Dr. Volker Jahr,
Rechtsanwalt und Steuerberater, Fachanwalt für Steuerrecht,
Lüdenscheid

Bilanzrechtsreformgesetz: Beratung und Abschlußprüfung aus einer Hand bei der kommunalen GmbH ("Eigengesellschaft") auch in Zukunft möglich

Einführung

Entgegen anderslautenden Darstellungen sind kommunale GmbH, wie z.B. eine "Stadtwerke GmbH", keine "Unternehmen von öffentlichem Interesse" im Sinne des Bilanzrechtsreformgesetzes (BilReG), bei denen ein Wirtschaftsprüfer, der für diese GmbH gleichzeitig auch rechts- oder steuerberatende Tätigkeiten erbringt, von der Abschlußprüfung ausgeschlossen wäre. Der im Bilanzrechtsreformgesetz in § 319a HGB verwendete Begriff "Unternehmen von öffentlichem Interesse", bei denen besondere Ausschlußgründe für den Abschlußprüfer bestehen, steht einer Kontinuität in der Betreuung durch den bewährten Abschlußprüfer bei der kommunalen GmbH nicht im Wege. Ebensowenig ist die kommunale GmbH -- in gleicher Weise wie die mittelständische GmbH oder die GmbH & Co. KG -- durch das Bilanzrechtsreformgesetz daran gehindert, sich von dem mit der Abschlußprüfung betrauten Prüfer bzw. dessen WP/RA/StB-Sozien auch weiterhin Rechts- und Steuerberatungsleistungen erbringen zu lassen.

Zahlreiche Städte und Gemeinden haben im Zuge der Diskussion um das Bilanzrechtsreformgesetz (BilReG) und die angekündigte EU-Abschlußprüferrichtlinie pauschal gehaltene Schreiben erhalten, in denen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften ihre Leistungen für die Abschlußprüfung kommunaler Gesellschaften mbH ("Stadtwerke GmbH") anbieten und dabei ohne nähere Begründung in allgemeiner Form darauf hinweisen, daß es für "öffentliche Unternehmen" durch das Bilanzrechtsreformgesetz nunmehr besondere Ausschlußgründe bei der Wahl des Abschlußprüfers gebe.

Damit soll offenbar suggeriert werden, daß der bisherige mit der Abschlußprüfung betraute und gleichzeitig die kommunale GmbH beratende Abschlußprüfer durch das Bilanzrechtsreformgesetz diese doppelte Aufgabe künftig nicht mehr wahrnehmen dürfe. Durch den bewußten Hinweis auf den Begriff "Unternehmen im öffentlichen Interesse" im neuen § 319a HGB kann bei den Entscheidungsträgern in Städten und Gemeinden Unsicherheit entstehen, ob ihre kommunalen Wirtschaftsgesellschaften mbH solche "Unternehmen im öffentlichen Interesse" sind, bei denen besondere Ausschlußgründe bei der Wahl des Abschlußprüfers bestehen, und deshalb der bisher gleichzeitig prüfende und beratende Abschlußprüfer nicht weiter mit der Abschlußprüfung beauftragt werden dürfe. Zusätzlich besteht bei der kommunalen GmbH -- ähnlich wie bei der GmbH und der GmbH & Co. KG des Mittelstands -- oftmals Unsicherheit bei der Frage, ob aufgrund des Bilanzrechtsreformgesetzes ein Abschlußprüfer dann von der Abschlußprüfung ausgeschlossen ist, wenn seine Rechtsanwalts- und Steuerberatersozien gegenüber der Gesellschaft Rechts- und Steuerberatungsleistungen erbringen.

"Unternehmen von öffentlichem Interesse" i.S.v. § 319a HGB

Das Bilanzrechtsreformgesetz (BiReG) sieht in Art. 1 Nr. 24 die Aufnahme eines neuen § 319a in das HGB vor. Dieser trägt die amtliche Überschrift "Besondere Ausschlußgründe bei Unternehmen von öffentlichem Interesse". Fraglich ist, welche Unternehmen solche "von öffentlichem Interesse" sind, bei denen besondere Ausschlußgründe bei der Wahl des Abschlußprüfers bestehen.

Bereits dem Wortlaut des neuen § 319a HGB läßt sich unmittelbar entnehmen, welche Unternehmen dies sind. Zwar findet sich in § 319a HGB keine Legaldefinition für den Begriff "Unternehmen von öffentlichem Interesse". Jedoch werden die Unternehmen, bei denen die besonderen Ausschlußgründe des § 319a HGB eingreifen, in der Vorschrift ausdrücklich und abschließend genannt. Es handelt sich dabei ausschließlich um Unternehmen, die "einen organisierten Markt im Sinne des § 2 Abs. 5 des Wertpapierhandelsgesetzes in Anspruch" nehmen. In der Überschrift des § 319a HGB werden diese dann als "Unternehmen von öffentlichem Interesse" bezeichnet.

Ausschließlich kapitalmarktorientierte Unternehmen sind somit "Unternehmen von öffentlichem Interesse" i.S.v. § 319a HGB, bei denen besondere Ausschlußgründe bei der Wahl des Abschlußprüfers bestehen.

Auf die Ausdehnung des Begriffs auch auf Kreditinstitute, Finanzdienstleistungsinstitute, Versicherungsunternehmen und Pensionsfonds, deren Bilanzsumme 150 Mio. Euro übersteigt, wie dies noch der Regierungsentwurf vorgesehen hatte, wurde in der vom Bundestag schließlich verabschiedeten Fassung ausdrücklich verzichtet (vgl. BT-Drucks. 15/4054, S. 77 f.).

EU-Abschlußprüferrichtlinie

Auch die Neufassung der EU-Abschlußprüferrichtlinie läßt hier nichts anderes erwarten, insbesondere keine Ausdehnung des Begriffes "Unternehmen von öffentlichem Interesse" auf die kommunale GmbH.

Am 17.3.2004 hat die Europäische Kommission dem Rat der Europäischen Union den Entwurf für die neue Abschlußprüferrichtlinie vorgelegt (Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über die Prüfung des Jahresabschlusses und des konsolidierten Abschlusses und zur Änderung der Richtlinien 78/660/EWG und 83/349/EWG des Rates, Interinstitutionelles Dossier 2004/0065 (COD), 7677/04 des Rates der Europäischen Union v. 22.3.2004).

In Art. 2 Abs. 11 des Entwurfs für die neue Abschlußprüferrichtlinie werden "Unternehmen von öffentlichem Interesse" definiert als "Unternehmen, die aufgrund der Art ihrer Tätigkeit, ihrer Größe oder der Zahl ihrer Beschäftigten von erheblicher öffentlicher Bedeutung sind, insbesondere Unternehmen, die unter das Recht eines Mitgliedstaates fallen und deren Wertpapiere zum Handel auf einem geregelten Markt eines Mitgliedsstaates im Sinne von Artikel 1 Nummer 13 der Richtlinie 93/22/EWG (ABl. L 141 vom 11.6.1993, S. 27) zugelassen sind, sowie Banken, andere Finanzinstitute und Versicherungsunternehmen."

In der Begründung zum Kommissionsentwurf heißt es dazu auf S. 4/5: "Unternehmen, deren Wertpapiere zum Handel an einem geregelten Markt zugelassen sind, sowie Banken und Versicherungsunternehmen sind grundsätzlich als Unternehmen von öffentlichem Interesse definiert. Den Mitgliedstaaten wird anheim gestellt, weitere Unternehmen wie z.B. Krankenhäuser oder Pensionsfonds in die Definition einzubeziehen."

Dieses Wahlrecht für die nationalen Gesetzgeber bei der Richtlinienumsetzung hat der Deutsche Bundestag bei Verabschiedung des Bilanzrechtsreformgesetzes bereits gesehen und ausgeübt. So wird in der Gesetzesbegründung auf S. 51, 91 f. RegE auf den Vorschlag der EU-Kommission zur Neufassung der Abschlußprüferrichtlinie ausdrücklich Bezug genommen. Es heißt dabei wörtlich, daß sich § 319a HGB am Begriff des Unternehmens von öffentlichem Interesse in Art. 2 Ziff. 11 des aktuellen Vorschlags der EU-Kommission für eine Novellierung der Abschlußprüferrichtlinie orientiere. Der deutsche Gesetzgeber hat mithin die europäischen Vorgaben und Wahlrechte gesehen und ausgeübt und dabei bewußt von einer Ausdehnung des Begriffs "Unternehmen von öffentlichem Interesse" über börsennotierte Unternehmen hinaus Abstand genommen.

In Deutschland sind somit im Einklang mit den Vorgaben des Europarechts "Unternehmen von öffentlichem Interesse", bei denen besondere Ausschlußgründe bei der Wahl des Abschlußprüfers bestehen, Unternehmen, die einen organisierten Kapitalmarkt in Anspruch nehmen, im Klartext also börsennotierte Unternehmen. Von der Möglichkeit der Europäischen Kommission, dies auch auf Banken, Versicherungen und andere Finanzdienstleistungsinstitute auszudehnen, hat der deutsche Gesetzgeber -- anders, als noch der Regierungsentwurf -- ausdrücklich keinen Gebrauch gemacht. Die europäische Kommission räumt den Mitgliedsländern die Möglichkeit ein, den Begriff "Unternehmen von öffentlichem Interesse" über börsennotierte Unternehmen hinaus auszudehnen und nennt insoweit u.a. auch Krankenhäuser als mögliche Unternehmen, die dafür in Betracht kommen. Der deutsche Gesetzgeber hat indessen von diesem Wahlrecht ausdrücklich keinen Gebrauch gemacht.

Nach alledem steht zweifelsfrei fest, daß kommunale GmbH keine "Unternehmen von öffentlichem Interesse" sind, bei denen besondere Ausschlußgründe bei der Wahl des Abschlußprüfers bestünden.

Rechts- und Steuerberatungsleistungen durch den Abschlußprüfer

Darüber hinaus stellt sich bei der kommunalen GmbH in gleicher Weise wie bei der GmbH mittelständischer Unternehmen die Frage, ob durch das Bilanzrechtsreformgesetz die Erbringung von Rechts- und Steuerberatungsleistungen durch den mit der Abschlußprüfung betrauten Wirtschaftsprüfer bzw. Rechtsanwalt und Steuerberater weiterhin möglich ist.

Wie bereits ausgeführt, wurde das Bilanzrechtsreformgesetz mit Blick auf kapitalmarktorientierte Unternehmen geschaffen. Wie sich der Gesetzesbegründung insoweit entnehmen läßt, sind die durch das Gesetz formulierten besonderen Anforderungen an die Abschlußprüfung insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen internationalen Entwicklungen im Bereich der Kapitalmärkte zu sehen (BT-Drucks. 15/4054, S. 1). Die Neuerungen für die Wirtschaftsprüfung sind daher in erster Linie geschaffen worden im Hinblick auf Großunternehmen, die einen organisierten Kapitalmarkt in Anspruch nehmen -- Stichwort: Anlegervertrauensschutz.

Für nicht-börsennotierte mittelständische Unternehmen und kommunale GmbH ist demgegenüber zu beachten, daß die umfassende kompetente "Beratung aus einer Hand" durch den Wirtschaftsprüfer, der zugleich Abschlußprüferaufgaben wahrnimmt, keineswegs durch das Gesetz ausgeschlossen oder für schlecht befunden wird. Im Gegenteil, die Gesetzesunterlagen können durchaus so verstanden werden, daß dieser Ansatz einer ganzheitlichen Betreuung nicht nur zulässig, sondern auch sinnvoll sein kann.

Verboten ist im Mittelstand und bei kommunalen GmbH lediglich die Eigenprüfung. So heißt es in der Gesetzesbegründung auf S. 54 des RegE: "Zentraler Punkt vieler der neuen Regelungen ... ist das Selbstprüfungsverbot. Die Unabhängigkeit des Abschlußprüfers soll nicht dadurch beeinträchtigt werden, daß er im Rahmen der Abschlußprüfung das Ergebnis seiner Beratungs- bzw. Bewertungstätigkeit erneut zu überprüfen hat. Auch wenn die Möglichkeiten zum Erbringen von Beratungsleistungen insoweit künftig eingeschränkt werden, bedeutet dies doch, daß dem als Abschlußprüfer tätigen Wirtschaftsprüfer die Beratungstätigkeit beim geprüften Unternehmen im übrigen -- und damit insgesamt zum weit überwiegenden Teil -- weiterhin möglich sein wird." (Unterstreichung im Original)

Dabei ist es nicht nur so, "daß das Erbringen von Rechts- oder Steuerberatungsleistungen nach wie vor zulässig ist", wie es in der weiteren Gesetzesbegründung auf S. 86 des RegE nochmals ausdrücklich heißt. Vielmehr ist es nach der weiteren Gesetzesbegründung auf S. 89 des RegE sogar ausdrücklich zulässig, daß von dem als Abschlußprüfer tätigen Wirtschaftsprüfer "Hinweise auf eine bestehende Rechtslage (einschließlich Steuerrechtslage) zu bestimmten Situationen gegeben" werden, "die ein Handeln des Mandanten nahe legen oder es -- zur Wahrung von Vorteilen -- sogar erfordern."

Schlußbemerkung

Die kommunale GmbH ist kein "Unternehmen von öffentlichem Interesse", bei welcher besondere Ausschlußgründe bei der Wahl des Abschlußprüfers bestehen. Auch ist der kommunalen GmbH -- ebenso wie dem Mittelstand -- eine gleichzeitige Rechts- oder Steuerberatung durch den Abschlußprüfer bzw. dessen Rechtsanwalts- oder Steuerberatersozien durch das Bilanzrechtsreformgesetz nicht verwehrt.

 

 

* FRIEBE - PRINZ + PARTNER, Wirtschaftsprüfer Steuerberater Rechtsanwälte, SÜDWESTFALEN-REVISION GMBH.


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