Thomas Wachter, Notar, München

GmbH in Deutschland und Europa -- neue Herausforderungen für das Jahr 2007

I. GmbH-Reform als Vorbild für Europäische Privatgesellschaft -- EPG

Ende 2007 wird voraussichtlich das "Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG)" in Kraft treten. Nach mehr als einem Vierteljahrhundert ist dies die erste grundlegende Reform des deutschen GmbH-Rechts. Der Gesetzesentwurf sieht eine behutsame Fortentwicklung des geltenden Rechts vor. Ein Systemwechsel (etwa eine Annäherung an das englische Gesellschaftsrecht) ist derzeit nicht geplant und auch nicht zu erwarten. Die verschiedenen Vorschläge zur Schaffung einer "GmbH light" (Basis-GmbH, Unternehmensgründungsgesellschaft, Kaufmann mit beschränkter Haftung) wurden vom Gesetzgeber gleichfalls nicht aufgegriffen. Das Reformvorhaben stößt allgemein auf breite Zustimmung, so dass es im weiteren Gesetzgebungsverfahren wohl nur noch zu kleineren Änderungen kommen dürfte. Das MoMiG wird dazu beitragen, dass die GmbH auch in Zukunft die mit Abstand beliebteste Rechtsform in Deutschland bleibt. Darüber hinaus bietet die Reform des deutschen GmbH-Rechts aber auch die Chance, auf europäische Rechtsentwicklungen Einfluss zu nehmen. Einem modernen und attraktiven GmbH-Gesetz könnte durchaus eine gewisse Vorbildfunktion für die neue Rechtsform einer "Europäischen GmbH" zukommen. Die Ausgestaltung dieser Rechtsform ist für die Gestaltungspraxis von nicht zu unterschätzender Bedeutung, da Unternehmen künftig mit einem einheitlichen Statut in allen 27 EU-Mitgliedstaaten tätig werden können. Die neue Rechtsform ist keineswegs "Zukunftsmusik", sondern wird möglicherweise schon bald zum Beratungsalltag gehören. Im Dezember 2006 hat das Europäische Parlament einen Bericht des Abgeordneten Klaus-Heiner Lehne über das Statut der Europäischen Privatgesellschaft (EPG) angenommen und die Europäische Kommission aufgefordert, im Jahre 2007 einen entsprechenden Gesetzesvorschlag vorzulegen.

II. Bisherige Überlegungen zur EPG

Mit der EPG soll insbesondere kleinen und mittleren Unternehmen eine Rechtsform angeboten werden, um ihnen die grenzüberschreitende Tätigkeit zu erleichtern. Dabei handelt es sich allerdings lediglich um politische Ziele, ohne dass der Anwendungsbereich der EPG dadurch eingeschränkt werden soll. Die Gründung einer EPG ist insbesondere nicht von einer bestimmten Unternehmensgröße oder Arbeitnehmerzahl abhängig. Die neue Rechtsform steht darüber hinaus auch solchen Unternehmen offen stehen, die bislang noch über keinerlei Beziehungen zum Ausland verfügen.

Bei den Überlegungen für das Statut einer EPG sind vor allem auch die bisherigen Erfahrungen mit der Europäischen Aktiengesellschaft (SE) von wesentlicher Bedeutung. Über das "Flaggschiff des europäischen Gesellschaftsrechts" hat man in Europa zwar fast ein halbes Jahrhundert beraten, doch wird das gefundene Statut von den Unternehmen (bislang) kaum angenommen. Ursache dafür dürfte vor allem die rechtliche Komplexität der SE und der damit verbundene Beratungsaufwand sein. Mit der SE wurde keine einheitliche europäische Rechtsform geschaffen, auf die europaweit die gleichen Regeln zur Anwendung kommen. Das SE-Statut verweist vielmehr in vielen Fällen auf die Bestimmungen des nationalen Rechts, so dass es in Europa 27 ganz unterschiedliche SE's gibt.

III. Einheitlicher Rechtsrahmen

Für die EPG soll dagegen ein grundsätzlich einheitlicher Rechtsrahmen geschaffen werden. Auf Verweisungen in das nationale Recht der Mitgliedstaaten will man weitgehend verzichten. Lediglich für solche Rechtsfragen, die in dem EPG-Statut nicht geregelt werden, soll ein Rückgriff auf das Gesellschaftsrecht der einzelnen Mitgliedstaaten möglich sein. In Bezug auf das Recht der Rechnungslegung, das Strafrecht sowie das Arbeits- und Sozialrecht soll die EPG genauso behandelt werden wie eine vergleichbare Rechtsform des nationalen Rechts.

Das Statut der EPG hält grundsätzlich an dem Konzept des Mindestkapitals fest. Im Unterschied zu früheren Entwürfen soll das gesetzliche Mindestkapital jetzt aber nicht mehr 25.000 €, sondern lediglich 10.000 € betragen. Dieser Vorschlag dürfte auf die deutsche Diskussion um die Höhe des Mindestkapitals zurück zu führen sein. Allerdings erscheint zweifelhaft, ob eine derart geringe Kapitalausstattung für eine supranationale Rechtsform wirklich angemessen ist. Bei der SE hat der Gesetzgeber das Mindestkapital mit 120.000 € sogar deutlich höher als im Aktienrecht der meisten Mitgliedstaaten (in Deutschland etwa 50.000 €) festgesetzt. Darüber hinaus ist eine Einzahlung des Kapitals bei Gründung jetzt nicht mehr vorgesehen. Das Kapital bestimmt nur noch den Haftungsumfang der Gesellschafter. Eine Kontrolle der Kapitalaufbringung durch das Registergericht entfällt damit. Ungeklärt erscheint, wie sich dieser Vorschlag auf die Fälle der Sachgründung auswirkt.

Im Interesse der Seriosität des Handelsverkehrs schlägt das Europäische Parlament vor, dass Geschäftsführer einer EPG nur sein kann, wem eine entsprechende Tätigkeit nicht durch ein Gericht oder eine Verwaltungsbehörde eines EU-Mitgliedstaats untersagt worden ist. Damit wird auch auf die derzeitige Praxis reagiert, wonach in Deutschland disqualifizierte Geschäftsführer als director einer englischen private limited company in Deutschland tätig werden. Solche Umgehungsstrategien sollen bei der EPG zu Recht von vornherein ausgeschlossen sein.

Bei der Zulässigkeit von Ausschüttungen will das Statut der EPG jetzt einen Mittelweg beschreiten. Grundsätzlich sollen Ausschüttungen nur zulässig sein, soweit das Vermögen das Stammkapital der Gesellschaft übersteigt. Darüber hinaus sollen Ausschüttungen aber auch dann zulässig sein, wenn die Gesellschaft nach der Überzeugung der Geschäftsführer für einen Zeitraum von einem Jahr nach der Ausschüttung weiterhin in der Lage ist, ihre fälligen Verbindlichkeiten zu begleichen. Entgegen den bisherigen Planungen soll damit erstmals ein Solvenztest nach anglo-amerikanischem Vorbild eingeführt werden. Die für eine solche Prognoseentscheidung erforderliche Finanz- und Liquiditätsplanung dürfte allerdings gerade kleine und mittlere Unternehmen nicht unerheblich belasten.

Das Europäische Parlament schlägt zudem vor, dass für die EPG verschiedene Mustersatzungen erstellt werden, die von den Gesellschaftern ganz oder teilweise übernommen werden können. Der Gesellschaftsvertrag muss nach dem vorgeschlagenen Statut nur wenige Mindestangaben enthalten (Rechtsform, Firma, Dauer, Gegenstand, Sitz, Kapital, Organe und Einlagen), so dass schon die Notwendigkeit einer Mustersatzung fraglich erscheint. Die meisten dieser Angaben (u.a. Firma, Dauer, Gegenstand, Sitz) sind zudem individuell zu bestimmen und können in der Mustersatzung gar nicht geregelt werden. In der Praxis besteht die Gefahr, dass die Gründer einer EPG die Mustersatzung auch dann übernehmen, wenn sie ihren Bedürfnissen nicht (vollständig) entspricht. Gerade bei einer neuen Rechtsform erscheint eine individuelle Ausgestaltung des Gestaltungsvertrags von entscheidender Bedeutung. Dies gilt z.B. für die Beschränkung der Übertragung von Gesellschaftsanteilen, die Nachfolge in Gesellschaftsanteile von Todes wegen oder die Rechtsfolgen des Ausscheidens eines Gesellschafters. Von großer praktischer Bedeutung dürften zudem Schiedsklauseln sein, da etwaige Streitigkeiten andernfalls möglicherweise erst durch den EuGH geklärt werden.

IV. Schlussbemerkung

Es bleibt abzuwarten, welche dieser Vorschläge die Europäische Kommission in ihren Gesetzesentwurf aufnehmen wird. Das GmbH-Recht steht jedenfalls auch im Jahr 2007 wieder vor großen Herausforderungen.

 

 



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