Gesellschafter-Fremdfinanzierung: Keine Vereinbarkeit des § 8 a KStG mit der EU-Niederlassungsfreiheit

KStG § 8 a Abs. 1; EGV Art. 43

§ 8 a KStG verstößt gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 43 EGV (Niederlassungsfreiheit), da eine steuerliche Ungleichbehandlung einer Tochtergesellschaft ohne weitere rechtfertigende Gründe allein darauf beruht, daß die Anteilseignerin, die Muttergesellschaft, in einem anderen Mitgliedstaat als die Tochtergesellschaft ansässig ist.*

FG Münster, Beschl. v. 21.8.2000 – 9 K 1193/00 K, F

Aus den Gründen:

I.

Streitig ist, ob die Körperschaftsteuer-(KSt.-) Bescheide 1997 und 1998 rechtswidrig sind, weil die Vorschrift des § 8 a KStG gegen das Diskriminierungsverbot des Art. 43 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft v. 10.11.1997, ABl. EG C 340, S. 173 ff., (EGV) verstößt.

Die Kl. hat den Vertrieb von Schiffszubehör, Wassersportartikeln, Freizeit- und Bastelartikeln, Freizeit- und Berufskleidung, Dekorationsgegenständen sowie von Eisenwaren und ähnlichen Gegenständen zum Unternehmensgegenstand. Sie ist durch Gesellschaftsvertrag v. 19.1.1978 unter der Firma T-GmbH gegründet worden. Durch Beschl. v. 15.1.1990 wurde die Firma geändert in LT-GmbH und durch Beschluß v. 12.8.1994 in LH-GmbH. Seit 1988 hat die Kl. ihren Sitz in R.

Das ursprüngliche Stammkapital der Kl. von 20.000 DM wurde durch Beschl. v. 19.3.1979 auf 100.000 DM, durch Beschl. v. 12.8.1994 auf 500.000 DM, durch Beschl. v. 22.3.1995 auf 1 Mio. DM und durch Beschl. v. 29.8.1996 auf 2 Mio. DM erhöht. Alleinige Gesellschafterin der Kl. ist die Fa. LHB mit Sitz in S/NL, deren alleinige Gesellschafterin wiederum die niederländische Firma LTB mit Sitz in L/NL ist.

Mit Vertrag v. 1.12.1996 gewährte die Firma LTB der Kl. ein Darlehen i.H.v. 3 Mio. DM. Das Darlehen ist in zehn Raten à 300.000 DM jährlich, beginnend mit dem 1.10.1998, zurückzuzahlen. Der variable Zinssatz betrug bis Ende 1997 4,5 %. Die Zinsen waren zum Jahresende zu zahlen.

Zu dem gewährten Darlehen gab die Firma LTB eine Patronatserklärung ab, wonach sie auf die Rückzahlung des Darlehens verzichtet, wenn die Kl. von Drittgläubigern in Anspruch genommen wird. Das Darlehen sollte kapitalersetzenden Charakter erhalten.

Mit der Darlehensvaluta führte die Kl. ein Bankdarlehen der A i.H.v. 3.702.453,59 DM auf 911.174,70 DM zurück.

Im Jahr 1997 zahlte die Kl. 135.000 DM und im Jahr 1998 109.695,20 DM Darlehenszinsen an die LTB.

Die Bilanz der Kl. zum 31.12.1996 weist einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag i.H.v. 847.035,55 DM aus. Das Jahresergebnis 1996 beträgt ./. 763.807,00 DM. In der Bilanz zum 31.12.1997 ist der nicht durch Eigenkapital gedeckte Fehlbetrag auf 1.074.843,21 DM und in der Bilanz zum 31.12.1998 auf 1.503.165 DM angewachsen. Das Jahresergebnis 1997 beträgt ./. 227.807 DM und das Jahresergebnis 1998 ./. 428.321 DM.

Das FA behandelte die gezahlten Darlehenszinsen in den KSt.-Bescheiden 1997 und 1998 v. 28.6.1999 als Gewinnausschüttung i.S.d. § 8 a KStG und stellte die Ausschüttungsbelastung her.

Den gegen diese KSt.-Bescheide und die Bescheide über die gesonderte Feststellung gemäß § 47 Abs. 1 KStG zum 31.12.1997 und 1998 erhobenen Einspruch der Kl. wies das FA mit Einspruchsentscheidung v. 14.2.2000 als unbegründet zurück.

Zur Begründung ihrer dagegen erhobenen Klage trägt die Kl. vor, bei der Darlehensgewährung habe es sich um einen Rettungsversuch der niederländischen Anteilseigner gehandelt. Ein solcher Rettungsversuch dürfe nicht zu einer verdeckten Gewinnausschüttung führen. Die wirtschaftlichen Verhältnisse der Kl. ließen eine Zahlung der durch die fiktive verdeckte Gewinnausschüttung bewirkten Steuerzahlung i.H.v. 112.660,93 DM wegen ihrer hohen Verluste nicht zu. Die steuerliche Einordnung des Rettungsversuchs des niederländischen Anteilseigner als verdeckte Gewinnausschüttung sei im Vergleich mit inländischen Anteilseignern als EG-rechtswidrig und diskriminierend anzusehen.

Das Darlehen sei durch die LTB ausschließlich zur Kostenminimierung gewährt worden. Mit dem gewährten Darlehen sei ein Bankdarlehen der A zurückgeführt worden. Das Darlehen sei von 3.702.453,59 DM zu Beginn des Jahres 1996 auf 911.174,70 DM zum 31.12.1996 zurückgeführt worden. Dies habe zu erheblichen Zinseinsparungen geführt. Die für das Bankdarlehen zu zahlenden Zinsen seien fast doppelt so hoch gewesen wie die nun an die LTB zu zahlenden Zinsen. Mit der Darlehensgewährung bestehe die Chance, die Kl. wieder in die Gewinnzone zu führen und zu sanieren. Für das Jahr 1999 zeigten die Sanierungsmaßnahmen des Gesellschafters inzwischen erste Früchte.

Nach dem Willen des Gesetzgebers sei es Sinn und Zweck des § 8 a KStG zu verhindern, daß nichtanrechnungsberechtigte Anteilseigner über den Umweg von Zinszahlungen eigentliche Gewinnausschüttungen umgingen. Die Gesetzesnorm wolle nur Umgehungstatbestände erfassen. Im Streitfall liege ein Umgehungstatbestand der Abschöpfung von Mitteln der Kapitalgesellschaft nicht vor. Die Umqualifizierung der Zinszahlungen in verdeckte Gewinnausschüttungen sei vom Sinn und Zweck der Vorschrift nicht gedeckt.

Die Vorschrift des § 8 a KStG verstoße auch gegen das Diskriminierungsverbot des EG-Vertrags. Inländische Anteilseigner würden in vergleichbarer Situation steuerlich nicht mit den Folgen einer verdeckten Gewinnausschüttung belastet. Eine solche unterschiedliche steuerliche Behandlung inländischer und niederländischer Anteilseigner verstoße gegen Art. 43 EGV. ...

Das FA ... trägt vor, im Streitfall lägen die Voraussetzungen des § 8 a KStG vor. Zwar führe die Vorschrift des § 8 a KStG in Sanierungs- und Krisenfällen mit ganz oder teilweise aufgezehrtem Eigenkapital zu einer verschlechterten Ausgangssituation für die betroffene Gesellschaft. Der Gesetzgeber habe die Auswirkungen in derartigen Fällen durch die Öffnungsklausel in § 8 a Abs. 2 S. 3 KStG jedoch abgemildert. Im Streitfall seien die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Klausel allerdings nicht gegeben. Eine abweichende Auslegung der Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck scheide angesichts der Eindeutigkeit ihres Wortlauts aus.

Die Vorschrift des § 8 a Abs. 1 S. 1 KStG verstoße nicht gegen europarechtliche Diskriminierungsverbote. In vielen Ländern bestünden Regelungen mit vergleichbarer Zielsetzung. So gebe es einzelfallbezogene Mißbrauchsregelungen, die denen des § 42 AO entsprächen, und Regelungen, die wie § 8 a KStG an das Verhältnis Eigen- zu Fremdkapital anknüpften.

In der Differenzierung in § 8 a KStG zwischen Anrechnungsberechtigten und Nichtanrechnungsberechtigten liege keine verdeckte Differenzierung nach der Staatsangehörigkeit, da auch zahlenmäßig gewichtige Gruppen von Steuerinländern zu den Nichtanrechnungsberechtigten zählten. Zudem sei die Regelung des § 8 a KStG sachlich dadurch gerechtfertigt, daß der Grundsatz der Einmalbesteuerung mit inländischer Steuer durchgesetzt werden solle. ...

II.

1. Das Klageverfahren wird ausgesetzt. Es wird gemäß Art. 234 EG-Vertrag die Vorabentscheidung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften über ... [folgende] Rechtsfragen eingeholt:

Ist das Gebot der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaates nach Art. 43 des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft v. 10.11.1997 dahin auszulegen, daß dieses Gebot der nationalen Regelung des § 8 a KStG entgegensteht? 2. Die Anrufung des EuGH ist gemäß Art. 234 EG-Vertrag geboten, weil die Auslegung des Art. 43 EG-Vertrag in entscheidungserheblicher Weise zweifelhaft ist.

Im Streitfall ist entscheidungserheblich, ob Art. 43 EGV dahin auszulegen ist, daß diese Vorschrift der von der Bundesrepublik Deutschland erlassenen innerstaatlichen steuerrechtlichen Vorschrift des § 8 a KStG entgegensteht.

Der Bereich der direkten Steuern fällt zwar nicht in die Zuständigkeit der Europäischen Gemeinschaft, die Mitgliedstaaten sind aber gehalten, die ihnen verbliebenen Befugnisse unter Beachtung und Wahrung des Gemeinschaftsrechts auszuüben (EuGH v. 14.2.1995 – Rs. C-279/93, EuGHE I 1995, 225 – 268).

Nach Auffassung des Senats ist bei Erlaß der Vorschrift des § 8 a KStG das Diskriminierungsverbot des Art. 43 EGV nicht hinreichend beachtet und umgesetzt worden. Legt der EuGH den Art. 43 EGV dahin aus, daß dieser der Vorschrift des § 8 a KStG widerspricht, wäre diese Vorschrift im Streitfall nicht anzuwenden, die Klage hätte in der Sache Erfolg.

Gemäß § 8 a Abs. 1 Nr. 2 KStG sind Vergütungen für Fremdkapital, das eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft von einem nicht zur Anrechnung von KSt. berechtigten Anteilseigner erhalten hat, der wesentlich am Stammkapital beteiligt war, als verdeckte Gewinnausschüttung zu behandeln, wenn eine prozentual auf das Kapital bezogene Vergütung vereinbart ist und das Fremdkapital das Dreifache des anteiligen Eigenkapitals des Anteilseigners übersteigt. Eine Ausnahme gilt dann, wenn die Kapitalgesellschaft das Fremdkapital bei sonst gleichen Umständen auch von einem Dritten erhalten hätte oder es sich um Mittelaufnahmen zur Finanzierung banküblicher Geschäfte handelt. Als verdeckte Gewinnausschüttung und andere Ausschüttung sind die Zinsen bei ihrer Zahlung gemäß § 27 Abs. 1, 3 KStG mit der steuerlichen Auschüttungsbelastung i.H.v. 30 % belastet. Beim anrechnungsberechtigten Anteilseigner wird diese steuerliche Belastung bei der persönlichen Einkommensteuer angerechnet. Der nichtanrechungsberechtigten Anteilseigner bleibt endgültig mit der Körperschaftsteuer belastet.

§ 8 a KStG hat folgenden Wortlaut:

"§ 8 a Gesellschafter-Fremdfinanzierung

(1) Vergütungen für Fremdkapital, das eine unbeschränkt steuerpflichtige Kapitalgesellschaft von einem nicht zur Anrechnung von Körperschaftsteuer berechtigten Anteilseigner erhalten hat, der zu einem Zeitpunkt im Wirtschaftsjahr wesentlich am Grund- oder Stammkapital beteiligt war, gelten als verdeckte Gewinnausschüttungen,

1. wenn eine nicht in einem Bruchteil des Kapitals bemessene Vergütung vereinbart ist und soweit das Fremdkapital zu einem Zeitpunkt des Wirtschaftsjahrs die Hälfte des anteiligen Eigenkapitals des Anteilseigners übersteigt oder

2. wenn eine in einem Bruchteil des Kapitals bemessene Vergütung vereinbart ist und soweit das Fremdkapital zu einem Zeitpunkt des Wirtschaftsjahrs das Dreifache des anteiligen Eigenkapitals des Anteilseigners übersteigt, es sei denn, die Kapitalgesellschaft hätte dieses Fremdkapital bei sonst gleichen Umständen auch von einem fremden Dritten erhalten können oder es handelt sich um Mittelaufnahmen zur Finanzierung banküblicher Geschäfte; sind auch Vergütungen im Sinne der Nummer 1 vereinbart worden und übersteigt das dort bezeichnete Fremdkapital die Hälfte des anteiligen Eigenkapitals des Anteilseigners nicht, tritt an die Stelle des Dreifachen des anteiligen Eigenkapitals des Anteilseigners das Sechsfache des Unterschiedsbetrags zwischen dem Fremdkapital im Sinne der Nummer 1 und der Hälfte des anteiligen Eigenkapitals des Anteilseigners.

Satz 1 ist auch bei Vergütungen für Fremdkapital anzuwenden, das die Kapitalgesellschaft von einer dem Anteilseigner nahestehenden Person im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes, die nicht zur Anrechnung von Körperschaftsteuer berechtigt ist, oder von einem Dritten erhalten hat, der auf den Anteilseigner oder eine diesem nahestehende Person zurückgreifen kann.

(2) Anteiliges Eigenkapital des Anteilseigners ist der Teil des Eigenkapitals der Kapitalgesellschaft zum Schluß des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs, der dem Anteil des Anteilseigners am gezeichneten Kapital entspricht. Eigenkapital ist das gezeichnete Kapital abzüglich der ausstehenden Einlagen, zuzüglich der Kapitalrücklage, der Gewinnrücklagen, eines Gewinnvortrags und eines Jahresüberschusses sowie abzüglich eines Verlustvortrags und eines Jahresfehlbetrags (§ 266 Absatz 3 Abschnitt A, § 272 des Handelsgesetzbuches) in der Handelsbilanz zum Schluß des vorangegangenen Wirtschaftsjahrs; Sonderposten mit Rücklageanteil (§ 273 des Handelsgesetzbuches) sind zur Hälfte hinzuzurechnen. Eine vorübergehende Minderung des Eigenkapitals durch einen Jahresfehlbetrag ist unbeachtlich, wenn bis zum Ablauf des dritten auf das Wirtschaftsjahr des Verlustes folgenden Wirtschaftsjahrs das ursprüngliche Eigenkapital durch Gewinnrücklagen oder Einlagen wieder hergestellt wird.

(3) Eine wesentliche Beteiligung liegt vor, wenn der Anteilseigner am Grund- oder Stammkapital der Kapitalgesellschaft zu mehr als einem Viertel unmittelbar oder mittelbar – auch über eine Personengesellschaft – beteiligt ist. Gleiches gilt, wenn der Anteilseigner zusammen mit anderen Anteilseignern zu mehr als einem Viertel beteiligt ist, mit denen er eine Personenvereinigung bildet oder von denen er beherrscht wird, die er beherrscht oder die mit ihm gemeinsam beherrscht werden. Ein Anteilseigner ohne wesentliche Beteiligung steht einem wesentlich beteiligten Anteilseigner gleich, wenn er allein oder im Zusammenwirken mit anderen Anteilseignern einen beherrschenden Einfluß auf die Kapitalgesellschaft ausübt.

(4) Bei einer Kapitalgesellschaft, deren Haupttätigkeit darin besteht, Beteiligungen an Kapitalgesellschaften zu halten und diese Kapitalgesellschaften zu finanzieren oder deren Vermögen zu mehr als 75 vom Hundert ihrer Bilanzsumme aus Beteiligungen an Kapitalgesellschaften besteht, tritt in Absatz 1 Nummer 2 an die Stelle des Dreifachen das Neunfache des anteiligen Eigenkapitals des Anteilseigners sowie an die Stelle des Sechsfachen das Achtzehnfache des Unterschiedsbetrags zwischen dem Fremdkapital im Sinne der Nummer 1 und der Hälfte des anteiligen Eigenkapitals des Anteilseigners. Vergütungen für Fremdkapital, das ein Anteilseigner im Sinne des Absatzes 1, eine ihm nahestehende Person oder ein Dritter im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 einer der Kapitalgesellschaft im Sinne des Satzes 1 nachgeordneten Kapitalgesellschaft zugeführt hat oder im Wirtschaftsjahr zuführt, gelten als verdeckte Gewinnausschüttungen, es sei denn, es handelt sich um Fremdkapital im Sinne des Absatzes 1 Nummer 2 und die nachgeordnete Kapitalgesellschaft hätte dieses Fremdkapital bei sonst gleichen Umständen von einem fremden Dritten erhalten können oder es handelt sich um Mittelaufnahmen zur Finanzierung banküblicher Geschäfte. Bei einer Kapitalgesellschaft, die am Grund- oder Stammkapital einer anderen Kapitalgesellschaft beteiligt ist, ohne die Voraussetzungen des Satzes 1 zu erfüllen, ist das Eigenkapital im Sinne des Absatzes 2 um den Buchwert dieser Beteiligung zu kürzen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten entsprechend,

1. wenn der Anteilseigner zur Anrechnung der Körperschaftsteuer nur berechtigt ist, weil die Einkünfte aus der Beteiligung Betriebseinnahmen eines inländischen Betriebs sind, oder

2. wenn die Beteiligung über eine Personengesellschaft gehalten wird und das Fremdkapital über die Personengesellschaft geleitet wird."

Im Streitfall war die Darlehensgeberin mittelbar i.S.d. § 8 a Abs. 1 S. 1 und 2, Abs. 3 KStG wesentlich am Stammkapital der Kl. beteiligt. Die LTB war alleinige Gesellschafterin der LHB die wiederum alleinige Gesellschafterin der Kl. war. Als in den Niederlanden ansässige Gesellschaften sind sowohl die LHB als auch die LTB nicht zur Anrechnung von KSt berechtigte Anteilseigner. Das Eigenkapital des Anteilseigners der Kl. i.S.d. § 8 a Abs. 2 KStG beträgt in den Streitjahren 0 DM, so daß jegliches Darlehen des Anteilseigners die Voraussetzungen des § 8 a Abs. 2 Nr. 1 KStG erfüllt.

Der Drittvergleich des § 8 a Abs. 1 Nr. 2 KStG steht im Streitfall der Umqualifizierung der Darlehenszinsen in eine verdeckte Gewinnausschüttung nicht entgegen. Angesichts der Überschuldung der Kl. und der fehlenden Möglichkeit, Sicherheiten zu stellen, hätte sie ein entsprechendes Darlehen von fremden Dritten nicht erhalten können. Das Darlehen wurde dementsprechend auch ohne Sicherheiten gewährt und zudem mit der Patronatserklärung versehen.

Liegen die Voraussetzungen der Vorschrift vor, werden betrieblich veranlaßte Zinszahlungen kraft Gesetzes in ausgeschüttete Gewinne umqualifiziert. Mit dieser Regelung des § 8 a KStG soll verhindert werden, daß nichtanrechnungsberechtigte Anteilseigner die gesetzlich gewollte Einmalbelastung der an sie ausgeschütteten Gewinne mit KSt. dadurch umgehen, daß sie die Kapitalgesellschaft mit Fremd- statt Eigenkapital ausstatten (BT-Drucks. 12/5016, S. 83; BT-Drucks. 12/4487, S. 36). Eine solche Mißbrauchssituation liegt im Streitfall nicht vor. Die Darlehensgewährung erfolgte vielmehr, um die Kl. vor dem finanziellen Zusammenbruch zu bewahren und ihre Zinslasten aus Bankverbindlichkeiten zu senken. Gleichwohl sind die Voraussetzungen der Vorschrift im Streitfall erfüllt; sie ist daher anzuwenden. Einer Auslegung der Vorschrift nach ihrem Sinn und Zweck dahin, daß Fallgestaltungen der vorliegenden Art nicht erfaßt werden, steht der klare Wortlaut der Vorschrift entgegen. Dem Wortlaut der Vorschrift sind Anhaltspunkte, daß über die festgeschriebenen Tatbestandsvoraussetzungen hinaus zur Anwendung der Vorschrift und zum Eintritt der angeordneten Rechtsfolgen zusätzlich ein Mißbrauch vorliegen muß, nicht zu entnehmen.

Der erkennende Senat hält vorbehaltlich der verbindlichen Auslegung des EGV durch den EuGH die Regelung des § 8 a KStG zur Behandlung der Zinszahlungen als verdeckte Gewinnausschüttung mit dem in Art. 43 EGV niedergelegten Diskriminierungsverbot, dem Verbot der Beschränkung der Niederlassungsfreiheit, für nicht vereinbar.

Nach st. Rspr. des EuGH verbieten die Vorschriften des EGV jede Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit und zwar sowohl die offene als auch alle Formen versteckter Diskriminierung, die unter Anwendung anderer Unterschiedsmerkmale faktisch zum gleichen Ergebnis führen (EuGH v. 8.5.1990 – Rs. C-175/88 EuGHE I 1990, 1779 – 1795; v. 26.10.1999 – Rs. C-294/97, BStBl. II 1999, 851; BFH v. 30.12.1996 – I B 61/96, BStBl. II 1997, 466).

Nach Art. 43 EGV sind Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaates im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats verboten. Gemäß Art. 48 EGV stehen unter anderem juristische Personen des Privatrechts, wie die Kapitalgesellschaften, insoweit den natürlichen Personen gleich.

Die Niederlassungs- und nicht die Kapitalverkehrsfreiheit ist maßgebend, wenn, wie im Streitfall, eine 100 %-ige Kapitalbeteiligung besteht. Ein Angehöriger eines Mitgliedstaats, der eine Beteiligung an einer Gesellschaft mit Sitz in einem anderen Mitgliedstaat hält, die ihm einen bestimmenden Einfluß auf die Entscheidungen der Gesellschaft verleiht, macht von seiner Niederlassungsfreiheit Gebrauch (EuGH v. 13.4.2000 – Rs. C-251/98, FR 2000, 573).

Die Vorschrift des Art. 43 EGV will die Vergünstigung der Inländerbehandlung jedem Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats garantieren, der sich in einem anderen Mitgliedstaat niederläßt. Sie untersagt jede Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit, die sich aus Rechtsvorschriften als Beschränkung der Niederlassungsfreiheit ergibt. Die Niederlassungsfreiheit umfaßt die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen durch einen Staatsangehörigen im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats nach den Bestimmungen des Niederlassungsstaats. Es verstößt gegen das Diskriminierungsverbot, wenn ein Mitgliedstaat eine Niederlassung allein deshalb ungleich behandelt, weil der Sitz der Gesellschaft in einem anderen Staat liegt (EuGH v. 28.1.1986 – Rs. 270/83, EuGHE 1986, 273; v. 29.4.1999 – Rs. C-311/97, EuGHE I 1999, 2651 – 2677). Ebenso verbietet die Niederlassungsfreiheit die Ungleichbehandlung eines Staatsangehörigen bei steuerlich vergleichbarer Situation allein nach Maßgabe des Sitzes der Gesellschaften, an denen er Anteile besitzt (EuGH v. 13.4.2000 – Rs. C-251/98, FR 2000, 573). Eine verdeckte Diskriminierung liegt bereits vor, wenn sich die steuerliche Situation in den allermeisten Fällen, in denen der Anteilseigner in Deutschland ansässig ist, günstiger gestaltet als bei einer Ansässigkeit in einem anderen Mitgliedstaat (EuGH v. 26.10.1999 – Rs. C-294/97, BStBl. II 1999, 851). Eine steuerliche Ungleichbehandlung liegt u.a. vor, wenn sich die Staatsangehörigen mit ihren Gewinnen und Einkünften für Besteuerungszwecke in einer objektiv vergleichbaren Situation befinden (EuGH v. 29.4.1999 – Rs. C-311/97, EuGHE I 1999, 2651 – 2677).

In Anwendung dieser Grundsätze ist die Niederlassungsfreiheit verletzt, wenn eine steuerliche Ungleichbehandlung einer Tochtergesellschaft allein ohne weitere sachlich rechtfertigende Gründe darauf beruht, daß die Anteilseignerin, die Muttergesellschaft, in einem anderen Mitgliedstaat als die Tochtergesellschaft ansässig ist.

Die Regelung des § 8 a KStG knüpft nicht an die Staatsangehörigkeit unmittelbar, sondern an die Anrechnungsberechtigung an. Nichtanrechnungsberechtigt sind gemäß § 51 KStG überwiegend die nach § 5 KStG von der KSt. befreiten inländischen Körperschaften und die ausländischen Anteilseigner, die ihre Beteiligung an einer inländischen Kapitalgesellschaft nicht in einem inländischen Betriebsvermögen halten.

In der Literatur wird der Umstand, daß an die Anrechnungsberechtigung angeknüpft wird und damit auch inländische Anteilseigner unter den Regelungsgehalt des § 8 a KStG fallen, zum Teil dahin gewertet, daß damit eine Diskriminierung ausländischer Anteilseigner i.S.d. EGV ausscheide (Herzig, DB 1994, 110; Arthur Andersen, KStG § 8 a Rn.23 – 25; Müller-Gatermann, FR 1993, 386 [387]; Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 8 a KStG Rn.10). Andere Stimmen in der Literatur vertreten die Auffassung, § 8 a KStG verstoße gegen die Niederlassungsfreiheit, weil eine ausländische Muttergesellschaft als Anteilseigner einer inländischen Tochtergesellschaft einer schlechteren steuerlichen Behandlung als eine inländische Muttergesellschaft ausgesetzt ist (Knobbe-Keuk, DB 1993, 60 f.; Thömmes, IStR 1999, 753 und Jahrbuch der Fachanwälte für Steuerrecht 1998/99, S. 117 f.; Wachter, IStR 1999, 689 f.; Prinz, FR 2000, 563 f.; Meilicke, DB 2000, 748).

Der Senat teilt die Auffassung, daß mit der Anwendung des § 8 a KStG eine dem Diskriminierungsverbot zur Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 43 EGV widersprechende Besteuerung erfolgt.

Ein in einem anderen Mitgliedstaat ansässiger Anteilseigner unterliegt stets der Regelung des § 8 a KStG, während von den inländischen Anteilseignern nur die in § 51 KStG in Verbindung mit anderen Vorschriften explizit Erfaßten der Regelung unterfallen. Bei den inländischen nichtanrechnungsberechtigten Anteilseignern handelt es sich nur um ganz bestimmte Steuerpflichtige. Aus diesem Grund kann zur Rechtfertigung der Regelung des § 8 a KStG unter Vergleichsgesichtspunkten nicht unterschiedslos auf alle Nichtanrechnungsberechtigten abgestellt werden. Die inländischen nichtanrechnungsberechtigten Anteilseigner sind keine mit der Muttergesellschaft der Kl. vergleichbaren Steuerpflichtigen. Bei den in § 5 KStG aufgeführten, von der KSt. befreiten und damit nichtanrechnungsberechtigten Körperschaften handelt es sich um öffentlich-rechtliche Körperschaften und um Körperschaften, die auf einem speziellen Gebiet wirtschaftlich tätig sind sowie besondere, als förderungswürdig angesehene Aufgaben erfüllen. Mit allgemein am Wirtschaftsleben teilnehmenden Unternehmen sind diese Körperschaften nicht vergleichbar. Bei einem Vergleich unter Diskriminierungsgesichtspunkten im Rahmen der Niederlassungsfreiheit, des freien Dienstleistungsverkehrs i.S.d. EGV stellen sie nicht die angemessene Vergleichsgruppe dar. Zu vergleichen sind die allgemein am Wirtschaftsleben teilnehmenden, gewerblich oder selbständig tätigen Steuerpflichtigen, seien es natürliche Personen. Gesellschaften oder juristische Personen. Bezogen auf diese Vergleichsgruppe ergibt sich eine steuerliche Ungleichbehandlung der inländischen Kapitalgesellschaft danach, ob ihr Anteilseigner im Inland oder einem anderen Mitgliedstaat ansässig ist.

Bei diesen Vergleichsgruppen ist auf der Grundlage der steuerlichen Ausgangslage der inländischen und der in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Anteilseigner die unterschiedliche Behandlung durch EG-rechtlich bedeutsame Unterschiede und Kriterien nicht gerechtfertigt. Koheränzgesichtspunkte greifen nur ein, wenn ein zwingender unmittelbarer Zusammenhang zwischen Steuervorteil einerseits und der Besteuerung andererseits bei demselben Steuerpflichtigen besteht (BFH v. 30.12.1996 – I B 61/96, BStBl. II 1997, 466; EuGH v. 26.10.1999 – Rs. C-294/97, BStBl. II 1999, 851). Im Streitfall liegt einer solcher Zusammenhang nicht vor.

Einem Anteilseigner steht es grundsätzlich frei, ob er die Gesellschaft mit zusätzlichem Eigenkapital ausstattet oder ob er der Gesellschaft Mittel als Fremdkapital zur Verfügung stellt. Dies gilt grundsätzlich unabhängig von einem bestimmten Verhältnis zwischen Eigen- und Fremdkapital des Gesellschafters. Die Gesichtspunkte der Sicherstellung der Einmalbesteuerung der an nichtanrechnungsberechtigte Anteilseigner verdeckt ausgeschütteten Gewinne und der Vermeidung von Rechtsmißbräuchen vermögen die unterschiedliche steuerliche Behandlung ohne weitere differenzierende Kriterien nicht zu rechtfertigen. Die Regelung benachteiligt Anteilseigner aus anderen Mitgliedstaaten und ihre wesentliche Beteiligung an inländischen Gesellschaften dergestalt, daß diese der Gesellschaft ab dem vorgegebenen Eigen- und Fremdkapitalverhältnis zur Vermeidung der steuerlichen Folgen des § 8 a KStG nur noch Eigenkapital zur Verfügung stellen können. Die Zuführung von Fremdkapital scheidet aus, selbst wenn dieses handelsrechtlich gemäß § 32 a GmbHG eigenkapitalersetzenden Charakter hat. Evident zeigt sich die Ungleichbehandlung im Falle der finanziellen Krise der inländischen Tochtergesellschaft.
 

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