Dr. Thomas Stollenwerk,   
Richter am Landgericht, Bonn*

 

Jahresabschlusspublizität: Ein Jahr Ordnungsgeldverfahren nach dem EHUG

 

Kostenerstattung bei erfolgreichem Einspruch?

 

Seit dem 1.1.2008 erzwingt das Bundesamt für Justiz mit Sitz in Bonn die Offenlegung von Jahres- und Konzernabschlüssen auch bei nicht börsennotierten Unternehmen. Dies erfolgt durch Androhung und Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen die Unternehmen, die ihrer Pflicht zur Veröffentlichung nicht nachkommen. Das Bundesamt hat hier derzeit alle Hände voll zu tun. Zwar hat sich die Offenlegungsquote gegenüber dem früheren Rechtszustand nachhaltig erhöht, aber dennoch haben mehrere hunderttausend Unternehmen eine Offenlegung unterlassen (s. hierzu auch Kuntze-Kaufhold, GmbHR 2009, 73 ff. -- in diesem Heft).

 

Verfahrensabschnitte

Das Ordnungsgeldverfahren nach § 335 HGB gliedert sich in zwei Abschnitte: Zunächst wird ein Ordnungsgeld angedroht. Gegen diese Androhung kann der Betroffene Einspruch eingelegen. Der Einspruch setzt ein Vorverfahren in Gang, in welchem das Bundesamt für Justiz den Einspruch prüft. Weist das Bundesamt den Einspruch zurück, kann der Betroffene diese Entscheidung durch eine Handelskammer des LG Bonn überprüfen lassen. Auf die Androhung des Ordnungsgeldes folgt dessen Festsetzung. Gegen die Festsetzung kann der Betroffene unmittelbar Beschwerde zum LG Bonn einlegen. Aber Vorsicht: Einwendungen gegen die Offenlegungspflicht muss der Betroffene bereits mit dem Einspruch geltend machen, will er sie nicht verlieren. Wer den Einspruch gegen die Androhung versäumt, wird gem. § 139 Abs. 2 FGG im Rahmen der Beschwerde gegen die Festsetzung des Ordnungsgeldes nicht mehr damit gehört, er sei aus Gründen, die er bereits mit dem Einspruch gegen die Androhung hätte geltend machen können, nicht zur Offenlegung verpflichtet.

Hat der Betroffene -- was ihm daher dringend anzuraten ist -- bereits die "Androhung" zum Anlass genommen, seine Einwendungen gegen die Offenlegungspflicht vorzubringen, ist zunächst das Bundesamt für Justiz am Zuge. Gelangt es zu dem Ergebnis, dass der Einspruch begründet ist, stellt es das Ordnungsgeldverfahren ein. Dies geschieht durch eine sog. Einstellungsverfügung. Gleichzeitig hebt es regelmäßig auch die Entscheidung auf, nach welcher der Betroffene die Kosten des Ordnungsgeldverfahrens zu tragen hat. Die Pflicht zur Kostentragung wird nach der Neuregelung des Ordnungsgeldverfahrens mit der "Androhung" verbunden. Dabei geht es um die Verfahrenskosten: Bereits für die "Androhung" wird nämlich dabei eine Gebühr von derzeit 50 € erhoben, zudem hat der Betroffene die Auslagen zu tragen, insbesondere die Kosten der Zustellung der "Androhung" von derzeit 3,50 €. Ist der Einspruch erfolgreich, so besteht in aller Regel keine Rechtfertigung mehr dafür, dass der Betroffene dennoch mit diesen Verfahrenskosten belastet bleibt. Die mit der "Androhung" verbundene Kostenentscheidung wird daher aufgehoben.

 

Keine Erstattung außergerichtlicher Kosten

Die außergerichtlichen Kosten des Betroffenen werden bei einer Einstellung des Verfahrens vom Bundesamt nicht übernommen. Dabei handelt es sich insbesondere um die Vergütung, die der Betroffene für die Tätigkeit eines Rechtsanwalts, eines Steuerberaters oder einer sonstigen im Einspruchsverfahren vertretungsberechtigten Person hat aufwenden müssen. Diese Kosten hat der Betroffene nach Ansicht des Bundesamtes selbst dann zu tragen, wenn sein Einspruch erfolgreich ist.

Die Weigerung des Bundesamtes, bei Einstellung des Ordnungsgeldverfahrens dem Betroffenen die für den Einspruch aufgewendeten außergerichtlichen Kosten zu erstatten, wird von einigen als unbillig empfunden. Bezweifelt wird auch die Rechtmäßigkeit einer solchen Haltung des Bundesamtes. Mit dem Ziel, das Bundesamt zu verpflichten, seine Einstellungsverfügung um einen Ausspruch, wonach dieses die außergerichtlichen Kosten zu tragen hat, zu erweitern, wurden in jüngerer Vergangenheit einige Beschwerden gegen die Einstellungsverfügung beim LG Bonn eingelegt. Die zuständigen Kammern für Handelssachen des LG Bonn vertreten indes die Ansicht, für die Entscheidung dieser Streitfrage nicht zuständig zu sein. Die Beschwerden wurden daher als unzulässig verworfen (z.B. LG Bonn v. 10.6.2008 -- 30 T 11/08, GmbHR 2009, 96 -- in diesem Heft). Hintergrund ist, dass die Handelskammern des LG Bonn nicht ausnahmslos für alle Streitigkeiten zuständig sind, die aus dem Ordnungsgeldverfahren erwachsen. Vielmehr sind in § 335 Abs. 4 HGB die Streitigkeiten aufgezählt, für die eine Zuständigkeit des LG Bonn besteht. Dort ist zwar auch die Einstellungsverfügung in Bezug genommen. Zu überprüfen sind danach aber nach Ansicht der Handelskammern nur die Entscheidungselemente der Einstellungsverfügung, die das Gesetz ausdrücklich vorsieht. Das sind gem. § 335 Abs. 3 S. 7 HGB die Entscheidung über die Einstellung des Verfahrens selbst und -- einzig praxisrelevant -- die Aufhebung der Belastung des Betroffenen mit den Verfahrenskosten. Die Entscheidung über die Erstattung außergerichtlicher Kosten gehört nicht hierzu und zwar unabhängig davon, ob das Bundesamt für Justiz die Ablehnung der Übernahme dieser Kosten formal in die Einstellungsverfügung aufnimmt oder nicht.

 

Gerichtliche Überprüfung durch das OLG

Folgt man insoweit der Ansicht der Handelskammern des LG Bonn kann die Folge aber nicht sein, dass Betroffene die Weigerung des Bundesamtes für Justiz, die außergerichtlichen Kosten zu erstatten, keiner gerichtlichen Überprüfung zuführen können. Dies ließe sich mit dem Justizgewährungsanspruch nicht vereinbaren. Dabei ist zu beachten, dass es sich bei dem neu gestalteten Ordnungsgeldverfahren -- was § 335 Abs. 2 S. 2 HGB ausdrücklich klarstellt -- um ein Justizverwaltungsverfahren handelt, für das als Rechtsbehelf der "Antrag auf gerichtliche Entscheidung" nach § 23 Abs. 1 EGGVG zulässig ist. Zuständig ist gem. § 25 Abs. 1 EGGVG ein Zivilsenat des Oberlandesgerichts. Wer nun hofft, vor dem Oberlandesgericht eine Kostenerstattung erstreiten zu können, dürfte allerdings enttäuscht werden. In § 335 Abs. 5 S. 5 HGB ist die Erstattung der außergerichtlichen Kosten wortgleich geregelt wie in § 30 Abs. 2 EGGVG. Zu letzterer Norm entspricht es der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte, dass von der dort geregelten Kostenerstattung außergerichtliche Kosten eines Vorverfahrens nicht umfasst sind. Mangels Rechtsgrundlage seien außergerichtlichen Kosten, die einem Betroffenen in einem dem gerichtlichen Verfahren vorangegangenen Verwaltungsverfahren entstanden seien, gar nicht erstattungsfähig. Eine Analogie zu § 162 Abs. 2 S. 2 VwGO, wonach die Erstattung von Kosten der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren dann erfolgt, wenn das Gericht die Zuziehung für notwendig erklärt, wird allgemein abgelehnt. Es wäre vor diesem Hintergrund eine echte Überraschung, wenn zu § 335 Abs. 5 S. 2 HGB trotz des gleichen Wortlauts wie bei § 30 Abs. 2 EGGVG die Frage der Kostenerstattung anders entschieden würde. Denn bei dem auf den Einspruch folgenden Prüfungsverfahren handelt es sich um nichts anderes als um ein Vorverfahren im Sinne dieser Rechtsprechung der Oberlandesgerichte.

 

Anspruch aus Amtshaftung?

Dies bedeutet aber nicht notwendig, dass ein Betroffener niemals einen Anspruch auf Erstattung seiner Kosten für das Einspruchsverfahren hat. Zu erwägen ist nämlich ein Anspruch aus Amtshaftung (§ 839 BGB, Art. 34 GG). Die überwiegende Meinung in Rechtsprechung und Literatur verneint einen solchen Anspruch nicht allein deshalb, weil ein verfahrensrechtlicher Kostenerstattungsanspruch nicht besteht. Denn ein materiell-rechtlicher Kostenerstattungsanspruch aus Amtshaftung unterscheidet sich gegenüber dem verfahrensrechtlichen Anspruch durch den unterschiedlichen Anknüpfungspunkt: Letzterer knüpft die Kostenerstattung an das Obsiegen und Unterliegen. Demgegenüber wird dem Betroffenen im Rahmen der Amtshaftung ein Anspruch auf Schadensersatz wegen schuldhafter Amtspflichtverletzung zugebilligt. Dies schließt es zwar nicht, dass die verfahrensrechtliche Wertung, eine Kostenerstattung nicht zu gewähren, einen Amtshaftungsanspruch ausschließt. Dafür müssen aber besondere Gründe vorhanden sein (vgl. dazu BGH v. 24.4.1990 -- VI ZR 110/89, NJW 1990, 2060), an denen es vorliegend fehlen dürfte. Wenn man das Bestehen eines Amtshaftungsanspruchs auf Kostenerstattung für den hiesigen Fall nicht von vornherein ausschließt, wird ein solcher Anspruch nur selten bestehen. Denn ein Amtshaftungsanspruch stets voraus, dass einem Beamten des Bundesamtes für Justiz ein Verschulden zur Last fällt. Daran aber wird man strenge Anforderungen stellen müssen. Gerade in der Anfangszeit nach der Neuregelung des Ordnungsgeldverfahrens sind viele Einzelfragen ungeklärt und/ oder umstritten und bedürfen daher der gerichtlichen Klärung. Wenn die Rechtsanwendung durch das Bundesamt für Justiz von den Kammern des LG Bonn beanstandet wird, sie aber vertretbar war (woran gerade in der Anfangszeit keine hohen Anforderungen zu stellen sind), wäre es ersichtlich verfehlt, an die nicht bestätigte Rechtsauffassung des Bundesamtes eine Schadensersatzverpflichtung zu knüpfen. Betroffene werden sich also damit abzufinden haben, selbst bei einem erfolgreichen Einspruchsverfahren die ihnen in diesem Verfahren entstandenen Kosten in der Regel selbst tragen zu müssen.

 

 

*      Der Beitrag gibt ausschließlich die persönliche Auffassung des Verfassers wieder.

 






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