Organschaft: Finanzielle Eingliederung bei mittelbarer Beteiligung der Organträgerin

UStG 1980 § 2 Abs. 2 Nr. 2

Bei mittelbarer Beteiligung einer Personen- an einer Kapitalgesellschaft liegt eine finanzielle Eingliederung nur vor, wenn die Mehrheit der Anteile oder Stimmrechte an der Organgesellschaft von den Gesellschaftern der Organträgerin (Muttergesellschaft) gehalten wird, so daß in beiden Gesellschaften dieselben Gesellschafter zusammen über die Mehrheit der Anteile oder Stimmrechte verfügen und damit die Organträgerin mittelbar ihren Willen auch in der Organgesellschaft durchsetzen kann.*

BFH, Urt. v. 20.1.1999 – XI R 69/97
 
 

Aus den Gründen:

I.

Die Kl. ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), an der GT zu 95 % und dessen Ehefrau IT zu 5 % beteiligt sind. GT ist an der H-GmbH (GmbH) zu 100 % beteiligt und zu deren Geschäftsführer (GF) bestellt. Die Kl. und die GmbH sind aus einer KG hervorgegangen. Die Kl., die das unbewegliche Anlagevermögen der KG fortführte, verpachtete dieses an die GmbH. Umsatzsteuerrechtlich ging das FA von einer Organschaft aus und behandelte die Kl. als Organträgerin der durch eine echte Betriebsaufspaltung entstandenen GmbH. Das FG gab der Klage statt (EFG 1998, 148). Grundvoraussetzung für eine Organschaft sei eine finanzielle Eingliederung. Daran fehle es; die Anteile an der GmbH gehörten ausschließlich GT und nicht der Kl.

Mit der Revision rügt das FA, daß das FG die finanzielle Eingliederung bei einer nur mittelbaren Beteiligung zu Unrecht verneint habe. Nach der h. M., die sich auf die Rspr. des RFH und des BFH stütze, werde die finanzielle Eingliederung einer Gesellschaft in eine Personengesellschaft auch mittelbar dadurch hergestellt, daß sich die Anteile im Besitz der Gesellschafter befänden. Diese Rechtsauffassung habe der BFH auch aufrechterhalten, als er die Rechtsfiguren des organschaftsähnlichen Verhältnisses und der Unternehmereinheit aufgegeben habe (BFH v. 2.8.1979 – V R 111/77, BFHE 128, 557 = BStBl. II 1980, 20). Das FG-Urt. weiche ab von den Urt. des BFH v. 2.8.1979 – V R 111/77, BFHE 128, 557 = BStBl. II 1980, 20 und v. 9.6.1960 – V 119/58, HFR 1961, 112).

Die übrigen Voraussetzungen einer Organschaft – wirtschaftliche und organisatorische Eingliederung – seien im Streitfall, wie sich aus den Entscheidungsgründen des FG entnehmen lasse, unstreitig. ...
 
 

II.

Die Revision ist begründet; sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Entgegen der Auffassung des FG ist die GmbH in die Kl. finanziell eingegliedert. Der Senat kann in der Sache nicht durcherkennen, da die zur Beurteilung der weiteren Voraussetzungen einer Organschaft notwendigen Tatsachen nicht festgestellt sind.
 
 

1. Innerorganschaftliche Leistungen als Innenleistungen

Gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG 1980 wird eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen eines Organträgers eingegliedert ist. Es liegt dann eine Organschaft mit der Folge vor, daß die Organgesellschaft als Teil des anderen Unternehmens anzusehen ist, gegenseitige Leistungen also als Innenleistungen zu behandeln sind.
 
 

2. Finanzielle Eingliederung auch bei mittelbarer Beteiligung des Organträgers an Organgesellschaft

Finanziell ist eine Organgesellschaft eingegliedert, wenn der Organträger an ihr so beteiligt ist, daß er seinen Willen durchsetzen kann. Nach st. Rspr. (RFH v. 30.11.1934 – V A 687/33, RStBl. 1935, 660; v. 12.7.1940 – V 426/38, RStBl. 1940, 910; BFH v. 9.6.1960 – V 119/58, HFR 1961, 112; v. 30.6.1960 – V 86/58, HFR 1961, 114; v. 2.8.1979 – V R 111/77, BFHE 128, 557 = BStBl. II 1980, 20; v. 12.8.1993 – V B 230/91, BFH/NV 1994, 277) und ganz h. M. im Schrifttum (Klenk in Sölch/Ringleb/List, Umsatzsteuerrecht, § 2 UStG Rn. 92 m.w.N.; Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, 8. Aufl., § 2 Rn. 686; Birkenfeld, Das große Umsatzsteuer-Hdb., I, §37 Rn. 220; Lippross, Umsatzsteuer, 19. Aufl. 1996, S. 177; Bunjes/Geist, UStG, 4. Aufl., § 2 Anm. 33, m.w.N.) kann eine mittelbare Beteiligung einer Personengesellschaft an einer Kapitalgesellschaft für deren finanzielle Eingliederung ausreichen. Der Senat schließt sich dieser Auffassung an.

Eine finanzielle Eingliederung bei mittelbarer Beteiligung liegt vor, wenn die Mehrheit der Anteile oder Stimmrechte an der Organgesellschaft von den Gesellschaftern der Organträgergesellschaft (Muttergesellschaft) gehalten wird, so daß in beiden Gesellschaften dieselben Gesellschafter zusammen über die Mehrheit der Anteile oder Stimmrechte verfügen und damit der Organträger mittelbar seinen Willen auch in der Organgesellschaft durchsetzen kann. Im Streitfall sind diese Voraussetzungen gegeben; GT ist an der GmbH zu 100 % und an der Kl. selbst zu 95 % beteiligt. Damit ist die GmbH als Organgesellschaft in das übergeordnete Unternehmen der Kl. (Organträgerin) eingegliedert. Entgegen der Auffassung der Kl. steht einer mittelbaren Beherrschung nicht entgegen, daß nach § 709 Abs. 1 BGB für jedes ihrer Geschäfte die Zustimmung aller Gesellschafter erforderlich ist. Die Frage der Einflußnahme auf die GmbH stellt sich erst, wenn sich die Gesellschafter der Kl. auf ein Geschäft geeinigt haben. Die so vereinbarten Maßnahmen können dann über die Beteiligung des Gesellschafters GT in der GmbH im Sinne der Kl. durchgesetzt werden.

Das FG stützt sich zu Unrecht auf die Urt. des FG München v. 17.9.1987 – III (XIV) 275/81 U (EFG 1988, 90 = GmbHR 1988, 327) und v. 20.1.1994 – 14 K 3745/90 (EFG 1994, 1020 = GmbHR 1995, 141 [LS]). In diesen Fällen ging es um das Verhältnis von zwei (Schwester-) Kapitalgesellschaften, deren Anteile ausschließlich von natürlichen Personen im Privatvermögen gehalten wurden. Der erkennende Senat hat sich mit Urt. v. 18.12.1996 – XI R 25/94 (BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441) – unter Bestätigung des FG-Urt. v. 20.1.1994 – 14 K 3745/90 (EFG 1994, 1020 = GmbHR 1995, 141 [LS]) – der Auffassung angeschlossen, daß in diesen Fällen eine Organschaft zwischen den beiden Kapitalgesellschaften nicht vorliegt, weil keine der beiden in das Gefüge des anderen Unternehmens eingeordnet ist. Der Senat selbst hat in dem Urt. v. 18.12.1996 – XI R 25/94 (BFHE 182, 392, BStBl II 1997, 441) aber auch ausdrücklich dahinstehen lassen, ob eine ausschließlich mittelbare Beteiligung einer Personengesellschaft an einer Kapitalgesellschaft für deren finanzielle Eingliederung ausreichend ist.
 
 

3. Wirtschaftliche Eingliederung insbesondere bei Betriebsaufspaltung

Für die wirtschaftliche Eingliederung ist charakteristisch, daß die Organgesellschaft im Gefüge des übergeordneten Organträgers als dessen Bestandteil erscheint. Insbesondere in den Fällen der Betriebsaufspaltung kann das der Fall sein, wenn der Organträger der Organgesellschaft die wesentlichen Betriebsgrundlagen überläßt (BFH v. 9.3.1993 – V R 124/89, BFHE 172, 541 = BStBl. II 1994, 129 = GmbHR 1994, 195 und v. 17.8.1994 – V B 147/92, BFH/NV 1995, 749; Mößlang/Klenk in Sölch/Ringleb/List, Umsatzsteuerrecht, § 2 Rn. 94; Stadie in Rau/Dürrwächter, UStG, 8. Aufl., § 2 Rn. 693; vgl. auch Birkenfeld, Das große Umsatzsteuer-Hdb., I, § 37 Rn. 224 f.).

Das FG hat zu der Frage der wirtschaftlichen Eingliederung keine Feststellungen getroffen. Zwar überließ die Kl. der GmbH das unbewegliche Anlagevermögen zur Nutzung. Ob es sich dabei aber um wesentliche Grundlagen der GmbH handelt, ist nicht eindeutig. Auch die Beteiligten haben sich dazu in der mündlichen Verhandlung unterschiedlich geäußert. Zweifel bestehen darüber hinaus deshalb, weil die GmbH nach den Feststellungen des FG selbst Eigentümerin zahlreicher bebauter und unbebauter Grundstücke war.
 
 
 
 
 
 

* Leitsatz der Redaktion.

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