Friedrich Merz, MdB,
Rechtsanwalt, stellv. Vorsitzender der
CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Berlin

In letzter Minute verabschiedet: Steuerrechtsänderungen für 2004

Der öffentliche Meinungsdruck war am Ende so stark, daß ein Scheitern des vermutlich umfangreichsten Vermittlungsverfahrens zwischen Bundestag und Bundesrat, das es je gab, praktisch nicht mehr möglich war. Der Tenor der öffentlichen und veröffentlichten Meinung war: Hauptsache, es kommt irgendein Ergebnis zustande. Der Inhalt trat mehr und mehr in den Hintergrund. Eine Einigung -- ganz gleich worüber -- mußte es sein, losgelöst von seinem materiell-rechtlichen Inhalt. Die Fähigkeit nicht des Bundestages und des Bundesrates, sondern die der Regierung und der Opposition, sich überhaupt auf irgendetwas zu einigen, war erhoben worden zum Signum der Reformfähigkeit des Landes schlechthin.

So fällt das Ergebnis bei Licht und im zeitlichen Abstand von der langen Nacht im Bundesrat betrachtet, etwas nüchterner aus als in der Euphorie des Augenblicks. Die Wirtschaftsforschungsinstitute sind sich einig, daß die vorgezogene Steuersenkung für den Steuerpflichtigen keine Befreiung vom überbordenden Steuerstaat ist und auch den erhofften Wachstumsimpuls nicht erbringen wird. Intransparente Entlastungs- und Belastungsmechanismen bleiben dem Einkommensteuergesetz wesenstypisch. Dafür bleiben Pendlerpauschale und Eigenheimzulage -- gekürzt -- erhalten und wird die heute buchungstechnisch sicher nicht mehr erforderliche Vereinfachungsregelung zur Abschreibung von beweglichen Wirtschaftsgütern gestrichen.

Gravierender sind die mit dem sog. "Steuervergünstigungsabbaugesetz" vom Frühjahr dieses Jahres bereits gewollten und nunmehr mit dem "Korb II-Gesetz" (dazu Wiese/Klass, GmbHR 2003, 1029) fortgeführten, systemwidrigen und aus rein fiskalischen Motiven erfolgten Änderungen zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung und zur Mindestbesteuerung.

Die Neuregelung zur Gesellschafter-Fremdfinanzierung wird sich zu einem weiteren Bürokratiemonstrum im Steuerrecht entwickeln. Die Bundesregierung hat damit eine weitere Vorschrift in das Steuerecht formuliert, die von Steuerpflichtigen und Steuerverwaltung objektiv nicht mehr anwendbar ist. Die Gesetzmäßigkeit des Steuerrechts wird mit dieser Vorschrift weiter beschädigt. Die Verständigung in der Betriebsprüfung wird um einen weiteren Fall den gesetzmäßigen Vollzug von Rechtsvorschriften ersetzen.

Die Ausdehnung der Gesellschafter-Fremdfinanzierung von einer ursprünglichen Mißbrauchsbekämpfungsvorschrift auf den Normalfall der Inlandsfinanzierung ist auch mit der Entscheidung des EuGH im Fall "Lankhorst-Hohorst" (EuGH v. 12.12.2002 -- Rs. C-324/00, GmbHR 2003, 44) nicht begründbar. Mit langer Hand -- seit dem Nichtanwendungs-Erlaß aus Nordrhein-Westfalen (Fin.Min. NRW v. 26.5.2003 -- S 2742a - 11 - V B 4, GmbHR 2003, 860) -- dient die Änderung allein der Erhöhung des Steueraufkommens, das wiederum durch die Einführung einer Freigrenze (und nicht eines Freibetrags) zu einer Sondersteuer für einige Steuerpflichtige degeneriert. Die damit erfolgte generelle Einschränkung der Finanzierungsfreiheit bleibt auch rechtlich zweifelhaft und angreifbar.

Die Beschränkung des Verlustvortrags, versehen mit einer unsystematischen Mittelstandskomponente ist ein weiterer Triumph der Steuergesetzgebung nach Haushaltslage gegenüber einer klaren systematischen Ausrichtung der Gesetzgebung an dem Fundamentalprinzip der Leistungsfähigkeit. Verlagerung von mehrjährigen Produktzyklen und Umgestaltungen vor allem von Projektgesellschaften werden die hofften Steuermehreinnahmen nicht eintreten lassen.

Auch die Gemeindefinanzreform (dazu Wiese/Klass, GmbHR 2003, 1101) bleibt Ankündigung. Die Chance zur Vereinfachung des Steuerrechts durch Abschaffung der Gewerbesteuer und zugleich einer Sicherung der kommunalen Haushalte durch Einführung einer Kommunalfinanzierung, die unmittelbar und transparent von allen, der Wirtschaft und der Einwohner einer Kommune getragen wird, wurde vertan. Übrig geblieben ist auch hier eine schlichte Steuererhöhung durch eine Ausweitung der Mindestbesteuerung und der Gesellschafter-Fremdfinanzierung auch bei der Gewerbesteuer. Die Gemeinden werden Trost suchen in der Absenkung der Gewerbesteuerumlage auf das Maß, das sie bis 2000 hatte.

Deutlicher als je zuvor bleibt die Schlußfolgerung einer dringend notwendigen Erneuerung des Steuerrechts durch eine radikale wirkliche Reform. Dies wird jedoch nur auf der Grundlage einer Gesamtkonzeption in einem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren und bei durchgehender Beachtung steuerrechtlicher, insbesondere steuerverfassungsrechtlicher Fundamentalprinzipien gelingen. Die Textentwürfe von Professor Dr. Paul Kirchhof (Karlsruher Entwurf) und Professor Dr. Joachim Lang (Kölner Entwurf) sind dabei gute und weitreichende Grundlagen.

 

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