André Elsing, Hamburg*

Erwerb der relativen Gesellschafterstellung

 

I. Einführung

Noch im Laufe dieses Monats, am 23.1.2008, wird die öffentliche Anhörung beim Rechtsausschuss des Deutschen Bundestages zum Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) v. 23.5.2007 (BT-Drucks. 16/6140, Vorabfassung v. 25.7.2007) stattfinden. Die Anhörung ist von großer Bedeutung, weil der Rechtsausschuss über die wichtige und gelungene Gesetzesvorlage berät und dafür sorgen kann, dass noch notwendige Verbesserungen in die Wege geleitet werden. Mit dem voraussichtlich im ersten Halbjahr 2008 in Kraft tretenden Gesetz wird u.a. auch die Vorschrift des § 16 GmbHG, eine bislang anspruchsvoll gestaltete Schutzvorschrift für Gesellschaften, vereinfacht. Dies ist grundsätzlich zu begrüßen. Dennoch erscheint es notwendig, dass die beabsichtigte Fassung des neuen § 16 Abs. 1 GmbHG-E noch verändert wird, weil zu befürchten ist, dass künftig zahlreiche Diskussionen darüber geführt werden müssen, ob im Anschluss an Geschäftsanteilsübertragungen vorgenommene Gesellschafterbeschlüsse wirksam oder unwirksam sind. Geschäftsführer, Rechtsberater der Gesellschaften und beurkundende Notare liefen Gefahr, für Schäden verantwortlich gemacht zu werden -- s. unten III.

 

II. Heutige Rechtslage

1. Bedeutung der Anmeldung

Zurzeit handelt es sich bei dem § 16 GmbHG um eine Schutzvorschrift für die Gesellschaft. Ein wirksam abgeschlossener Erwerb eines Geschäftsanteils ist -- unter Beifügung der Nachweise des Übergangs -- bei der Gesellschaft anzumelden. Von Bedeutung ist die Anmeldung insbesondere, weil der Gesellschaft gegenüber nur derjenige als Erwerber gilt, dessen Erwerb unter Nachweis des Übergangs bei ihr angemeldet ist, und weil der Erwerber Rechtshandlungen gegen sich gelten lassen muss, die vor der Anmeldung von der Gesellschaft gegenüber dem Veräußerer -- oder umgekehrt -- in Bezug auf das Gesellschaftsverhältnis vorgenommen worden sind. Darüber hinaus haftet der Erwerber neben dem Veräußerer für die Zeit bis zu der Anmeldung auf den Gesellschaftsanteil für rückständige Leistungen.

 

2. Vornahme der Anmeldung

Die Anmeldung, die durch den Erwerber und/oder den Veräußerer einem Geschäftsführer gegenüber abzugeben ist, ist erst möglich, wenn die Geschäftsanteilsübertragung wirksam geworden ist, also frühestens mit Beurkundung einer wirksamen Abtretung. Liegt eine solche Abtretung vor, darf die Anmeldung auch in die Geschäftsanteilsabtretungsurkunde integriert werden. Soweit die Wirksamkeit der Abtretung nicht bereits mit ihrer Beurkundung, sondern erst zu einem späteren Zeitpunkt eintritt, können der Erwerber und/oder der Veräußerer auch einen Dritten, wie den beurkundenden Notar, zur Anmeldung gem. § 16 Abs. 1 GmbHG bevollmächtigen. Zu beachten ist dabei, dass der Notar keine vermutete Vollmacht nach § 129 FGG hat, so dass die Bevollmächtigung auf ihn ausdrücklich erklärt werden muss. Wie der Gesellschaft gegenüber die Nachweise des Erwerbs zu erbringen sind, bestimmt das Gesetz nicht. Es genügt, soweit der Gesellschaftsvertrag nichts anderes bestimmt, jede überzeugende Unterrichtung der Gesellschaft. Der Nachweis wird regelmäßig durch Vorlegung der formgerechten Abtretungsurkunde (§ 15 Abs. 3 GmbHG) erbracht (H. Winter/Seibt in Scholz, GmbHG, 10. Aufl. 2006, § 16 Rz. 18). Eine bloße Information über eine Anteilsübertragung ohne nähere Angaben zu Zeit und Ort der Abtretung sowie der Person des Erwerbers genügt jedoch nicht.

 

III. Künftige Rechtslage

1. Derzeitig beabsichtigte Fassung nach dem MoMiG

Die derzeitige Fassung des § 16 Abs. 1 GmbHG-E lautet:

"Im Verhältnis zur Gesellschaft gilt im Fall einer Veränderung in den Personen der Gesellschafter oder des Umfangs ihrer Beteiligung als Inhaber eines Geschäftsanteils nur, wer als solcher in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste (§ 40) eingetragen ist. Eine vom Erwerber in Bezug auf das Gesellschaftsverhältnis vorgenommene Rechtshandlung gilt als von Anfang an wirksam, wenn die Liste unverzüglich nach Vornahme der Rechtshandlung in das Handelsregister aufgenommen wird."

 

2. Relative Gesellschafterstellung

Nach der vorgenannten Fassung des § 16 Abs. 1 GmbHG-E erwirbt ein Käufer durch den Abschluss eines wirksamen Geschäftsanteilsabtretungsvertrags zunächst nur eine relative Gesellschafterstellung. Häufig wird ein Erwerber (relativer Gesellschafter) sich dazu entschließen, im Anschluss an den Erwerb bereits Gesellschafterbeschlüsse zu fassen. Solche Beschlüsse werden jedoch nur wirksam, wenn die Liste der Gesellschafter, die nach dem neuen § 40 Abs. 2 GmbHG-E vom Notar anstelle des Geschäftsführers zu unterschreiben und dem Handelsregister unverzüglich einzureichen ist, auch tatsächlich unverzüglich zum Registergericht eingereicht worden ist (zur Gesellschafterliste Elsing, ZNotP 2007, 322 f.). Es ist absehbar, dass es allzu oft zu Einreichungen kommen wird, die nicht unverzüglich erledigt wurden oder bei denen zumindest Streit darüber geführt werden muss, ob eine Einreichung unverzüglich war oder nicht. Bedenkt man, dass es in Notariaten -- z.B. in Dezembermonaten wegen des Jahresendgeschäfts, oder in Augustmonaten wegen des Verschmelzungsgeschäfts -- immer wieder zu Arbeitsüberlastungen kommt, scheinen Probleme vorgegeben. Erfolgt nach einer wirksam gewordenen Anteilsübertragung die Übermittlung der Gesellschafterliste z.B. (erst) drei Wochen später, dürfte diese Einreichung nicht als unverzüglich anzusehen sein. Das würde dann bedeuten, dass die sämtlichen gefassten Beschlüsse nichtig sind. Den handelnden Geschäftsführern drohen Schäden und den Beratern u.U. Regress.

 

IV. Fazit

Wünschenswert wäre eine Modifizierung des § 16 Abs. 1 GmbHG-E im letzten Satz des Abs. 1, z.B. wie folgt:

"Eine vom Erwerber in Bezug auf das Gesellschaftsverhältnis vorgenommene Rechtshandlung gilt als von Anfang an wirksam, wenn die Liste unverzüglich, spätestens jedoch 4 Wochen nach Vornahme der Rechtshandlung in das Handelsregister aufgenommen wird."

Mit dieser Regelung würden Rechtsberater, Geschäftsführer und Notare auch gehalten sein, eine unverzügliche Erledigung im Hinblick auf die Pflichten zur Gesellschafterlistenfertigung und Einreichung herbeizuführen. Die angemessene vierwöchige Frist würde zusätzlich Klarheit darüber verschaffen, welche Rechtshandlungen letztendlich wirksam oder nicht wirksam vorgenommen wurden. Soweit eine Verzögerung der Aufnahme einer Gesellschafterliste durch eine Arbeitsüberlastung des Handelsregisters eintritt, dürfte dies nicht zu einer Unwirksamkeit der Rechtshandlungen führen, weil dies nicht in der Sphäre der Beteiligten liegt.

Wird es nicht noch zu einer Korrektur im weiteren Gesetzgebungsverfahren kommen, so könnten als Ausweg der Erwerber, die Rechtsberater der Gesellschaft und vor allem die Notare darauf hinwirken, dass anstelle des Erwerbers noch der Veräußerer (als Gesellschafter mit Zustimmung des Erwerbers) die beabsichtigten Gesellschafterbeschlüsse fasst.

Mit dem Inkrafttreten des MoMiG werden die Einreichungen von Gesellschafterlisten und alle Handlungen, die vorab hierzu erledigt werden müssen, eilig sein.

 

*              Notariat Spitalerstrasse.




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