GmbH & Co. KG: Kündigung eines durch die Komplementär-GmbH gewährten Darlehens

GmbHG § 46; BGB § 154 Abs. 2, § 181, § 607; ZPO § 185

1. Klage oder Mahnbescheid einer GmbH gegen die KG, deren persönlich haftende Gesellschafterin die GmbH ist, können dem GmbH-Geschäftsführer nicht wirksam für die KG zugestellt werden; § 185 ZPO ist auf die Hauptzustellung analog anzuwenden.

2. Für die Kündigung eines Darlehens, das eine GmbH ihrer GmbH & Co. KG gewährt hat, kann eine Beschlußfassung der GmbH-Gesellschafter Voraussetzung sein, wenn die GmbH damit die Finanzierungsverantwortung für die KG wahrnimmt.

3. Beruft sich der Darlehensnehmer auf den Ausschluß der Kündbarkeit wegen Vereinbarung eines Zeitdarlehens, trägt er für diese Behauptung die Beweislast.

4. Ein konstitutives Schriftformerfordernis i.S.v. § 154 Abs. 2 BGB kann sich daraus ergeben, daß zur Darlehensvalutierung das frisch eingezahlte Stammkapital der darlehensgewährenden GmbH verwendet werden soll.

OLG Celle, Urt. v. 23.7.1999 – 9 U 307/98

Aus dem Tatbestand:

Die Kl., die ihre Tätigkeit am 19.10.1988 begonnen hat, ist Komplementärin der ebenfalls 1988 errichteten Bekl.. Der jetzige Geschäftsführer (GF) der Kl., Herr B, ist deren Gründungsgesellschafter mit einer Einlage von 50 %. Die übrigen 50 % wurden bei der Gründung von dem damals noch minderjährigen M-CM, vertreten durch dessen Vater KM, gehalten. Beide GmbH-Gesellschafter waren zugleich die einzigen Kommanditisten der Bekl. Nach mehreren Veränderungen im Gesellschafterbestand der Bekl. ist die Me. Beteiligungs GmbH & Co. Grundstücks KG, deren Prokurist und steuernde natürliche Person – gerichtsbekannt – Herr K M ist, zu gleichen Teilen neben dem jetzigen GF der Kl. Kommanditistin. Gerichtsbekannt ist auch, daß zwischen Herrn B und Herrn KM seit längerem tiefgreifende Meinungsverschiedenheiten über die Geschäftspolitik der Gesellschaften bestehen. Im vorliegenden Verfahren streiten die Parteien um die Rückzahlung eines Darlehens, das die Kl. der Bekl. i.H.v. 50.000 DM aus den Mitteln ihres Stammkapitals gewährt hat. Streitig sind die Einzelheiten des Vertragsschlusses und der Valutierung, der Kündigung sowie der Ausschluß der Kündigungsmöglichkeit. ...

Aus den Entscheidungsgründen:

Die Berufung der Bekl. ist zulässig. Sie hat in der Sache Erfolg, weil das erstinstanzliche Urteil unter Verletzung des Grundsatzes der Gewahrung rechtlichen Gehörs und unter Verstoß gegen § 139 bzw. § 156 ZPO zustande gekommen ist. Der Sachverhalt ist wegen des bisherigen Minimalvortrags beider Parteien durch weiteren Sachvortrag in einem Umfang aufklärungsbedürftig, daß eine Entscheidung des Senats nicht sachdienlich ist. Der Rechtsstreit war daher gem. § 539 ZPO an das LG zurückzuverweisen.

Eine Rückzahlung des Darlehens ist nach § 607 BGB geschuldet, wenn das Darlehen kündbar war und wirksam gekündigt worden ist. Das ist ohne Beweisaufnahme nicht feststellbar, die das LG hatte durchführen müssen.

1. Kündigungserklärung

a) Als Kündigungserklärung kommen das Schr. v. 29.8.1994, die Zustellung des Mahnbescheids am 10.1.1995 und der erneute Kündigungsausspruch im Schriftsatz v. 5.5.1999 in Betracht. Die Absendung und der Zugang des Kündigungsschreibens v. 29.8.1994 sind erstinstanzlich wirksam bestritten worden. Die Interpretation des Bestreitens im angefochtenen Urteil ist nicht vertretbar. Das LG hatte daher den angetretenen Beweis erheben müssen. In zweiter Instanz ist zusätzlicher Beweis von der Kl. angetreten worden. Das Unterlassen der Beweiserhebung bedeutet eine Ignorierung des Bestreitens der Bekl. und damit eine Verletzung rechtlichen Gehörs.

Äußerst nachlässig ist der Sachvortrag der Kl. zu der Person, die für die Kl. die angebliche schriftliche Kündigung v. 29.8.1994 verfaßt haben soll. Erstinstanzlich hat sie dazu überhaupt nichts vorgetragen, sondern sich lediglich auf das Zeugnis des Steuerberaters V berufen. Daß und zu welchem Zeitpunkt Herr V eine Funktion als GF der Kl. gehabt hat, ist erstinstanzlich nicht vorgetragen worden. Zweitinstanzlich ist Herr V zwar als GF der Kl. bezeichnet worden. Dazu steht aber in offenem Widerspruch, daß auf der Fotokopie des zweitinstanzlich mit demselben Schriftsatz überreichten Kündigungsschreibens Frau B in der Fußzeile des Briefbogens als GF bezeichnet worden ist; die Fotokopie selbst trägt keine Unterschrift, auch nicht eine maschinenschriftliche Angabe über die Person des Unterzeichners. Diese Umstände bedürfen ebenfalls der weiteren Aufklärung; die Beibringung des Tatsachenstoffs ist Angelegenheit der Prozeßparteien.

b) Der Mahnbescheid kommt als weitere Kündigung nur in Betracht, wenn er der Bekl. am 10.1.1995 wirksam zugestellt worden ist. Aus den Prozeßakten ergibt sich das Schicksal des Mahnbescheids nicht. Es ist daraus nur zu entnehmen, daß der Vollstreckungsbescheid dem besonderen Prozeßvertreter der Bekl. nach dessen Vortrag am 31.3.1998 zugestellt worden ist ("zugegangen"). Die Zustellung des Mahnbescheids verstieß gegen § 185 ZPO, der auch für die Hauptzustellung gilt (LG Frankfurt a. M. v. 29.9.1987 – 2/9 T 929/87, Rpfleger 1988, 72; Thomas/Putzo, ZPO, 21. Aufl. 1998, § 185 Rn. 1; a.A – für den Fall des nach § 181 BGB befreiten Gläubigers – Zöller/Stöber, ZPO, 21. Aufl. 1999, § 185 Rn. 7; einschränkungslos v. Feldmann in Münch.Komm. zur ZPO, § 185 Rn. 1 unter Berufung auf das Fehlzitat BGH v. 24.6.1993 – I ZR 187/91, DB 1993, 1971), wenn die Zustellung für die Bekl. an den GF der Kl. bewirkt worden sein sollte. Denkbar wäre allerdings eine wirksame Ersatzzustellung nach § 183 Abs. 1 ZPO. Es ist jedoch gegenwärtig nicht erkennbar, wer an Stelle des GF der Kl. den Mahnbescheid für die Bekl. zugestellt erhalten haben sollte. Dem Senat sind aus dem Verfahren 9 U 178/95 = 2 0 151/94 LG Bückeburg die verworrenen räumlichen und personellen geschäftlichen Verhältnisse der Bekl. bekannt.

c) Die Kündigung mit Ss. v. 5.5.1999, die auf einen außerordentlichen Kündigungsgrund gestützt wird, leidet daran, daß sie nicht von den Gesellschaftern der Kl. beschlossen worden ist, sofern ein derartiger Beschluß erforderlich war, was gegenwärtig nicht auszuschließen ist.

aa) Ein Beschluß der Gesellschafter ist Voraussetzung der Darlehenskündigung, wenn Nr. 3 des schriftlichen Darlehensvertrags einschlägig ist. Der schriftliche Vertrag könnte allerdings gegen § 181 BGB verstoßen, weil der früheren GF B nach dem Inhalt der Handelsregisterauszüge keine Befreiung vom Verbot der Doppelvertretung erteilt worden ist. Daß die für beide Gesellschaften handelnden Gesellschafter, deren Bestand gewechselt hat, im Falle eines Verstoßes gegen § 181 BGB nachträglich – auch konkludent – eine Genehmigung erteilt haben, ist denkbar, jedoch aus dem bisherigen Sachvortrag nicht ersichtlich. Aufzuklären wird auch sein, ob die schriftliche Urkunde eine Fälschung darstellt, wie die Bekl. mit Ss. v. 29.6.1999 behauptet hat.

bb) Ein Beschlußerfordernis könnte auch mündlich vereinbart worden sein, wofür der schriftliche Text ein Indiz darstellen würde, wenn er sich als rechtlich einwandfrei herausstellen sollte.

cc) In Erwägung kann schließlich zu ziehen sein, ob nicht aus gesellschaftsrechtlichen Gründen für die Kündigungsentschließung die Zuständigkeit der Gesellschafterversammlung der Kl. gegeben ist. Die Beschlußfassung der GmbH-Gesellschafter ist erforderlich, wenn man in der Kündigung des Darlehens gegenüber der Bekl., also der Gesellschaft, deren persönlich haftende Gesellschafterin die Kl. ist, eine ungewöhnliche Maßnahme sieht, für die nicht der GmbH-GF, sondern ungeachtet der durch § 46 GmbHG getroffenen Regelung die GmbH-Gesellschafter zuständig sind (vgl. dazu Ingerl in Münch.Hdb. GesR III, 1996, § 37 Rn. 6 m.w.N.). Ob nach der Satzung der Kl. nicht ohnehin schon eine Zuständigkeit der GmbH-Gesellschafter für die Darlehenskündigung gegenüber der KG gegeben ist, läßt sich mangels Vorlage dieser Satzung nicht feststellen. Für eine die Zuständigkeit der GmbH-Gesellschafter begründende ungewöhnliche Maßnahme könnte sprechen, daß es trotz des geringfügigen Betrags von 50.000 DM um die Anlage des gesamten Stammkapitals bei der KG geht und damit zugleich die Finanzierungsverantwortung der GmbH für die auf Immobilienanlagen ausgerichtete KG wahrgenommen wird, deren im Inland belegenes Grundvermögen mangels liquider Mittel schon unter Zwangsverwaltung steht. Das Darlehen und seine Kündigung ist daher möglicherweise nicht wie ein beliebiges Rechtsgeschäft zu behandeln, für das der GmbH-GF zuständig wäre.

Der Gesellschafterbeschluß v. 17.1.1994 würde für die Kündigung v. 5.5.1999, die auf einen erst später entstandenen – seinerseits u.a. hinsichtlich der getroffenen Zinsvereinbarungen streitigen – wichtigen Grund gestützt wird, nicht automatisch weiterwirken. Dazu müßte ggf. ein neuer, selbständiger Gesellschafterbeschluß gefaßt werden.

2. Zeitdarlehen

Ausgeschlossen wäre eine ordentliche Darlehenskündigung, wenn es sich um ein Zeitdarlehen handeln sollte. Dafür tragt die Bekl. die Darlegungs- und Beweislast, wovon wohl auch das LG ausgegangen ist. Gesetzlicher Regeltatbestand ist die Darlehensvergabe auf unbestimmbe Zeit mit jederzeitiger Kündbarkeit (ebenso RGZ 57, 46 [50]; BGH v. 26.1.1987 – II ZR 50/86, FamRZ 1987, 676 [678]; Baumgärtel/Laumen, Hdb. der Beweislast, 2. Aufl. 1991, Bd. 1, § 609 BGB Rn. 2). Die Bekl. hat ein Zeitdarlehen behauptet und unter Beweis gestellt. Dieser Vortrag ist erheblich. Das Maß der Substantiierung steht in Wechselwirkung zum Vortrag der Gegenseite (zum substantiierten Bestreiten vgl. BGH NJW 1999, 1404 [1405]). Die Kl. hatte zum Abschluß des Darlehens nur minimal – angesichts der beschränkten rechtlichen Handlungsmöglichkeiten der Bekl. sogar bedenklich wenig – vorgetragen. Wenn das LG den Vortrag der Bekl. als nicht ausreichend substantiiert ansehen wollte, mußte es angesichts der möglichen Zweifel rechtzeitig einen Hinweis nach § 139 ZPO geben. Sollte ein Hinweis erstmals in der mündlichen Verhandlung gegeben worden sein, was dem Sitzungsprotokoll nicht zu entnehmen ist, hatte das Vorbringen in dem nachgereichten Ss. v. 24.8.1998 zur Fortsetzung der mündlichen Verhandlung gezwungen. Jedenfalls aber war aufgrund dieses Ss. erneut in die mündliche Verhandlung einzutreten (§ 156 ZPO); das Vorbringen durfte nicht nach § 296 a ZPO zurückgewiesen werden.

In der erneuten Verhandlung vor dem LG werden sich die Parteien ergänzend damit auseinander setzen müssen, daß sich ein Ausschluß der Kündigung auch aus den Umständen, insb. aus dem Verwendungszweck des Darlehens ergeben kann. Dafür könnte der Erwerb von Immobilien als Anlage des Gesellschaftsvermögens in Erwägung gezogen werden; freilich hat BGH v. 26.1.1987 – II ZR 50/86, FamRZ 1987, 676 eine solche Würdigung für eine entsprechende Fallgestaltung verneint (s. auch BGH v. 30.5.1995 – XI ZR 165/94, NJW 1995, 2282 [2283] – familiäres Baufinanzierungsdarlehen nach Scheidung). Die Verabredung eines Verwendungszwecks, die auch nachträglich erfolgen konnte, ist streitig. Jedoch ist das Darlehen unstreitig zum Erwerb der Wohnung auf Ibiza eingesetzt worden. Die Wohnungsbeschaffung ist auch von allen Gesellschaftern und der GF der Kl. gebilligt und gefördert worden, wie sich aus den erstinstanzlich nach Schluß der mündlichen Verhandlung vorgelegten Unterlagen ergibt. Als ein entsprechendes Indiz ist ferner zu verwerten, daß Herr KM laut Protokoll der Gesellschafterversammlung v. 17.1.1994, das die Kl. erstinstanzlich auszugsweise vorgelegt hat, der Darlehenskündigung unter Hinweis auf die verabredete Wohnungsfinanzierung widersprochen hatte.

3. Unwirksamkeit des Darlehensvertrags; Aufhebung des Vollstreckungsbescheids

Das LG wird sich auch mit der Frage auseinanderzusetzen haben, ob die Darlehensrückzahlung nach § 812 Abs. 1 S. 1 BGB geschuldet sein könnte. Das ist nach dem gegenwärtigen Streitstand nicht eindeutig zu beurteilen. Sollte der schriftliche Darlehensvertrag wegen Verstoßes gegen § 181 BGB unwirksam sein, bleibt zu prüfen, ob die beteiligten Gesellschafter den Vertrag wirksam mündlich geschlossen haben. Zu klären ist dafür wegen § 154 Abs. 2 BGB u.a., ob und mit welchem Inhalt die Parteien für das Darlehen ein Schriftformerfordernis vorgesehen haben und ob sie ein etwaiges Erfordernis nicht nachträglich durch den Vollzug der Vereinbarung zu Beginn des Jahres 1989 außer Kraft gesetzt haben.

Falls die Parteien Schriftform verabredet haben und die schriftliche Fixierung nicht bloß einseitig von der GF B vorgenommen worden ist, käme es darauf an, ob die Schriftform lediglich Beweiszwecken dienen oder ein Wirksamkeitserfordernis sein sollte (vgl. BGH v. 12.11.1992 – IX ZR 237/91, NJW-RR 1993, 235 [236]). Nach der Auslegungsregel (BGH v. 30.9.1992 – VIII ZR 196/91, BGHZ 119, 283 [291]; BAG v. 16.1.1997 – 2 AZR 35/96, NJW 1997, 1597) des § 154 Abs. 2 BGB ist bei verabredeter Beurkundung im Zweifel von einem konstitutiven Formerfordernis auszugehen.

Daß eine Beurkundungsabrede (nach allg. Meinung auch: Schriftform, OLG Köln v. 10.1.1997 – 20 U 73/96, NJW-RR 1997, 405) i.S.d. § 154 Abs. 2 BGB gewollt war, wird bei langfristigen oder wichtigen Verträgen vermutet (BGH v. 10.11.1989 – V ZR 201/88, BGHZ 109, 197 [200]; BGH v. 12.11.1992 – IX ZR 237/91, NJW-RR 1993, 235 [236]; Jauernig, BGB, 8. Aufl., § 154 Rn. 4). Für eine derartige Abrede könnte u.a. sprechen, daß das frisch eingezahlte Stammkapital der Kl. zur Darlehensvalutierung verwendet werden sollte und ein derartiger Vorgang gegen den Verdacht abgesichert werden muß, es liege eine Rückzahlung – etwa an einen Kommanditisten – unter Verstoß gegen § 30 GmbHG vor. Die Formabrede kann sich auch daraus ergeben, daß – wie hier – eine Vertragsurkunde hergestellt worden ist (OLG Koblenz v. 4.11.1993 – 5 U 651/93, WM 1994, 1797 [1798]).

Sollte von einer Beurkundungsabrede auszugehen sein, käme eine nachträgliche Aufhebung des Schriftformerfordernisses insofern in Betracht, als Anfang 1989 über den Erwerb der Wohnung auf Ibiza zwischen allen Gesellschaftern und der GF der Kl. eine Vereinbarung getroffen worden ist. § 154 Abs. 2 BGB entfällt, wenn die Parteien, sei es auch stillschweigend mittels einverständlicher Vertragsdurchführung, die Formabrede aufheben (BGH v. 27.1.1997 – II ZR 213/95, NJW-RR 1997, 669 [670] = GmbHR 1997, 547; OLG Düsseldorf v. 10.3.1995 – 22 U 116/94, NJW-RR 1995, 1246 [1247]).

Sollte der Vollstreckungsbescheid unter Verstoß gegen §§ 700, 699, 693 ZPO erlassen worden sein, weil nämlich der Mahnbescheid entgegen dem Schutzzweck des auf eine Hauptzustellung analog anzuwendenden § 185 ZPO zugestellt worden war, wäre der Vollstreckungsbescheid unabhängig vom Ausgang des Verfahrens aufzuheben. ...

Einsender: Prof. Dr. Hans-Jürgen Ahrens, Osnabrück
 

* Leitsätze des Einsenders.

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