GmbH & Co. KG: Keine Einspruchs- und Klagebefugnis nach Vollbeendigung infolge Umwandlung oder Auflösung wegen Vermögenslosigkeit

FGO § 57, § 58

Nach Vollbeendigung einer Personengesellschaft sind allein die von dem angefochtenen Feststellungsbescheid betroffenen Gesellschafter einspruchs- und klagebefugt; das gilt sowohl für den Fall ihrer Umwandlung auf eine Kapitalgesellschaft als auch für den Fall ihrer Auflösung wegen Vermögenslosigkeit.*

BFH, Urt. v. 28.3.2000 -- VIII R 6/99

Aus den Gründen:

I.

Die Kl. – eine Einmann-GmbH & Co. KG – hatte im Streitjahr 1991 ihr gehörende Grundstücke an ihre Gesellschafter – die M-GmbH und den Kommanditisten M – veräußert. Die KG wurde zum 1.1.1994 aufgelöst, am 29.6.1994 im Handelsregister gelöscht. M hatte dem Amtsgericht mitgeteilt, daß die M-GmbH sämtliche Anteile der Kl. übernommen habe. Dementsprechend ging auch der Prüfer im Anschluß an eine bei der Kl. durchgeführten Außenprüfung davon aus, daß in diesem Zeitpunkt kein Betriebsvermögen mehr vorhanden gewesen sei und daß deshalb die im Sonderbetriebsvermögen des M gehaltenen Beteiligungen an der M-GmbH und einer weiteren GmbH mit der Vollbeendigung der KG in das Privatvermögen des M übergegangen seien (...).

Das FA erließ am 1.2.1996 gegenüber der Kl. einen Feststellungsbescheid. Diesen richtete es, ebenso wie die Einspruchsentscheidung v. 16.1.1997 und einen späteren Änderungsbescheid v. 9.10.1997, an die Kl. Den Feststellungsbescheid gab es M als dem von der Kl. benannten Empfangsbevollmächtigten bekannt, die Einspruchsentscheidung dem Steuerberater B der Kl., der den Einspruch für diese eingelegt hatte, und den während des Klageverfahrens ergangenen Änderungsbescheid dem Prozeßbevollmächtigten der Kl. im finanzgerichtlichen Verfahren. In einem Schr. v. Oktober 1999 teilte das FA dem Prozeßbevollmächtigten der Kl. mit, daß es "die Problematik der Beteiligtenfähigkeit der Kl. schlicht übersehen" habe.

Mit der Klage beantragte die Kl., unter Abänderung des Bescheids über die gesonderte und einheitliche Feststellung der Besteuerungsgrundlagen 1991 den Gewinn aus Gewerbebetrieb auf 265.931 DM festzustellen. Das FG hat die Klage als unbegründet abgewiesen.

Mit der Revision rügt die Kl. Verletzung materiellen und formellen Rechts (§ 4 Abs. 1 S. 2, § 6 Abs. 1 Nr. 4, § 15 EStG, § 124 Abs. 3, § 125 AO 1977, § 96, § 76 Abs. 2 FGO, § 278 Abs. 3 ZPO).

Sie trägt dazu im wesentlichen vor, daß die Anmeldung zum Handelsregister nicht richtig gewesen sei; vielmehr sei die KG 1994 nur aufgelöst und die GmbH-Anteile des M in dessen Privatvermögen überführt worden. Die Kl. habe ausweislich des am 23.2.1996 ergangenen GewSt.-Bescheids in diesem Zeitpunkt noch Aktivvermögen in Form eines GewSt.-Erstattungsanspruchs von 101.008 DM gehabt. Die Kl. sei zumindest bis zu diesem Zeitpunkt -- also noch bei Einlegung des Einspruchs gegen den Feststellungsbescheid -- existent gewesen. ...

II.

Die Revision ist nicht begründet. Sie war deshalb zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).

1. Zulässigkeit der Revision

Die Revision ist zulässig.

Das gilt unabhängig davon, daß die Kl. schon im Klageverfahren nicht mehr beteiligten- und prozeßfähig war (s. nachfolgend zu 2.). Dies wurde zwar von den Beteiligten im Revisionsverfahren erkannt und ist inzwischen unstreitig. Die Revision darf deshalb aber nicht als unzulässig verworfen werden; vielmehr ist die Kl. bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens als beteiligten- und prozeßfähig zu behandeln (st. Rspr., vgl. u.a. BFH v. 3.12.1971 – III R 44/68, BFHE 105, 230, BStBl II 1972, 541, unter 4.; Gräber, FGO, 4. Aufl., § 58 Rn. 5 und vor § 115 Rn. 22, m.w.N.). Die Kl. muß die Möglichkeit haben, ein zu Unrecht gegen sie ergangenes Urteil zu beseitigen.

2. Keine Beteiligtenfähigkeit im Zeitpunkt der Klageerhebung

Die Revision ist jedoch unbegründet mit der Maßgabe, daß die Klage als unzulässig abzuweisen war. Das FG durfte über den Klageantrag nicht sachlich entscheiden.

a) Die Klage war unzulässig.

aa) Die Kl. war im Zeitpunkt der Klageerhebung nicht mehr beteiligtenfähig (§ 57 FGO). Der Senat kann in diesem Zusammenhang offen lassen, ob die Kl. durch Umwandlung auf ihre Komplementär-GmbH voll beendet wurde (so das FA) oder durch Auflösungsbeschluß, nachdem sie ihr ganzes Vermögen in den vorausgehenden Jahren veräußert hatte (so die Kl.). Die Befugnis der Personengesellschaft, für ihre Gesellschafter Rechtsbehelfe gegen Gewinnfeststellungsbescheide einzulegen, entfällt mit ihrer Vollbeendigung. Nach Vollbeendigung der Personengesellschaft sind allein die von dem angefochtenen Feststellungsbescheid betroffenen Gesellschafter einspruchs- und klagebefugt. Das gilt sowohl für den Fall der Umwandlung der Personengesellschaft auf eine Kapitalgesellschaft (vgl. u.a. BFH v. 8.10.1998 – VIII B 61/98, BFH/NV 1999, 291, unter 1.c, m.w.N.) als auch für den Fall ihrer Auflösung wegen Vermögenslosigkeit (vgl. u.a. BFH v. 12.12.1995 – VIII R 59/92, BFHE 179, 335 = BStBl. II 1996, 219, m.w.N.). Von der Vermögenslosigkeit der Kl. ist spätestens mit Begleichung des GewSt.-Erstattungsanspruchs durch die Stadt A während des Einspruchsverfahrens auszugehen. Ab diesem Zeitpunkt sind Verfahrensbeteiligte nur noch M und die M-GmbH.

bb) Die Kl. konnte auch nicht deshalb als Verfahrensbeteiligte behandelt werden, weil sich die Klage gegen eine gegenüber der Kl. ergangene Einspruchsentscheidung richtet. Der Senat hat zwar eine solche Klage insoweit als zulässig angesehen, als mit ihr – nur – die ersatzlose Aufhebung der Einspruchsentscheidung begehrt wird; werden mit ihr aber materiell-rechtliche Mängel geltend gemacht, ist die Klage als unzulässig abzuweisen (BFH v. 11.7.1989 – VIII R 53/88, BFH/NV 1990, 178; v. 8.10.1991 – VIII R 85/88, BFH/NV 1992, 324, a.E.).

cc) Die Klage kann auch nicht als solche der ehemaligen Gesellschafter M und M-GmbH ausgelegt oder in eine solche Klage umgedeutet werden.

Die Einspruchsentscheidung ist an die Kl. gerichtet, die Klage eindeutig für diese erhoben, die Vollmacht durch M im Namen der Kl. ausgestellt. Unter diesen Umständen ist es nicht möglich, die Klage als solche der ehemaligen Gesellschafter auszulegen (vgl. u.a. auch BFH v. 8.10.1998 – VIII B 61/98, BFH/NV 1999, 291, unter 2.). Der BFH hat zwar bei der zulässigen Klage einer Gesellschaft die Möglichkeit bejaht, daß die Klage auch im Namen des prozeßführungsbefugten Gesellschafter-Geschäftsführers erhoben wurde, wenn dieser später eine entsprechende Prozeßerklärung abgibt (vgl. dazu BFH v. 26.3.1980 – I R 87/79, BFHE 131, 1 = BStBl. II 1980, 586; v. 29.6.1995 – VIII R 20/94, BFH/NV 1996, 52, m.w.N.; vgl. auch – für den umgekehrten Fall – BFH v. 17.9.1992 – IV R 110/90, BFH/NV 1993, 476; v. 11.11.1998 – IV B 134/97, BFH/NV 1999, 590). Eine unzulässige Klage kann aber nicht in diesem Sinne ausgelegt werden (vgl. dazu BFH v. 11.7.1989 – VIII R 53/88, BFH/NV 1990, 178; v. 8.10.1991 – VIII R 85/88, BFH/NV 1992, 324, a.E.). Ergebnis der Auslegung könnte zudem nur sein, daß weitere Kl. die M-GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin der Kl. ist (BFH v. 14.6.1988 – VIII R 368/83, BFHE 154, 201, BStBl II 1988, 1008; v. 2.5.1990 – VIII R 20/86, BFH/NV 1991, 219; v. 14.11.1995 – VIII R 8/94, BFHE 179, 216, BStBl II 1996, 297, unter 2.b]bb]); eine solche Auslegung läßt aber weder die Klageschrift noch die eingereichte Prozeßvollmacht zu.

Auch eine Umdeutung der Klage in eine solche der ehemaligen Gesellschafter ist nicht möglich. Der BFH hat eine Umdeutung von Prozeßhandlungen steuer- und rechtsberatender Berufe stets abgelehnt (vgl. u.a. BFH v. 24.9.1970 – II B 28/70, BFHE 100, 83 = BStBl. II 1970, 813; v. 30.1.1990 – VII B 99/89, BFH/NV 1990, 718; v. 16.4.1993 – I B 156/92, BFH/NV 1994, 180, jeweils m.w.N.).

b) Der Senat entscheidet in der Sache selbst. Die Entscheidung des FG stellt sich im Ergebnis als richtig dar (§ 126 Abs. 4 FGO). Die Beteiligtenfähigkeit ist als Sachentscheidungsvoraussetzung in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen; steht nach dieser Prüfung fest, daß es zu einer sachlichen Entscheidung nicht mehr kommen kann, ist das Verfahren in der Revisionsinstanz abzuschließen (vgl. u.a. BFH v. 11.7.1989 – VIII R 53/88, BFH/NV 1990, 178; Gräber/Ruban, FGO, 4. Aufl., § 119 Rn. 3, m.w.N.).

Da die Klage offensichtlich unzulässig war, entfällt auch eine Zurückverweisung der Sache zur Nachholung einer Beiladung der ehemaligen Gesellschafter (vgl. dazu u.a. BFH v. 8.10.1991 – VIII R 85/88, BFH/NV 1992, 324, unter 3.).

c) War die Klage als unzulässig abzuweisen, kann die Kl. auch mit ihrem Hilfsantrag auf Aufhebung der Feststellungsbescheide bzw. der Einspruchsentscheidung keinen Erfolg haben. Nach der Feststellung der fehlenden Beteiligtenfähigkeit der Kl. könnte diesem Begehren selbst dann nicht mehr entsprochen werden, wenn die Bescheide unwirksam wären.

Der Senat weist lediglich ergänzend darauf hin, daß dieser Antrag auch unbegründet wäre. Da sich Feststellungsbescheide nach der Rspr. des BFH auch bei Adressierung an die Gesellschaft an deren Gesellschafter richten, könnten die Bescheide nur unwirksam sein, wenn sie den Betroffenen nicht bekannt gegeben worden wären (vgl. dazu etwa BFH v. 20.6.1989 – VIII R 366/83, BFH/NV 1990, 208). Das ist hier aber nicht der Fall. Nach § 366 S. 2 i.V.m. § 122 Abs. 1 S. 3 AO 1977 konnte die Einspruchsentscheidung aber auch ohne den Nachweis einer schriftlichen Vollmacht wirksam gegenüber dem Steuerberater B, der den Einspruch für die Kl. eingelegt hatte, als Bevollmächtigtem bekannt gegeben werden (vgl. u.a. Klein/Brockmeyer, AO, 6. Aufl., § 122 Anm. 3; Koch/Scholtz, AO, 5. Aufl., § 80 Rn.6, § 122 Rn. 22; Tipke/Kruse, AO/FGO, 16. Aufl., § 122 AO Tz. 42, 43, § 80 Tz. 4; vgl. auch – für die Zustellung nach §8 Abs.1 S.1 des Verwaltungszustellungsgesetzes – BFH v. 27.2.1986 – IV R 72/85, BFHE 146, 206 = BStBl. II 1986, 547; v. 18.1.1995 – I B 181/93, BFH/NV 1995, 852). Zumindest in diesem Fall ist der Bevollmächtigte auch Empfangsbevollmächtigter. Für ihn gilt deshalb auch die in § 183 Abs. 3 AO 1977 getroffene besondere – aber § 80 Abs. 3 AO 1977 entsprechende – Regelung für das Weiterbestehen der Empfangsvollmacht. Danach können Feststellungsbescheide ihm gegenüber u.a. auch mit Wirkung für einen ausgeschiedenen Gesellschafter bekannt gegeben werden, soweit und solange dieser nicht widersprochen hat. Dies gilt auch dann, wenn das FA – wovon hier auszugehen ist – Kenntnis von dessen Ausscheiden hatte (BFH v. 7.2.1995 – IX R 3/93, BFHE 177, 22 = BStBl. II 1995, 357), und auch dann, wenn die Gesellschaft im Zeitpunkt der Bekanntgabe des Verwaltungsakts nicht mehr i.S.v. § 183 Abs. 2 S. 1 AO 1977 "besteht" (Klein/Brockmeyer, AO, 6. Aufl., § 183 Anm. 6 a; Kühn/Hofmann, AO, 17. Aufl., § 183 Anm. 3 a; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO/FGO, 10. Aufl., § 183 AO Rn. 90; Tipke/Kruse, AO/FGO, 16. Aufl., § 183 AO Tz. 26). Da die Bezeichnung der nicht mehr existenten Kl. als Inhaltsadressatin unschädlich ist, ist der Feststellungsbescheid mit seiner Bekanntgabe an den Bevollmächtigten sowohl gegenüber der M-GmbH als auch gegenüber M wirksam geworden. ... – sg –
 

* Leitsatz der Redaktion.