Robin Melchior,
Richter am Amtsgericht, Berlin

Ausschließungsgründe für Geschäftsführer werden novelliert. Schwarze Schafe -- Weiße Weste: Reloaded!

Versteckt in Art. 11 des Entwurfes eines Gesetzes zur Sicherung von Werkunternehmeransprüchen und zur verbesserten Durchsetzung von Forderungen (Forderungssicherungsgesetz -- FoSiG) beabsichtigt der Gesetzgeber, die Straftatbestände, die eine Bestellung zum GmbH-Geschäftsführer ausschließen, erheblich auszuweiten. Entsprechendes ist für Mitglieder des Vorstands einer AG vorgesehen (Art. 9).

Nach dem bisherigen § 6 Abs. 2 S. 3 GmbH sind Personen als Geschäftsführer nicht amtsfähig, die in den letzten fünf Jahren wegen einer Straftat nach §§ 283 bis 283d StGB (Bankrott, Verletzung der Buchführungspflichten, Gläubiger -- und Schuldnerbegünstigung) rechtskräftig verurteilt worden sind. Die Beschränkung auf Insolvenzstraftaten wird wegen der zunehmenden wirtschaftlichen Bedeutung der Kapitalgesellschaften, insbesondere der GmbH als nicht mehr zeitgerecht angesehen. Der Schutz der Gläubiger erfordert nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 15/3594) weitere Zuverlässigkeitskriterien und damit die Ausdehnung auf alle zentralen Bestimmungen des Wirtschaftsstrafrechts und auf einschlägige Vermögensdelikte. Folgende Vorverurteilungen in den letzten fünf Jahren zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr sollen künftig Personen vom Amt als Geschäftsführer auch ausschließen:
Ferner jede Verurteilung wegen

Anwendungsbereich der Novelle

Die neuen zusätzlichen strafrechtlichen Ausschlußtatbestände greifen aber nur bei Verurteilungen, die vor dem Inkrafttreten des FoSiG rechtskräftig sind (Art. 16).

Die Verschärfung des § 6 Abs. 2 GmbHG dürfte auf den ersten Blick mit dem Recht auf freie Berufsausübung aus Art. 12 GG vereinbar sein, weil der Gesetzgeber die Unzuverlässigkeit, ein Amt als Geschäftsführer zu bekleiden, nur annimmt, wenn wegen der erheblichen und amtstypischen Verurteilungen bei diesen Personen keine Vertrauensbasis mehr besteht für eine ordnungsgemäße und entsprechend den Regeln des Wirtschaftslebens ausgerichtete Geschäftsführung. Außer Zweifel steht wohl, daß die beabsichtigte Regelung generell geeignet ist, präventiv die Allgemeinheit vor Schäden besser zu schützen und die Position der Gläubiger zu stärken. Mit der Novelle wird die Zahl der potentiellen "schwarzen Schafe", die nicht mehr zum Geschäftsführer bestellt werden können, erheblich steigen. Nach der Polizeilichen Kriminalitätsstatistik (hier zitiert nach dem Ersten Periodischen Sicherheitsbericht des BMJ/BMI, 2001) war für 1999 von folgenden Zahlen auszugehen: Den 4.371 ermittelten Fällen von Insolvenzstraftaten stehen allein 717.333 Fälle von Betrug gegenüber; davon sind ca. 9 % der Wirtschaftskriminalität zuzuordnen. Nimmt man den gesamten Katalog des künftigen § 6 Abs. 2 S. 3 GmbHG, dann werden ca. 800.000 Fälle pro Jahr erfaßt; das sind fast 180 mal mehr Personen als bisher! Da die Aufklärungs- und Verurteilungsquote bei Vermögensdelikten relativ hoch ist, wird der Kreis der tatsächlich betroffenen Personen ganz erheblich zunehmen.

Zu begrüßen ist auch, daß eine spezifische Verurteilung eines Vorstands einer AG künftig die Amtsfähigkeit dieser Person als Geschäftsführer einer GmbH ausschließt und umgekehrt. Außerdem bleibt es weiterhin dabei, daß Personen, denen die Ausübung eines Gewerbes oder Berufs untersagt worden ist, für die Dauer des Verbots nicht Geschäftsführer sein können.

Außerdem trifft Gesellschafter künftig eine Schadensersatzpflicht nach § 6 Abs. 2 S. 5 GmbHG, wenn sie amtunfähige Personen bestellen, im Amt belassen oder ihnen die Aufgaben als Geschäftsführer überlassen.

Versicherung über die "weiße Weste"

Praktisch relevant wird die Novelle des § 6 Abs. 2 S. 3 GmbHG bei der Neubestellung von Geschäftsführern und Liquidatoren, die bei der Anmeldung zur Eintragung in das Handelsregister in öffentlich beglaubigter Form eine Versicherung abzugeben haben, daß keine Umstände vorliegen, die nach § 6 Abs. 2 S. 3 GmbHG einer Bestellung zum Organ entgegenstehen. Die Versicherung über die "weiße Weste" (§ 8 Abs. 3, § 39 Abs. 3 und § 67 Abs. 3 GmbHG) und die diesbezügliche Belehrung durch die Notare über die unbeschränkte Auskunftspflicht werden redaktionell an den Text der Novelle anzupassen sein. Durch die Einbeziehung der Verurteilungen bei allgemeinen Vermögensdelikten (Betrug, Untreue etc.) werden künftig auch alle Personen erfaßt, die bislang wegen derartiger Straftaten nur gewerberechtlich als unzuverlässig eingestuft und mit einem unternehmensbezogenen Gewerbe- oder Berufsverbot belegt wurden. Bei der Verurteilung wegen Betrugs, Untreue etc. spielt es hier keine Rolle, ob die Tat überhaupt einen wirtschaftlichen Bezug hatte. Besondere Aufmerksamkeit werden Notare und Registergerichte künftig mehr als bisher den Versicherungen widmen, die -- ohne erkennbaren Grund -- von dem Text der Novelle abweichen oder nicht mehr ganz aktuell sind. Letzteres spielt gerade eine Rolle bei der Wiederbestellung von Geschäftsführern oder Liquidatoren und bei der gerichtlichen Bestellung von Nachtragsliquidatoren. Schließlich wird auch die voranschreitende Harmonisierung der Rechtsordnungen in den EU-Mitgliedsstaaten und die Vollendung des Binnenmarkts dieser Novelle eine größere Bedeutung zukommen lassen. Wegen der Erstreckung auf allgemeine Vermögensdelikte wird häufiger als jetzt die Frage zu stellen sein, ob nicht z.B. ein Versicherungsbetrug eines Deutschen im Ausland seine Amtfähigkeit für eine deutsche GmbH in Frage stellt. Und wie ist es mit der gewissenhaften Belehrung eines ausländischen Geschäftsführers, dessen Erinnerungsvermögen an "Kavaliersdelikte" in seiner Heimat nicht besonders ausgeprägt ist? Das Gebot des Gläubigerschutzes spricht zumindest dafür, gleichwertige Auslandsstraftaten als Amtshindernisse in den Anwendungsbereich des § 6 Abs. 2 S. 3 GmbHG einzubeziehen (OLG Naumburg v. 10.11.1999 -- 7 Wx 7/99, GmbHR 2000, 378).

Haftung der Gesellschafter

Abzuwarten bleibt, ob die drohende Schadensersatzpflicht gemäß § 6 Abs. 2 S. 5 GmbHG dazu beiträgt, daß Gesellschafter sich künftig stärker als bisher um amtsfähige Geschäftsführer bemühen. Der Wortlaut des neuen S. 5 ist etwas mißverständlich, weil er so verstanden werden kann, daß Geschäftsführer, bei denen ein gesetzlicher Ausschlußgrund vorliegt, gleichwohl bestellt werden könnten. Das ist jedoch rechtlich nicht der Fall. Der Beschluß über die Bestellung einer amtsunfähigen Person entfaltet rechtlich keine Wirkung; er ist nichtig. Entsprechendes gilt, wenn die Amtsfähigkeit erst nach der Bestellung entfällt. Hier endet das Amt als Organ von Gesetzes wegen; es bedarf keines Beschlusses über die Abberufung. Auch lebt das Amt nicht etwa fünf Jahre nach der Verurteilung wieder auf (vgl. hierzu Gustavus, Handelsregister-Anmeldungen, 6. Aufl., B § 6 GmbHG Nr. 4 und 5). Anders als bisher sollten die Gesellschafter sich aber die Mühe machen, sicherzustellen, daß die Beendigung des Amts nach § 39 Abs. 1 GmbHG auch zur Eintragung in das Handelsregister angemeldet wird. Daran sollte ihnen schon wegen § 15 Abs. 2 HGB gelegen sein, wenn der ehemalige Geschäftsführer weiterhin sein Unwesen treibt. Ist kein weiterer Geschäftsführer vorhanden, um diese Änderung anzumelden, dann sollten die Gesellschafter zur Vermeidung einer Haftung aus § 6 Abs. 2 S. 5 GmbHG wenigstens beim Registergericht den Wegfall der Amtsfähigkeit anzeigen und anregen, diese Person aus dem Handelsregister von Amts wegen zu löschen (§ 142 FGG). Gesellschafter sollten ferner überlegen, sich vor dem Beschluß über die Bestellung von dem designierten Geschäftsführer eine Art "Ehrenerklärung" einzuholen, die dem Inhalt der künftigen Versicherung über die "weiße Weste" entspricht. Das sieht zwar wie eine übertriebene Förmelei aus, dient aber dazu zu belegen, daß die Gesellschafter das aus ihrer Sicht erforderliche und mögliche getan haben, um die Bestellung einer amtsunfähigen Person auszuschließen. In geeigneten Fällen ist eine solche Erklärung auch nach der Bestellung zu wiederholen, weil die einschlägigen Vermögensdelikte ja nicht unbedingt im Zusammenhang mit der Gesellschaft oder im Rahmen einer wirtschaftlichen Betätigung begangen sein müssen. Ein solches Verfahren ist nicht nur bei Fremdgeschäftsführern angezeigt. In der Praxis gibt es immer wieder Fälle, bei denen die Mitgesellschafter nicht wußten, daß ihr Gesellschafter-Geschäftsführer einschlägig bei den Insolvenzgerichten bekannt ist. Derartige Überraschungen wird es künftig vermehrt geben.


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