Liquidator: Gerichtliche Bestellung nach Amtslöschung und Vorhandenseins weiteren Vermögens

GmbHG n.F. § 66 Abs. 5; LöschG § 2 Abs. 3

1. Wenn eine GmbH im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit gelöscht wurde und Vermögen vorhanden ist, das der Verteilung unterliegt, kommt nur eine gerichtliche Bestellung eines Liquidators in Betracht.

2. Eine 1925 in Mühlhausen/Thüringen gegründete und dort noch heute eingetragene GmbH, die von 1940 bis 1990 staatlicher Verwaltung unterlag, besteht nach der Wiedervereinigung in Thüringen fort, auch wenn 1951 die Sitzverlegung der Gesellschaft nach Wiesbaden in das Handelsregister des AG Wiesbaden eingetragen wurde.

OLG Frankfurt a. M., Beschl. v. 30.6.1999 – 20 W 293/97

Gründe:

I.

Im Jahr 1925 wurde die K-GmbH gegründet und in das Handelsregister des AG Mühlhausen/Thüringen ... eingetragen. ...

Nach dem bei den Akten befindlichen beglaubigten Handeleregisterauszug v. 5.8.1996 stand die Gesellschaft, deren Gesellschafter französische Staatsangehörige waren, während des zweiten Weltkriegs und danach bis zur deutschen Vereinigung unter Verwaltung bzw. Treuhandschaft.

Laut Eintragung v. 1.7.1940 wurde JW, einer der beiden Geschäftsführer, aufgrund der Verordnung v. 15.1.1940 (d.i. die Verordnung über die Behandlung feindlichen Vermögens, RGBl. I, 191) zum Verwalter bestellt. Diese Bestellung wurde am 3.4.1946 aufgehoben (Eintragung v. 22.9.1947).

Laut Eintragung v. 13.11.1947 wurde JW durch den Treuhänder für das Vermögen der alliierten Staaten und ihrer Staatsangehörigen in Berlin-Charlottenburg zum Verwalter bestellt. Durch Beschluß des Treuhänders v. 6.8.1948 wurde die Verwaltung aufgehoben und der Verwalter abberufen (Eintragung v. 10.9.1948).

Laut Eintragung v. 24.3.1951 wurde die VVB in Gera, gesetzlich vertreten durch Hauptdirektor E in Gera, unter Bezugnahme auf die Verfügung des Ministeriums für Industrie und Aufbau v. 19.2.1951 zum Treuhänder bestellt.

Laut Eintragung v. 24.12.1952 "besteht Verwaltung gemäß Verordnung v. 6.9.1951" (d.i. die Verordnung über die Verwaltung und den Schutz ausländischen Eigentums in der DDR, GBl. S.839).

Laut Eintragung v. 3.11.1995 ist die Gesellschaft aufgelöst und W, der Beteiligte zu 2), zum Liquidator bestellt.

Die Eintragung v. 3.11.1995 beruht auf dem Beschl. des AG Mühlhausen/Thüringen vom selben Tag. Darin wird die Auflösung der Gesellschaft nach ß 57 Abs. 1 DM-BilG festgestellt und die Bestellung des Beteiligten zu 2) zum Notliquidator mit dem Ende der gesetzlichen Vertretung durch die Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben und dem Umstand begründet, daß die Gesellschafter nicht bekannt sind.

II.

Auf Anmeldung durch JW v. 19.7.1951 wurde die K-GmbH am 30.7.1951 beim AG Wiesbaden unter HRB ... eingetragen. Der Anmeldung war u. a. eine Kopie einer Abschrift des Registerblattes des AG Mühlhausen/Thüringen – Stand 10.9.1948 – beigefügt. Die eingereichte Gesellschafterliste weist die Herren ... als Gesellschafter aus.

Im Registerblatt ... ist unter der laufenden Nr. 1 der Eintragungen in Spalte 6 u.a. eingetragen, daß der Sitz der Gesellschaft von Mühlhausen nach Wiesbaden verlegt ist.

Eine registergerichtliche Beteiligung des AG Mühlhausen/Thüringen bei der Eintragung der Sitzverlegung ist – soweit ersichtlich–  unterblieben. In der Anmeldung war darum ausdrücklich gebeten worden.

Am 6.12.1979 wurde die Gesellschaft, deren Stammkapital zunächst mit 4.000.000 RM, nach vorläufiger Neufestsetzung 1954 mit 2.000.000 DM, nach endgültiger Neufestsetzung 1960 mit 1.200.000 DM und nach einer Kapitalherabsetzung 1976 mit 20.000 DM angegeben war, wegen Vermögenslosigkeit nach dem LöschG gelöscht.

Am 16.7.1996 beantragte der Beteiligte zu 1), der zuletzt Geschäftsführer der Gesellschaft war, beim AG Wiesbaden, die im Handelsregister gelöschte Firma als in Liquidation befindlich wieder einzutragen und ihn zum Notliquidator zu bestellen.

Am 19.7.1996 übersandte der Notar R, Frankfurt a. M., dem AG Wiesbaden eine beglaubigte Abschrift seiner Urkunde ... mit entsprechender Anmeldung und beantragte die Eintragung im Handelsregister.

Nach dem Inhalt der notariellen Urkunde hielt der Beteiligte zu 1) am 19.7.1996 eine außerordentliche Gesellschafterversammlung der vormals beim AG Wiesbaden eingetragenen K-GmbH ab, und zwar als Vertreter der beiden Gesellschafter, der Firma R, Vaduz/Schweiz, und der Firma R & Co. KG mit Sitz in Neu-Isenburg. Diese hatten die Geschäftsanteile 1969 erworben.

Der Beteiligte zu 1) faßte am 19.7.1996 folgende Beschlüsse:

"1.Die Gesellschaft lebt wieder auf und wird im Handelsregister neu eingetragen und zwar als in Liquidation befindlich.

2.Der Notliquidator, Herr Rechtsanwalt W, Berlin, wird mit sofortiger Wirkung als Notliquidator abberufen.

3.Zum neuen Liquidator wird der frühere Geschäftsführer, Herr J, mit sofortiger Wirkung bestellt.

Herr J vertritt die Gesellschaft alleine, solange er alleiniger Liquidator ist, ansonsten vertritt er die Gesellschaft gemeinschaftlich mit einem anderen Liquidator."

In der Urkunde ist im übrigen zum Ausdruck gebracht, daß die Wiederauflebung der Gesellschaft notwendig sei, da sich noch erhebliches Firmenvermögen – Grundvermögen – der K-GmbH, Wiesbaden, in Thüringen befinde. Der Wert des Grundvermögens ist mit ca. 1 Mio DM angegeben.

Durch Beschl. v. 26.8.1996 hat das AG Wiesbaden die Anträge v. 16.7.1996 abgewiesen. Aus den Gründen der Entscheidung ergibt sich, daß sich die Abweisung auch auf die Anträge v. 19.7.1996 beziehen soll.

Die Beschwerde, mit der der Beteiligten zu 1) seinen Antrag auf Abberufung des Beteiligten zu 2) als Notliquidator nicht mehr weiterverfolgt, hat das LG Wiesbaden durch Beschl. v. 7.5.1997 zurückgewiesen.

Gegen die LG-Entscheidung wendet sich der Beteiligte zu 1) mit der weiteren Beschwerde.

III.

Die weitere Beschwerde ist zulässig, aber – abgesehen davon, daß sie zur Herabsetzung des Beschwerdewerts führt – unbegründet.

Das Gesetz sieht nach der Löschung einer GmbH wegen Vermögenslosigkeit eine Eintragung des Fortbestehens der Gesellschaft aufgrund eines Gesellschafterbeschlusses und die Eintragung von Liquidatoren, die von den Gesellschaftern bestellt worden sind, nicht vor.

Mit der Löschung einer GmbH wegen Vermögenslosigkeit gilt die Gesellschaft als aufgelöst. Eine Liquidation findet nur statt, wenn sich nach der Löschung das Vorhandensein von Vermögen herausstellt, das der Verteilung unterliegt (ß 2 Abs. 1 S. 2 und 3, Abs. 3 LöschG bis 31.12.1998 und ß 66 Abs. 5 GmbHG seit 1.1.1999). Mit der Löschung endet die Vertretungebefugnis der Geschäftsführer. Schon aus dem Gesetzeswortlaut folgt, daß Liquidatoren nur durch das Gericht und nicht durch die Gesellschafterversammlung bestellt werden können (vgl. dazu BayObLG v. 7.1.1998 – 3Z BR 491/97, ZIP 1998, 421 = Rpfleger 1998, 205 = BB 1998, 1495 = NZG 1998, 228 = NJW-RR 1998, 1333 = GmbHR 1998, 384; vgl. dazu auch KG Berlin v. 7.7.1998 – 1 W 6250/96, DB 1998, 362 = KG-Report Berlin 1998, 355 = Rpfleger 1998, 520 = FGPrax 1998, 227 = NZG 1999, 163 = AG 1999, 123; OLG Stuttgart v. 24.3.1994 – 8 W 99/94, Justiz 1994, 342 = NJW-RR 1994, 1064 = Rpfleger 1994, 424 = GmbHR 1994, 485; BGH v. 18.4.1985 – IX ZR 75/84, ZIP 1985, 676 = BB 1985, 1148 = DB 1985, 1579 = EWiR 1985, 399 = NJW 1985, 2479 = MDR 1986, 139 = WM 1985, 870 = GmbHR 1985, 325).

Soweit es (wie hier) um das Vorhandensein von Vermögen geht, das der Verteilung unterliegt, kommt eine Liquidation oder Nachtragsliquidation nach allgemeinen gesellschaftsrechtlichen Regeln nicht in Betracht (vgl. dazu KG Berlin v. 7.7.1998 – 1 W 6250/96, DB 1998, 362 = KG-Report Berlin 1998, 355 = Rpfleger 1998, 520 = FGPrax 1998, 227 = NZG 1999, 163 = AG 1999, 123). Deshalb kommt es hier auch nicht darauf an, daß auch Liquidatoren nach ß 273 Abs. 4 AktG (entsprechend) nur durch das Gericht und nicht durch die Gesellschafterversammlung bestellt werden können.

Danach ist eine Eintragung der Beschlüsse der Gesellschafterversammlung v. 19.7.1996 aus Rechtsgründen ausgeschlossen.

Nach Auffassung des Senats sind auch die Voraussetzungen für die gerichtliche Bestellung eines Liquidators nach ß 2 Abs. 3 LöschG, ß 66 Abs. 5 GmbHG n. F. für die von 1951 bis 1979 im Handeslregister des AG Wiesbaden eingetragene Gesellechaft hier nicht gegeben, weil die im Handelsregister des AG Mühlhausen/Thüringen eingetragene Gesellschaft fortbesteht.

Deren Gesellschafter sind zu keinam Zeitpunkt förmlich enteignet worden. Die Geschaftsanteile und das Gesellschaftsvermögen sind auch nicht aus anderen Gründen endgültig auf einen neuen Rechtsträger übergegangen. Dies gilt sowohl für die Zeit von 1940 bis 1945 als auch für die Zeit von 1945 bis 1990. Nach ß 14 der Verordnung über die Behandlung feindlichen Vermögens v. 15.1.1940 ruhten während der Dauer der Verwaltung die Befugnisse der Leiter und der sonst zur Vertretung oder Verwaltung befugten Personen sowie die Befugnisse aller Organe. Nach der Verordnung über die Verwaltung und den Schutz ausländischen Eigentums in der DDR v. 6.9.1951, die sich auf das am 8.5.1945 vorhandene ausländische Vermögen bezieht (ß 1 Abs. 2), sollte die endgültige Regelung der das ausländische Vermögen betreffenden Fragen "bei Abschluß des Friedensvertrags mit Deutschland" erfolgen (ß 1 Abs. 3, vgl. auch ß 5 Abs. 2).

Auch die Eintragung der K-GmbH in das Handelsregister des AG Wiesbaden hat nicht zu einer Beendigung der beim AG Mühlhausen/Thüringen eingetragenen Gesellschaft geführt, auch wenn sie im Handelsregister des AG Wiesbaden als Sitzverlegung beschrieben ist.

Nach Auffassung des Senats konnen die von der Rspr. für die Sitzverlegung enteigneter Unternehmen/Gesellschaften aufgestellten Grundsätze (vgl. dazu BGH, NJW 1958, 671; OLG Düsseldorf, NJW 1950, 470 und NJW 1962, 869; Beitzke, MDR 1949, 761) nicht ohne weiteres auf GmbH übertragen werden, die in der DDR unter staatlicher Verwaltung standen.

Die rechtlichen Konstruktionen, nach denen die Zulässigkeit von Sitzverlegungen von enteigneten Kapitalgesellschaften bzw. das Bestehen und die Eintragungsfähigkeit von Restgesellschaften und Spaltgesellschaften (vgl. dazu v. Staudinger/Großfeld, 1998, IntGesR, Rn. 811, 832 ff.) angenommen wurde, beruhten ersichtlich auf der Annahme nicht nur vorübergehender Verfügungsbeschränkungen.

Erst nachdem sich die staatliche Verwaltung als vorübergehend erwiesen hat, läßt sich beurteilen, welche Auswirkungen die staatlichen Zwangmaßnahmen auf den (Fort-) Bestand einer Gesellschaft in der DDR gehabt haben. Nach Auffassung des Senats ist die K mit Sitz in Mühlhausen/Thüringen nicht untergegangen, so daß auch nicht angenommen werden kann, daß es sich bei der Gesellschaft in Wiesbaden um eine Restgesellschaft gehandelt haben könnte, die nach der Wiedervereinigung wieder in allen Bundesländern existiert und Herrin des ganzen Vermögens ist (vgl. v. Staudinger/Großfeld, 1998, IntGesR, Rn. 953).

Für die Meinung des Senats sprechen die Fortgeltung des GmbHG v. 20.4.1892 in der DDR (vgl. dazu Rowedder/Rittner/Schmidt-Leithoff, GmbHG, 3. Aufl., Einl. Rn. 314), der Fortbestand der Handelsregistereintragung beim AG in Mühlhausen/Thüringen, aber auch das Gesetz zur Regelung offener Vermögensfragen v. 23.9.1990.

Im übrigen ist der Senat mit dem KG Berlin (v. 28.5.1996 – 14 U 5116/94, KG-Report Berlin 1996, 188) der Meinung, daß die Anordnung staatlicher Verwaltung über das Vermögen einer GmbH aufgrund der Verordnung über die Verwaltung und den Schutz ausländischen Eigentums in der DDR v. 6.9.1951 einer Enteignung nicht gleichgestellt werden kann.

Für den Senat folgt daraus, daß die beim AG Mühlhausen/Thüringen eingetragene K-GmbH – unabhängig von den Gesellschafterrechten an dem außerhalb der DDR belegenen Gesellschaftsvermögen und den Eintragungen in dem Handelsregister des AG Wiesbaden – nicht erloschen ist, wobei offenbleiben kann, ob die Gesellschaft in Mühlhausen als Spaltgesellschaft anzusehen oder nur gleich zu behandeln ist (zur Spaltgesellschaft nach der Wiedervereinigung v. Staudinger/Großfeld, 1998, IntGesR, Rn. 954).

Dann aber sind – für das registergerichtliche Verfahren – ausreichende Anhaltspunkte dafür, daß die im Handelsregister des AG Wiesbaden gelöschte Gesellschaft noch über Vermögen verfügt, das der Verteilung unterliegt, nicht vorhanden. ...

Einsender: Vors.RiOLG Karl Friedrich Piorreck, Frankfurt a. M.