Dr. Matthias Hohlfeld
Rechtsanwalt, Bonn

Abfindungen an Arbeitnehmer ohne Zukunft?

Die bisherigen steuer- und sozialrechtlichen Regelungen der Behandlung von Abfindungszahlungen bei einer vom Arbeitgeber veranlaßten Aufhebung eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses leisteten einen nicht unerheblichen Beitrag zur konfliktfreieren Regelung der Beendigung von Beschäftigungsverhältnissen.

Nach den Plänen der neuen Bundesregierung und neuen Parlamentsmehrheit werden zukünftig Abfindungszahlungen an Arbeitnehmer nur noch ein eingeschränkt taugliches Steuerinstrument zur Personalpolitik sein.

Freibetragsregelung

Abfindungen für eine vom Arbeitgeber veranlaßte oder gerichtlich ausgesprochene Beendigung des Dienstverhältnisses werden hinsichtlich der Freibeträge halbiert, also künftig 12.000 DM betragen (15.000 DM wenn der Arbeitnehmer das 50. Lebensjahr vollendet hat und das Dienstverhältnis mindestens 15 Jahre bestanden hat, 18.000 DM, wenn der Arbeitnehmer das 55. Lebensjahr vollendet hat und das Dienstverhältnis mindestens 20 Jahre bestanden hat). Die Abfindungsfreibeträge gelten aber nur bis zu einem absoluten Betrag von 50.000 DM. Wird eine höhere Abfindung gezahlt, mindert sich der Freibetrag um den 50.000 DM übersteigenden Betrag. Das bedeutet, daß bei Abfindung in Höhe von 62.000 DM bzw. 65.000 DM bzw. 68.000 DM kein Freibetrag mehr gewährt wird (§ 3 Nr. 9 EStG, § 52 Abs. 2 e EStG).

Bei Vereinbarungen oder Gerichtsentscheidungen, die vor dem 1.1.1999 getroffen wurden und bei denen die Abfindung vor dem 1.4.1999 gezahlt wird, bleibt es aufgrund der vorgesehenen Übergangsregelung bei der bisherigen Freibetragsregelung.

Streichung des halben Steuersatzes

Da bisher § 34 EStG zur Kompensation des Progressionsnachteils (zusammengeballter Zufluß von hohem Gehalt und Entschädigungssumme) die Möglichkeit vorsieht, die Abfindung mit dem halben persönlichen Steuersatz zu versteuern, wenn der Zufluß komplett in einem Kalenderjahr erfolgte, besteht diese Möglichkeit vom 1.1.1999 an nicht mehr. An deren Stelle tritt die vom Gesetzgeber vorgesehene "vereinfachte" Regelung:

"Sind in dem zu versteuernden Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten, so ist auf unwiderruflichen Antrag die auf alle im Veranlagungszeitraum bezogenen außerordentlichen Einkünfte entfallende Einkommensteuer abweichend von den allgemeinen Tarifvorschriften zu berechnen. Die für die außerordentlichen Einkünfte anzusetzenden Einkommensteuer beträgt das Fünffache des Unterschiedbetrages zwischen der Einkommensteuer für das um diese Einkünfte verminderte zu versteuernde Einkommen (verbleibendes zu versteuerndes Einkommen) und der Einkommensteuer für das verbleibende zu versteuernde Einkommen zuzüglich eines Fünftels dieser Einkünfte ..."

Es ist also zukünftig angezeigt, daß vor Errechnung der Abfindungssumme ein Steuerberater beigezogen wird, der dann unwiderruflich entscheidet, ob unwiderruflich ein Antrag auf eine solche Steuervergünstigung gestellt wird. Es bleiben geringe steuerliche Vorteile erhalten, die alten Vorteile werden ab 1.1.1999 um mehr als die Hälfte reduziert.

Zu beachten ist, daß die für Freibeträge vorgesehene Übergangsregelung nicht für die "Steuerhalbierung" gilt. Das bedeutet, daß alle Abfindungen, die im Jahr 1999 zufließen, nicht mehr den halben Steuersatz für sich in Anspruch nehmen können. Risikobehaftet sind Vereinbarungen, die zwar in 1998 abgeschlossen werden, eine Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses in 1999 vorsehen, die aber einen Zufluß der Abfindung in 1998 vorziehen. Es kann nicht ausgeschlossen werden, daß die Finanzverwaltung solche Gestaltungen als dem Gesetzeszweck zuwiderlaufende Steuerumgehung behandelt und damit dann der neuen Steuerregelung unterwirft.

Behandlung von Altverträgen

Sind zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber Aufhebungs- und/oder Abfindungsverträge vor Bekanntwerden der neuen gesetzlichen Regelungen abgeschlossen worden und steht der Vollzug noch aus, besteht die Gefahr für diese Vereinbarung, daß sie von jeder Vertragspartei unter dem Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage angegriffen werden kann. Geschieht dies nicht, sind die steuerrechtlichen Nachteile, die durch die Gesetzesänderung im Nachhinein für solche Vereinbarungen entstehen können, je nach Vertragsformulierung vom Arbeitnehmer oder vom Arbeitgeber zu tragen.

Anrechnung auf Arbeitslosengeld

Zu beachten ist auch, daß nach den neuen Regelungen der §§ 140 ff. SGB III (1. SGB III-ÄndG v. 16.12.1997, BGBl. I 1997, 2970) Abfindungen und Entschädigungen, die ein Arbeitnehmer wegen der Beendigung des Arbeits- oder Beschäftigungsverhältnisses erhält oder zu beanspruchen hat, auf die Hälfte des Arbeitslosengeldes angerechnet werden, soweit sie den Freibetrag überschreitet. Der Anrechnungsfreibetrag beläuft sich gemäß §140 Abs.2 SGB III auf 10.000 DM, steigt bei längerer Beschäftigung und älteren Arbeitnehmern bis auf 45 % der Abfindungssumme.

Das Zusammenspiel der neuen Regelungen zur steuerlichen und zur sozialrechtlichen Behandlung der Abfindung wird entweder dazu führen, daß Leittragende die Arbeitnehmer sind oder die Arbeitgeber wesentlich höhere Abfindungen werden vereinbaren müssen oder es wird zu einer Flut von Rechtsstreiten kommen mit härten Auseinandersetzungen im Rahmen von Kündigungsschutzprozessen.

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