gesetzgeber sei zu wirtschaftslenkenden Maßnahmen berechtigt.

– Es werde lediglich die durch die GewSt. bedingte Überbelastung der gewerblichen Gewinne gemildert.

– Die Sonderbelastung durch die GewSt. werde bei den Personenunternehmen typisierend berücksichtigt, wobei sichergestellt sei, daß die Tarifbegrenzung nur für solche Gewinne gelte, die auch tatsächlich der GewSt. unterlägen.

– Die Tarifbegrenzung sei als nur vorübergehende Maßnahme konzipiert.

– Der Grundsatz der synthetischen ESt. sei "kein Wert an sich"; dies sei auch Auffassung des BVerfG, wenn es eine Abgeltungssteuer auf Zinsen für zulässig halte.

– Der Gewinnverwendungsneutralität des Steuerrechts komme eine hohe Priorität zu; eine Bevorzugung einbehaltener Gewinne könne die Mobilität des Kapitals behindern. Investitionen in Risikokapital seien nur dann attraktiv, wenn der Investor bei Gewinnausschüttungen "nicht bestraft" werde.

– Dem Vorwurf der sozialen Unausgewogenheit sei mit der Erwägung zu begegnen, daß kleinen und mittleren Betrieben die Möglichkeit der Ansparabschreibung eröffnet werde, so daß diese Steuerpflichtigen dadurch – zusätzlich zu den steuerlichen Verbesserungen durch das Steueränderungsgesetz 1992 – eine Entlastung erhielten.

i) Ausweislich der Gesetzesmaterialien (BT-Drucks. 12/4487, S. 28) nahm man an, daß die Tarifentlastung bei der ursprünglich vorgesehenen Senkung des Grenzsteuersatzes auf 44 % zu Steuermindereinnahmen von rund 3 Mrd. DM führt. Das BMF hat die Subventionswirkung für das Jahr 1996 mit 1,7 Mrd. DM beziffert (Einkommensteuer-Kommission zur Steuerfreistellung des Existenzminimums ab 1996 und zur Reform der Einkommensteuer, Schriftenreihe des BMF Heft 155, S. 95).

III. Stellungnahmen zu § 32 c EStG

1. Entscheidungen der Finanzgerichtsbarkeit

Der BFH hat in seinem Beschl. v. 3.3.1998 – IV B 49/97 (BFHE 185, 418 = BStBl. II 1998, 608 = GmbHR 1998, 703) die Frage der Verfassungsmäßigkeit dahingestellt sein lassen, weil im Verfahren der Aussetzung der Vollziehung (§ 69 FGO) eine Entscheidung des BVerfG nicht einzuholen ist. Das FG Münster teilt in seinem Urt. v. 15.5.1998 – 4 K 6289/97 E (EFG 1998, 1647), das auf die Klage eines Steuerpflichtigen mit Einkünften aus selbständiger Arbeit ergangen ist, die in der Literatur vorgetragenen Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der Tarifbegrenzung des § 32 c EStG, durch welche Art. 3 Abs. 1 GG verletzt werde. Es bestünden erhebliche Bedenken, ob der Gesichtspunkt der Belastung von Gewerbetreibenden mit GewSt. die Begünstigung durch § 32 c EStG rechtfertigen könne. Eine über den Abzug der GewSt. als Betriebsausgabe hinausgehende Berücksichtigung der GewSt. verstoße gegen das objektive Nettoprinzip. Die Vorschrift sei auch nicht aus den Gründen der Standortsicherung und der Schaffung von Arbeitsplätzen gerechtfertigt. Gleichwohl wäre eine Vorlage an das BVerfG (Art. 100 GG) unzulässig. Selbst bei Bejahung der Gleichheitswidrigkeit des § 32 c EStG habe der Kl. keinen Anspruch darauf, ebenfalls gleichheitswidrig begünstigt zu werden.

2. Auffassungen in der Literatur

Die überwiegende Auffassung in der Literatur hält § 32 c EStG für verfassungswidrig (z. B. Osterloh in Sachs, GG, 2. Aufl. 1999, Art. 3 Rn. 167; Blümich/Gosch, EStG, KStG, GewStG, § 32 c EStG Rn. 13 ff.; Gosch, DStR Beihefter 6/1994, S. 4 ff.; Gosch, StBp 1998, 192 [194]; Gosch, DStZ 1998, 327 [329], abschwächend für die Zeit ab Wegfall der Gewerbekapitalsteuer; M. Wendt in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 32 c EStG Anm. 7; M. Wendt, FR 1997, 298; Gorski, DStZ 1993, 613; Pohmer, DStZ 1993, 580 – "Mißachtung der horizontalen Gerechtigkeit"; Tipke, StuW 1993, 8 [12]; Tipke/Lang, Steuerrecht, 16. Aufl. 1998, § 9 Rn. 748; J. Lang, StbJb 1993/1994, S. 9 ff. [17 ff.]; Seer, StuW 1993, 114 [137 f.]; Tiedtke, Einkommensteuer- und Bilanzsteuerrecht, 2. Aufl. 1995, S. 627; Ballof in Hartmann/Böttcher/Nissen/Bordewin, EStG, § 32 c Rn. 5; Paus, BB 1994, 2389 [2392]; Bornheim, DB 1999, 352 [354]). Die Bestimmung werde sowohl als Fiskalzwecknorm als auch als Lenkungsnorm den Anforderungen des Gleichheitssatzes nicht gerecht. "Bedenken" gegen die Bestimmung äußern Fitsch in Lademann (EStG, § 32 c Rn. 4), Franz/Rupp (BB, Beilage Nr. 20/1993, S. 4 ff.); Lindberg in Frotscher (EStG, § 32 c Rn. 3) und Kanzler (DStZ 1996, 676 [681]). Im einzelnen wird geltend gemacht:

a) Soweit § 32 c EStG als Fiskalzwecknorm die Doppelbelastung durch ESt. und GewSt. ausgleichen wolle, würden die Bezieher begünstigter gewerblicher Einkünfte im Verhältnis zu den Beziehern nicht begünstigter gewerblicher Einkünfte wie auch zu den Beziehern anderer Einkünfte unter Verstoß gegen den allgemeinen Gleichheitssatz und den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bevorzugt:

– Im Verhältnis der begünstigten gewerblichen Einkünfte zu den anderen Einkunftsarten sei der Gleichheitssatz durch die Anwendung unterschiedlicher (Höchst-)Steuersätze verletzt. Die Tarifspreizung widerspreche dem Grundsatz der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Einkünfte aus gewerblicher Betätigung vermittelten dem Steuerpflichtigen dieselbe wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wie die anderen Einkünfte (Tipke, StuW 1993, 8 [12 f.]; Gorski, DStZ 1993, 613; Freier, Der Tatbestand der freien Berufe als Anknüpfungspunkt für Steuerrechtsdifferenzierungen, 1996, S. 155 ff.). § 32 c EStG durchbreche ohne hinreichende Rechtfertigung das Prinzip der synthetischen Gesamteinkommensteuer, alle Einkünfte einem einheitlichen Steuersatz zu unterwerfen (Tipke/Lang, aaO, § 9 Rn. 748; J. Lang, StbJb 1993/1994, S. 9 [17 ff.]; zur "synthetischen Einkommensteuer" Tipke, Die Steuerrechtsordnung, 1993, Bd. II, S. 593 ff.). Nach Auffassung von Schmidt/Glanegger (EStG, 17. Aufl. 1998, § 32 c Rn. 2) ist die Lastengleichheit nicht allein durch die Senkung des Spitzensteuersatzes auf 47 % verletzt, sondern dadurch, daß diese ohne sachgerechte einkommensteuerrechtliche Differenzierung nur den Beziehern bestimmter gewerblicher Einkünfte zukommt.

– Eine als "Schedulenbesteuerung" – d.h: Besteuerung nicht des Einkommens ungeachtet seiner einzelnen Einkünftekomponenten, sondern unterschiedlich je nach der Einkunftsart – wirkende Ungleichbehandlung sei auch nicht mit dem Hinweis auf die Belastung mit GewSt. zu rechtfertigen. Dem einkommensteuerrechtlichen Nettoprinzip sei bereits dadurch genügt, daß die GewSt. als Betriebsausgabe abgezogen worden sei (Schmidt/Glanegger, EStG, 17. Aufl. 1998, § 32 c Rn. 2). Dabei verbleibe zwar unabhängig von der Höhe des individuellen Steuersatzes eine Mehrbelastung durch GewSt.; dem könne aber bei Vermeidung eines Gleichheitsverstoßes nur dadurch begegnet werden, daß – anstelle des Betriebsausgabenabzugs – die GewSt. auf die ESt. angerechnet werde (M. Wendt in Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG/KStG, § 32 c EStG Anm. 7; Tipke/Lang, aaO, § 9 Rn. 748; Blümich/Gosch, EStG, KStG, GewStG, § 32 c EStG Rn. 13; Schmidt/Glanegger, EStG, 17. Aufl. 1998, § 32 c Rn. 2).

– Es verstoße gegen den Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Einkommensbesteuerung, wenn die GewSt., die als Objektsteuer einen anderen Steuergegenstand regele, "mit der Besteuerung der persönlichen Leistungsfähigkeit nach dem EStG vermengt" werde (Schmidt/Glanegger, EStG, 17. Aufl. 1998, § 32 c Rn. 2; Blümich/Gosch, EStG, KStG, GewStG, § 32 c EStG Rn. 13). Die GewSt. sei keine Sondersteuer auf die Einkünfte aus Gewerbebetrieb, sondern – als sog. Objektsteuer – eine anders strukturierte Steuer vom Ertrag. Selbst bei typisierender Betrachtungsweise fehle es an einer Kongruenz zwischen der gewerbesteuerlichen Belastung einerseits und der einkommensteuerlichen Entlastung andererseits, so daß die Tarifbegrenzung bereits innerhalb der Gruppe der Gewerbetreibenden eine nicht zu rechtfertigende vertikale Ungleichbehandlung bewirke: Gewerbetreibende, deren Gewinn mit einem geringeren Grenzsteuersatz als 47 % belastet seien, könnten ebenso oder gar höher mit GewSt. belastet sein als ein Gewerbetreibender, der von der Tarifbegrenzung begünstigt werde (Wissenschaftlicher Beirat beim BMF, aaO, S. 11; Seer, StuW 1993, 114 [137 f.]; R. Wendt, FR 1993, 1 [8]).

– Ein gewerblicher Grundstücksunternehmer komme auch dann in den Genuß der Begrenzung, wenn sein Gewerbeertrag bzw. sein Gewerbekapital nach § 9 Nr. 1 S. 2, § 12 Abs. 3 Nr. 1 GewStG derart gekürzt werde, daß keine GewSt. entstehe. Zu bedenken sei auch, daß die Höhe der GewSt. örtlich verschieden sei. Insofern sei eine lückenlose Abstimmung auf die wirkliche GewSt.-Belastung nicht gelungen, weil die Kürzungen nach § 9 GewStG nicht zum Ausschluß von der Begünstigung führten und der ggf. mehrfach in Anspruch genommene Freibetrag nach § 11 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 GewStG nicht berücksichtigt werde (M. Wendt in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 32 c EStG Anm. 7, 25 a. E.; Seer, StuW 1993, 114 [137 f.]). Es sei nicht einzusehen, daß einem Gewerbetreibenden, der Verluste erwirtschafte, aber infolge der Hinzurechnung von Dauerschulden und Dauerschuldentgelten (§ 8 Nr. 1, § 12 Abs. 2 Nr. 1 GewStG) dennoch GewSt. zu entrichten habe, kein Investitionsanreiz geboten werde.

– Im Verhältnis zu Beziehern geringer gewerblicher Einkünfte ergebe sich der Gleichheitsverstoß daraus, daß nur bei Erreichen einer bestimmten Einkommenshöhe die vom Gesetzgeber angenommene, bei beiden Gruppen dann aber gleichermaßen vorliegende Doppelbelastung berücksichtigt werde (M. Wendt in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 32 c EStG Anm. 7). Es sei nicht ersichtlich, warum einkommensschwache Gewerbetreibende wirtschaftlich weniger von der Doppelbelastung betroffen sein könnten (M. Wendt, , § 32 c Anm. 5; Pasch, DB 1993, 2293 [2295 f.]; Seer, StuW 1993, 114 [137 f.]). Auch sei es nicht gerechtfertigt, Steuerpflichtigen mit Einkünften unterhalb des Grenzbetrags von 100.278 DM indirekt einen weiteren Solidarbeitrag zum Aufbau der neuen Bundesländer aufzuerlegen (Schmidt/Glanegger, EStG, 17. Aufl. 1998, § 32 c Rn. 3; Blümich/Gosch, EStG, KStG, GewStG, § 32 c EStG Rn. 14).

– Es ergebe sich eine Benachteiligung der Kapitalgesellschaft jedenfalls dann, wenn die Belastung mit dem KSt.-Satz deswegen nicht endgültig sei, weil die Gesellschaft die erzielten – und mit GewSt. belasteten – Gewinne ausschütte (vgl. Ritter, BB 1993, 297 [302]; zur rechnerischen Darstellung s. Herzig/Kessler, DStR 1994, 219 ff. [261 ff.]). Auch diese Einkünfte seien ebenso wie die begünstigten Einkünfte mit GewSt. belastet. Zwar ließe sich eine Ungleichbehandlung unter dem Aspekt rechtfertigen, daß nur thesaurierte, nicht aber ausgeschüttete Gewinne begünstigt sein sollten. Indessen würden beim Einzelunternehmer und bei der Personengesellschaft auch die nicht thesaurierten Gewinne von der Tarifbegünstigung erfaßt (M. Wendt in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 32 c EStG Anm. 7).

b) Zwar seien auch im Steuerrecht Lenkungsnormen grundsätzlich zulässig (BVerfG v. 8.10.1991 – 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348 [363]). § 32 c EStG sei indes nicht geeignet, die vom Gesetzgeber verfolgten Zwecke – verstärkte Investitionstätigkeit und damit einhergehend Schaffung von Arbeitsplätzen – zu erreichen (M. Wendt in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 32 c EStG Anm. 7). Selbst wenn man solches annehmen könnte, sei nicht ersichtlich, warum dies nur im Bereich der gewerblichen Einkünfte und nicht auch für Unternehmer mit anderen Gewinneinkünften gelten solle. Es fehlten Perspektiven hinsichtlich der ökonomischen Wirkungsweise der Vorschrift, die angesichts eines solchen Eingriffs in tragende Besteuerungsgrundsätze, solle sie verfassungsgemäß sein, erforderlich seien. Mangels Begrenzung auf nicht entnommene Gewinne ziele § 32 c EStG tatbestandlich auf keinerlei Lenkungserfolg ab, was indes aus verfassungsrechtlichen Gründen notwendig wäre (Schmidt/Glanegger, EStG, 17. Aufl. 1998, § 32 c Rn. 3). Der investitionsfördernde Lenkungszweck sei im Gesetzestatbestand nicht festgeschrieben (Osterloh in Sachs, GG, 2. Aufl. 1999, Art. 3 Rn. 167) und daher nicht berechenbar und kontrollierbar; die Vorschrift sei daher auf Mitnahmeeffekte angelegt und dadurch gleichheitswidrig (Tipke, StuW 1993, 8 [13 f.]; Blümich/Gosch, EStG, KStG, GewStG, § 32 c EStG Rn. 14). Der Gesichtspunkt der Gewinnverwendungsfreiheit (so Ritter, BB 1994, 77) überzeuge in diesem Zusammenhang nicht (Schmidt/Glanegger, EStG, 17. Aufl. 1998, § 32 c Rn. 3). Bei Personengesellschaften müsse ein Anreiz ohnehin bezweifelt werden (Schmidt/Glanegger, EStG, 17. Aufl. 1998, § 32 c Rn. 3). Nach Auffassung von Osterloh (in Sachs, GG, 2. Aufl. 1999, Art. 3 Rn. 167) rechtfertigen die gesamtwirtschaftlichen Aspekte der internationalen Konkurrenzfähigkeit des Wirtschaftsstandorts Deutschland "allenfalls eine vorübergehende Privilegierung hinreichend kapitalkräftiger und deshalb international beweglicher Steuerpflichtiger gegenüber anderen personenbezogenen Einkunftsarten".

Auch sei nicht ersichtlich, warum der Investitionsanreiz bei gewerblichen Einkünften unterhalb des Grenzbetrags von 100.278 DM und bei freiberuflichen Einkünften anders beurteilt werden müsse (Schmidt/Glanegger, EStG, 17. Aufl. 1998, § 32 c Rn. 3; Blümich/Gosch, EStG, KStG, GewStG, § 32 c EStG Rn. 15).

Soweit der Gesetzgeber einen erhöhten Konsum der Bezieher gewerblicher Einkünfte im Auge gehabt haben sollte – die Tarifbegünstigung erfaßt auch den entnommenen Gewinn – sei die Einkunftsart für den Erfolg der Lenkungsmaßnahme vollkommen irrelevant (M. Wendt in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 32 c EStG Anm. 7).

Es wird schließlich gerügt, daß das gesetzgeberische Vorhaben entgegen seiner Begründung nicht befristet sei (Schmidt/Glanegger, EStG, 17. Aufl. 1998, § 32 c Rn. 3).

c) Die Verfassungsmäßigkeit des § 32 c EStG bejahen Gattermann (StbJb 1992/93, 24 - "Verrenkung"), Faltlhauser (aaO, S. 511 [513 ff.]), Zeitler (DStZ 1993, 354 ff.), Ritter (BB 1993, 297 [302]) und Groh (FR 1998, 1122) u.a. mit dem Hinweis auf § 35 EStG, der einer Kumulation von Einkommen- und Erbschaftsteuer abhilft. Nach Auffassung von Rendels (DStR 1993, 1053 [1056]) schafft § 32 c EStG keine verfassungswidrige Schedulenbesteuerung i.S. einer "Abspaltung des Besteuerungssystems für gewerbliche Einkünfte vom ESt.-System für die übrigen Einkünfte". Die Vorschriften über die Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte, des Einkommens und des zu versteuernden Einkommens blieben ebenso unverändert wie der Tarif des § 32a EStG. § 32 c EStG führe "lediglich einen Rechen-Algorithmus zur Ermittlung eines Entlastungsbetrags für hochbesteuerte gewerbliche Einkünfte ein", der von der tariflichen ESt. abzuziehen sei.

IV. Perspektiven der Steuerreform

Der Gesetzentwurf der Fraktionen der SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN (BT-Drucks. 14/265, S. 183, zu Nr. 31 Buchst. c) sieht ab dem Jahr 1999 eine weitere Spreizung des Tarifs vor. Die Herabsetzung der DM-Beträge in § 32 c Abs. 1 und Abs. 4 S. 2 EStG ist eine Folgeänderung zur Änderung des ESt.-Tarifs für den Veranlagungszeitraum 1999. Dies wird wie folgt erläutert:

"Die Absenkung des Spitzensteuersatzes für gewerbliche Einkünfte von 47 % auf 45 % (1. Stufe) ist ein wichtiger Bestandteil der Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit der mittelständischen Wirtschaft im internationalen Standortwettbewerb. Bis zu einer grundlegenden Reform der Unternehmensbesteuerung stellt die Tarifbegrenzung bei gewerblichen Einkünften nach § 32 c EStG das geeignete Instrumentarium dar, der wirtschaftlichen Belastung vor allem der mittelständischen Betriebe durch die GewSt. hinreichend Rechnung zu tragen und so den Wirtschaftsstandort Deutschland insgesamt zu stärken. Die Tarifspreizung zugunsten der gewerblichen Einkünfte wird verfassungsrechtlich als unbedenklich angesehen. Zur weiteren Senkung des Spitzensteuersatzes für gewerbliche Einkünfte vgl. die Begründung zu § 52 Abs. 23b".

In der Erläuterung zu § 52 Abs. 23 b des Entwurfs, der eine weitere Absenkung des Spitzensteuersatzes für gewerbliche Einkünfte von 45 % (1. Stufe der geplanten Steuerreform) auf 43 % (2. und 3. Stufe) vorsieht, wird der vorstehend zitierte Text wiederholt (aaO, S. 189).

Der Entschließungsantrag v. 3.12.1998 der Abgeordneten Braun u.a. und der Fraktion der F.D.P. (BT-Drucks. 14/140) weist darauf hin, daß durch die derzeitige Regelung, die irrtümlich als eine mittelstandspolitische Entlastungsmaßnahme angesehen werde, für über 80 % aller Unternehmer der normale ESt.-Tarif gelte; von der Tarifbegrenzung profitierten i.d.R. Inhaber/Teilhaber gewinnstarker Großunternehmen. Um negativen Wachstum- und Beschäftigungsimpulsen entgegenzuwirken, bedürfe es eines zielgenaueren Instrumentariums als der Tarifbegrenzungsregelung.

V. Rechtsauffassung des erkennenden Senats zur Verfassungsfrage – Grundsätze

1.#Verstoß gegen Art.3 Abs.1 GG in dreifacher Hinsicht

Mit dem vorstehend unter B. I. 2. dargelegten Inhalt verstößt § 32 c EStG nach Überzeugung des erkennenden Senats in dreifacher Hinsicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Die sich bei Anwendung des § 32 c Abs. 2 S. 2 EStG i.V.m. § 9 Nr. 2 a GewStG ergebende ungemilderte Tarifbelastung von Gewinnen, die von einer Kapitalgesellschaft an den Anteilseigner ausgeschüttet werden, ist aus den folgenden drei Gründen mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar.

– Die Begünstigung gewerblicher Gewinne verletzt das Gebot einer grundsätzlich gleichen und folgerichtigen Belastung der in § 2, §§ 13 ff. EStG näher bestimmten Einkunftsarten, ohne daß dies durch sachliche Gründe gerechtfertigt wäre (unten VI.). Die Belastung der gewerblichen Einkünfte mit GewSt. ist kein solcher Grund.

– (Kapital-)Einkünfte des an einer Körperschaft Beteiligten werden im Verhältnis zu durch § 32 c EStG begünstigten gewerblichen Einkünften des Einzel- oder Mitunternehmers gleichheitswidrig benachteiligt, weil ohne hinreichenden Grund unberücksichtigt bleibt, daß diese Gewinne bereits bei der ausschüttenden Körperschaft der GewSt. unterlegen haben (unten VII.).

– Der Senat sieht einen weiteren Verstoß gegen den Gleichheitssatz darin, daß gewerbliche Einkünfte nur insoweit tarifentlastet werden, als ihr Anteil am zu versteuernden Einkommen mindestens 100.278 DM beträgt (unten VIII.).
 
 

2.#Verletzung des Gebots der steuerlichen Lastengleichheit und des Grundsatzes der Gleichbehandlung der Einkunftsarten

Verfassungsrechtlicher Prüfungsmaßstab ist Art. 3 Abs. 1 GG.

a) Nach der neueren st. Rspr. des BVerfG ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen unterschiedliche Grenzen für den Gesetzgeber, die vom bloßen Willkürverbot aufgrund der bis 1980 geltenden "Willkürformel" bis zu einer – ggf. ergänzenden – strengen Bindung an das Erfordernis der Verhältnismäßigkeit reichen (BVerfG v. 7.10.1980 – 1 BvL 50, 89/79, 1 BvR 240/79, BVerfGE 55, 72 [88 ff.]; v. 17.7.1995 – 1 BvR 892/89, BStBl. II 1995, 810, unter II.; K. Hesse, Der allgemeine Gleichheitssatz in der neueren Rechtsprechung des BVerfG zur Rechtsetzungsgleichheit, FS P. Lerche, 1993, S. 121; Osterloh in Sachs, GG, 2. Aufl. 1999, Art. 3 Rn. 8 ff., 25 ff.; Birk/Barth in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, § 4 AO 1977 Rn. 439 ff.). Bei Normen, die Personengruppen unterschiedlich behandeln oder die sich auf die Wahrnehmung von Grundrechten nachteilig auswirken, prüft das BVerfG im einzelnen nach, ob für die vorgesehene Differenzierung Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können (BVerfG v. 17.11.1992 – 1 BvL 8/87, BVerfGE 87, 234 [255]). Vorliegend geht es nicht um eine lediglich "verhaltensbezogene Unterscheidung", bei der das Maß der Bindung des Gesetzgebers an den Gleichheitssatz davon abhängen würde, inwieweit die Betroffenen in der Lage sind, durch ihr Verhalten die Verwirklichung der Unterscheidungsmerkmale zu beeinflussen (vgl. hierzu BVerfG v. 8.6.1993 – 1 BvL 20/85, BVerfGE 89, 15 = BStBl. II 1994, 59 unter B. I., m.w.N.). Dem Gesetzgeber sind um so engere Grenzen gesetzt, "je stärker sich die Ungleichbehandlung von Personen oder Sachverhalten auf die Ausübung grundrechtlich geschützter Freiheiten auswirken kann" (BVerfG v. 14.12.1994 – 1 BvR 720/90, BVerfGE 91, 346 [363]): Geschützte Freiheitsrechte können insbesondere auch durch Normen des Steuerrechts beeinträchtigt werden (Osterloh in Sachs, GG, 2. Aufl. 1999, Art. 3 Rn. 93, 150).

b) Die Frage, ob und in welchem Ausmaß der Gleichheitssatz bei der Ordnung von Sachfragen Differenzierungen erlaubt, ist wesentlich nach der Eigenart des jeweiligen Sachbereichs – "bereichsspezifisch" – zu beurteilen (BVerfG v. 22.6.1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 [134] = BStBl. II 1995, 655 – Vermögensteuer; Osterloh in Sachs, GG, 2. Aufl. 1999, Art. 3 Rn. 37). Aus Art. 3 GG folgt für den Sachbereich des Steuerrechts, daß jeder Steuerpflichtige nach seiner finanziellen Leistungsfähigkeit gleichmäßig zur Finanzierung der allgemeinen Staatsaufgaben herangezogen wird. Art. 3 Abs. 1 GG fordert die steuerliche Lastengleichheit in ihren Komponenten der Gleichheit der normativen Steuerpflicht und der Gleichheit bei der Durchsetzung in der Steuererhebung. Bezugspunkt der Gleichheitsprüfung ist die Fähigkeit, Steuern zu zahlen. Soweit das Einkommensteuerrecht mehrere Einkunftsarten unterscheidet und daran auch unterschiedliche Rechtsfolgen knüpft, müssen letztere auf – wenn auch in typisierender und generalisierender Weise – sachlichen Gründen beruhen. Die systematische Unterscheidung von Einkunftsarten durch den Gesetzgeber kann für sich allein die Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen (BVerfG v. 8.10.1991 – 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348 [363, 363 f.]; v. 10.4.1997 – 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1 [6]; v. 30.9.1998 – 2 BvR 1818/91, FR 1998, 1028 – Verfassungswidrigkeit des § 22 Nr. 3 S. 3 EStG a.F.).

c) Der erkennende Senat sieht in dem Grundsatz der Gleichbehandlung der Einkunftsarten eine bereichsspezifische Ausprägung des verfassungsrechtlichen Gebots der Folgerichtigkeit. Zwar hat der Gesetzgeber bei der Auswahl des Steuergegenstands und bei der Bestimmung des Steuersatzes einen weitreichenden Entscheidungsspielraum. Nach Regelung dieses Ausgangstatbestandes – hier: mittels "Findung" von sieben Einkunftsarten – hat der Gesetzgeber aber "die einmal getroffene Belastungsentscheidung folgerichtig i.S. einer Belastungsgleichheit umzusetzen" (BVerfG v. 30.9.1998 – 2 BvR 1818/91, FR 1998, 1028; v. 27.6.1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 = BStBl. II 1991, 654, unter C. I. 1. c; v. 22.6.1995 – 2 BvR 552/91, BVerfGE 93, 165 = BStBl. II 1995, 671; v. 22.6.1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121, 134 = BStBl. II 1995, 655 , unter C. II. 1. d; zu System- und Sachgerechtigkeit sowie Folgerichtigkeit Osterloh in Sachs, GG, 2. Aufl. 1999, Art. 3 Rn. 98 ff., 142). Eine unterschiedliche steuerliche Belastung bei gleicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit, auf welche der "zählbar gemachte Belastungsgrund" abzielt, durchbricht eine vom Gesetz selbst statuierte Sachgesetzlichkeit. Aus dem Gebot der Folgerichtigkeit ergibt sich, daß für Abweichungen erhöhte Begründungsanforderungen gelten (vgl. Osterloh in Sachs, GG, 2. Aufl. 1999, Art. 3 Rn. 98 ff.; Klaus Vogel, DStJG 12 (1988), S. 123 [126 ff., 138 ff.]). Das Gewicht der für die Abweichung sprechenden Gründe muß der Intensität der getroffenen Ausnahmeregelung entsprechen (vgl. – zur Indizwirkung der "Sachgesetzlichkeit" – BVerfG v. 7.11.1972 – 1 BvR 338/68, BVerfGE 34, 103 [115] = GmbHR 1973, 64; v. 19.10.1982 – 1 BvL 39/80, BVerfGE 61, 138 [148]).

d) Zur Zulässigkeit einer Unterscheidung nach den Einkunftsarten hat das BVerfG (v. 27.6.1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 = BStBl. II 1991, 654, unter C. II. 4.) im Zusammenhang mit der Besteuerung von Kapitaleinkünften ausgeführt: Der Gesetzgeber ist nicht gehindert, diese Besteuerung "auf die gesamtwirtschaftlichen Anforderungen an das Kapitalvermögen und die Kapitalerträge auszurichten und entsprechend zu differenzieren". Er darf im Rahmen seines Entscheidungsspielraums Gemeinwohlanliegen verfolgen und diese im Vergleich zu anderen Zielen gewichten. Unter bestimmten Voraussetzungen kann er den Besonderheiten der Einkunftsart "Einkünfte aus Kapitalvermögen" – insbesondere deren gesteigerter Inflationsanfälligkeit – Rechnung tragen. Das BVerfG hat den Grundsatz in seiner Entscheidung v. 10.4.1997 (2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1 [5 f.]) bestätigt.

In seinem Beschl. v. 30.9.1998 – 2 BvR 1818/91 (FR 1998, 1028) führt das BVerfG unter Bezugnahme auf seine Entscheidungen in BVerfG v. 8.10.1991 – 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348 [363, 363 f.] und v. 10.4.1997 – 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1 [6], aus: Die Einkommensteuer erfaßt diejenigen Einkünfte, die der Steuerpflichtige "aus einer bestimmten Erwerbsgrundlage erzielt" (§ 2 Abs. 1 EStG). Das EStG belaste die in den § 2, §§ 13 ff. EStG näher bestimmten Einkunftsarten grundsätzlich gleich. Soweit mehrere Einkunftsarten unterschieden und daran auch unterschiedliche Rechtsfolgen geknüpft werden, müssen diese ihre Rechtfertigung in besonderen sachlichen Gründen finden. Nach diesem Maßstab verstößt der völlige Ausschluß der Verlustverrechnung bei laufenden Einkünften aus der Vermietung beweglicher Gegenstände durch § 22 Nr. 3 S. 3 EStG a.F. gegen das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG. Weiterhin heißt es wörtlich:

"Die Einkünfte aus Leistungen gemäß § 22 Nr. 3 EStG nehmen (den) einkommensteuerlichen Belastungsgrund auf und fügen sich in das Belastungsprinzip des Einkommensteuergesetzes ein. Der Tatbestand der Einkünfte aus Leistungen steht gleichrangig neben den übrigen Einkunftsarten des Einkommensteuergesetzes". Für die Ungleichbehandlung durch den völligen Ausschluß der Verlustverrechnung sind, so das BVerfG, keine rechtfertigenden Gründe ersichtlich. Als solche prüft und verwirft es die Eindämmung unerwünschter Steuergestaltungen, die geschichtliche Entwicklung der Vorschrift und eine etwaige Nähe – zur steuerrechtlich nicht relevanten – Liebhaberei.

Zur gemeinwohlbezogenen Rechtfertigung von steuerrechtlichen Fördertatbeständen bemerkt das BVerfG (im Beschl. v. 22.6.1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 [134] = BStBl. II 1995, 655 = GmbHR 1995, 668, Bemessungsgrundlage der Vermögensteuer, unter C. III. 2. c; bestätigt im Beschl. v. 10.4.1997 – 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1 [6]): Führt ein Steuergesetz zu einer steuerlichen Verschonung, die dem Gebot einer gleichmäßigen Belastung der jeweiligen Steuergegenstände innerhalb einer Steuerart widerspricht, so kann eine solche Steuerentlastung dennoch vor dem Gleichheitssatz gerechtfertigt sein, "wenn der Gesetzgeber dadurch das wirtschaftliche oder sonstige Verhalten des Steuerpflichten aus Gründen des Gemeinwohls fördern oder lenken will. ... Eine solche Intervention, die das Steuerrecht in den Dienst außerfiskalischer Ziele stellt, setzt eine erkennbare Entscheidung des Gesetzgebers voraus, mit dem Instrument der Steuer auch andere als bloße Ertragswirkungen erzielen zu wollen." Verfolgt ein Steuergesetz zulässigerweise auch Lenkungsziele, so muß der Lenkungszweck "mit hinreichender Bestimmtheit tatbestandlich vorgezeichnet und gleichheitsgerecht ausgestaltet sein". Der Fördertatbestand und die korrespondierende Benachteiligung der Nichtbegünstigten bedürfen einer gemeinwohlbezogenen Rechtfertigung.

VI. Zur Durchbrechung des Grundsatzes der "synthetischen Einkommensteuer"

§ 32 c EStG benachteiligt ohne sachlich zureichenden Grund gewerbliche Beteiligungseinkünfte gegenüber solchen gewerblichen Einkünften, die unmittelbar beim Bezieher der GewSt. unterlegen haben. Die durch die Abweichung vom Ordnungsprinzip der synthetischen ESt. indizierte Ungleichbehandlung verstößt gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG, weil eine Belastung mit GewSt. bereits durch deren Abzug als Betriebsausgabe berücksichtigt wird.

1. Gleichheitsverstoß infolge Abweichens vom Grundsatz der synthetischen Einkommensteuer

Die für die Besteuerung vorausgesetzte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wird nach näherer Maßgabe des durch § 2 EStG vorgegebenen Grundschemas quantifiziert. Mit der Bildung der "Summe der Einkünfte" (§ 2 Abs. 3 EStG) trifft das EStG eine grundsätzliche Entscheidung gegen eine nach Einkunftsarten differenzierende sog. "Schedulensteuer". Denn bei einem einheitlichen Steuersatz muß die Gleichheit der dem einzelnen Steuerpflichtigen zugeteilten Belastung bereits durch die gleichheitsgerechte Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage gesichert werden. In der Umschreibung der Einkunftsquellen durch § 2 Abs. 1 EStG und der Summenbildung nach § 2 Abs. 3 EStG als Ausgangsgröße für das zu versteuernde Einkommen, das die Bemessungsgrundlage für die tarifliche (§ 32a EStG) ESt. bildet (§ 2 Abs. 5 S. 1 EStG), liegt die Wertung des Gesetzgebers, daß grundsätzlich alle Wertzuflüsse qualitativ und quantitativ gleichwertig sind und nach gleichen Maßstäben zu belasten sind (vgl. Kirchhof in Kirchhof/Söhn, EStG, § 2 Rn. A 672 ff.; Stoll, Verluste und Verlustquellen im Steuerrecht, 1989, S. 136 ff.; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 593 ff.). Auch der einheitliche Tarif (§ 2 Abs. 6 EStG) setzt sachgesetzlich voraus, daß die Quantifizierung der einzelnen Einkunftsarten – bezogen auf die individuelle Zahlungsfähigkeit – zu jeweils gleichen steuerlichen Belastungen führt. Indem das EStG die Einkünfte zu einer Summe – "synthetisch" – zusammenfügt (§ 2 Abs. 1 und 2 EStG), hat es eine grundlegende steuerliche Sachgesetzlichkeit statuiert. Diese wird durchbrochen, wenn einzelne Faktoren der so ausgedrückten Fähigkeit, Steuern zu zahlen, unterschiedlich gewichtet werden. Die grundsätzlich gleiche steuerliche Belastbarkeit kann nur dann durch einen Rückgriff auf einzelne Summanden in Frage gestellt werden, wenn sich hierfür besondere sachliche Gründe finden lassen, die entweder eine andere "Belastbarkeit" indizieren oder lenkungsrechtlicher Art sind bzw. das Allgemeinwohl berühren. Nach Auffassung des Senats liegen keine Gründe vor, welche die Tarifbegünstigung des § 32 c EStG und korrespondierend die Benachteiligung des Kl. rechtfertigen könnten.

2. Keine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung mit Ausgleich der GewSt.-Belastung

Die Differenzierung des § 32 c EStG ist insofern "tatbestandlich vorgezeichnet", als die Einkünfte aus Gewerbebetrieb zugleich nach näherer Maßgabe des § 7 GewStG der steuerbare Gewerbeertrag sind. § 32 c EStG soll die "Sonderbelastung" gewerblicher Unternehmen mit der GewSt. ausgleichen. Dieses Ziel wird indes nicht erreicht.

a) Die GewSt. folgt im wesentlichen dem Objektsteuerprinzip, das besagt: Das Steuerobjekt selbst – hier: der Gewerbebetrieb – soll mit der ihm eigenen Ertragskraft ohne Rücksicht auf die persönlichen Merkmale des Steuersubjekts und seiner persönlichen Beziehung zum Steuerobjekt erfaßt werden. Insofern stellt die Objektsteuer nicht auf die persönliche Leistungsfähigkeit ab (BVerfG v. 25.10.1977 – 1 BvR 15/75, BVerfGE 46, 224, unter B. I. 3.; Sen.Urt. v. 24.10.1990 – X R 64/89, BFHE 163, 42 = BStBl. II 1991, 358, m.w.N.). Dies kann dazu führen, daß das ertraglose Unternehmen infolge der Hinzurechnung nach § 8 GewStG mit GewSt. belastet ist, die sich – vorbehaltlich einer Verlustverrechnung oder des Verlustvortrags und Verlustrücktrags – einkommensteuerrechtlich nicht auswirkt. Andererseits kann ein ertragstarkes Unternehmen infolge von Kürzungen nach § 9 GewStG von der GewSt. entlastet sein. Der in dieser Hinsicht inkongruente Entlastungsmechanismus des § 32 c EStG wirkt mithin nicht sachgerecht. Dieser Unabgestimmtheit könnte zur Vermeidung eines Gleichheitsverstoßes allenfalls dadurch begegnet werden, daß die GewSt. anstelle des Betriebsausgabenabzugs auf die ESt. angerechnet wird (M. Wendt in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 32 c EStG Anm. 7).

b) Der Senat hält es im Anschluß an die st. Rspr. des BVerfG für verfassungsrechtlich zulässig, den Gewerbeertrag neben der ESt. zusätzlich mit GewSt. zu belasten (zuletzt BVerfG v. 17.11.1998 – 1 BvL 10/98, DStR 1999, 109), weil es sich um jeweils verschiedene Steuergegenstände handelt und deshalb keine Doppelerfassung vorliegt. Dann ist es systemwidrig und ein Fehlgebrauch von Gestaltungsmöglichkeiten, diese Belastungsentscheidung in einem anderen Steuergesetz wieder – wie dargelegt inkongruent und auch nur gruppenbezogen für Bezieher höherer gewerblicher Gewinne (hierzu unten VIII.) – rückgängig zu machen.

Nach dem das ESt.-Recht prägenden objektiven Nettoprinzip wird der Belastung mit GewSt. bereits durch deren Abzug als Betriebsausgabe Rechnung getragen. Dadurch bleibt zwar – nicht anders als etwa bei der Zahlung von Löhnen oder dem Einkauf von Waren – in Abhängigkeit vom individuellen Steuersatz eine "Mehrbelastung". Diese Belastung ist jedoch – ebenso wie jeder andere erwerbssichernde Aufwand – im Binnensystem des ESt.-Rechts in vollem Umfang berücksichtigt. Eine darüber hinausgehende "Anrechnung" einer – wie dargelegt oft tatsächlich nicht geschuldeten – GewSt. hat letztlich die Funktion einer kompensierenden Steuererstattung und steht außerhalb der Sachgesetzlichkeit des objektiven Nettoprinzips.

Unter dem Gesichtspunkt des objektiven Nettoprinzips gibt es auch keinen vertretbaren Grund, die Bezieher geringer gewerblicher Einkünfte nicht von der "Sonderbelastung durch Gewerbesteuer" zu entlasten (s. unten VIII.).

3. Keine Rechtfertigung der Ungleichbehandlung durch Zwecke des Gemeinwohls

Auch die im Gesetzgebungsverfahren angestellten Gemeinwohlüberlegungen sind daraufhin zu prüfen, ob sie eine Unterscheidung – hier: nach Einkunftsarten – zu rechtfertigen vermögen. Diese Prüfung führt zu dem Ergebnis, daß die ungleiche Besteuerung der (hohen) gewerblichen Gewinne und der anderen (Gewinn-) Einkünfte sich auch nicht mit wirtschaftspolitischen Zielsetzungen rechtfertigen läßt.

Der Gesetzgeber will durch "eine Verbesserung der Bedingungen für Investitionen und Arbeitsplätze inländische Wachstumskräfte stärken". Zwar können wirtschaftspolitische Zwecke eine unterschiedliche Behandlung verschiedener Einkunftsarten als verfassungsrechtlich "salviert erscheinen" lassen (BVerfG v. 8.10.1991 – 1 BvL 50/86, BVerfGE 84, 348 [363, 363 f.]), wenn die steuerliche Maßnahme geeignet ist, das angestrebte Ziel zu erreichen. Dies ist hier nicht der Fall.

Ohnehin sind Aussagen über ein steuerlich motiviertes Investitionsverhalten von Unternehmern weitgehend spekulativ. Generelle Prognosen darüber, ob durch Steuersenkungen gemehrtes Eigenkapital inländisches Wachstum bewirkt oder zum "global play" verwendet wird, dürften wenig verläßlich sein. Der Investitionsanreiz als steuerlicher Lenkungszweck ist nicht berechenbar und kontrollierbar (vgl. Blümich/Gosch, EStG, KStG, GewStG, § 32 c EStG Rn. 14; Tipke, StuW 1993, 8; R. Wendt, FR 1993, 1 [6]; Pasch, DB 1993, 2293 [2296]). Der Gesetzgeber mag typisierend unterstellen können, daß durch die Senkung des KSt.-Satzes für thesaurierte Gewinne bei den hierdurch begünstigten Körperschaften Investitionshemmnisse abgebaut und Anreize zur Schaffung und zum Erhalt produktiver Arbeitsplätze gegeben werden und nicht beispielsweise lediglich der Erwerb risikofreier und/oder "geographisch nicht gebundener" (BVerfG v. 27.6.1991 – 2 BvR 1493/89, BVerfGE 84, 239 = BStBl. II 1991, 654, unter C. II. 4. b) Finanzanlagen erleichtert wird. Mit diesem Vorbehalt mag es daher – vor allem mit Blick auf den nichtanrechnungsberechtigten Anteilseigner – investitionspolitisch sinnvoll sein, thesaurierte Gewinne zu privilegieren, ausgeschüttete Gewinne höher zu besteuern (vgl. zur mobilitätshemmenden Wirkung des "locked-in-effects" Seer, StuW 1993, 114 [137]). Dies wird indes bei Einzelunternehmen und Mitunternehmerschaften durch den Tatbestand des § 32 c EStG nicht angestrebt; vielmehr soll hier ausweislich des Entwurfs eines StandOG (oben II.) den Grundsätzen der Gewinnverwendungsneutralität und der "Mobilität des Kapitals" Rechnung getragen werden. Gewerbliche Einzel- und Mitunternehmer profitieren von der Tarifbegrenzung des § 32 c EStG unabhängig davon, ob sie Gewinne entnehmen und konsumieren oder für Investitionen und/oder die Schaffung von Arbeitsplätzen verwenden. Die unterschiedslose Privilegierung von entnommenen wie thesaurierten gewerblichen Gewinnen kann nicht als quantitativ unerheblich vernachlässigt werden. Damit findet der am Gemeinwohl orientierte Zweck, wie er in der Begründung zum Regierungsentwurf in Anspruch genommen wird, im gesetzlichen Tatbestand keinen Niederschlag. Eine solche unterschiedslose Privilegierung entspricht nicht den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG (vgl. in anderem Zusammenhang BVerfG v. 11.5.1970 – 1 BvL 17/67, BVerfGE 28, 227 [241 f.]).

Unabhängig davon ist die Förderung von zu beliebigen Zwecken – auch zum Konsum – entnommenen Gewinnen abgesehen vom beschäftigungspolitisch vagen Gesichtspunkt einer (globalen) Mobilisierung von Kapital kein Spezifikum der gewerblich erwirtschafteten Einkünfte (vgl. R. Wendt, FR 1997, 298 [300]; J. Lang, StbJb 1993/94, S. 9 [19]). Der Gesetzgeber dürfte kaum darauf abgehoben haben, daß die begünstigten Gewerbetreibenden mit ihrem Konsum das Wirtschaftswachstum stärken. Vor allem gälte diese Überlegung – Stärkung der (Binnen-)Nachfrage durch Senkung des Steuersatzes – für alle Einkunftsarten; eine auf eine einzige Einkunftsart begrenzte Entlastung wäre nicht gerechtfertigt.

Nicht bedacht ist ferner, daß gewerbliche Betriebe u.U. gerade deswegen betragsmäßig unterhalb der Begünstigungsgrenze des § 32 c Abs. 4 EStG liegende Gewinne erwirtschaften, weil sie Arbeitsplätze geschaffen haben. Die Herausnahme dieser niedrigen Gewinne aus der Begünstigung erscheint schon deswegen nicht sachgerecht, weil das Gesetz den Mittelstand fördern will (s. auch unten VIII.).

4. Auch Freiberufler sowie Land- und Forstwirte schaffen Arbeitsplätze

Selbst wenn man einen positiven investitions- und arbeitsmarktpolitischen Effekt der Tarifspreizung unterstellt, ist tatbestandlich nicht berücksichtigt, daß auch Freiberufler und Landwirte Arbeitsplätze schaffen; auch der Entwurf eines StandOG (BT-Drucks. 12/4158, S. 25) geht davon aus, daß (nur) 70 % aller privaten Arbeitsplätze von gewerblichen Unternehmen gehalten werden. Die Bewertung des Entwurfs, daß deshalb arbeitsplatzschaffende Investitionen von Gewerbebetrieben eine "Schlüsselstellung für die Beschäftigungsentwicklung in Deutschland" einnehmen, ist selbst für eine grob typisierende steuerrechtliche Unterscheidung nicht tragfähig. Es gibt keinen Grund anzunehmen, daß etwaige wachstums- und beschäftigungspolitische Ziele einer allgemeinen Tarifbegrenzung nicht ebenso durch eine Begünstigung von land- und forstwirtschaftlichen und freiberuflichen Einkünften erreicht werden könnten. Grundsätzlich eigennützig erwirtschaftete gewerbliche Einkünfte sind nicht in größerem Umfang gemeinwohldienlich als andere Einkünfte.

5. Keine Rechtfertigung der Versagung einer Tarifbegünstigung für ertragsschwache Gewerbetreibende

Die Versagung einer Tarifbegünstigung für ertragschwache Gewerbetreibende (wie auch allgemein für die Bezieher anderer Einkünfte) läßt sich auch nicht mit dem Gedanken einer Sonderbelastung zugunsten des "Aufbaus Ost" rechtfertigen (statt vieler M. Wendt in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 32 c EStG Anm. 7). Insoweit enthält das Gesetz über die Erhebung eines Solidaritätszuschlags eine abschließende und alle Steuerpflichtigen gleichmäßig belastende Sonderregelung.

6. Begünstigung auch anderweitiger unternehmerischer Gewinne erforderlich

Unter investitions- und arbeitsmarktpolitischen Gesichtspunkten konsequent wäre eine gesetzliche Regelung, die auch anderweitig – außerhalb des Gewerbebetriebs – erzielte und in Unternehmen investierte Einkünfte begünstigen würde.

VII. Zur Gleichstellung von Einzel-/Mitunternehmern und Beteiligten an Kapitalgesellschaften (Belastung ausgeschütteter Gewinne mit GewSt.)

§ 32 c Abs. 2 S. 2 EStG i.V.m. § 9 Nr. 2 a GewStG benachteiligt allgemein Beteiligungseinkünfte gegenüber solchen gewerblichen Einkünften, die unmittelbar beim Bezieher der GewSt. unterlegen haben. Im Hinblick auf die Grundentscheidung des KStG 1977, ausgeschüttete Gewinne einer Körperschaft nur einmal – und zwar beim Anteilseigner – zu besteuern, verstößt es gegen das Gleichheitsgebot des Art. 3 Abs. 1 GG, die Belastung dieser Gewinne mit GewSt. auf der Ebene der Körperschaft außer Betracht zu lassen.

1. Gleichheitswidrigkeit mangels Berücksichtigung der GewSt.-Belastung bei Ausschüttungen von Körperschaften auf der Ebene der Gesellschaft

§ 32 c EStG soll ausweislich der Gesetzesmaterialien steuerliche Wettbewerbsverzerrungen zwischen Körperschaften und Personenunternehmen beseitigen (BT-Drucks. 12/4158, S. 24). Diese Gleichstellung, die bei der Körperschaft die thesaurierten Gewinne im Blick hat, ist insofern nicht gelungen, als gleichheitswidrig zum Nachteil des Anteilseigners unberücksichtigt bleibt, daß die ausgeschütteten Gewinne mit GewSt. belastet sind. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes ist darin zu sehen, daß § 32 c EStG bei der Ausschüttung von Gewinnen einer Körperschaft – anders als bei einzel- und mitunternehmerischen Einkünften – die Belastung der zugerechneten Einkünfte mit GewSt. nicht berücksichtigt, obwohl das ab 1977 geltende körperschaftsteuerliche System der Vollanrechnung den Grundsatz der Einmalbesteuerung von Beteiligungserträgen nach dem individuellen Steuersatz des Anteilseigners als Sachgesetzlichkeit statuiert hat.

2. Keine Beiseitigung der GewSt.-Belastung durch Kürzung bei Schachteldividenden

§ 32 c Abs. 2 S. 2 EStG trägt durch die Bezugnahme auf § 9 Nr. 2 a GewStG dem Umstand Rechnung, daß die Gewerbeerträge aus einer Schachtelbeteiligung beim Besitzunternehmen von der GewSt. entlastet sind und insofern die entsprechenden Einkünfte aus Gewerbebetrieb keiner Tarifentlastung bedürfen. § 9 Nr. 2 a GewStG bewirkt jedoch nur, daß die zweifache Belastung des nämlichen erwirtschafteten Gewerbeertrags – beim Besitz- und beim Betriebsunternehmen als jeweils gewerbesteuerrechtlich selbständigen Rechtsträgern – beseitigt wird. In dieser Hinsicht wird durch § 32 c Abs. 2 S. 2 EStG eine steuerrechtliche Situation hergestellt wie bei den Beziehern der von einer Körperschaft erzielten, nach näherer Maßgabe des § 8 Abs. 2 KStG gewerblichen und sodann ausgeschütteten Gewinne. Auch bei dieser Konstellation bleibt unberücksichtigt, daß die ausgeschütteten, grundsätzlich nach § 20 EStG, im Falle der Betriebsaufspaltung nach § 15 EStG steuerbaren Einkünfte bereits bei der (Betriebs-) Kapitalgesellschaft der GewSt. unterlegen haben.

Der Gesetzgeber hat mit dem System der körperschaftsteuerlichen Vollanrechnung eine Belastungsentscheidung getroffen, die ungeachtet einer Abschirmung thesaurierter Gewinne durch die juristische Person auf eine einkommensteuerrechtliche Gleichstellung der ausgeschütteten Gewinne mit den einzel- und den mitunternehmerischen Einkünften ausgerichtet ist. Eine folgerichtige Umsetzung dieser Belastungsentscheidung erfordert aus gleichheitsrechtlichen Gründen, auch in Fällen wie dem vorliegenden, die Belastung der nunmehr ausgeschütteten Gewinne mit der GewSt. zu berücksichtigen. Dies gilt ungeachtet des rechtsformbedingten Unterschieds, daß – ebenso wie beim Bezug mitunternehmerischer Einkünfte – die GewSt. von dem – vom Bezieher der Einkünfte personenverschiedenen – Gewinnerzielungssubjekt erhoben worden ist.

3. Gleichstellung der Gewinne von Einzel- und Mitunternehmern sowie thesaurierender Kapitalgesellschaften

Das KStG erfaßt das Einkommen der – im Regelfall zivilrechtlich rechtsfähigen (§ 1 Abs. 1 KStG) – Körperschaft, die Zurechnungssubjekt steuerrechtlicher Rechtsfolgen ist (arg. § 3 Abs. 1 KStG), wenn und solange sie ihre Gewinne thesauriert. Dies ist anders bei der mitunternehmerischen Personengesellschaft, die zwar Gewinnermittlungs- und Gewinnerzielungssubjekt ist, während die Gewinnanteile unmittelbar dem Mitunternehmer zugerechnet werden (§ 2 Abs. 1 i.V.m. § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG). Hierbei unterscheidet sich der Mitunternehmer vom Einzelunternehmer (lediglich) dadurch, daß er seine unternehmerische Tätigkeit nicht allein, sondern zusammen mit anderen (Mit-)Unternehmern in gesellschaftlicher Verbundenheit ausübt. Weil die Gesellschafter die Mitunternehmer des Betriebs sind, der Betrieb auf ihre Rechnung und auf ihre Gefahr geführt wird, werden ihnen die Ergebnisse, Gewinn und Verlust der gemeinschaftlichen Tätigkeit anteilig als originäre eigene Einkünfte zugerechnet (BFH v. 3.5.1993 – GrS 3/92, BFHE 171, 246 = BStBl. II 1993, 616, unter B. III. 6.). Die Eigenschaft der Personengesellschaften und Gemeinschaften als Steuerrechtssubjekt läßt die Grundentscheidung der §§ 1 und 2 EStG unberührt, daß Subjekt der ESt. allein der einzelne Gesellschafter ist. Mitunternehmergemeinschaften sind als solche weder ESt.- noch KSt.-pflichtig. Die Gewinnanteile (§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG) werden dem Gesellschafter für Zwecke der eigenen Besteuerung im Jahr des Entstehens unabhängig von Entnahmen zugerechnet. Die unmittelbare Zurechnung des Gesellschaftsgewinns an den Mitunternehmer hat die Funktion, eine Rechtsformneutralität im Verhältnis zu Einzelunternehmen und Kapitalgesellschaften zu bewirken, die ihre Gewinne unmittelbar im Jahr der Entstehung versteuern müssen (grundlegend Schön, StuW 1988, 253; Schön, DStR 1993, 185 [191]; Knobbe-Keuk, Bilanz- und Unternehmenssteuerrecht, 9. Aufl. 1993, § 9 I). In dieser Hinsicht sind Einzel- und Mitunternehmer einerseits und die Gewinne thesaurierende Kapitalgesellschaft andererseits einander gleichgestellt. Nur insofern trifft zu, daß § 32 c EStG zu einer rechtsformvereinheitlichenden Steuersenkung für Unternehmensgewinne führt (Schmidt/Glanegger, EStG, 17. Aufl. 1998, § 32 c Rn. 3).

4. Gleichstellung der Gewinne von Mitunternehmern und Kapitalgesellschaftern durch Anrechnungsverfahren

Hinsichtlich der subjektiven Zurechnung eines Unternehmensgewinns wird die prinzipielle Gleichstellung von Einzel- und Mitunternehmer einerseits und dem an einer Körperschaft (vor allem einer Kapitalgesellschaft) Beteiligten andererseits bestimmungsgemäß durch das körperschaftsteuerliche Anrechnungsverfahren erreicht. Mit Einführung dieses Verfahrens hat sich der Gesetzgeber ungeachtet der zivil- und steuerrechtlichen Unterschiede zwischen der Kapital- und der Personengesellschaft dafür entschieden, in die Besteuerung des Anteilseigners die Besteuerung der Körperschaft rechtstechnisch einzubeziehen.

a) Die KSt. wird nach Art. 106 Abs. 3 GG selbständig neben der ESt. erhoben. Sie ist die notwendige Konsequenz aus der Verselbständigung der juristischen Person, deren nicht ausgeschüttete Gewinne sonst überhaupt steuerfrei bleiben würden (BVerfG v. 24.1.1962 – 1 BvR 845/58, BVerfGE 13, 331 [352] = BStBl. I 1962, 500 [506]). Die KSt. knüpft an die Zivilrechtslage an; Steuersubjekt ist das im Wettbewerb tätige, als Rechtssubjekt verselbständigte Unternehmen (vgl. BT-Drucks. 7/1470, S. 326; BFH v. 12.12.1990 – I R 43/89, BFHE 163, 162 = BStBl. II 1991, 427).

b) Auf dem Gebiet der Ertragsteuern sind Körperschaften und natürliche Personen grundsätzlich nicht wesensgleich. Wegen der "Andersartigkeit der Besteuerung" (BVerfG v. 24.1.1962 – 1 BvR 845/58, BVerfGE 13, 331 [352, 353] = BStBl. I 1962, 500 [506]) sind KSt. und ESt. "schwer vergleichbar". Diese Einschätzung trifft insbesondere im Hinblick darauf zu, daß die KSt. nach festen Steuersätzen erhoben wird, während die ESt. der individuellen Leistungsfähigkeit im größeren Umfang – z.B. durch Freibeträge und progressive Tarifgestaltung – Rechnung trägt (vgl. BVerfG v. 24.1.1962 – 1 BvR 845/58, BVerfGE 13, 331 [352] = BStBl. I 1962, 500 [506]; BVerfG v. 21.3.1977 – 1 BvR 2/77, HFR 1977, 256; BFH-Urt. v. 12.12.1990 – I R 43/89, BFHE 163, 162 = BStBl. II 1991, 427). Zur Sachgesetzlichkeit des KSt.-Rechts gehört – auch nach der KSt.-Reform 1977 – die verfahrensmäßige Trennung zwischen der Besteuerung der ausschüttenden Kapitalgesellschaft einerseits und derjenigen des Anteilseigners andererseits. Die Kapitalgesellschaft begleicht mit der Zahlung der KSt. i.H.d. Ausschüttungsbelastung eine eigene Steuerschuld und – anders als bei der Kapitalertragsteuer – keine Vorauszahlung auf die Steuerschuld der Gesellschafter (BFH v. 12.12.1990 – I R 43/89, BFHE 163, 162 = BStBl. II 1991, 427 m.w.N.).

c) Wegen der "unmittelbaren Versteuerung des Einkommens" (vgl. § 3 Abs. 1 KStG) der Körperschaft muß bei dieser zwischen der Besteuerung der thesaurierten und der ausgeschütteten Gewinne unterschieden werden. Soweit es um letztere geht, bewirkt § 32 c EStG eine Annäherung der Steuersätze der thesaurierten Gewinne von Körperschaften und – vorbehaltlich des § 32 c Abs. 2 S. 2 EStG – der Ausschüttungen nur unter der Voraussetzung, daß sie zu den Einkünften aus Gewerbebetrieb gehören (§ 20 Abs. 3 i.V.m. § 15 EStG; Hörger in Littmann/Bitz/Hellwig, Das Einkommensteuerrecht, § 32 c EStG Rn. 1; s. aber R. Wendt, Spreizung von Körperschaftsteuersatz und Einkommensteuerspitzensatz als Verfassungsproblem, FS Karl Heinrich Friauf, 1996, S. 859 ff.). Hingegen werden unter Verstoß gegen den Gleichheitssatz gegenüber einzel- und mitunternehmerischen Einkünften benachteiligt sowohl die Einkünfte aus Kapitalvermögen (§ 20 EStG) als auch – im Streitfall einschlägig – die gewerblichen Gewinne, die diesen durch § 32 c Abs. 2 S. 2 EStG i.V.m. § 9 Nr. 2 a GewStG gleichgestellt werden.

d) Das körperschaftsteuerliche Anrechnungsverfahren geht wirtschaftlich gesehen von dem Grundsatz der Einmalbesteuerung von Beteiligungserträgen nach dem individuellen Steuersatz des Anteilseigners aus (BFH v. 23.10.1996 – I R 55/95, BFHE 181, 490 = GmbHR 1997, 324). Zur rechtstechnischen Umsetzung dieses Grundsatzes wird die KSt. angerechnet, wenn die Einnahmen, auf die anrechenbare KSt. entfällt, beim Anteilseigner in die Bemessungsgrundlage einbezogen werden. Durch die Anrechnung soll die doppelte steuerliche Belastung der ausgeschütteten Gewinne beseitigt werden. Diese Entlastung ist rechtstechnisch so ausgestaltet, daß die Steuergutschrift wirtschaftlich wie eine Vorauszahlung auf die Steuerschuld des Anteilseigners wirkt und damit zugleich dessen Einkünfte erhöht (§ 49 Abs. 1 KStG 1977 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 3 EStG; vgl. BFH v. 26.10.1987 – GrS 2/86, BFHE 151, 523 [543] = BStBl. II 1988, 348 [357] = GmbHR 1988, 159, zu C. II. 2. e; BFH v. 12.12.1990 – I R 43/89, BFHE 163, 162 = BStBl. II 1991, 427 m.w.N. der Rspr.). Nach einer weitergehenden Ansicht hat die KSt. sogar materiell den Charakter einer Quellensteuer auf die Kapitaleinkünfte des Anteilseigners (Tipke/Lang, aaO, § 11 Rn. 4). Die im Rahmen des zweistufigen Anrechnungsverfahrens vorgesehene Entlastung wird durch die Identität der Bemessungsgrundlagen auf der Stufe der ausschüttenden Körperschaft und derjenigen des Ausschüttungsempfängers sichergestellt (BFH v. 15.11.1994 – VIII R 74/93, BFHE 176, 373 = BStBl. II 1995, 315 = GmbHR 1995, 604 [LS]).

Die KSt. belastet im Ergebnis nur den nicht ausgeschütteten (thesaurierten) Gewinn. Diese Belastung und der Ausgleich einer doppelten Erfassung der von der Körperschaft erzielten Gewinne durch das Anrechnungsverfahren ist letztlich ein rechtstechnisch anders gestaltetes Äquivalent für eine durch die zivilrechtliche Rechtssubjektivität durchgreifende Teilhabersteuer; gegen diese hat sich der Gesetzgeber nicht aus Gründen der rechtssystematischen Notwendigkeit, sondern der Praktikabilität und Zweckmäßigkeit entschieden. Es wäre eine vertretbare Alternative gewesen, die Körperschaft im Ergebnis wie eine Personengesellschaft zu behandeln und (auch) nicht ausgeschüttete Gewinne unmittelbar den Anteilseignern zuzurechnen (vgl. Entwurf eines Dritten Steuerreformgesetzes, BT-Drucks. 7/1470, S. 325 f., 328 f., unter Bezugnahme auf die Gutachten des Wissenschaftlichen Beirats beim BMF "Reform der direkten Steuern", 1967, und der Steuerreformkommission 1971, BMF-Schriftenreihe Heft 17, S. 316 ff., 330 ff., 338 f.; ferner Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, 1993, S. 738 ff.; Pezzer, Rechtfertigung der Körperschaftsteuer und ihre Entwicklung zu einer allgemeinen Unternehmensteuer, FS Tipke, 1995, S. 419 ff. [422 f.]). Hinsichtlich der ausgeschütteten Gewinne werden die Anteilseigner der Kapitalgesellschaft auch nach geltendem Recht im wirtschaftlichen Ergebnis wie Mitunternehmer behandelt: "In der Sache geht das Anrechnungsverfahren für die Besteuerung über die rechtliche Selbständigkeit der Kapitalgesellschaft hinweg, der Durchgriff durch die Kapitalgesellschaft auf die Gesellschafter ist in diesem Bereich erfolgt" (Knobbe-Keuk, aaO, § 14 II).

5. Keine Rechtfertigung für die Benachteiligung ausgeschütteter Gewinne

§ 32 c Abs. 2 S. 2 Halbs. 1 EStG benachteiligt die ausgeschütteten Gewinne; hierfür gibt es keine hinreichende Rechtfertigung.

a) Im Hinblick auf den vorstehend erläuterten steuerrechtlichen "Durchgriff durch die Kapitalgesellschaft" ist die grundsätzliche zivilrechtliche "Undurchlässigkeit" der juristischen Person (BVerfG v. 24.1.1962 – 1 BvR 845/58, BVerfGE 13, 331 [352, 354] = BStBl. I 1962, 500 [506]) kein sachlich zureichender Rechtfertigungsgrund für eine unterschiedliche Behandlung von gewerblichen Einkünften und den hier in Frage stehenden Beteiligungseinkünften. Der erkennende Senat folgt jedenfalls in dieser Hinsicht nicht der zu Unrecht verallgemeinernden Auffassung, Einzelunternehmen (ebenso wie Personengesellschaften) und Kapitalgesellschaften seien aufgrund ihrer Rechtsform und den sich daraus ergebenden rechtlichen Unterschieden nicht vergleichbar (so BFH v. 14.12.1994 – XI R 37/94, BFHE 176, 403 = BStBl. II 1995, 329). Insbesondere läßt sich aus dem Urt. des BVerfG v. 24.1.1962 – 1 BvR 845/58, BVerfGE 13, 331 [352] = BStBl. I 1962, 500 [506] – bezogen auf den Streitfall – kein "Verbot" eines Durchgriffs durch die Kapitalgesellschaft als deduktionsfähiger "allgemeiner Rechtsgrundsatz" herleiten, wie dies möglicherweise den Entscheidungen des BFH v. 22.10.1986 – I R 180/82 (BFHE 148, 272 = BStBl. II 1987, 117) und v. 26.3.1993 – III S 42/92 (BFHE 171, 164 = BStBl. II 1993, 723 = GmbHR 1993, 514) entnommen werden könnte. Zwar haben die Argumente des BVerfG-Urt. v. 24.1.1962 – 1 BvR 845/58, BVerfGE 13, 331 [354] = BStBl. I 1962, 500 [506] hinsichtlich der Besteuerung der thesaurierten Gewinne auch nach der Einführung der Vollanrechnung der KSt. auf die ESt. der Anteilseigner ihre Berechtigung behalten. Für die Behandlung der ausgeschütteten Gewinne sind die Ausführungen des BVerfG-Urt. v. 24.1.1962 – 1 BvR 845/58, BVerfGE 13, 331 [352] = BStBl. I 1962, 500 [506], das von einer Doppelbelastung ausgeschütteter Gewinne mit KSt. und ESt. ausgeht, jedoch nicht einschlägig (im Ergebnis ebenso R. Wendt, FS Friauf, aaO, S. 859 [874 ff.]).

b) Zwar spricht die Entscheidung des BVerfG v. 24.1.1962 – 1 BvR 845/58, BVerfGE 13, 331 [352] = BStBl. I 1962, 500 [506] davon, daß steuerliche Belastungen gleichheitsrechtlich durch "korrespondierende Steuerersparnisse" ausgeglichen werden könnten: Es gebe rechtsformabhängige Steuerfolgen in ausreichender Zahl, durch welche die Körperschaft begünstigt werde. Zu nennen sei insbesondere das Trennungsprinzip, das zu einer Anerkennung der zwischen der Körperschaft und ihren Anteilseignern geschlossenen fremdüblichen Leistungs- und Nutzungsverträge führe, während der Unternehmerlohn des Einzelunternehmers und die Sondervergütungen des Mitunternehmers (§ 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 EStG) die Bemessungsgrundlage der GewSt. nicht minderten. Dem könne wiederum entgegengehalten werden, daß Verluste der Körperschaft nicht an den Anteilseigner unmittelbar zurechnend "durchgereicht" würden.

Nach Auffassung des erkennenden Senats sind diese rechtsformabhängigen Unterschiede in der Besteuerung herkömmliche und zudem mittels Rechtsformwahl gestaltbare zwingende Konsequenzen der zivil- wie steuerrechtlichen Rechtssubjektivität der Körperschaft. Wird die Bemessungsgrundlage der KSt. aufgrund von Leistungsbeziehungen mit Anteilseignern gemindert, führt ein entsprechender Zufluß bei diesen im Regelfall zu steuerbaren – je nach Sachlage auch gewerbesteuerbaren – Einkünften. Indes können rechtsformabhängige Steuerfolgen am Maßstab des Gleichheitssatzes überprüft werden, wenn das Gesetz selbst den Gegensatz von Körperschaft und natürlicher Person aufhebt. Aus dem Gebot einer rechtsformneutralen Besteuerung (vgl. hierzu Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. I, S. 478 ff., Bd. II. S. 1030 f. – zur Herleitung aus dem Leistungsfähigkeitsprinzip; Pezzer, FS Tipke, , S. 419 ff., 428; Montag in Tipke/Lang, , § 17 Rn. 2; R. Wendt, StuW 1992, 66, 75) folgt dann, daß aufgrund einer Beurteilung des "durch die Gesamtregelung hergestellten Belastungserfolgs" (BVerfG v. 10.4.1997 – 2 BvL 77/92, BVerfGE 96, 1 [8]) gleiche wirtschaftliche, wenn auch rechtstechnisch verschieden ausgestaltete Vorgänge – hier: die Zurechnung von mit GewSt. belasteten Erträgen auf die Anteilseigner – gleichzubehandeln sind.

Rechtsformabhängige Unterschiede in der Besteuerung können nur dann als "Verrechnungspotential" in eine Beurteilung der Gesamtregelung einbezogen werden, wenn sie in einem inneren Sachzusammenhang zueinander stehen (ähnlich R. Wendt, FS Friauf, aaO, S. 859 [885 f.]) und eine "kohärente Besteuerung sicherstellen". Dies ist nach Auffassung des Senats der Fall, wenn ein (zwingender) unmittelbarer Zusammenhang zwischen dem Steuervorteil einerseits und der Besteuerung andererseits besteht (vgl. in anderem Zusammenhang EuGH v. 28.1.1992 – Rs. C-204/90 – Bachmann, EuGHE I 1992, 276). Ein solcher unmittelbarer Zusammenhang liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn der Steuervorteil bei dem einen Steuerpflichtigen, der korrespondierende Steuernachteil jedoch bei einem anderen Steuerpflichtigen eintritt; die Besteuerungszusammenhänge sind unter solchen Umständen lediglich mittelbarer Art. Auch das BVerfG hat bislang einen "Ausgleich" rechtsformabhängiger Begünstigungen/Benachteiligungen nur innerhalb einer Steuerart für zulässig erachtet (vgl. zur GewSt. BVerfG v. 18.6.1975 – 1 BvR 528/72, BVerfGE 40, 109 [117]). Ein in diesem Sinne "kohärentes" Rechtsfolgensystem sind die hier einschlägigen Regelungen über die Zurechnung der Gewinne von Einzelunternehmern, Personen- und Kapitalgesellschaften, die hinsichtlich ihrer endgültigen Belastung beim Anteilseigner unmittelbar miteinander vergleichbar sind. Mangels "Kohärenz" nicht tragfähig ist hingegen die im Gesetzgebungsverfahren vorgetragene Erwägung (BT-Drucks. 12/4487, S. 67), die steuerlichen Maßnahmen des StandOG seien "auch innerhalb des Unternehmenssektors ausgewogen", weil für kleine und mittlere Unternehmen deutliche Entlastungen durch eine investitionserleichternde Ansparabschreibung und steuersparende Verbesserungen bei der Erbschaftsteuer vorgesehen seien.

VIII. Die Begünstigung lediglich hoher gewerblicher Einkünfte durch § 32 c EStG ist gleichheitswidrig

Eine Verletzung des Gleichheitssatzes ist schließlich darin zu sehen, daß gewerbliche Einkünfte unterhalb des Grenzbetrags des § 32 c Abs. 1 i.V.m. Abs. 4 und 5 EStG von der Tarifbegünstigung ausgeschlossen sind.

1. Doppelbelastung mit Einkommen- und Gewerbesteuer wirkt sich auch bei ertragschwachen Unternehmen aus

Die Doppelbelastung mit ESt. und GewSt. wirkt sich auch bei dem Großteil der Steuerpflichtigen aus, deren gewerbliche Einkünfte unterhalb des genannten Grenzbetrags liegen. Zur Rechtfertigung dieser ungemilderten Besteuerung kann nicht mit Erfolg angeführt werden, die betreffende Gruppe von Steuerpflichtigen sei bereits gewerbesteuerrechtlich durch die Tarifgestaltung und durch einen Freibetrag begünstigt. Denn auch Einzelunternehmern und Personengesellschaften mit über der Höchstgrenze des § 32 c Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 EStG liegenden Gewerbeerträgen stehen der gewerbesteuerrechtliche Freibetrag (§ 11 Abs. 1 S. 3 Nr. 1 GewStG) und der Staffeltarif (§ 11 Abs. 2 GewStG) zu. Gerade für gewinnschwache Unternehmen, die zusätzlich von der Verschlechterung der Abschreibungsmöglichkeiten als Maßnahme der Gegenfinanzierung betroffen sind, bleibt die Sonderbelastung mit GewSt. ungemildert erhalten. Daß das StandOG diesen Gewerbetreibenden die Ansparabschreibung (§ 7g Abs. 3 bis 5 EStG) gewährt, vermag wegen der anders gearteten und daher "nicht kohärenten" Entlastungswirkung die Sonderbelastung mit GewSt. verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigen (vgl. oben VII. 5. b; ebenso R. Wendt, FR 1993, 1 [7]; R. Wendt, FS Friauf, aaO, S. 859 [885]).

2. Entlastung hoher Einkommen widerspricht Grundentscheidung des EStG für Tarifprogression

Die dem § 32 c Abs. 4 und 5 EStG offenbar zugrundeliegende Auffassung, Bezieher von hohen Einkommen bedürften in besonderem Maße einer steuerlichen Entlastung, widerspricht der systemprägenden Grundentscheidung des EStG für einen progressiv gestalteten Tarif. Zwar lassen sich aus dem Gleichheitssatz keine Aussagen über den konkreten Tarifverlauf und die Höhe des Steuertarifs ableiten (vgl. Birk/Barth in Hübschmann/Hepp/ Spitaler, aaO, § 4 AO 1977 Rn. 460). Indes hat der Gesetzgeber mit der Einführung eines progressiven ESt.-Tarifs die Grundentscheidung getroffen, "daß i.S. der verhältnismäßigen Gleichheit der wirtschaftlich Leistungsfähigere einen höheren Prozentsatz seines Einkommens als Steuer zu zahlen hat als der wirtschaftlich Schwächere" (BVerfG v. 24.6.1958 – 2 BvF 1/57, BVerfGE 8, 51 [68 f.]; vgl. auch BVerfG v. 9.2.1972 – 1 BvL 16/69, BVerfGE 32, 333 [339]). In seinem Beschl. v. 25.9.1992 – 2 BvL 5, 8, 14/91 (BVerfGE 87, 153 [170] = BStBl. II 1993, 413 – Existenzminimum, unter C. I. 2.) spricht das BVerfG das Gebot der "vertikalen Gleichheit im Verhältnis geringerer zu höheren Einkommen" an. Im Beschluß zum Existenzminimum der Familie heißt es: "In vertikaler Richtung muß die Besteuerung höherer Einkommen im Vergleich mit der Steuerbelastung niedrigerer Einkommen dem Gerechtigkeitsgebot genügen" (BVerfG v. 29.5.1990 – 1 BvL 20, 26, 84 und 4/86, BVerfGE 82, 60 [89 f.]). Dies erfordert es grundsätzlich, daß Entlastungen, sollen sie gleichheitsgerecht sein, sich für alle Steuerpflichtigen in direkter Abhängigkeit vom progressiven Verlauf des Tarifs auswirken. Zwar ist die Herstellung vertikaler Steuergleichheit und damit einer Verteilungsgerechtigkeit zuvörderst Aufgabe des Parlaments, das nach politischen Wertungsgesichtspunkten, nicht nach rechtlichen Kriterien entscheidet (F. K. Mann, Die Gerechtigkeit in der Besteuerung, FS Georg von Schanz, Bd. II S. 112 ff. [139 ff.]; Tipke, Die Steuerrechtsordnung, Bd. II, S. 711 f.). Ist aber mit der Festlegung des progressiven Tarifverlaufs "vertikal" eine gleichheitskonkretisierende Entscheidung getroffen, verwehrt die Sachgesetzlichkeit des Tarifs den Hinweis darauf, daß der Bezieher eines niedrigen Einkommens mit "seiner" tariflichen Steuer weniger stark belastet sei als der dem Grenzsteuersatz unterliegende Spitzenverdiener und deswegen an einer Entlastung nicht teilhaben müsse. Mit der Annahme, nur der Bezieher eines hohen Einkommens werde durch die Verfassung – insbesondere durch Art. 14 GG – vor einer steuerlichen Überlast geschützt, würden die gleichheitsrechtlichen Prämissen der progressiven Zuteilung steuerlicher Lasten als einem steuerethisch gestütztem Rechtsprinzip verkannt (zu letzterem K. Vogel, DStZ 1975, 409 [411]).

3. Auch Mittelständler schaffen Arbeitsplätze

Ein sonstiger Grund dafür, niedrige gewerbliche Einkünfte nicht zu entlasten, ist nicht ersichtlich. Auch die mittelständische Wirtschaft tätigt Investitionen und schafft Arbeitsplätze.

C. Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage

Der Senat hat das Verfahren auszusetzen und eine Entscheidung des BVerfG zu den Vorlagefragen einzuholen, da es für die Entscheidung des Streitfalles auf die Gültigkeit des § 32 c EStG ankommt (Art. 100 Abs. 1 GG; § 80 Abs. 1 BVerfGG). Die Vorlagefragen sind für den anhängigen Streitfall entscheidungserheblich.

I. Betroffensein

Der Kl. ist durch den gleichheitswidrigen Ausschluß seiner Beteiligungseinkünfte aus der GmbH von der Tarifbegünstigung unmittelbar von § 32 c EStG betroffen (Vorlagefragen 1. und 2.). Seine sonstigen gewerblichen Einkünfte werden wegen der Kappungsgrenze des § 32 c Abs. 1 EStG i.H.v. 100.278 DM ohne den Entlastungsbetrag des § 32 c Abs. 4 EStG der ESt. unterworfen; insoweit ist er auch zur GewSt. herangezogen worden.

II. Erreichbarkeit der Begünstigung der fragliche Einkünfte

Die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefragen kann auch nicht unter dem Gesichtspunkt verneint werden, daß der Kl. im vorliegenden Verfahren eine Begünstigung der hier fraglichen Einkünfte für das Streitjahr nicht erreichen könnte.

1. Bisherige Rechtsprechung des BVerfG: Chance zur Teilhabe an einer Erweiterung der Begünstigung wird offengehalten

Bereits nach der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG sind die Vorlagefragen entscheidungserheblich.

a) Nach der bisherigen Rspr. des BVerfG ist die Verfassungwidrigkeit einer Norm nur dann entscheidungserheblich, wenn diese mit dem GG in dem Sinne unvereinbar wäre, daß dem Gesetzgeber eine Heilung des Gleichheitsverstoßes durch Einbeziehung des Kl. in die Begünstigung möglich wäre. Auf die Gültigkeit der beanstandeten Norm kommt es dann nicht an, wenn diese Bestimmung nichtig in dem Sinne wäre, daß allein ihr ersatzloser Wegfall verfassungskonform und mithin ausschließlich eine Nichtigerklärung gem. § 78 Abs. 1 S. 1 BVerfGG die Folge wäre. Denn dann könnte der Kl. sein Klageziel unter keinen Umständen erreichen; die Klage wäre auf jeden Fall abzuweisen (BVerfG v. 27.6.1991 – 2 BvL 3/89, BVerfGE 84, 233 = BStBl. II 1991, 652 [653 f.] – Steueramnestie). Kommt hingegen als eine der möglichen Entscheidungsalternativen eine Neuregelung durch den Gesetzgeber in Betracht, die den für das Ausgangsverfahren einschlägigen Maßstab der vorgelegten Norm verändert, so hat das Gericht das Verfahren auszusetzen, bis der Gesetzgeber ein neues Gesetz erlassen hat. Für die Entscheidungserheblichkeit genügt es, daß eine Beanstandung der zur Prüfung gestellten Norm dem Kl. des Ausgangsverfahrens die Chance offenhält, an einer Erweiterung der begünstigenden Regelung teilzuhaben (BVerfG v. 19.10.1982 – 1 BvL 39/80, BVerfGE 61, 138 [146]; v. 31.1.1996 – 2 BvL 39, 40/93, BVerfGE 93, 386 [395]; vgl. BFH v. 19.2.1993 – VI R 74/91, BFHE 170, 410 = BStBl. II 1993, 551). Ein gleichheitswidriger Entzug eines Vorteils durch ein Gesetz ist dann nicht i.S.v. Art. 100 GG entscheidungserheblich, wenn die Einbeziehung des Kl.s in den nach der betroffenen Vorschrift begünstigten Personenkreis "schlechthin ausgeschlossen" erscheint (BVerfG v. 11.10.1983 – 1 BvL 73/78, BVerfGE 65, 160 [169] = BStBl. II 1984, 20; vgl. auch BFH v. 20.6.1989 – VIII R 82/86, BFHE 156, 543 = BStBl. II 1989, 836). Möglicherweise gilt gleiches, wenn eine solche generelle und rückbezogene Neuregelung nur "schwer vorstellbar" ist. Der BFH hat es abgelehnt, in die Überprüfung der Verfassungsmäßigkeit einer steuerrechtlichen Vorschrift einzutreten, wenn lediglich die "entfernte Möglichkeit" bestehe, daß der (nichtbegünstigte) Kl. bei einer rückwirkenden Neuregelung in die Begünstigungsnorm einbezogen werden könnte (BFH-Urt. v. 15.3.1991 – III R 97/89, BFHE 164, 65 = BStBl. II 1991, 578).

Im Zusammenhang mit der Zulässigkeit der Vorlage ist unerheblich, ob in Fällen einer Unwirksamkeit der fraglichen Norm zu erwarten ist, daß das BVerfG die weitere Anwendung der verfassungswidrigen Norm für einen Übergangszeitraum anordnen wird (BVerfG v. 26.2.1986 – 1 BvL 12/85, BVerfGE 72, 51 [62]; v. 25.9.1992 – 2 BvL 5, 8, 14/91 (BVerfGE 87, 153 [180] = BStBl. II 1993, 413 – unter C. III. 3. d; v. 22.6.1995 – 2 BvL 37/91, BVerfGE 93, 121 [131] = BStBl. II 1995, 655 unter B. I.).

b) Hieraus folgt für den Streitfall: Es geht nicht lediglich darum, daß § 32 c EStG Dritte begünstigen würde, sondern um eine Benachteiligung des Kl. im Verhältnis zu diesen Dritten.

c) Die Fragen des Tarifverlaufs und der Grenzbelastung sind nicht nur ein Problem der Belastung des einzelnen Steuerpflichtigen, sondern auch der gleichheitsgerechten Verteilung. Insofern muß es dem nichtprivilegierten Steuerpflichtigen möglich sein, einen gleichheitswidrigen Steuereingriff abzuwehren, solange vergleichbare Personengruppen nicht in gleicher Weise belastet werden (Wernsmann, FR 1999, 242 [245 ff.]). Die Privilegierung bestimmter gewerblicher Einkünfte geht notwendigerweise einher mit einer Belastung der anderen Einkünfte. Eine dem Gleichheitssatz entsprechende Aufhebung der Tarifspreizung würde eine andere Verteilung der Steuerlast ermöglichen, die mit großer Wahrscheinlichkeit auch dem Kl. zugute käme. Denkbar ist zumindest eine Neuregelung, durch die dem Begehren des Kl. im Rahmen des budgetmäßigen Gestaltungspielraums durch eine Ausweitung des Begünstigungstatbestands zumindest teilweise Rechnung getragen wird (ebenso M. Wendt in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 32 c EStG Anm. 7). Finanzpolitisch möglich ist sogar, daß eine Gleichstellung auf der Ebene des gemilderten Tarifs, wie sie dem Klageantrag entspricht, anderweitig – insbesondere durch die Verbreiterung der Bemessungsgrundlage durch die Erhöhung einer anderen Steuer – gegenfinanziert wird.

d) Auch bei ersatzloser Streichung des § 32 c EStG liegt es nahe, daß das Begehren des Kl. zumindest teilweise Erfolg haben könnte. Denn die Entlastung gewerblicher Einkünfte ist ausdrücklich (BT-Drucks. 12/4158, S. 25 f.) mit der Einschränkung der steuerrechtlichen Abschreibungsbedingungen, u.a. der Absenkung der AfA-Sätze bei der degresiven Abschreibung für bewegliche Wirtschaftsgüter, verknüpft worden.

2. Neuere Betrachtung: Gleichheitswidrige Privilegierung einer Gruppe bedeutet Benachteiligung der übrigen Steuerzahler

Für den Fall, daß sich die Vorlage insbesondere aus letztgenanntem Grund auf der Grundlage der bisherigen Rspr. des BVerfG zur Zulässigkeit von Richtervorlagen als unzulässig erweisen sollte, hält der Senat die vom VI. Senat des BFH in dessen Vorlagebeschl. v. 21.10.1994 – VI R 15/94 (BFHE 175, 368 = BStBl. II 1995, 142, unter VI.) geäußerten Bedenken für zutreffend (vgl. ferner Völlmeke, NJW 1992, 1345; Wernsmann, FR 1999, 242 [244 ff.]): Die gleichheitswidrige Privilegierung einer Gruppe stellt sich als Benachteiligung der übrigen Steuerzahler dar. Solange eine Vorschrift, die eine verfassungswidrige steuerliche Privilegierung einer bestimmten Gruppe bewirkt, weiterhin anzuwenden ist, verwirklicht sich die zwangsläufig aus der gleichheitswidrigen Begünstigung resultierende Benachteiligung des ausgeschlossenen Personenkreises jedes Jahr bei jeder Veranlagung erneut. Diese regelmäßig in großer Zahl wiederkehrende Benachteiligung rechtfertigt für den Fall des gleichheitswidrigen Begünstigungsausschlusses durch eine Norm des Steuerrechts eine Auslegung des Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG dahingehend, daß es ausnahmsweise nicht nur auf den Tenor der Entscheidung des vorlegenden Gerichts, sondern auch auf die Begründung der Entscheidung ankommt.

3. Aufgabe der bisherigen Rechtsprechung des BVerfG?

Der erkennende Senat neigt im übrigen zu der Ansicht, daß das BVerfG mit dem Beschl. v. 10.11.1998 – 2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91 (FR 1999, 150, unter D. II. und III.) seine bisherige Rspr. zur Entscheidungserheblichkeit aufgegeben hat. Das BVerfG hat in jenem Beschluß die den angegriffenen Entscheidungen zugrundeliegenden – restriktiven – Regelungen des Abzugs von Kinderbetreuungskosten wegen Erwerbstätigkeit (§ 33c Abs. 1 bis 4 EStG) und des Haushaltsfreibetrags (§ 32 Abs. 3 und 4 EStG) für mit dem GG unvereinbar erklärt, jedoch gleichzeitig bestimmt, daß diese Regelungen bis zum 31.12.1999 bzw. 2001 weiterhin anzuwenden sind. Die Ausgangsverfahren der Verfassungsbeschwerden hat das BVerfG an den BFH zurückverwiesen mit dem Bemerken, die Beschwerdeführer hätten einen Anspruch darauf, "daß der Erfolg ihrer Verfassungsbeschwerden sich für sie auch für die jeweils anhängigen Veranlagungszeiträume in einer den verfassungsrechtlichen Vorgaben entsprechenden einkommensteuerlichen Entlastung auswirkt". Auf den vorliegenden Streitfall angewendet könnte dies bedeuten, daß das BVerfG den Gesetzgeber verpflichtet, die hier einschlägigen Einkunftsarten steuerrechtlich gleichzustellen, und gleichzeitig der Verwaltung oder dem Gesetzgeber aufgibt, dem Kl. die in § 32 c EStG vorgesehene Tarifentlastung – ggf. im Wege einer Billigkeitsmaßnahme (BVerfG v. 10.11.1998 – 2 BvL 42/93, FR 1999, 139, unter C. III., und 2 BvR 1220/93, FR 1999, 145, unter B. II.) – zukommen zu lassen.

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