Dr. Hans-Martin Schmidt, Köln

100 Jahre Dienstleistungen für die GmbH

100 Jahre Centrale für GmbH Dr. Otto Schmidt, 100 Jahre Dienstleistungen für eine Gesellschaftsform -- das ist schon eine Rarität und eine Kontinuität der besonderen Art, insbesondere dann, wenn diese Dienstleistungen nicht durch einen Verband, sondern durch ein Unternehmen erbracht worden sind.

Von der Interessenvertretung für die Rechtsform ...

Eine Rarität? Es hat zwar in den 50er und 60er Jahren GmbH-Vereinigungen in Frankreich und Österreich gegeben -- im Jahr 1962 hat die Centrale für GmbH z.B. einen internationalen GmbH-Kongreß ausgerichtet --, aber die Interessenvertretung der Rechtsform GmbH durch ein Einzelunternehmen (von 1905 bis 1942) bzw. eine Kommanditgesellschaft (von 1942 bis heute), also über 100 Jahre hinweg, ist doch -- wohl weltweit -- eine Besonderheit des Wirtschaftsstandorts Deutschlands gewesen und geblieben. Wie war das möglich?

Die GmbH wurde 1892 in ein "steuerrechtliches Vakuum" (Knobbe-Keuk, FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, S. 739) hinein geboren. Die damaligen Landesgesetzgeber brauchten dann einige Zeit, bis sie die neu entstandene juristische Person als Steuersubjekt entdeckt hatten. Das war die Stunde des Unternehmers Dr. Otto Schmidt, der bis dahin u.a. Sekretär einer Handelskammer gewesen war, eine Art frühe Bürgerbewegung von GmbH-Geschäftsführern zu gründen: Er hielt ab 1905 Versammlungen im ganzen Reichsgebiet ab, machte Eingaben an die Finanzminister und Parlamente der Länder und antechambrierte persönlich bei Ministerialen und Abgeordneten. Immerhin führten diese Aktionen zu ganz erheblichen Milderungen der angestrebten Doppelbelastung von GmbH und ihren Gesellschaftern, sowohl 1906 in Preußen wie 1910 in Bayern. Dennoch wurde die Ersatzform für die reine GmbH, die GmbH & Co. KG, schon 1912 in einer Münchner Anwaltskanzlei ersonnen (Knobbe-Keuk, FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, S. 740). Erst 1920, mit der reichseinheitlichen Körperschaftsteuer, wurde die Doppelbelastung der GmbH zu einem gravierenden Dauerproblem. Im einzelnen haben Kußmaul/Meyering, GmbHR 2005, 17 ff. -- in diesem Heft diese Entwicklung und den Vergleich der laufenden Steuerbelastung von Kapital- und Personengesellschaften eindrucksvoll beschrieben. Ich selbst habe den Kampf mit diesem Problem in der Festschrift zum 75jährigen Jubiläum der Centrale für GmbH (Pro GmbH, 1980, S. 10 ff. = GmbHR 1980, 221) an zahlreichen Beispielen erörtert. Eine ausführliche Geschichte der GmbH-Besteuerung soll noch im Jubiläumsjahr 2005 veröffentlicht werden.

... zur kompetenten Informationszentrale rund um die GmbH

Und wie konnte diese Rarität zu einer 100jährigen Kontinuität werden?

Ganz sicher hat der über Jahrzehnte anhaltende Steuerdruck speziell auf die GmbH dafür gesorgt, daß sowohl während der Weimarer als auch der Bonner Republik Tausende von GmbH und dann auch zunehmend mehr ihre Berater den "Anschluß" an die Centrale für GmbH suchten. Auch die Versuche in den 30er und 70er Jahren, die stetig steigende Zahl der GmbH stärker zu reglementieren, gaben der Centrale für GmbH Gelegenheit, ihr Profil als bewährter sachverständiger Anwalt der für viele Zwecke einsetzbaren Rechtsform GmbH zu schärfen (im einzelnen Verf., Pro GmbH, 1980, S. 12 ff.). Aber entscheidend war wohl doch, daß den angeschlossenen GmbH schon ab dem Gründungsjahr 1905 sowohl die "Beratung in allen die GmbH als solche betreffenden Rechts- und Steuerangelegenheiten" als auch "zweckentsprechende Veröffentlichungen" angeboten wurden (im einzelnen: Verf., Pro GmbH, 1980, S. 16 ff). Handfeste Informationen für den Alltag der GmbH wie auch für "Notfälle" -- das waren Bindemittel, die viele GmbH, auch solche mit bekannten Namen, und später viele Steuerberater an der dauerhaften Verbindung mit der Centrale für GmbH durch Mitgliedschaft oder Dauerabonnement festhalten ließen. Dadurch, daß die GmbH & Co. KG schon sehr früh zum weiteren "Klienten" der Centrale für GmbH wurde (z.B. durch die Monographie, später das Handbuch von Hesselmann schon im Jahre 1956 und die große Arbeitstagung 1967), ist das Ansehen der Centrale für GmbH als kompetenter Informationszentrale für alle Bereiche der GmbH gestärkt worden.

GmbHR als Spiegel eines dauerhaften Informationsauftrags

Dieses mit besonderen Beiträgen ausgestattete, zu Beginn des Jubiläumsjahres erscheinende Heft 1/2005 der im Jahre 1909 gegründeten "Rundschau für GmbH" -- vorher waren "Centrale-Mitteilungen" erschienen -- spiegelt den dauerhaften Informationsauftrag der Centrale für GmbH auf schöne Weise wider: Nachdem Franz Scholz, der verdienstvolle frühe Kommentator des GmbH-Gesetzes (1. Aufl. 1928) schon 1930 (GmbHR 1930, 793) einen Aufsatz über den Siegeszug der GmbH geschrieben hatte, Günter Roth 1990 eine Bestandsaufnahme der ausländischen "Ableger" der GmbH versucht hat ("Das System der Kapitalgesellschaften im Umbruch -- Ein internationaler Vergleich"), hat Marcus Lutter 1992 die Entwicklung der GmbH in Europa und in der Welt beschrieben (FS GmbH-Gesetz, S. 49 ff.) und ergänzt dies nun in diesem Heft (GmbHR 2005, 1 ff.) mit einem Bericht über die letzten 10 Jahre in USA, Rußland, China aber auch in Spanien, Frankreich und Italien. Die Zukunft ist offen: eine weltweite oder auch nur europäische Tendenz wird aus dieser Entwicklung nicht erkennbar.

Wünsche insbesondere der mittelständischen GmbH an den Gesetzgeber sind in diesen 100 Jahren, durchaus auch im Gewande von vehementen Forderungen, immer wieder geäußert worden, unzählige Male auch in dieser Zeitschrift.

Harm-Peter Westermann stellt einerseits fest, daß "die GmbH an Attraktivität trotz mancher Bedrohungen der Haftungsbeschränkung im nationalen Bereich im Vergleich zu den sonstigen Gesellschaftsformen des deutschen Rechts nicht wesentlich gelitten" hat (GmbHR 2005, 4 [9] -- in diesem Heft), bringt aber auch "gewisse Zweifel" vor, "ob das GmbH-Recht, wie es einmal gedacht war, für einen nicht juristisch vorgebildeten Geschäftsführer handhabbar ist" (aaO, S. 5). Reformdruck sieht er vor allem bei der rechtstechnischen Bewältigung der pseudo-foreign-corporations, die sich als Konkurrenz-Modell der GmbH entwickeln könnten (aaO, S. 9 ff., 16).

Norbert Neu, Ralf Neumann und Jochen Neumayer stellen ihren "Wunschzettel" an den Steuergesetzgeber unter die nachdrückliche Forderung "Mehr Planungs- und Dispositionssicherheit!" (GmbHR 2005, 24 ff. -- in diesem Heft). Da aber ein gemischtes Autorenteam (aus Beratung und Finanzverwaltung) die Wünsche formuliert hat, kommen auch die sog. Sachzwänge und die "Gestaltungsathleten" der "kreativen Steuersparbranche" ins kritische Visier. Ob allerdings die ganz aktuellen Bemühungen um ein möglichst "einfaches" Steuergesetzbuch Erfolg haben werden, ist angesichts der kaum reformierbaren föderalen Finanzstruktur der Bundesrepublik Deutschland noch völlig offen.

Udo Kornblum teilt (im Anschluß an seinen großen Beitrag in GmbHR 2003, 1157 ff.) den gegenwärtigen Stand der GmbH-Statistik mit "ungefähr 975.000 selbständigen GmbHs" mit (GmbHR 2005, 39 ff. -- in diesem Heft). Wenn man bedenkt, daß im ersten Jahr des GmbH-Gesetzes 1892 63 Gesellschaften gegründet wurden (Schubert, FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, S. 30), ergibt sich eine Erfolgsstory allerersten Ranges. (Eine Statistik der GmbH-Konkurse und der GmbH & Co. KG in diesen 100 Jahren würde allerdings auch interessante Hintergründe der Erfolgsstory ans Licht bringen können -- s. hierzu Justus Meyer, GmbHR 2004, 1417 ff.; ferner ist für 2005 u.a. ein "Schwerpunktheft GmbH-Insolvenz" in Vorbereitung).

Begründung und Aufrechterhaltung eines bewährten Adoptionsverhältnisses

Die Adoption der dreizehnjähren GmbH durch den 39jährigen Dr. Otto Schmidt und die 1905 von ihm gegründete Centrale für GmbH Dr. Otto Schmidt hat sich auch im Erwachsenenalter der GmbH bewährt. Die Annahme als Kind wird vom neuen ZEIT-Lexikon (2005) als "zulässige Begründung eines neuen Verwandtschaftsverhältnisses" beschrieben "wenn dies dem Wohle des Kindes dient und zu erwarten ist, daß zwischen dem Annehmenden und dem Kind ein Eltern-Kind-Verhältnis entsteht". Es kann kein Zweifel bestehen, daß die Gründung der Centrale für GmbH dem Wohl gerade der "minderjährigen" GmbH sehr gedient hat: Gerade die personenbezogene, die der Kommanditgesellschaft nahestehende GmbH, deren "Vater" Wilhelm von Oechelhäuser schon 1902 gestorben war, bedurfte dringend des Schutzes vor einem zugreifenden Fiskus, gerade die ganz neuartige Gesellschaftsform "GmbH" war auf wissenschaftlich fundierte Auslegung (durch Centrale-Mitteilungen und Rundschau für GmbH) und kompetente Beratung angewiesen. Wenn auch die Annahme an Kindes Statt "primär ein Mittel der Fürsorge für elternlose und verlassene Kinder" sein soll (ZEIT-Lexikon, 2005), so ist doch auch die Aufrechterhaltung des "Eltern-Kind-Verhältnisses" im Erwachsenenalter des adoptierten "Kindes" von nicht zu unterschätzender Bedeutung: Auch die "mündige" GmbH konnte die nicht bevormundende, aber doch fachkundige Begleitung in den Jahrzehnten vor und nach dem zweiten Weltkrieg sehr gut gebrauchen, sowohl die weitere Unterstützung im Streit mit einem auf Mehreinnahmen und auf Perfektion bedachten Gesetzgeber, als auch die Orientierung angesichts einer immer differenzierter und komplizierter werdenden Rechtsprechung und Meinungsbildung im Schrifttum.

Ich kann mir noch nicht vorstellen, daß sich das in den nächsten 100 Jahren dieses Adoptionsverhältnisses wesentlich ändern wird.


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