Robin Melchior und
Dr. Christian Schulte,
beide Richter am Amtsgericht,
Berlin

FELIZ AÑO NUEVO oder: Glückliches Spanien -- Armes Deutschland?

Die Blitz-GmbH bald auch in Deutschland?

Nadja Vietz beschreibt in ihrem Beitrag in GmbHR 2003, 26 -- in diesem Heft -- ein sensationelles Gesetzesvorhaben aus Spanien, das in Europa bislang einmalig ist: Die Schaffung einer sog. Blitz-GmbH unter Verwendung von standardisierten Gesellschaftsverträgen, bei der die Gründer einen Anspruch haben, daß die Gesellschaft binnen 48 Stunden nach Errichtung der notariellen Urkunde in das Handelsregister eingetragen wird! Spanien will mit dieser Novelle seines GmbH-Rechts eine Empfehlung Europäischer Gremien umsetzen, die rechtlichen Startbedingungen gerade für Kleinunternehmen zu verbessern, und erhofft sich so eine Stärkung der nationalen Wirtschaft.

Das Beispiel aus Spanien gibt Anlaß, die Situation bei GmbH-Gründungen vor der eigenen Haustür zu betrachten. Der Wunsch nach transparenten, unbürokratischen und schnellen Eintragungen besteht auch in Deutschland. Die Arbeitsweise und die Prüfung der Anmeldungen durch das Registergericht werden von Beratern, Notaren und Gründern teilweise -- und oft zu Unrecht -- als schwer berechenbar eingeschätzt. Die unzureichende personelle und sachliche Ausstattung der Justiz trägt ihren Anteil zum Unmut bei. Die Lage veranlaßt z.B. die im Land Berlin regierenden Parteien zu folgender Einschätzung:

"... langatmige Registersachen untergraben nicht nur die Akzeptanz der Justiz und das Rechtsstaatsbewußtsein der Bürgerinnen und Bürger, sondern können sowohl für Bürgerinnen und Bürger als auch für Unternehmen zur existenziellen Bedrohung werden. Eine stockende Justiz wird damit auch zu einem Hemmschuh wirtschaftlicher Entwicklung." (Auszug aus der Koalitionsvereinbarung, Punkt II.9.).

Wie kann also das Registerverfahren bei der Ersteintragung einer GmbH beschleunigt werden?

Abhilfe durch Vorratsgründung?

In der Praxis wird versucht, das Verfahren der Ersteintragung durch Anmeldung so genannter Vorratsgesellschaften zu verkürzen. Die schnelle Ersteintragung ist oft ein Pyrrhussieg, weil bei der späteren Verwendung dieser GmbH-Mäntel Anmeldungen zum Gesellschaftsvertrag und zu den Geschäftsführern notwendig werden, für die die beschränkte Prüfungspflicht der Registergerichte aus § 9c Abs. 2 GmbHG nicht gilt. Die Effizienz der Mantel-Gründungen wird zusätzlich dadurch reduziert, daß einzelne Registergerichte die Grundsätze der Kapitalaufbringung und des -erhalts analog auf die Einbringung von Unternehmen in Mantel-GmbHs anwenden (vgl. Vorlagebeschlüsse des OLG Brandenburg v. 28.1.2002 -- 8 Wx 60/01, GmbHR 2002, 851 und des OLG Celle v. 30.4.2002 - 9 W 47/02, GmbHR 2002, 1066 [LS] = OLGReport Celle 2002, 221).

Beschleunigung durch inhaltliche Abstriche?

Das GmbH-Gesetz ist ein ausgewogenes Normensystem, das Mindestanforderungen an den Schutz von Gläubigern und von Minderheitsgesellschafter festlegt. Die große Verbreitung der GmbH ist ein Beleg dafür, daß die gesetzlichen Regelungen grundsätzlich ausreichen, um Unternehmen in der Rechtsform der GmbH die Finanzierung ihrer Aktivitäten zu gewährleisten und sich am Markt durchzusetzen. Das Normensystem der GmbH ist aber auch sensibel gegenüber Veränderungen. Inhaltliche Abstriche bei der Mindestkapitalhöhe und Vereinfachung der Rechnungslegungsvorschriften -- wie in Spanien vorgesehen -- würden die Akzeptanz und Kreditwürdigkeit der GmbH grundsätzlich in Frage stellen.

Beschleunigung der Eintragung nach geltendem Recht

Einen wesentlichen Beitrag zur Beschleunigung der Ersteintragung von GmbH´s können Berater und Notare bereits heute selbst leisten. Wenn folgende Punkte bei Einreichung der Anmeldung beachtet werden, dann steht einer kurzfristigen Eintragung nichts im Wege:

Beschleunigung durch elektronische Handelsregister

Eine generelle Beschleunigung der Registerverfahren in Deutschland ist zu erwarten durch die anstehende bundesweite Einführung von maschinell geführten Handelsregistern in Form automatisierter Dateien (vgl. hierzu Peter Ries, GmbHR 2002, R 233). Der Gesetzgeber hat unlängst in zwei Novellen der Handelsregisterverordnung -- HRV -- (ERJuKoG v. 10.12.2001, BGBl. I 2001, 3424 und Verordnung zur Erleichterung der Registerautomation v. 11.12.2001, BGBl. I 2001, 3688) die Eintragungsinhalte und Anforderungen an die Anmeldung vereinheitlicht und konkretisiert. Ein weiterer, bislang möglicher Grund für die Verzögerung der Eintragungen entfällt künftig dadurch, daß die sachbearbeitenden Richter die Eintragungen selbst vornehmen können, § 56 Abs. 1 HRV.

Beschleunigung durch Standardisierung

Die Einführung des maschinell geführten Handelsregisters als automatisierte Datei wird mittelbar auch Auswirkungen haben auf die Tätigkeit der Berater und Notare. Denn an die Stelle des Papierregisters, das individuelle und uneinheitliche Formulierungen der Anmeldungen selbst bei identischen Eintragungsinhalten und Wirkungen zuläßt, tritt künftig eine Datenbank. Sie verlangt, daß die angemeldeten Tatsachen in Kategorien eingeteilt werden, die als Datensätze lesbar und auswertbar sind. Die Kategorisierung der Anmeldetatbestände ist notwendig und komplex (vgl. § 58, § 58a und § 64 Abs. 3 HRV). Das Registergericht nimmt die aufwendige Interpretation der Anmeldungen im Rahmen der formellen und materiellen Prüfung vor. Um nicht zusätzlichen Prüfungsaufwand zu verursachen, wird es sich empfehlen, künftig nach Möglichkeit bereits den Inhalt der Anmeldungen an die Formulierungen der Datenbank anzupassen. Die zu erwartende Standardisierung der Anmeldungen bedeutet aber nicht, daß inhaltliche Gestaltungsmöglichkeiten bei der Beurkundung und Anmeldung verloren gehen. Denn auch künftig werden unterschiedliche Tatbestände und Differenzierungen zu unterschiedlichen Eintragungen führen. Wenn es aber um den einfachen Fall der Bargründung einer GmbH geht, liegen die Vorteile einer Standardisierung auf der Hand.

Beschleunigung durch EU-Recht und andere Regelungen

Daneben wird künftig auch die Möglichkeit bestehen, die Anmeldung nebst Urkunden dem Registergericht direkt in elektronischer Form zu Verfügung zu stellen.

Die EU-Kommission hat mit dem Vorschlag zur Änderung der 1. Gesellschaftsrechtliche Richtlinie (EWG 68/151/EWG1) v. 3.6.2002
(im Internet abrufbar unter www.europa.eu.int/eur-lex/de/com/pdf/2002/com2002_0279de01.pdf)
einen Vorstoß in Richtung auf die vollelektronische Organisation und Aktenführung der Handelsregister unternommen. Der Vorschlag basiert auf der im Dezember 1997 von der Europäischen Kommission veranstalteten Konferenz mit dem Thema "Binnenmarkt und Gesellschaftsrecht".

Kernpunkt des Vorschlags, der eine Richtlinienumsetzungsfrist bis zum 1.1.2005 vorsieht, ist, daß Anträge zum Handelsregister in elektronischer Form gestellt werden können. Gleichzeitig sollen mit einer für Altbestände vorgesehenen Rückwirkungsfrist sämtliche Bestandteile der Registerakten zukünftig in elektronischer Form zur Verfügung stehen, wobei es den Mitgliedstaaten überlassen bleibt, welche rechtlichen Voraussetzungen sie an eine Akteneinsicht knüpfen.

Fraglich erscheint, ob bei den deutschen Registergerichten bis zum Ablauf der Umsetzungsfrist die technischen Voraussetzungen hierfür gegeben sein werden. Mittelfristig wird jedoch der elektronische Rechtsverkehr zwischen Notaren, IHK und Verfahrensbeteiligten möglich sein. Dies wird sich in der Praxis der Registergerichte durch den Wegfall einer Postlaufzeit und kürzere interne Aktenlaufzeiten sowie einen direkten Online-Zugriff des bearbeitenden Richters oder Rechtspflegers beschleunigend auswirken. Weiterhin ist zu berücksichtigen, daß eine vollelektronische Führung des Handelsregisters und der Registerakten auch die Einrichtung einer Online-Abfragemöglichkeit mit gestaffelter Zugriffsmöglichkeit entsprechend des jeweiligen Einsichtsrechts ermöglicht.

Notare können in Vorbereitung einer Beurkundung auf diese Weise kostengünstig Informationen aus dem elektronischen Register und den vorhandenen Aktenbeständen beschaffen, ohne selbst das Registergericht aufsuchen zu müssen. Auch diese mittelfristig zu erwartende Arbeitserleichterung wird eine verfahrensbeschleunigende Wirkung entfalten. Voraussetzung ist jedoch, daß auch die Notariate flächendeckend über eine entsprechende technische Ausstattung verfügen werden.

In diesen Zusammenhang ist auch zu erwähnen, daß die Daten des Handelsregisters Bestandteil der bundeseinheitlichen Wirtschaftsnummer sein werden, die 2005 eingeführt und dann die elektronische Kommunikation zwischen Behörden und Unternehmen, aber auch zwischen den Behörden erleichtern wird (BR-Drucks. 339/01, S. 17).

Beschleunigung durch kurze Reaktionszeiten

Berater und Notare sowie Registergerichte sind bereits heute -- und in Zukunft noch stärker -- aufeinander angewiesen, im Interesse der Beteiligten und der Allgemeinheit die Eintragungsverfahren zügig und deshalb nach Möglichkeit abgestimmt zu betreiben. Der Gesetzentwurf aus Spanien sieht bei Ersteintragungen eine Möglichkeit vor, die hierfür erforderliche Kommunikation zwischen Notar und Gericht erheblich zu beschleunigen. Die Methode ist drastisch, effektiv und wahrscheinlich nicht in Deutschland anwendbar: Art. 134 Abs. 8 des Gesetzentwurfs sieht vor, daß die Beteiligten einen Anspruch auf Eintragung der Gesellschaft binnen 24 Stunden nach Eingang der Urkunden beim Registergericht haben, wenn der Notar und die Beteiligten etwaige Beanstandungen des Registergerichts ebenfalls binnen 24 Stunden nach Mitteilung derselben beseitigen. Do ut des!


Zurück