Verwendbares Eigenkapital: Behandlung des Steuerabzugsbetrags für Inhaber neu eröffneter Betriebe in den Neuen Bundesländern in der Gliederungsrechnung

EStG § 58 Abs. 3; DBStÄndG DDR § 9 Abs. 1; KStG § 34 analog

Wird ein Steuerabzug von der KSt. gemäß § 58 Abs. 3 EStG i.V.m. § 9 Abs. 1 DBStÄndG DDR vorgenommen, so ist dieser bei der Gliederung des vEK in analoger Anzuwendung des § 34 KStG wie ein Erlaß und nicht wie eine Steuerermäßigung zu behandeln (Anschluß an BFH v. 22.11.1995 – I R 2/95 (BFHE 179, 111 = BStBl. II 1996, 381 = GmbHR 1996, 145 und v. 13.11.1996 – I R 116/95, BFH/NV 1997, 624).*

BFH, Urt. v. 20.1.1999 – I R 63/98

Gründe:

I.

Die Kl. ist Rechtsnachfolgerin einer im Jahr 1990 im Beitrittsgebiet gegründeten GmbH. Diese machte im Rahmen ihrer KSt.-Erklärung für 1992 einen Steuerabzugsbetrag gemäß § 58 Abs. 3 EStG i.V.m. § 9 Abs. 1 DBStÄndG DDR i.H.v. 9.101 DM geltend. Bei der gesonderten Feststellung von Besteuerungsgrundlagen gemäß § 47 KStG zum 31.12.1992 minderte das FA das EK 50 um den Steuerabzugsbetrag und erhöhte das EK 02 um 18.202 DM (= 2 x 9.101 DM). Die Klage gegen diesen Bescheid hatte keinen Erfolg (EFG 1998, 1221).

Die Kl. rügt mit ihrer Revision unrichtige Anwendung des § 58 Abs. 3 EStG, § 9 DBStÄndG DDR und § 34 KStG und beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung zum 31.12.1992 das EK 50 mit 12.650 DM und das EK 02 mit 13.829 DM festzustellen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

II.

Die Revision ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

Mit Urt. v. 22.11.1995 -- I R 2/95 (BFHE 179, 111 = BStBl. II 1996, 381 = GmbHR 1996, 145) und 13.11.1996 -- I R 116/95 (BFH/NV 1997, 624) hat der erkennende Senat entschieden, daß § 34 KStG entsprechend anzuwenden sei, wenn der Steuerabzug gemäß § 58 Abs. 3 EStG i.V.m. § 9 Abs. 1 DBStÄndG DDR von der KSt. vorgenommen werde. Die Einwendungen der Kl. gegen die bezeichnete Rspr. geben dem Senat keinen Anlaß, von diesen Entscheidungen abzuweichen.

1. Keine Frage der Bilanzierung

Die von der Kl. angesprochenen Fragen zur Bilanzierung erlassener Steuern bzw. solcher Steuern, die aufgrund der Anwendung des § 9 Abs. 1 DBStÄndG DDR entfallen, sind im Rahmen der Feststellung des verwendbaren Eigenkapitals (vEK) nach § 47 i.V.m. § 30 KStG entscheidungsunerheblich. Die gliederungsrechtlichen Vorschriften regeln die zur Handhabung des Anrechnungsverfahrens notwendigen Feststellungen der belasteten und unbelasteten Eigenkapitalteile ausschließlich und unabhängig von den bilanzrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung. Letztere dienen der Gewinnermittlung und damit der Ermittlung des zu versteuernden Einkommens im Rahmen der KSt.-Festsetzung, über die im streitgegenständlichen Verfahren nicht zu entscheiden ist (vgl. auch § 47 Abs. 2 Nr. 1 a KStG).

2. Vergleichbarkit des Steuerabzugs mit Steuererlaß

Der Gesetzgeber hat in § 58 Abs. 3 EStG den § 9 Abs. 1 DBStÄndG DDR für weiterhin anwendbar erklärt. Damit ist diese Vorschrift zum 1.1.1991 in das bundesdeutsche Recht eingegangen. Ebenso wie sie damit der Regelungskompetenz des Bundesgesetzgebers unterliegt (vgl. BFH v. 30.7.1997 – I R 90/96, BFHE 184, 84 = BStBl. II 1997, 730 = GmbHR 1998, 255 [LS]), hat ihre Auslegung sich ab dem 1.1.1991 in das bundesdeutsche Rechtssystem, d. h. hier in das bundesdeutsche körperschaftsteuerliche Anrechnungsverfahren, einzufügen.

a) Zu den Grundprinzipien des bundesdeutschen Anrechnungsverfahrens gehört es, daß Gewinnausschüttungen dem Anteilseigner mit der sog. Ausschüttungsbelastung vorbelastet zufließen (§ 27 KStG, § 20 Abs. 1 Nr. 3, § 36 Abs. 2 Nr. 3 EStG). Diesem Grundsatz entsprechend ordnet § 34 KStG für die Gliederungsrechnung im Anschluß an einen Steuererlaß die von der Steuer freigestellten Teile des vEK dem EK 02 zu, da es sich insoweit um Vermögensmehrungen handelt, die nicht der KSt. unterlegen haben (§ 30 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 KStG). Im Fall einer Ausschüttung dieser nicht mit tariflicher KSt. belasteten Eigenkapitalteile muß folglich über eine Erhöhung der KSt. nach § 27 KStG eine entsprechende Vorbelastung hergestellt werden. Dasselbe gilt für den mit einem Erlaß zumindest im Ergebnis vergleichbaren Fall, in dem die KSt.-Schuld aufgrund des § 9 Abs. 1 DBStÄndG DDR entfallen ist.

b) Zwar weist die Kl. zu Recht darauf hin, daß es gleichermaßen zu einem – möglicherweise von der Finanzverwaltung gebilligten – Systemverstoß kommen kann, wenn der Steuerabzugsbetrag nicht von der tariflichen KSt., sondern von dem KSt.-Erhöhungsbetrag nach § 27 KStG in Abzug gebracht wird und gleichwohl eine zur Steueranrechnung berechtigende Steuerbescheinigung erteilt wird. Hieraus kann aber nicht der Schluß gezogen werden, daß von Gesetzes wegen weitere Systembrüche zuzulassen seien. Der von der Kl. angesprochene Vergleichsfall gibt allenfalls Anlaß zu erwägen, ob der Steuerabzugsbetrag nach § 9 Abs. 1 DBStÄndG DDR auf den Erhöhungsbetrag nach § 27 KStG angerechnet werden kann. Zwar hat der erkennende Senat in Anlehnung an die Handhabung der Finanzverwaltung (BMF-Schr. v. 22.7.1991 – IV B 3 – S 2259 c – 14/91 = BStBl. I 1991, 737) einen Abzug nach § 9 Abs. 1 DBStÄndG DDR von der (tariflichen) KSt. zugelassen, obgleich im KStG eine Verweisung auf § 58 Abs. 3 EStG fehlt (Urt. v. 9.11.1994 – I R 67/94, BFHE 176, 244 = BStBl. II 1995, 305 = GmbHR 1995, 394). Es bleibt zu klären, ob dies auch dann gelten kann, wenn eine Anrechnung des Abzugsbetrags auf den KSt.-Erhöhungsbetrag nach § 27 KStG zur Diskussion steht (vgl. BFH v. 22.11.1995 -- I R 2/95, BFHE 179, 111 = BStBl. II 1996, 381 = GmbHR 1996, 145: "Besteuerung sui generis"). Allenfalls wäre eine systemgerechte Einschränkung der Verwaltungspraxis und der bezeichneten Rspr., nicht aber die Ausweitung systemwidriger Ergebnisse zu erwägen.

* Leitsatz der Redaktion.

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