Frank Schönherr / Claus Lemaitre, München*

Eckpfeiler der geplanten Unternehmenssteuerreform 2008

Am 2.11.2006 wurden die durch die Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Reform der Unternehmenssteuer in Deutschland erarbeiteten Eckpfeiler vorgestellt. Mit einem ersten Gesetzentwurf wird im ersten Quartal 2007 gerechnet. Die Unternehmenssteuerreform soll am 1.1.2008 in Kraft treten. Dieser Beitrag skizziert die wesentlichen Änderungsvorschläge der Arbeitsgruppe.

I. Beibehaltung des bisherigen Steuersystems inkl. Gewerbesteuer

Im Wettstreit der Reformmodelle hat sich weder das Modell der Stiftung Marktwirtschaft (Allgemeine Unternehmenssteuer) noch das Reformmodell des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung (Duale Einkommensteuer) durchsetzen können. So bleibt die Gewerbesteuer -- zwar mit einigen wesentlichen Modifikationen -- in ihren grundlegenden Elementen erhalten. Damit haben sich die Kommunen durchsetzen können, die sich durchweg gegen eine Abschaffung der Gewerbesteuer ausgesprochen hatten. Auch hat sich die Arbeitsgruppe nicht für eine einheitliche Bemessungsgrundlage für die Körperschaft- und Gewerbesteuer ausgesprochen.

II. Senkung des Körperschaftsteuersatzes auf 15 %

Der Körperschaftsteuersatz soll von derzeit 25 % auf 15 % gesenkt werden. Die Reduzierung des Körperschaftsteuersatzes ist damit nicht so hoch ausgefallen, wie mit 12,5 % ursprünglich geplant. Zusammen mit den an späterer Stelle zu erläuternden Änderungen des Gewerbesteuergesetzes soll die steuerliche Gesamtbelastung für Kapitalgesellschaften von derzeit 38,65 % auf 29,83 % gesenkt werden.

III. Rechtsformneutralität durch Thesaurierungsbegünstigung für Personenunternehmen

Personenunternehmen soll mit einer Thesaurierungsbegünstigung die Möglichkeit gegeben werden, eine steuerliche Belastung auf einbehaltene Gewinne wie bei einer Kapitalgesellschaft zu erreichen. Die Thesaurierungsbegünstigung soll nach den Planungen durch eine Tarifreduzierung des Einkommensteuersatzes auf 28,25 % zzgl. Solidaritätszuschlag für nicht entnommene Gewinne erreicht werden. Spätere Entnahmen der Gewinne sollen dann mit dem Abgeltungssteuersatz wie bei Dividenden besteuert werden. Dies soll nach dem Willen des Gesetzgebers eine (nahezu) rechtsformneutrale Besteuerung von Personenunternehmen und Kapitalgesellschaften bewirken. Nach Meinung der Verfasser müsste jedoch für eine komplette Gleichbehandlung die gesetzliche Umsetzung dergestalt erfolgen, dass auf die Personengesellschaft die Steuersätze für Kapitalgesellschaften bei gleichzeitigem Wegfall der Gewerbesteueranrechnung für die Gesellschafter Anwendung finden.

IV. Streichung des Abzugs der Gewerbesteuer als Betriebsausgabe

Künftig soll die Gewerbesteuer in den Katalog der nicht als Betriebsausgabe abzugsfähigen Aufwendungen aufgenommen werden, sodass die Gewerbesteuer die Bemessungsgrundlagen der Einkommen- und Körperschaftsteuer und der Gewerbesteuer künftig nicht mehr mindern wird. Im Gegenzug soll der Anrechnungsfaktor für die pauschalierte Anrechnung der Gewerbesteuer bei der Einkommensteuer erhöht werden (s. dazu V.). Ferner soll die Gewerbesteuermesszahl reduziert werden (s. dazu VI.).

V. Erhöhung des Anrechnungsfaktors für die Anrechnung der Gewerbesteuer auf die Einkommensteuer

Als Kompensation für die Streichung des Abzugs der Gewerbesteuer als Betriebsausgabe soll der Faktor für die pauschalierte Anrechnung der Gewerbesteuer bei der Einkommensteuer von gegenwärtig 1,8 auf 3,8 erhöht werden. Aufgrund dieser Änderung wird ein erheblich höherer Betrag bei der Einkommensteuer-Veranlagung von Gesellschaftern gewerblicher Personenunternehmen anrechenbar sein.

VI. Reduzierung der Gewerbesteuermesszahl und Wegfall des Staffeltarifs

Der Vorschlag der Arbeitsgruppe sieht vor, die Steuermesszahl von 5 % auf 3,5 % abzusenken und den Staffeltarif bei Personenunternehmen abzuschaffen. Die Änderungen sind ebenfalls im Zusammenhang mit der Streichung des Abzugs der Gewerbesteuer als Betriebsausgabe zu sehen.

VII. Gewerbesteuerliche Hinzurechnung von Zinsen und Finanzierungsanteilen in Mieten, Pachten, Leasingraten und Lizenzen

Gegenwärtig ist die Hälfte der Zinsen für sog. Dauerschulden für gewerbesteuerliche Zwecke wieder hinzuzurechnen. Unter bestimmten Umständen ist auch die Hälfte von Miet- und Pachtzinsen hinzuzurechnen. Die zuletzt genannte Vorschrift hatte der EuGH als europarechtswidrig angesehen (EuGH v. 26.10.1999 -- C-294/97 -- Eurowings).

Das Einigungsergebnis der Arbeitsgruppe sieht vor, dass künftig 25 % aller Zinsaufwendungen hinzuzurechnen sind. Eine Unterscheidung zwischen Zinsen für Dauerschulden und kurzfristige Verbindlichkeiten entfällt. Ferner soll eine Hinzurechnung von 25 % der Finanzierungsanteile in Mieten, Pachten, Leasingraten und Lizenzen eingeführt werden. Dem Vernehmen nach soll der Finanzierungsanteil bei beweglichen Wirtschaftsgütern und Lizenzen 25 % und bei unbeweglichen Wirtschaftsgütern sogar 75 % betragen.

Obwohl die Neuregelung einen Freibetrag von 100.000 € vorsehen soll, bewirkt sie im Ergebnis eine Substanzbesteuerung. Gleiches gilt für die Zinsschranke (s. dazu VIII.).

VIII. Abschaffung der Regelungen zur Gesellschafterfremdfinanzierung und Einführung einer "modifizierten Zinsschranke"

Finanzierungsaufwendungen von Kapital- und Personengesellschaften sollen künftig im Grundsatz nur noch in Höhe eines bestimmten Prozentsatzes (geplant sind dem Vernehmen nach 30 %) vom Gewinn vor Ansatz der Finanzierungsaufwendungen und Finanzierungserträge (ertragsabhängige Zinsschranke) ertragsteuerlich abzugsfähig sein. Darüber hinaus ist die Einführung einer Freigrenze von 1 Mio. € (Saldo aus Finanzierungskosten und -erträgen), innerhalb derer Zinsen in vollem Umfang abgezogen werden können, sowie eine Vortragsmöglichkeit für in einem Wirtschaftsjahr nicht abzugsfähige Zinsen in künftige Wirtschaftsjahre geplant.

Alternativ zu dem Modell der ertragsabhängigen Zinsschranke ist eine eigenkapitalabhängige Zinsschranke in der Diskussion, die -- ähnlich der bestehenden gesetzlichen Regelung -- an ein bestimmtes Eigen-/ Fremdkapitalverhältnis anknüpfen soll.

Im Gegensatz zu der ausschließlich für die Fälle der Gesellschafterfremdfinanzierung von Kapitalgesellschaften geltenden Vorgängerregelung des § 8a KStG zielt die geplante Neuregelung auf die Erfassung sämtlicher Finanzierungsaufwendungen ab und erfasst in vollem Umfang auch Personengesellschaften. Ob und wie die Regelung bei weniger ertragreichen bzw. verlustreichen Unternehmen anzuwenden sein wird, ist bisher nicht geklärt. Es wird geplant, eine Ausnahmeregelung für Unternehmen in der Krise und Unternehmen mit dauerhaft niedriger Umsatzrendite aufzunehmen. Ausnahmeregeln muss es nach Meinung der Verfasser auch für Unternehmen mit sehr hohem Fremdkapitalbedarf sowie selbstverständlich für die Kreditwirtschaft geben.

Von der Zinsschranke sollen Konzerne ausgenommen worden sein, die den Nachweis erbringen, dass das Verhältnis von Eigen- zu Fremdkapital im Konzern nicht günstiger als bei dem jeweiligen Unternehmen ist. Dabei werden Beteiligungen ab einer Quote von 25 % berücksichtigt. Maßgebend für die Eigenkapital/Fremdkapital-Relation sollen die nach internationalen Rechnungslegungsstandards aufgestellten Abschlüsse sein. Allein zu dieser Art der Quotenermittlung würde sich der Rechtsanwender einer Fülle von praktischen Problemen gegenübersehen. Man darf daher auf den ersten Gesetzentwurf sehr gespannt sein.

IX. Änderung der Regelung zum Mantelkauf

Nach den Plänen der Arbeitsgruppe soll künftig der unmittelbare oder mittelbare Beteiligungserwerb von mindestens 5 % (am gezeichneten Kapital oder den Stimmrechten) durch einen fremden Dritten und/oder eine diesem nahe stehende Person und darüber hinaus -- unabhängig von der Höhe -- jeglicher nachfolgender Hinzuerwerb durch die genannten Personen innerhalb eines 5-Jahreszeitraums zu einem quotalen Untergang der bestehenden Verlustvorträge führen. Dies soll jedoch nur für den Teil des (anteiligen) Verlustvortrags gelten, der die im Unternehmen (anteilig) vorhandenen stillen Reserven übersteigt (Differenz aus Entgelt und (anteiligem) Betriebsvermögen zu Buchwerten). Bei unentgeltlichen Erwerben tritt an die Stelle des Kaufpreises der gemeine Wert. Die Rechtsfolge des quotalen Verlustuntergangs soll auch unterjährig eintreten können.

Beispiel: Eine Kapitalgesellschaft hat einen Verlustvortrag von 1 Mio. €, ein Betriebsvermögen (Buchwerte) von 0,3 Mio. €. Sämtliche Anteile werden für 0,5 Mio. € veräußert.

Lösung: Ein Verlust i.H.v. 0,2 Mio. € (0,5 ./. 0,3 = stille Reserven) kann vorgetragen werden, i.H.v. 0,8 Mio. € ist er steuerlich nicht mehr nutzbar.

X. Besteuerung von Funktionsverlagerungen

Verlagern Unternehmen betriebliche Funktionen von einer deutschen auf eine ausländische Einheit, so führt dies auch schon nach heutiger Verwaltungsansicht grundsätzlich zu einer Gewinnrealisierung. Zahlreiche Fragen sind in diesem Zusammenhang jedoch noch offen, insbesondere ist strittig, ob die geltenden steuerrechtlichen Normen in der Weise anzuwenden sind, wie es die Finanzverwaltung in zahlreichen Fällen praktiziert. Dies gilt insbesondere sowohl für Fragen der Steuerpflicht einer Verlagerung dem Grunde als auch der Höhe nach. Seit einigen Jahren ist ein BMF-Schreiben in Bearbeitung, dessen Finalisierung mehrfach verschoben worden ist. Es wird nun dem Vernehmen nach von der Arbeitsgruppe vorgeschlagen, zahlreiche Tatbestände im Zusammenhang mit Funktionsverlagerungen explizit gesetzlich zu regeln. Das BMF-Schreiben soll sich nur noch auf Fragen von Begriffsdefinitionen und Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen beschränken.

Die geplanten gesetzlichen Regelungen sehen eine Pflicht des Steuerpflichtigen vor, für vorhandene und in Entwicklung befindliche immaterielle Wirtschaftsgüter laufend nachvollziehbare Aufzeichnungen zu erstellen, die auf Anfrage den Finanzbehörden vorzulegen sind. Den Steuerpflichtigen soll die Pflicht auferlegt werden, Ergebnisprognosen der beteiligten Unternehmensteile vorzulegen, damit der "Einigungsbereich" ermittelt werden kann. Soweit Gewinnpotenzial übertragen wird, soll dessen Bewertung mit dem mittleren Wert des errechneten "Einigungsbereichs" erfolgen, soweit keine Gründe für einen anderen Wert erkennbar sind und diese vom Steuerpflichtigen vorgetragen werden. Ferner soll eine Korrektur der Bewertung der Funktionsverlagerung dann möglich sein, wenn die später tatsächlich erzielten Gewinne erheblich von den prognostizierten Gewinnen abweichen.

Mit den geplanten Regelungen versucht der Fiskus, das "Abfangen" der stillen Reserven beim Grenzübertritt für ihn sicherer zu gestalten. Unabhängig von den in diesem Zusammenhang immer wieder diskutierten Themen wie z.B. die Konformität mit dem Gemeinschaftsrecht, deutet sich eine für die Unternehmen u.a. bezüglich der Dokumentationspflichten sehr belastende Regel an.

XI. Abschaffung der degressiven Abschreibung und der Sofortabschreibung von GWG

Die degressive Abschreibung soll gänzlich abgeschafft werden, weiterhin die Sofortabschreibung von geringwertigen Wirtschaftsgüter. Nach geltendem Recht können geringwertige Wirtschaftsgüter, deren Nettowert den Betrag von 410 € nicht übersteigt, bereits im Jahr ihrer Anschaffung, Herstellung oder Einlage in ein Betriebsvermögen vollumfänglich als Betriebsausgaben abgesetzt werden. Dies soll künftig nur noch bei nichtselbständigen Einkünften, nicht mehr aber bei Gewinneinkünften möglich sein.

XII. Verbesserung der Anwendung der sog. Ansparabschreibung

Die bisher schon bestehenden Möglichkeiten zur Bildung einer Ansparrücklage nach § 7g EStG sollen verbessert werden. Die Regelung dient der steuerlichen Förderung kleinerer und mittlerer Unternehmen. Die Arbeitsgruppe hat sich darauf geeinigt, den Höchstbetrag für die Bildung von Ansparrücklagen von derzeit 154 T€ auf 200 T€ anzuheben.

XIII. Einführung von Regelungen für Wertpapierleihe-Transaktionen

Die Möglichkeiten für den steueroptimierten Einsatz von sog. Wertpapierleihegeschäften, die sich nach dem Systemwechsel vom Anrechungsverfahren zum Halbeinkünfteverfahren bei der Körperschaftsteuer ergeben haben, sollen abgeschafft werden. Dabei sollen die Erträge, für die eine Kompensationszahlung im Rahmen einer Wertpapierleihe geleistet wird, nicht mehr wie bisher im Ergebnis zu 95 % steuerfrei, sondern vielmehr vollumfänglich steuerpflichtig sein.

* Dipl.-Fw. Frank Schönherr und Dipl.-Kfm. Claus Lemaitre sind Steuerberater und Partner bei RP RICHTER & PARTNER, Steuerberater, Wirtschaftsprüfer, Rechtsanwälte.

 



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