Gesellschafter-Geschäftsführer: Wirksamkeit einer weiten Zweckerklärung bei Bürgschaftsübernahme für der GmbH gewährten Bankkredit

BGB §§ 138, 242, 765, HWiG § 1 Abs. 1

1. Die geänderte Rechtsprechung des BGH zur Wirksamkeit weiter Zweckerklärungen bei Bürgschaften ist dann nicht anwendbar, wenn der Geschäftsführer einer GmbH eine Bürgschaft für dieser gewährte Darlehen übernommen hat.

2. Eine nach § 9 AGBG unwirksame Zweckerklärung wäre in dem Umfang aufrechtzuerhalten, daß die Bürgschaft alle bestehenden und künftigen, auch bedingten und befristeten Forderungen der Bank gegen die Hauptschuldnerin aus dem zugrunde liegenden Kontokorrentverhältnis sichert, wie es bei Abgabe der Bürgschaft bestanden hat.

3. Anwendung der Grundsätze über die Sittenwidrigkeit von Angehörigenbürgschaften auf einen konkreten Einzelfall, in welchem die Ehefrau Geschäftsführerin der schuldenden GmbH und maßgeblich an dieser beteiligt ist.

4. Ein Bürgschaftsvertrag, der zur Absicherung einer Verbindlichkeit geschlossen wird, die der Hauptschuldner im Rahmen seiner Erwerbstätigkeit eingegangen ist, ist kein Geschäft i.S.d. § 1 Abs. 1 HWiG oder der Richtlinie 85/577/EWG.

OLG München, Urt. v. 7.5.1999 – 21 U 6544/98
(nicht rechtskräftig; ZIP 1999, 1433)

Aus dem Tatbestand:

Die Kl. nimmt die Bekl. aus Bürgschaft in Anspruch.

Die Bekl. unterzeichnete am 31.12.1990 eine Bürgschaftserklärung ohne zeitliche und betragsmäßige Beschränkung zugunsten der Kl. zur Sicherung aller bestehenden und künftigen Forderungen der Sparkasse gegen die Hauptschuldner LM-Reisen GmbH, O-GmbH, OG-GmbH und Herrn RM-B, den Ehemann der Bekl., aus deren Geschäftsverbindung. An die OG-GmbH wurde von der Kl. am 14.6.1991 ein Kontokorrentkredit i.H.v. 500.000 DM (Konto-Nr. 60) ausgereicht. Anläßlich einer Krediterhöhung durch ein Gewerbedarlehen v. 4.6.1992 über 200.000 DM (Darlehens-Konto-Nr. 50; Girokonto-Nr. 60) unterschrieb die Bekl. die weitere Bürgschaftserklärung v. 4.6.1992 zur Sicherung aller bestehenden und künftigen Forderungen der Sparkasse gegen die Hauptschuldnerin OG-GmbH. Die Bekl. war im Ergebnis Alleingesellschafterin der OG-GmbH und vom 3.4.1992 bis 29.12.1992 deren Geschäftsführerin.

Im Dezember 1994 wurde für die OG-GmbH Konkursantrag gestellt. Die Eröffnung des Konkursverfahrens wurde mangels Masse abgelehnt. Am 11.1.1995 kündigte die Kl. die Kreditverträge gegenüber der GmbH.

Unter Berücksichtigung von Teilzahlungen und der Beitreibung von Verwertungserlösen besteht aus dem Kontokorrentkredit noch ein Schuldsaldo von 592.305,13 DM zzgl. aufgelaufener Zinsen vom 2.3. bis 8.8.1995 i.H.v. 23.400,48 DM; auf dem Kreditkonto des Gewerbedarlehens (Nr. 50) besteht noch ein Schuldsaldo von 2.503,58 DM. Zusätzlich sind Vollstreckungskosten i.H.v. 54,58 DM angefallen.

Die Kl. hat die Bekl. aus der Bürgschaft vom 31.12.1990 und 4.6.1992 in Anspruch genommen. Das LG gab der Klage statt. ...

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Bekl. ist unbegründet.

Auch im Berufungsverfahren unstreitig schuldet die Hauptschuldnerin, die OG-GmbH, die mit der Klage geltend gemachten Beträge. Auf Grund des Bürgschaftsvertrags zumindest v. 4.6.1992 ist die Bekl. gegenüber der Kl. verpflichtet, für die Erfüllung dieser Verbindlichkeiten einzustehen (§§ 765, 767 BGB).

1. Keine Unzulässigkeit einer Globalbürgschaft bei Geschäftführer

Die grundsätzliche Unzulässigkeit formularmäßiger, nicht limitierter Globalbürgschaften, auch für zukünftige Ansprüche, aus der bankmäßigen Geschäftsverbindung (vgl. Pape, NJW 1997, 980 [984 f.] m.w.N.) steht im Streitfall der Haftung der Bekl. nicht entgegen.

Die jetzt noch bestehende Hauptforderung ist von der Bürgschaft der Bekl. gedeckt.

a) Die geänderte Rspr. des BGH zur Wirksamkeit weiter Zweckerklärungen ist dann nicht anwendbar, wenn es sich bei dem Bürgen um einen GmbH-Geschäftsführer handelt, der eine Bürgschaft für der GmbH gewährte Darlehen übernommen hat. Denn der Geschäftsführer hat es in der Hand, die Höhe der Kreditverbindlichkeiten der Gesellschaft zu kontrollieren und notfalls seine Bürgschaft zu kündigen, wenn er die Ausdehnung des Bürgenrisikos vermeiden will (BGH v. 24.9.1996 – IX ZR 316/95, NJW 1996, 3205 = ZIP 1997, 449).

Die Bekl. ist bei Erteilung der Bürgschaftserklärung vom 4.6.1992, nämlich vom 3.4.1992 bis 29.12.1992, alleinige Geschäftsführerin der Hauptschuldnerin OG-GmbH gewesen und hat als solche auch Einfluß auf Art und Höhe der Kreditverbindlichkeiten gehabt. Es wäre darüber hinaus Sache der Bekl. gewesen, vor der Beendigung ihrer Geschäftsführung, die dann wieder ihr Ehemann übernahm, ggf. dafür zu sorgen, daß eine Ausdehnung ihres Bürgenrisikos vermieden würde.

b) Auch wenn man von der damaligen Stellung der Bekl. als Geschäftsführerin der Hauptschuldnerin absieht, führt hier zu keinem anderen Ergebnis der Grundsatz, daß eine formularmäßige Ausdehnung einer Bürgschaft auf alle bestehenden und künftigen Ansprüche aus der Geschäftsverbindung einer Bank mit dem Hauptschuldner den Bürgen unangemessen i.S.v § 9 AGBG benachteiligt. Denn eine danach grundsätzlich unwirksame Zweckerklärung wäre in dem Umfang aufrechtzuerhalten, daß die Bürgschaft alle bestehenden und künftigen, auch bedingten und befristeten Forderungen der Bank gegen die Hauptschuldnerin aus dem zugrunde liegenden Kontokorrentverhältnis sichert, wie es bei Abgabe der Bürgschaft bestanden hat (vgl. BGH v. 2.7.1998 – IX ZR 255/97, NJW 1998, 2815 [2816] = ZIP 1998, 1349 m.w.N.).

Hier hat der Erteilung der Bürgschaft v. 4.6.1992 durch die Geschäftsführerin der Hauptschuldnerin das Kontokorrentverhältnis (Konto-Nr. 50) mit einem Kreditlimit von 500.000 DM und 200.000 DM zugrunde gelegen. Die Zweckerklärung hat insbesondere die Sicherung dieses der OG-GmbH eingeräumten Kontokorrentkredits zum Inhalt; Anlaß für die Bürgschaft der Bekl. war dieser um das Gewerbedarlehen von 200.000 DM aufgestockte Kontokorrentkredit von insgesamt 700.000 DM. Bis zu dieser Höhe des im Zeitpunkt der Bürgschaftserklärung vereinbarten Kreditlimits hat die Bekl. danach als Bürgin – unabhängig von ihrer damaligen Stellung als Geschäftsführerin der Hauptschuldnerin – für die Verbindlichkeit der Kreditnehmerin einzustehen. Selbst im Falle eines betragsmäßig nicht begrenzten Kontokorrentkredits wäre die Bürgschaft nicht insgesamt wirkungslos; vielmehr umfaßte dann die Verpflichtung des Bürgen der Höhe nach regelmäßig den Saldo der Hauptschuld am Tage seiner Willenserklärung (BGH v. 13.11.1997 – IX ZR 289/96, NJW 1998, 450 = ZIP 1998, 16).

2. Keine Sittenwidrigkeit der Bürgschaft

Der Senat teilt die Auffassung des LG, daß die Voraussetzungen einer Sittenwidrigkeit der Bürgschaften vom 31.12.1990 und 4.6.1992 nicht vorliegen. Es fehlen hier besondere Umstände, die das Geschäft nach seinem sich aus Inhalt, Beweggrund und Zweck ergebenden Gesamtcharakter bei Vertragsschluß als sittenwidrig erscheinen lassen.

Verpflichtet sich der Bürge in einem Umfang, der seine gegenwärtigen und zukünftig zu erwartenden Einkommens- und Vermögensverhältnis weit übersteigt, kann ein solcher Vertrag gemäß § 138 Abs. 1 BGB nichtig sein, wenn zusätzliche, dem Gläubiger zurechenbare Umstände zu einem unerträglichen Ungleichgewicht der Vertragsparteien führen. Solche Belastungen können sich insbesondere daraus ergeben, daß der Gläubiger die Geschäftsunerfahrenheit oder eine seelische Zwangslage des Bürgen ausnutzt oder auf andere Weise in seiner Entscheidungsfreiheit unzulässig beeinträchtigt (BGH v. 16.1.1997 – IX ZR 250/95, NJW 1997, 1980 [1981] = ZIP 1997, 446 m.w.N.). Der Umstand allein, daß eine Ehefrau für ihren Ehemann eine Bürgschaft übernimmt, die sie nicht voll erfüllen kann, macht dieses Rechtsgeschäft noch nicht sittenwidrig (BGH v. 18.1.1996 – IX ZR 171/95, NJW 1996, 1274 [1275] = ZIP 1996, 495).

Der – bestrittene – Vortrag der Bekl., die Mitarbeiter der Kl. hätten (im Widerspruch zu den Vermerken "pers. bek." auf den Bürgschaftsurkunden v. 31.12.1990 und 4.6.1992) sie, die Bekl., persönlich nicht gekannt, sie habe die Bürgschaften nicht in der Bank unterschrieben, sondern ihr Ehemann habe auf Verlangen der Kl. ihr die Bürgschaftsurkunde zur Unterschrift vorgelegt, hat keinen besonderen die Sittenwidrigkeit begründenden Umstand zum Inhalt. Ihrem Vortrag läßt sich weder entnehmen, daß sich die Bekl. keinesfalls in die Haftung habe einbinden lassen wollen, noch, daß die Kl. konkret Einfluß auf ihre (der Bekl.) Willensbildung genommen habe; ein Besuch eines Vertreters der Kl. bei ihr wird ebenfalls nicht behauptet (vgl. BGH v. 11.3.1997 – XI ZR 50/96, NJW 1997, 1773 [1775] = ZIP 1997, 923; v. 18.1.1996 – IX ZR 171/95, NJW 1996, 1274 [1276] = ZIP 1996, 495). Der Gläubiger darf i.d.R. annehmen, daß die Entscheidung, die Bürgschaft für einen dem Geschäftsbetrieb, aus dem die Familie ihren Lebensunterhalt zieht, und damit den verständigen Interessen beider Ehepartner dienenden Kredit zu erteilen, in freier Selbstbestimmung, ohne Mißbrauch der Vertragsfreiheit, getroffen wurde (BGH v. 5.1.1995 – IX ZR 85/94, WM 1995, 237 [238] = ZIP 1995, 203; v. 23.1.1997 – IX ZR 69/96, WM 1997, 467 [468] = ZIP 1997, 406; v. 18.12.1997 – IX ZR 271/96, NJW 1998, 597 [599] = ZIP 1998, 196 – II.2.). Tatsachen, die der Kl. die Erkenntnis hätten aufdrängen müssen, daß eine solche gemeinsame Basis fehlte, hat die damals als Gesellschafterin und Geschäftsführerin der Hauptschuldnerin fungierende Bekl. nicht bewiesen. Eine dem Familienbetrieb dienende, von beiden Partnern für sinnvoll erachtete Kreditgewährung dient darüber hinaus schon im Hinblick auf die gegenseitige Unterhaltspflicht zugleich auch den Interessen auch desjenigen Teils, der selbst nicht im Unternehmen tätig ist (BGH v. 18.1.1996 – IX ZR 171/95, NJW 1996, 1274 [1275] = ZIP 1996, 495; OLG Bamberg, NJW-RR 1998, 772, [773]).

Die Rechtsprechung zur Sittenwidrigkeit einer Bürgschaft einkommens- und vermögensloser Angehöriger ist auf die Bürgschaft eines GmbH-Geschäftsführers sowie eines Gesellschafters, der maßgeblich an der Hauptschuldnerin, einer GmbH beteiligt ist, grundsätzlich nicht anwendbar (vgl. BGH v. 24.9.1996 – IX ZR 316/95, NJW 1996, 3205 = ZIP 1997, 449; BGH v. 11.12.1997 – IX ZR 274/96, GmbHR 1998, 240); Pape, NJW 1997, 980 [984]).

Nur in Ausnahmefällen und unter ganz besonderen Umständen gelten die Grundsätze zur Sittenwidrigkeit von Ehegatten- und Verwandten-Bürgschaften entsprechend, so wenn für die Gläubigerbank auf Grund der ihr von den Beteiligten erteilten Informationen klar ersichtlich ist, daß es sich bei dem bürgenden Gesellschafter lediglich um einen "Strohmann" ohne jegliches eigenes wirtschaftliches Interesse handelt, der allein aus enger persönlicher Verbundenheit zu dem Ehegatten oder einem nahen Verwandten bereit ist, Gesellschafter zu sein und die persönliche Haftung zu übernehmen (BGH v. 18.12.1997 – IX ZR 271/96, NJW 1998, 597 ff. = ZIP 1998, 196).

Die Voraussetzungen für einen solchen Ausnahmefall sind hier nicht erfüllt. Wie erwähnt, handelte die Bekl. aus der Sicht der Kl. bei der Bürgschaftserteilung durchaus im eigenen wirtschaftlichen. Interesse. Für die Kl. bestanden Anhaltspunkte für eigenverantwortliche Erwägungen und selbstständige unternehmerische Absichten der Bekl. (vgl. auch BGH v. 8.10.1998 -- IX ZR 257/97, FamRZ 1999, 151 [153] = ZIP 1998, 1999). Die Bekl. war Alleingesellschafterin der O-GmbH und über diese zusammen mit einem eigenen Geschäftsanteil im Ergebnis alleinige Gesellschafterin der OG-GmbH, insofern an der Hauptschuldnerin maßgeblich beteiligt, sowie darüber hinaus deren alleinige Geschäftsführerin. Für die Kl. war auf Grund der ihr erteilten Information gerade nicht "klar ersichtlich", daß die Bekl. als "Strohfrau" ohne eigenes wirtschaftliches Interesse allein aus der persönlichen Verbundenheit mit ihrem Ehemann bereit gewesen sei, Gesellschafterin zu sein und die persönliche Haftung zu übernehmen. Dabei sind alle im Zeitpunkt des Vertragsschlusses (31.12.1990; 4.6.1992) erkennbaren Umstände zu berücksichtigen (BGH v. 18.12.1997 – IX ZR 271/96, NJW 1998, 597 [598, 601] = ZIP 1998, 196); derselbe Zeitpunkt ist für das Bestehen eines krassen Mißverhältnisses zwischen dem Umfang der Haftung und der voraussichtlichen finanziellen Leistungsfähigkeit des bürgenden Ehegatten maßgebend (vgl. BGH v. 8.10.1998 -- IX ZR 257/97, FamRZ 1999, 151 [152] = ZIP 1998, 1999).

Der Kl. waren die damaligen finanziellen Verhältnisse der Bürgin und die Werthaltigkeit der von ihr geleisteten Sicherheit dergestalt bekannt, daß die Bekl. beträchtliche Einkünfte bezog und über erhebliches Vermögen verfügte. Laut der von ihr unterzeichneten Selbstauskunft der Bekl. vom 20.4.1990, an der sich gemäß Schr. der Bekl. v. 4.10.1991 "nichts Wesentliches geändert hat", betrugen ihre monatlichen Netto-Einnahmen 28.600 DM, nämlich Mieteinnahmen von 7.500 DM (Schr. v. 4.10.1991: ". . . werden weiterhin in unveränderter Höhe gezahlt"), Einnahmen aus Gesellschaftsbeteiligungen i.H.v. 17.100 DM und ein Nettogehalt von rund 3.400 DM (sowie 560 DM Kindergeld); ihr Vermögen belief sich danach auf 205.000 DM. Der Zeuge V hat bestätigt, daß der Kl. diese Selbstauskunft der Bekl. vorlag. Der Zeuge S, ab 1992 zuständiger Sachbearbeiter bei der Kl., hat ferner glaubhaft bekundet, daß die Bürgschaft (4.6.1992) von der Bekl. verlangt worden sei, weil sie die geschäftsführende Gesellschafterin der GmbH, die Alleineigentümerin des – allerdings belasteten – Hauses, dessen Verkehrswert von dem Zeugen damals (1992) auf etwa 1,5 Mio. DM geschätzt wurde "auch ... war mit Preissteigerungen zu rechnen"), und die Bezieherin des wesentlichen Einkommens aus der Gesellschaft gewesen sei. Gemäß der Aussage des Zeugen S betrugen anhand der vorliegenden Monatsumsätze die Jahresumsätze auf dem Privatgirokonto der Bekl. im Jahre 1992 rund 192.200 DM und im Jahre 1993 269.000 DM, wobei es sich um Haben-Umsätze handelte. Die OG-GmbH, deren sämtliche Geschäftsanteile sich in der Hand der Bekl. befanden, war keine bloße Mantel-GmbH; gemäß der "Liste der Übernehmer neuer Stammeinlagen" v. 24.4.1991 war das Stammkapital der Gesellschaft um 450.000 DM auf 500.000 DM erhöht worden. Nach den ihr bekannten Umständen durfte die Kl. davon ausgehen, daß die Bekl. wirtschaftlich in der Lage sein würde, für die Kreditverbindlichkeiten der Hauptschuldnerin einzustehen und sie zurückzuführen. Die Voraussetzungen, unter denen der Gläubiger von Anfang an nicht mit finanziellen Leistungen des Bürgen rechnen konnte, waren aus der Sicht der Kl. nicht erfüllt. Für diese war unwiderlegt nicht ersichtlich, daß das pfändungsfreie Einkommen der Bekl. innerhalb von fünf Jahren seit Fälligkeit der Bürgschaftsforderung voraussichtlich nicht 1/4 der Hauptschuld erreichen würde (vgl. BGH v. 23.1.1997 – IX ZR 69/96, WM 1997, 467 [470] = ZIP 1997, 406; v. 18.12.1997 – IX ZR 271/96, NJW 1998, 597 [599] = ZIP 1998, 196). Die Verwendung des Mädchennamens der Bekl. in den Firmen O-GmbH und OG-GmbH konnte die Kl. unwiderlegt als zusätzlichen Hinweis darauf verstehen, daß die Bekl. tatsächlich Einfluß auf das Geschick der Gesellschaften hatte und nicht nur treuhänderische Gesellschafterin war. Die Kenntnis der Kl. davon, daß der Ehemann der Bekl. 1983 die Offenbarungsversicherung abgelegt hatte, führt zu keinem anderen Ergebnis. Für die Kl. war daraus unter Berücksichtigung der damaligen Gesamtumstände unwiderlegt nicht ersichtlich, daß die Bekl. wirtschaftlich nicht beteiligt sei und die Stellung einer Gesellschafterin und Geschäftsführerin nur aus den für Ehegattenbürgschaften typischen Erwägungen übernommen, sie damit auch keine eigenen wirtschaftlichen Interessen verfolgt habe. Gleiches gilt für die – bestrittene und nicht unter Beweis gestellte – Behauptung der Bekl., ihr Ehemann habe seinen gesamten Geldverkehr über die Konten der Kl. abgewickelt und diese habe entnehmen können, daß jener nur Einkünfte knapp über dem Pfändungsfreibetrag bezogen habe. I.ü. folgt aus dem Vortrag der Bekl. selbst, daß Bankgeschäfte jedenfalls auch mit der L-Hypothekenbank AG abgewickelt wurden. Wenn der Ehemann der Bekl. nur geringe Einkünfte hatte, dann bestand umso mehr ein berechtigtes Interesse der einer GmbH Kredit gewährenden Kl., die persönliche Haftung der aus damaliger Sicht der Kl. vermögenden und gut verdienenden Gesellschafterin und Geschäftsführerin zu verlangen. Der Kl. hat es nicht oblegen zu ermitteln, ob die Ehepartner gemeinsam oder einer allein die Geschäfte insbesondere der Hauptschuldnerin führen, die Gesellschaftsbeteiligungen verwalten oder – möglicherweise mit Hilfe einer dritten Person – den Haushalt führen und die Kinder versorgen (vgl. auch BGH v. v. 5.1.1995 – IX ZR 85/94, WM 1995, 237 [238] = ZIP 1995, 203). Der Kl. war 1992 weder bekannt, daß die Bekl. allein unterhaltspflichtig, noch daß ihr Ehemann schwer erkranken würde.

Ergänzend sei auf das von der Rechtsprechung als grundsätzlich berechtigt anerkannte Interesse des Kreditgebers hingewiesen, sich durch Einbeziehung des Ehegatten oder Lebenspartners in die Haftung wirksam vor (zukünftigen) Vermögensverlagerungen vom Hauptschuldner auf den Partner zu schützen (vgl. BGH v. 8.10.1998 -- IX ZR 257/97, = FamRZ 1999, 151 [152] = MDR 1999, 106 = ZIP 1998, 1999; BGH v. 18.12.1997 – IX ZR 271/96, NJW 1998, 597 [600] = ZIP 1998, 196; BGH v. 11.3.1997 – XI ZR 50/96, NJW 1997, 1773 [1774] = ZIP 1997, 923; BGH v. 23.1.1997 – IX ZR 69/96, WM 1997, 467 [468] = ZIP 1997, 406; v. 5.1.1995 – IX ZR 85/94, WM 1995, 237 [239 f.] = ZIP 1995, 203). Im Streitfall war die Bekl. aus der Sicht der Kl. bereits Inhaberin aller wesentlichen Vermögenswerte, nämlich der Geschäftsanteile der O-GmbH und der OG-GmbH sowie des Hausgrundstücks.

Die behauptete Vereinbarung einer betragsmäßigen Begrenzung ihrer Haftung aus der Bürgschaft auf den Erlös aus der Veräußerung ihres Hausgrundstücks hat die Bekl. nicht ausreichend nachgewiesen. Insoweit wird ebenfalls dem angefochtenen Urteil gefolgt.

Die Kl. hat der Bekl. gegenüber auch sonst die Rechtsfolgen der Bürgschaftsübernahme nicht verharmlost (vgl. BGH v. 18.12.1997 – IX ZR 271/96, NJW 1998, 597 [598] = ZIP 1998, 196) oder Aufklärungspflichten verletzt (vgl. BGH v. 18.1.1996 – IX ZR 171/95, NJW 1996, 1274 [1275] = ZIP 1996, 495). Die Kl. durfte davon ausgehen, daß die Bekl., Dipl.-Psychologin und damals Geschäftsführerin der Hauptschuldnerin (sie war 1985/1986 und 1992 auch Geschäftsführerin der O-GmbH), die Tragweite des von ihr als Bürgin zu übernehmenden Risikos selbst kannte.

Eine Nichtigkeit des Bürgschaftsvertrags ergibt sich auch nicht aus §310 BGB, da eine analoge Anwendung dieser Vorschrift hier nach ihrem Sinn und Zweck ausscheidet.

3. Kein Widerrufsrecht wegen Haustürgeschäfts

Jener Vortrag der Bekl. über den Ort der Bürgschaftserteilung ist ferner nicht geeignet, ein Widerrufsrecht des Bürgen gem. § 1 HWiG zu begründen. Ein Bürgschaftsvertrag, der zur Absicherung einer Verbindlichkeit geschlossen wird, die der Hauptschuldner im Rahmen seiner Erwerbstätigkeit eingegangen ist, ist kein Geschäfts i.S.d. § 1 Abs. 1 HWiG oder der Richtlinie 85/577/EWG (BGH, NJW 1998, 2356 = ZIP 1998, 114; EuGH v. 17.3.1998 – Rs. C-45/96, NJW 1998, 1295 = ZIP 1998, 554). Die Hauptschuldnerin OG-GmbH ist die Verbindlichkeiten gegenüber der Kl. aber im Rahmen ihrer Erwerbstätigkeit – und auch nicht im Rahmen eines Haustürgeschäfts – eingegangen.

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