Gewinnverwendung: Ausschüttung von Dividenden in Form von Aktien einer Tochtergesellschaft durch in einem Drittland (hier: Schweiz) niedergelassene Gesellschaft

EG Art. 56 bis 58

Die Art. 56 EG und 58 EG sind dahin auszulegen, dass sie Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, aufgrund deren die Befreiung von der Einkommensteuer auf in Form von Aktien einer Tochtergesellschaft ausgeschüttete Dividenden nur dann gewährt werden kann, wenn die ausschüttende Gesellschaft in einem Mitgliedstaat des EWR oder in einem Staat niedergelassen ist, mit dem der Besteuerungsmitgliedstaat ein Steuerabkommen, das den Austausch von Informationen vorsieht, geschlossen hat, sofern diese Befreiung von Voraussetzungen abhängig ist, deren Beachtung von den zuständigen Behörden dieses Mitgliedstaats nur in der Weise nachgeprüft werden kann, dass sie Auskünfte beim Niederlassungsstaat der ausschüttenden Gesellschaft einholen.

EuGH, Urt. v. 18.12.2007 -- Rs. C-101/05 -- "A"

 

Urteil

[1] Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung der Art. 56 EG bis 58 EG.

[2] Dieses Ersuchen ergeht in einem Rechtsstreit zwischen dem Skatteverk (schwedische Steuerverwaltung) und A, einer in Schweden wohnhaften natürlichen Person, über die Weigerung, A eine Befreiung von der Steuer auf Dividenden zu gewähren, die in Form von Aktien einer Tochtergesellschaft von einer in einem Drittland niedergelassenen Gesellschaft ausgeschüttet worden sind.

 

Nationales Recht

[3] Nach dem schwedischen Gesetz von 1999 über die Einkommensteuer (inkomstskattelagen, SFS 1999, Nr. 1229, im Folgenden: Gesetz) unterliegen Dividenden, die von einer Aktiengesellschaft an eine in Schweden wohnhafte natürliche Person ausgezahlt werden, normalerweise der Einkommensteuer.

[4] § 16 des Kapitels 42 bestimmt:

„Dividenden, die von einer schwedischen Aktiengesellschaft in Form von Aktien einer Tochtergesellschaft ausgeschüttet werden, gehören nicht zum zu versteuernden Einkommen, wenn

1. die Ausschüttung proportional zu den im Besitz des Steuerpflichtigen befindlichen Aktien der Muttergesellschaft erfolgt;

2. die Aktien der Muttergesellschaft an der Börse notiert werden;

3. sämtliche Anteile der Muttergesellschaft an der Tochtergesellschaft ausgeschüttet werden;

4. die Anteile an der Tochtergesellschaft nach der Ausschüttung nicht von einem Unternehmen gehalten werden, das zu demselben Konzern wie die Muttergesellschaft gehört;

5. die Tochtergesellschaft eine schwedische Aktiengesellschaft oder eine ausländische Gesellschaft ist und

6. die Haupttätigkeit der Tochtergesellschaft in einer gewerblichen Tätigkeit oder in dem direkten oder indirekten Halten von Anteilen an solchen Gesellschaften besteht, die hauptsächlich gewerblich tätig sind und an denen die Tochtergesellschaft unmittelbar oder mittelbar Anteile mit einer Gesamtstimmenzahl hält, die mehr als die Hälfte der Stimmrechte aus sämtlichen Anteilen am Unternehmen ausmacht.“

[5] Als diese Befreiung im schwedischen Recht im Jahr 1992 eingeführt wurde, galten die betreffenden Vorschriften nur für von schwedischen Aktiengesellschaften ausgeschüttete Gewinne. Nachdem diese Vorschriften 1994 aufgehoben worden waren, wurden sie 1995 wieder eingeführt.

[6] Nach dem im Jahr 2001 im schwedischen Recht eingeführten § 16a des Kapitels 42 des Gesetzes gilt die in § 16 desselben Kapitels vorgesehene Befreiung auch, wenn die Ausschüttung in Form von Aktien von einer ausländischen Gesellschaft vorgenommen wird, die eine einer schwedischen Aktiengesellschaft ähnliche Rechtsform hat und die in einem Staat des Europäischen Wirtschaftsraums (im Folgenden: EWR) oder in einem Staat niedergelassen ist, mit dem das Königreich Schweden ein Steuerabkommen geschlossen hat, das eine Bestimmung über den Austausch von Informationen enthält.

[7] Am 7.5.1965 wurde zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Königreich Schweden ein Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung auf dem Gebiete der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen (im Folgenden: Abkommen) geschlossen. In den Art. 10 und 11 dieses Abkommens wird die Regelung für die Besteuerung von Dividenden und Zinsen behandelt.

[8] Art. 27 des Abkommens sieht ein Verständigungsverfahren zwischen den zuständigen Behörden der Vertragsstaaten zur Vermeidung einer den Bestimmungen dieses Abkommens nicht entsprechenden Besteuerung und zur Beseitigung von Schwierigkeiten oder Zweifeln vor, die bei der Auslegung oder Anwendung des Abkommens entstehen können.

[9] Aus Nr. 5 des bei Abschluss des Abkommens erstellten Verhandlungs- und Paraphierungsprotokolls (im Folgenden: Protokoll) geht hervor, dass die Schweizer Delegation die Auffassung vertrat, dass die einzigen Informationen, die Gegenstand eines Austauschs sein könnten, diejenigen seien, die zur richtigen Anwendung und zur Vermeidung der missbräuchlichen Inanspruchnahme des Abkommens notwendig seien. Aus Nr. 5 geht auch hervor, dass das Königreich Schweden diese Erklärung zur Kenntnis genommen und auf eine ausdrückliche Bestimmung über den Austausch von Informationen in dem Abkommen verzichtet hat.

[10] Am 17.8.1993 wurde zwischen der Schweizerischen Eidgenossenschaft und dem Königreich Schweden eine Vereinbarung zur Ausführung der Art. 10 und 11 des Abkommens (im Folgenden: Vereinbarung) geschlossen. In dieser Vereinbarung werden das Verfahren, das ein Einzelner zu beachten hat, um einen Steuernachlass gemäß den in diesen Artikeln vorgeschriebenen Besteuerungsvoraussetzungen zu erhalten, und die Behandlung derartiger Anträge durch die Finanzbehörden der Vertragsstaaten festgelegt.

 

Ausgangsverfahren und Vorabentscheidungsfrage

[11] A ist Aktionär der Gesellschaft X, die ihren Gesellschaftssitz in der Schweiz hat und beabsichtigt, eine Ausschüttung in Form von Aktien vorzunehmen, die sie an einer ihrer Tochtergesellschaften hält. A beantragte beim Skatterättsnämnd (Steuerrechtsausschuss) einen Vorbescheid über die Frage, ob eine solche Ausschüttung von der Einkommensteuer befreit ist. Er ist der Ansicht, dass X eine ähnliche Rechtsform wie eine schwedische AG habe und dass die nach dem Gesetz erforderlichen Voraussetzungen für eine Steuerbefreiung mit Ausnahme der den Ort des Sitzes dieser Gesellschaft betreffenden Voraussetzung erfüllt seien.

[12] In seinem am 19.2.2003 zugestellten Vorbescheid antwortete der Skatterättsnämnd, dass die von X beabsichtigte Ausschüttung in Form von Aktien nach den Vorschriften des EG-Vertrags über den freien Kapitalverkehr von der Einkommensteuer befreit sein müsse.

[13] Der Skatterättsnämnd vertritt die Auffassung, dass ein solches Recht auf Steuerbefreiung sich nicht aus dem Gesetz ergebe, da das Abkommen für die Schweizerische Eidgenossenschaft keine Verpflichtung enthalte, der schwedischen Steuerverwaltung die notwendigen Auskünfte zu erteilen. § 16a des Kapitels 42 des Gesetzes sei jedoch als eine Beschränkung des Kapitalverkehrs i.S.v. Art. 56 EG anzusehen. Eine solche Beschränkung sei zwar durch den Zweck motiviert, die steuerlichen Kontrollen in einem Rahmen zu erleichtern, in dem die Richtlinie 77/799/EWG des Rates v. 19.12.1977 über die gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten im Bereich der direkten und indirekten Steuern (ABl. L 336, S. 15) in der durch die Richtlinie 92/12/EWG des Rates v. 25.2.1992 (ABl. L 76, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 77/799) nicht anwendbar sei. Diese Beschränkung sei jedoch gemessen an diesem Ziel unverhältnismäßig. Die Vereinbarung scheine nämlich in einem gewissen Ausmaß der schwedischen Steuerverwaltung die Möglichkeit zu eröffnen, die für die Anwendung des innerstaatlichen Steuerrechts erforderlichen Auskünfte zu erhalten. Darüber hinaus könne dem Steuerpflichtigen die Möglichkeit gegeben werden, selbst nachzuweisen, dass alle gesetzlich vorgeschriebenen Voraussetzungen erfüllt seien.

[14] Das Skatteverk legte gegen die Entscheidung des Skatterättsnämnd Rechtsmittel beim Regeringsrätt ein.

[15] In seinem Rechtsmittel unterstreicht das Skatteverk, dass die Vorschriften über den freien Kapitalverkehr in Bezug auf den Kapitalverkehr zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern, insbesondere solchen Drittländern, die sich dem Austausch von Informationen zu Zwecken der steuerlichen Überwachung widersetzten, nicht klar seien. Wenn die Möglichkeit, Informationen zu erhalten, beschränkt sei, könne eine Beschränkung wie die durch § 16a eingeführte gerechtfertigt sein, um die Wirksamkeit der steuerlichen Kontrolle sicherzustellen.

[16] A macht dagegen geltend, dass die im Protokoll und in der Vereinbarung enthaltenen Bestimmungen einer Bestimmung über den Austausch von Informationen gleichgestellt werden könnten, die im Abkommen selbst enthalten sei. §16 des Kapitels 42 des Gesetzes stelle auf jeden Fall eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs dar, die nicht gerechtfertigt sei. Es sei nämlich nicht nötig, von den Schweizer Behörden Auskünfte zu verlangen, da der Steuerpflichtige aufgefordert werden könnte, nachzuweisen, dass er alle Voraussetzungen für die Gewährung der im Gesetz vorgesehenen Steuerbefreiung erfülle.

[17] Unter diesen Umständen hat das Regeringsrätt beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen:

Hindern die Vorschriften über den freien Kapitalverkehr zwischen Mitgliedstaaten und einem Drittland daran, in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens bei A die Gewinnausschüttungen von X zu besteuern, weil X nicht in einem Staat innerhalb des EWR oder in einem Staat ansässig ist, mit dem das Königreich Schweden ein Steuerabkommen geschlossen hat, das eine Vorschrift über den Informationsaustausch enthält?

 

Zur Vorabentscheidungsfrage

[18] Die Frage des vorlegenden Gerichts geht im Wesentlichen dahin, ob die Vorschriften des Vertrags über den freien Kapitalverkehr dahin auszulegen sind, dass sie Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats entgegenstehen, nach denen die Befreiung von der Einkommensteuer auf Dividenden, die in Form von Aktien einer Tochtergesellschaft ausgeschüttet werden, nur gewährt werden kann, wenn die Gesellschaft, die sie ausschüttet, in einem Mitgliedstaat des EWR oder in einem Staat niedergelassen ist, mit dem von dem Mitgliedstaat der Besteuerung ein Steuerabkommen geschlossen worden ist, das den Austausch von Informationen vorsieht.

[19] Vorab ist darauf hinzuweisen, dass nach st. Rspr. die direkten Steuern zwar in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten fallen, dass diese ihre Befugnisse aber unter Wahrung des Gemeinschaftsrechts ausüben müssen (EuGH v. 6.6.2000 -- Rs. C-35/98 -- Verkooijen, Slg. 2000, I-4071 = GmbHR 2000, 947 [LS], Rz. 32; v. 7.9.2004 -- Rs. C-319/02 -- Manninen, Slg. 2004, I-7477 = GmbHR 2004, 1346, Rz. 19; v. 6.3.2007 -- Rs. C-292/04 -- Meilicke u.a., Slg. 2007, I-1835 = GmbHR 2007, 378 m. Komm. Rehm/Nagler, Rz. 19).

[20] In diesem Zusammenhang hat der am 1.1.1994 in Kraft getretene Art. 56 Abs. 1 EG den Kapitalverkehr zwischen den Mitgliedstaaten und zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern liberalisiert. Zu diesem Zweck bestimmt er im Rahmen der Bestimmungen des mit „Der Kapital- und Zahlungsverkehr“ überschriebenen Kapitels des Vertrags, dass alle Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten sowie zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern verboten sind (EuGH v. 14.12.1995 -- Rs. C-163/94, C-165/94 u. C-250/94 -- Sanz de Lera u.a., Slg. 1995, I-4821, Rz. 19; v. 23.2.2006 -- Rs. C-513/03 -- van Hilten-van der Heijden, Slg. 2006, I-1957, Rz. 37).

 

Zur unmittelbaren Wirkung des Art. 56 Abs. 1 EG in den Beziehungen zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern

[21] Art. 56 Abs. 1 EG enthält ein eindeutiges und nicht an Bedingungen geknüpftes Verbot, das keiner Durchführungsmaßnahmen bedarf und das den Einzelnen Rechte verleiht, die sie gerichtlich geltend machen können (vgl. in diesem Sinne Urt. Sanz de Lera u.a., Rz. 41 u. 47).

[22] Die deutsche Regierung macht jedoch geltend, dass diese Vorschrift in den Beziehungen zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern eine unmittelbare Wirkung nur in Bezug auf Beschränkungen habe, die nicht durch Art. 57 Abs. 1 EG erfasste Kategorien des Kapitalverkehrs beträfen. Was durch diesen Absatz erfasste Kategorien des Kapitalverkehrs angehe, lasse nämlich Art. 57 Abs. 2 dem Rat der Europäischen Union die Befugnis, Liberalisierungsmaßnahmen zu erlassen, wenn und soweit mit diesen das Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion gefördert werden könne. Zwar habe der Gerichtshof in Rz. 46 des Urt. Sanz de Lera u.a. anerkannt, dass der Erlass von Maßnahmen durch den Rat keine notwendige Voraussetzung für die Durchführung des in Art. 56 Abs. 1 EG ausgesprochenen Verbots darstelle, er habe diese Auslegung aber auf die Beschränkungen begrenzt, die nicht unter Art. 57 Abs. 1 EG fielen.

[23] Hierzu ist darauf hinzuweisen, dass gemäß Art. 57 Abs. 1 EG Art. 56 EG die Anwendung derjenigen Beschränkungen auf dritte Länder nicht berührt, die am 31.12.1993 aufgrund einzelstaatlicher oder gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften für den Kapitalverkehr mit dritten Ländern im Zusammenhang mit Direktinvestitionen einschließlich Anlagen in Immobilien, mit der Niederlassung, der Erbringung von Finanzdienstleistungen oder der Zulassung von Wertpapieren zu den Kapitalmärkten bestehen.

[24] Nach Art. 57 Abs. 2 S. 1 EG kann der Rat unbeschadet der anderen Kapitel dieses Vertrags sowie seiner Bemühungen um eine möglichst weitgehende Verwirklichung des Ziels eines freien Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten und dritten Ländern auf Vorschlag der Kommission mit qualifizierter Mehrheit Maßnahmen für den Kapitalverkehr mit dritten Ländern im Zusammenhang mit Direktinvestitionen einschließlich Anlagen in Immobilien, mit der Niederlassung, der Erbringung von Finanzdienstleistungen oder der Zulassung von Wertpapieren zu den Kapitalmärkten beschließen. Gemäß Art. 57 Abs. 2 S. 2 EG bedürfen Maßnahmen nach diesem Absatz, die im Rahmen des Gemeinschaftsrechts für die Liberalisierung des Kapitalverkehrs mit dritten Ländern einen Rückschritt darstellen, der Einstimmigkeit.

[25] In Rz. 48 des Urt. Sanz de Lera u.a. hat der Gerichtshof entschieden, dass die Bestimmungen des Art. 73b Abs. 1 EG-Vertrag (jetzt Art. 56 Abs. 1 EG) i.V.m. Art. 73c u. 73d Abs. 1 Buchst. b EG-Vertrag (jetzt Art. 57 EG u. 58 Abs. 1 Buchst. b EG) vor den nationalen Gerichten geltend gemacht werden und zur Unanwendbarkeit der ihnen zuwiderlaufenden nationalen Vorschriften führen können.

[26] Somit hat der Gerichtshof die unmittelbare Wirkung des Art. 56 Abs. 1 EG anerkannt, ohne zwischen den Kategorien des Kapitalverkehrs, die unter Art. 57 Abs. 1 EG fallen, und denjenigen zu unterscheiden, die nicht darunter fallen. Der Gerichtshof hat nämlich entschieden, dass die in Art. 57 Abs. 1 EG geregelte Ausnahme dem nicht entgegenstehen kann, dass Art. 56 Abs. 1 EG den Einzelnen Rechte verleiht, die sie gerichtlich geltend machen können (Urt. Sanz de Lera u.a., Rz. 47).

[27] Daraus folgt, dass Art. 56 Abs. 1 EG i.V.m. Art. 57 EG u. 58 EG in Bezug auf Kapitalbewegungen zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern unabhängig von der Kategorie der betroffenen Kapitalbewegungen vor den nationalen Gerichten geltend gemacht werden und zur Unanwendbarkeit der ihm zuwiderlaufenden nationalen Vorschriften führen kann.

 

Zum Begriff der Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern

[28] An erster Stelle ist auf das Vorbringen des Skatteverk sowie der schwedischen, der deutschen, der französischen und der niederländischen Regierung zu antworten, wonach der Begriff der Beschränkung des Kapitalverkehrs i.S.v. Art. 56 Abs. 1 EG in den Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und Drittländern nicht in der gleichen Weise ausgelegt werden kann wie in den Beziehungen zwischen Mitgliedstaaten.

[29] Die deutsche, die französische und die niederländische Regierung tragen vor, dass, anders als die Liberalisierung des Kapitalverkehrs zwischen den Mitgliedstaaten, mit der der Binnenmarkt verwirklicht werden solle, die Erstreckung des Grundsatzes des freien Kapitalverkehrs auf die Beziehungen zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern mit der Errichtung der Wirtschafts- und Währungsunion verknüpft sei. Alle diese Regierungen unterstreichen, dass die Beachtung des in Art. 56 Abs. 1 EG ausgesprochenen Verbots in den Beziehungen mit Drittländern zu einer einseitigen Liberalisierung seitens der Europäischen Gemeinschaft führen würde, ohne dass diese die Gewähr erhalte, dass die betroffenen Drittländer eine gleichwertige Liberalisierung vornähmen, und ohne dass es in den Beziehungen mit diesen Ländern Maßnahmen zur Harmonisierung der nationalen Bestimmungen, insbesondere auf dem Gebiet der direkten Steuern, gebe.

[30] Die deutsche und die niederländische Regierung machen außerdem geltend, wenn der Grundsatz des freien Kapitalverkehrs in den Beziehungen mit Drittländern und innerhalb der Gemeinschaft in der gleichen Weise ausgelegt würde, wären dieser die Mittel dafür entzogen, eine Liberalisierung mit diesen Ländern auszuhandeln, da eine solche Liberalisierung den Gemeinschaftsmarkt für diese bereits automatisch und einseitig geöffnet hätte. In diesem Zusammenhang hätten die Klauseln über Kapitalverkehrsfreiheit, die in den mit Drittländern geschlossenen Assoziierungsabkommen enthalten seien, oft einen stärker eingeschränkten Geltungsbereich als Art. 56 EG, was keinen Sinn hätte, wenn diese Vorschrift in den Beziehungen mit Drittländern und in den innergemeinschaftlichen Beziehungen ebenso streng gelten würde.

[31] Wie der Generalanwalt in Nr. 74 bis 77 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, ist, auch wenn mit der Liberalisierung des Kapitalverkehrs mit Drittländern gewiss andere Ziele verfolgt werden können als die Verwirklichung des Binnenmarkts, wie insbesondere die Ziele, die Glaubwürdigkeit der einheitlichen Gemeinschaftswährung auf den Weltfinanzmärkten und die Aufrechterhaltung der Finanzzentren von weltweiter Bedeutung in den Mitgliedstaaten sicherzustellen, festzustellen, dass die Mitgliedstaaten, als der Grundsatz des freien Kapitalverkehrs durch Art. 56 Abs. 1 auf den Kapitalverkehr zwischen dritten Ländern und den Mitgliedstaaten erstreckt wurde, sich dafür entschieden haben, diesen Grundsatz in demselben Artikel und mit den gleichen Worten für den Kapitalverkehr innerhalb der Gemeinschaft und für den die Beziehungen mit dritten Ländern betreffenden Kapitalverkehr festzulegen.

[32] Darüber hinaus ergibt sich, wie der Generalanwalt in Nr. 78 bis 83 seiner Schlussanträge ebenfalls festgestellt hat, aus der Gesamtheit der in den Vertrag im Kapitel über den Kapital- und Zahlungsverkehr aufgenommenen Bestimmungen, dass die Mitgliedstaaten, um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass das Ziel und der rechtliche Rahmen der Liberalisierung des Kapitalverkehrs je nachdem unterschiedlich sind, ob es sich um die Beziehungen zwischen Mitgliedstaaten und dritten Ländern oder um den freien Kapitalverkehr zwischen Mitgliedstaaten handelt, es für notwendig gehalten haben, Schutzklauseln und Ausnahmeregelungen vorzusehen, die spezifisch für Kapitalbewegungen nach oder aus dritten Ländern gelten.

[33] Neben der Ausnahme, die in Art. 57 Abs. 1 EG in Bezug auf bestimme am 31.12.1993 aufgrund einzelstaatlicher oder gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften bestehende Beschränkungen für Kapitalbewegungen nach oder aus dritten Ländern vorgesehen ist, räumt Art. 59 EG dem Rat nämlich unter außergewöhnlichen Umständen, in denen diese Kapitalbewegungen das Funktionieren der Wirtschafts- und Währungsunion schwerwiegend stören oder zu stören drohen, die Befugnis ein, Schutzmaßnahmen zu erlassen. Darüber hinaus ermächtigt Art. 60 Abs. 1 EG den Rat dazu, die notwendigen Sofortmaßnahmen gegenüber dritten Ländern zu ergreifen, falls ein Tätigwerden der Gemeinschaft in den in Art. 301 EG vorgesehenen Fällen für erforderlich erachtet wird. Nach Art. 60 Abs. 2 EG schließlich kann ein Mitgliedstaat bei Vorliegen schwerwiegender politischer Umstände aus Gründen der Dringlichkeit, solange der Rat keine Maßnahmen nach Abs. 1 dieses Artikels ergriffen hat, gegenüber dritten Ländern einseitige Maßnahmen, insbesondere auf dem Gebiet des Kapital- und Zahlungsverkehrs, treffen.

[34] Entgegen dem Vorbringen der deutschen Regierung kann aus den Voraussetzungen, von denen die dem Rat durch Art. 57 Abs. 2 EG zuerkannte Befugnis abhängt, Maßnahmen in Bezug auf die in dieser Vorschrift aufgezählten Kategorien von Kapitalbewegungen nach oder aus dritten Ländern zu beschließen, nicht hergeleitet werden, dass diese Kategorien nicht in den Anwendungsbereich des in Art. 56 Abs. 1 EG ausgesprochenen Verbots fallen. Art. 57 Abs. 2 EG ist nämlich i.V.m. Abs. 1 dieses Artikels zu lesen und beschränkt sich darauf, dem Rat zu erlauben, Maßnahmen für diese Kategorien von Kapitalbewegungen zu beschließen, ohne dass ihm die einzelstaatlichen oder gemeinschaftlichen Beschränkungen, deren Beibehaltung in diesem Abs. 1 ausdrücklich vorgesehen ist, entgegengehalten werden könnten.

[35] Wie der Generalanwalt in Nr. 86 seiner Schlussanträge festgestellt hat, treten die Beschränkungen, die die Mitgliedstaaten und die Gemeinschaft nach Art. 57 Abs. 1 EG auf Kapitalbewegungen nach oder aus dritten Ländern anwenden können, nicht zu den in den Art. 59 EG u. 60 EG vorgesehenen, sondern auch zu denjenigen hinzu, die sich aus von den Mitgliedstaaten gemäß Art. 58 Abs. 1 Buchst. a u. b EG getroffenen Maßnahmen ergeben oder in anderer Weise aus einem zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt sind.

[36] Außerdem geht aus der Rspr. des Gerichtshofs hervor, dass das Ausmaß, in dem die Mitgliedstaaten damit befugt sind, auf Kapitalbewegungen bestimmte beschränkende Maßnahmen anzuwenden, nicht bestimmt werden kann, ohne den von mehreren Regierungen, die Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht haben, hervorgehobenen Umstand zu berücksichtigen, dass Kapitalbewegungen nach oder aus dritten Ländern in einem anderen rechtlichen Rahmen ablaufen als solche, die innerhalb der Gemeinschaft stattfinden.

[37] Aufgrund des Grades der unter den Mitgliedstaaten der Union bestehenden rechtlichen Integration, insbesondere angesichts der gesetzgeberischen Maßnahmen der Gemeinschaft in Bezug auf die Zusammenarbeit zwischen nationalen Steuerbehörden wie der Richtlinie 77/799, ist die von einem Mitgliedstaat vorgenommene Besteuerung wirtschaftlicher Tätigkeiten mit innerhalb der Gemeinschaft grenzüberschreitenden Bezügen somit nicht immer mit der Besteuerung wirtschaftlicher Tätigkeiten vergleichbar, die die Beziehungen zwischen Mitgliedstaaten und Drittstaaten berühren (EuGH v. 12.12.2006 -- Rs. C-446/04 -- Test Claimants in the FII Group Litigation, Slg. 2006, I-11753 = GmbHR 2007, 103 [LS], Rz. 170). Es lässt sich außerdem nicht ausschließen, dass ein Mitgliedstaat beweisen kann, dass eine Beschränkung des Kapitalverkehrs mit dritten Ländern aus einem bestimmten Grund gerechtfertigt ist, auch wenn dieser Grund keine überzeugende Rechtfertigung für eine Beschränkung des Kapitalverkehrs zwischen Mitgliedstaaten darstellen würde (Urt. Test Claimants in the FII Group Litigation, Rz. 171).

[38] Aus diesen Gründen kann das von der deutschen und der niederländischen Regierung vorgebrachte Argument nicht als ausschlaggebend angesehen werden, dass dann, wenn der Begriff der Beschränkung des Kapitalverkehrs in den Beziehungen zwischen Mitgliedstaaten und dritten Ländern in der gleichen Weise ausgelegt werde wie in den Beziehungen zwischen Mitgliedstaaten, die Gemeinschaft den Gemeinschaftsmarkt für dritte Länder einseitig öffnen würde, ohne die erforderliche Verhandlungsmasse zu behalten, um eine solche Liberalisierung von Seiten dieser Staaten erreichen zu können.

[39] Nach dieser Klärung des Begriffs der Beschränkungen des Kapitalverkehrs zwischen Mitgliedstaaten und dritten Ländern ist an zweiter Stelle zu prüfen, ob eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren streitige als eine solche Beschränkung angesehen werden kann und ob sie gegebenenfalls auf der Grundlage der Bestimmungen des Vertrags oder aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses sachlich gerechtfertigt werden kann.

 

Zum Vorliegen einer Beschränkung des Kapitalverkehrs

[40] Zu den Maßnahmen, die durch Art. 56 Abs. 1 EG als Beschränkungen des Kapitalverkehrs verboten sind, gehören solche, die geeignet sind, Gebietsfremde von Investitionen in einem Mitgliedstaat oder die dort Ansässigen von Investitionen in anderen Mitgliedstaaten abzuhalten (vgl. Urt. van Hilten-van der Heijden, Rz. 44, und Urt. v. 25.1.2007 -- Rs. C-370/05 -- Festersen, Slg. 2007, I-1129, Rz. 24).

[41] Im vorliegenden Fall räumt § 16a des Kapitels 42 des Gesetzes den in Schweden wohnenden Steuerpflichtigen eine Steuerbefreiung für die Dividenden ein, die in Form von Aktien einer Tochtergesellschaft von einer in Schweden oder in einem anderen Mitgliedstaat des EWR niedergelassenen AG ausgeschüttet werden, versagt ihnen aber diese Befreiung, wenn eine solche Ausschüttung von einer Gesellschaft ausgeht, die in einem Drittland, das nicht Mitglied des EWR ist, niedergelassen ist, es sei denn, dieses Land hat mit dem Königreich Schweden ein Abkommen geschlossen, in dem der Austausch von Informationen vorgesehen ist.

[42] Eine derartige gesetzliche Regelung bewirkt, dass in Schweden wohnende Steuerpflichtige davon abgehalten werden, ihr Kapital in außerhalb des EWR niedergelassenen Gesellschaften anzulegen. Da die Dividenden, die diese in Schweden wohnenden Personen zahlen, steuerlich ungünstiger behandelt werden als solche, die von einer in einem Mitgliedstaat des EWR niedergelassenen Gesellschaft ausgeschüttet werden, sind die Aktien dieser Gesellschaften für in Schweden wohnende Anleger weniger attraktiv als diejenigen von Gesellschaften, die in einem solchen Staat niedergelassen sind (vgl. in diesem Sinne Urt. Verkooijen, Rz. 34 und 35, und Manninen, Rz. 22 u. 23, sowie, für den Kapitalverkehr zwischen Mitgliedstaaten und dritten Ländern, Urt. Test Claimants in the FII Group Litigation, Rz. 166).

[43] Eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren streitige führt daher zu einer Beschränkung des Kapitalverkehrs zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern, die grundsätzlich nach Art. 56 Abs. 1 EG verboten ist.

[44] Bevor geprüft wird, ob diese Beschränkung, wie das Skatteverket und die Regierungen, die Erklärungen beim Gerichtshof eingereicht haben, geltend machen, aus einem zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden kann, ist auf das von der italienischen Regierung vorgebrachte Argument einzugehen, dass diese Beschränkung unter die Ausnahmeregelung in Art. 57 Abs. 1 EG falle.

 

Zur Anwendung der Ausnahmeregelung in Art. 57 Abs. 1 EG

[45] Wie in Rz. 23 des vorliegenden Urt. ausgeführt, berührt Art. 56 EG nach Art. 57 Abs. 1 EG nicht die Anwendung derjenigen Beschränkungen auf dritte Länder, die am 31.12.1993 aufgrund einzelstaatlicher oder gemeinschaftlicher Rechtsvorschriften für den Kapitalverkehr mit dritten Ländern im Zusammenhang mit Direktinvestitionen einschließlich Anlagen in Immobilien, mit der Niederlassung, der Erbringung von Finanzdienstleistungen oder der Zulassung von Wertpapieren zu den Kapitalmärkten bestehen.

[46] Eine Beschränkung des Kapitalverkehrs, die durch die steuerlich ungünstigere Behandlung von Dividenden ausländischer Herkunft begründet wird, fällt insoweit unter den Begriff „Direktinvestitionen“ i.S.v. Art. 57 Abs. 1 EG, als sie sich auf Investitionen jeder Art durch natürliche oder juristische Personen zur Schaffung oder Aufrechterhaltung dauerhafter und direkter Beziehungen zwischen denjenigen, die die Mittel bereitstellen, und den Unternehmen, für die die Mittel zum Zweck einer wirtschaftlichen Tätigkeit bestimmt sind, bezieht (vgl. in diesem Sinne Urt. Test Claimants in the FII Group Litigation, Rz. 179 bis 181; EuGH v. 24.5.2007 -- Rs. C-157/05 -- Holböck, Slg. 2007, I-0000 = GmbHR 2007, 770 m. Komm. Rehm/Nagler, Rz. 33 u. 34; v. 23.10.2007 -- Rs. C-112/05 -- Kommission/Deutschland, Slg. 2007, I-0000, Rz. 18).

[47] Da die Vorlageentscheidung nicht ausschließt, dass die Dividenden, die die Gesellschaft X an A auszuschütten beabsichtigt, sich auf derartige Investitionen beziehen, ist zu prüfen, ob eine Regelung wie die im Ausgangsverfahren streitige als vor dem 31.12.1993 bestehende Beschränkung unter die Ausnahmeregelung in Art. 57 Abs. 1 EG fallen kann.

[48] Wie der Generalanwalt in Nr. 110 bis 112 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, setzt der Begriff der am 31.12.1993 bestehenden Beschränkung voraus, dass der rechtliche Rahmen, in den sich die betreffende Beschränkung einfügt, seit diesem Datum ununterbrochen Teil der nationalen Rechtsordnung gewesen ist. Wäre dies anders, könnte ein Mitgliedstaat nämlich jederzeit Beschränkungen für Kapitalbewegungen nach oder aus dritten Ländern wieder einführen, die in der nationalen Rechtsordnung am 31.12.1993 bestanden, die aber nicht aufrechterhalten worden sind.

[49] Im gleichen Sinne hat sich der Gerichtshof geäußert, als er über die Anwendbarkeit der Ausnahmeregelung in Art. 57 Abs. 1 EG auf am 31.12.1993 auf in der Rechtsordnung eines Mitgliedstaats bestehende Beschränkungen des Kapitalverkehrs zu entscheiden hatte. Zwar hat der Gerichtshof anerkannt, dass eine nationale Maßnahme, die nach diesem Zeitpunkt erlassen wird, nicht schon allein deswegen von der Ausnahmeregelung in Abs. 1 ausgeschlossen ist, er hat aber diese Möglichkeit dahin verstanden, dass sie Vorschriften einschließt, die im Wesentlichen mit einer früheren Regelung übereinstimmen oder nur ein Hindernis, das nach der früheren Regelung der Ausübung der gemeinschaftlichen Rechte und Freiheiten entgegenstand, abmildern oder beseitigen, wobei Vorschriften ausgeschlossen sind, die auf einem anderen Grundgedanken als das frühere Recht beruhen und durch die neue Verfahren eingeführt werden (vgl. in diesem Sinne Urt. Test Claimants in the FII Group Litigation, Rz. 192, und Holböck, Rz. 41). Nicht erfassen wollte der Gerichtshof damit Vorschriften, die zwar im Wesentlichen mit einer Regelung übereinstimmen, die am 31.12.1993 bestand, durch die aber ein Hindernis für den freien Kapitalverkehr wieder eingeführt worden ist, das nach der Aufhebung der früheren Regelung nicht mehr bestand.

[50] Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass § 16 des Kapitels 42 des Gesetzes im Zeitpunkt seines Inkrafttretens im Jahr 1992 von der Befreiung, die für in Form von Aktien einer Tochtergesellschaft ausgeschüttete Dividenden vorgesehen ist, Dividenden ausschloss, die von in Drittländern niedergelassenen Gesellschaften gezahlt werden, die mit dem Königreich Schweden kein Abkommen geschlossen haben, das den Austausch von Informationen vorsieht. Aus der Vorlageentscheidung ergibt sich nämlich, dass diese Befreiung zu diesem Zeitpunkt nur für von in Schweden niedergelassenen Gesellschaften ausgeschüttete Dividenden galt.

[51] Zwar wurden die die Befreiung betreffenden Vorschriften 1994 aufgehoben, dann 1995 wieder eingeführt und 2001 auf Dividenden erstreckt, die von Gesellschaften ausgeschüttet werden, die in einem Mitgliedstaat des EWR oder in einem anderen Staat niedergelassen sind, mit dem das Königreich Schweden ein Abkommen geschlossen hat, das den Austausch von Informationen vorsieht. Wie die italienische Regierung vorträgt, war die Gewährung dieser Befreiung jedoch ununterbrochen, zumindest von 1992 an, für Dividenden ausgeschlossen, die von Gesellschaften ausgeschüttet werden, die in einem Drittland niedergelassen sind, das nicht Mitglied des EWR ist und kein derartiges Abkommen mit dem Königreich Schweden geschlossen hat.

[52] Unter diesen Umständen ist der seit 1992 geltende Ausschluss von der Gewährung der im Gesetz vorgesehenen Befreiung von Dividenden, die von einer Gesellschaft ausgeschüttet werden, die in einem Drittland niedergelassen ist, das nicht Mitglied des EWR ist und mit dem das Königreich Schweden kein Abkommen geschlossen hat, das den Austausch von Informationen vorsieht, als eine am 31.12.1993 bestehende Beschränkung i.S.v. Art. 57 Abs. 1 EG anzusehen, zumindest dann, wenn diese Dividenden sich auf Direktinvestitionen in die ausschüttende Gesellschaft beziehen, was zu prüfen Sache des vorlegenden Gerichts ist.

[53] Da aus der Vorlageentscheidung nicht hervorgeht, dass die im Ausgangsverfahren betroffenen Dividenden sich auf Direktinvestitionen beziehen, ist zu prüfen, ob eine nationale gesetzliche Regelung wie die im Ausgangsverfahren streitige aus einem zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt sein kann.

 

Zur Rechtfertigung der Notwendigkeit, die Wirksamkeit der steuerlichen Kontrolle zu gewährleisten

[54] Nach Ansicht des Skatteverk sowie der schwedischen, der dänischen, der deutschen, der spanischen, der französischen, der italienischen und der niederländischen Regierung sowie der Regierung des Vereinigten Königreichs ist die Versagung der in § 16 des Kapitels 42 des Gesetzes vorgesehenen Befreiung, wenn die Dividenden von einer Gesellschaft ausgezahlt werden, die in einem Drittland niedergelassen ist, mit dem das Königreich Schweden kein Steuerabkommen geschlossen hat, das einen Austausch von Informationen vorsieht, durch die Notwendigkeit gerechtfertigt, die Wirksamkeit der steuerlichen Kontrolle zu gewährleisten. Gegenüber einem Drittland könne die schwedische Steuerverwaltung nicht auf die in der Richtlinie 77/799 vorgesehene gegenseitige Amtshilfe zwischen den zuständigen Behörden zurückgreifen. Außerdem enthielten weder das Abkommen noch das Protokoll eine Bestimmung über einen Informationsaustausch, der mit dem vergleichbar sei, den Art. 26 des im Rahmen der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) ausgearbeiteten Musterabkommens vorsehe. Auch wenn der Steuerpflichtige über die Informationen verfüge, die für den Nachweis erforderlich seien, dass die in § 16 vorgeschriebenen Voraussetzungen erfüllt seien, sei es aber noch Sache der Steuerverwaltung, den Wert der vorgelegten Beweise zu überprüfen, was unmöglich sei, wenn diese nicht befugt sei, die zuständigen Behörden des Staats der Niederlassung der ausschüttenden Gesellschaft zur Mitarbeit heranzuziehen.

[55] Nach Art. 58 Abs. 1 Buchst. b EG berührt Art. 56 EG nicht das Recht der Mitgliedstaaten, die unerlässlichen Maßnahmen zu treffen, um Zuwiderhandlungen gegen innerstaatliche Rechts- und Verwaltungsvorschriften, insbesondere auf dem Gebiet des Steuerrechts, zu verhindern. Daher hat der Gerichtshof anerkannt, dass die Notwendigkeit, die Wirksamkeit der steuerlichen Kontrolle zu gewährleisten, ein zwingender Grund des Allgemeininteresses ist, der eine Beschränkung der vom Vertrag garantierten Verkehrsfreiheiten rechtfertigen kann (EuGH v. 15.5.1997 -- Rs. C-250/95 -- Futura Participations und Singer, Slg. 1997, I-2471, Rz. 31; v. 15.7.2004 -- Rs. C-315/02 -- Lenz, Slg. 2004, I-7063, Rz. 27 u. 45; v. 14.9.2006 -- Rs. C-386/04 -- Centro di Musicologia Walter Stauffer, Slg. 2006, I-8203, Rz. 47).

[56] Eine beschränkende Maßnahme kann nur dann gerechtfertigt sein, wenn sie dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügt, also geeignet ist, die Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels zu gewährleisten, und nicht über das dazu Erforderliche hinausgeht (vgl. u.a. EuGH v. 4.3.2004 -- Rs. C-334/02 -- Kommission/Frankreich, Slg. 2004, I-2229, Rz. 28).

[57] A und die Kommission sind der Ansicht, dass die im Ausgangsverfahren streitige Regelung gemessen an dem damit verfolgten Ziel unverhältnismäßig sei, da die schwedischen Steuerbehörden von dem Steuerpflichtigen verlangen könnten, dass er den Beweis dafür erbringe, dass die Voraussetzungen für die Gewährung der in dieser Regelung vorgesehenen Steuerbefreiung erfüllt seien. Da eine solche Befreiung sich auf Dividenden beziehe, die von einer an der Börse notierten Gesellschaft ausgeschüttet würden, könnten bestimmte Informationen auch den Angaben entnommen werden, zu deren Veröffentlichung eine solche Gesellschaft gesetzlich verpflichtet sei.

[58] Wie A und die Kommission ausführen, hat der Gerichtshof in Bezug auf eine nationale Regelung, die die Ausübung einer der durch den Vertrag gewährleisteten Verkehrsfreiheiten beschränkt, entschieden, dass ein Mitgliedstaat sich nicht auf die Unmöglichkeit, die Zusammenarbeit eines anderen Mitgliedstaats bei der Durchführung von Ermittlungen oder der Beschaffung von Auskünften zu verlangen, berufen kann, um die Versagung eines Steuervorteils zu rechtfertigen. Selbst wenn die Nachprüfung der von dem Steuerpflichtigen vorgelegten Auskünfte sich als schwierig erweist, insbesondere wegen der in Art. 8 der Richtlinie 77/799 vorgesehenen Grenzen des Auskunftsaustauschs, sind die zuständigen Steuerbehörden nämlich durch nichts daran gehindert, von den Steuerpflichtigen die Nachweise zu verlangen, die sie für die zutreffende Festsetzung der betreffenden Steuern und Abgaben als erforderlich ansehen, und gegebenenfalls bei Nichtvorlage dieser Nachweise die beantragte Steuerbefreiung zu verweigern (vgl. in diesem Sinne EuGH v. 28.1.1992 -- Rs. C-204/90 -- Bachmann, Slg. 1992, I-249, Rz. 20; v. 30.1.2007 -- Rs. C-150/04 -- Kommission/Dänemark, Slg. 2007, I-1163, Rz. 54; v. 11.10.2007 -- Rs. C-451/05 -- ELISA, Slg. 2007, I-0000, Rz. 94 u. 95).

[59] In diesem Zusammenhang hat der Gerichtshof angenommen, dass nicht von vornherein auszuschließen ist, dass der Steuerpflichtige zur Vorlage von Belegen in der Lage ist, anhand deren die Steuerbehörden des Mitgliedstaats eindeutig und genau prüfen können, dass er keine Steuerhinterziehung oder -umgehung zu begehen versucht (vgl. in diesem Sinne EuGH v. 8.7.1999 -- Rs. C-254/97 -- Baxter u.a., Slg. 1999, I-4809, Rz. 19 u. 20; v. 10.3.2005 -- Rs. C-39/04 -- Laboratoires Fournier, Slg. 2005, I-2057, Rz. 25; Urt. ELISA, Rz. 96).

[60] Diese Rspr., die sich auf Beschränkungen der Ausübung der Verkehrsfreiheiten innerhalb der Gemeinschaft bezieht, kann jedoch nicht in vollem Umfang auf den Kapitalverkehr zwischen Mitgliedstaaten und dritten Ländern übertragen werden, da dieser sich in einen anderen rechtlichen Rahmen einfügt als die Rechtssachen, die Anlass zu den in den beiden vorstehenden Randnummern genannten Urteilen gegeben haben.

[61] Erstens spielen sich die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten nämlich in einem gemeinsamen rechtlichen Rahmen ab, der durch das Vorliegen einer gemeinschaftlichen Regelung, wie der Richtlinie 77/799, gekennzeichnet ist, durch die wechselseitige Verpflichtungen zur gegenseitigen Amtshilfe festgelegt worden sind. Auch wenn die Verpflichtung zur Amtshilfe in den unter diese Richtlinie fallenden Bereichen nicht unbegrenzt ist, schafft diese Richtlinie doch einen Rahmen für die Zusammenarbeit zwischen den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, den es zwischen diesen und den zuständigen Behörden eines Drittlands nicht gibt, wenn dieses keine Verpflichtung zur gegenseitigen Amtshilfe eingegangen ist.

[62] Zweitens bieten, wie der Generalanwalt in Nr. 141 bis 143 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, soweit es um die Belege geht, die der Steuerpflichtige vorlegen kann, um den Steuerbehörden die Nachprüfung zu ermöglichen, ob die in den nationalen Rechtsvorschriften vorgesehenen Voraussetzungen erfüllt sind, die gemeinschaftlichen Harmonisierungsmaßnahmen, die in den Mitgliedstaaten auf dem Gebiet der Buchführung der Gesellschaften gelten, den Steuerpflichtigen die Möglichkeit, verlässliche und nachprüfbare Angaben über die Struktur oder die Tätigkeiten einer in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassenen Gesellschaft vorzulegen, während eine solche Möglichkeit für den Steuerpflichtigen nicht gewährleistet ist, wenn es sich um eine in einem Drittland niedergelassene Gesellschaft handelt, die nicht verpflichtet ist, diese gemeinschaftlichen Maßnahmen anzuwenden.

[63] Wenn die Regelung eines Mitgliedstaats die Gewährung eines Steuervorteils von der Erfüllung von Verpflichtungen abhängig macht, deren Einhaltung nur in der Weise nachgeprüft werden kann, dass Auskünfte von den zuständigen Behörden eines Drittlands eingeholt werden, ist es folglich grundsätzlich gerechtfertigt, dass dieser Mitgliedstaat die Gewährung dieses Vorteils ablehnt, wenn es sich, insbesondere wegen des Fehlens einer vertraglichen Verpflichtung dieses Drittlands zur Vorlage der Informationen, als unmöglich erweist, diese Auskünfte von diesem Land zu erhalten.

[64] Im Ausgangsverfahren machen sowohl das Skatteverk als auch die schwedische Regierung geltend, dass die schwedische Steuerverwaltung nicht in der Lage sei, die Beachtung der ersten, der dritten, der vierten und der sechsten Voraussetzung, die in § 16 des Kapitels 42 des Gesetzes genannt seien, zu prüfen, nämlich die Erfordernisse, dass die Ausschüttung proportional zu den im Besitz des Steuerpflichtigen befindlichen Aktien der Muttergesellschaft erfolgen müsse, dass sämtliche Anteile der Muttergesellschaft an der Tochtergesellschaft ausgeschüttet werden müssten, dass die Anteile an der Tochtergesellschaft nach der Ausschüttung nicht von einem Unternehmen gehalten werden dürften, das zu demselben Konzern wie die Muttergesellschaft gehöre, und dass die Haupttätigkeit der Tochtergesellschaft oder der von dieser Tochtergesellschaft kontrollierten Gesellschaften gewerblicher Art sein müsse.

[65] Die Würdigung dieser Frage ist Sache des vorlegenden Gerichts.

[66] Das Gleiche gilt für die Frage, ob das Protokoll oder die Vereinbarung es der schwedischen Steuerverwaltung ermöglichen, die Informationen zu erlangen, die sie zur Anwendung von § 16 des Gesetzes benötigt. Zwar hat der Skatterättsnämnd die Ansicht vertreten, dass die Vereinbarung es ermöglichen könne, die erforderlichen Informationen zu erlangen. Aus den von der schwedischen Regierung auf Ersuchen des Gerichtshofs vorgelegten Dokumenten und Erklärungen geht aber hervor, dass die einzigen Informationen, die von den Schweizer Behörden verlangt werden können, die Informationen sind, die für eine richtige Anwendung des Abkommens erforderlich sind.

[67] Nach alledem ist auf die Vorlagefrage zu antworten, dass die Art. 56 EG und 58 EG dahin auszulegen sind, dass sie Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats nicht entgegenstehen, aufgrund deren die Befreiung von der Einkommensteuer auf in Form von Aktien einer Tochtergesellschaft ausgeschüttete Dividenden nur dann gewährt werden kann, wenn die ausschüttende Gesellschaft in einem Mitgliedstaat des EWR oder in einem Staat niedergelassen ist, mit dem der Besteuerungsmitgliedstaat ein Steuerabkommen, das einen Austausch von Informationen vorsieht, geschlossen hat, sofern diese Befreiung von Voraussetzungen abhängig ist, deren Beachtung von den zuständigen Behörden dieses Mitgliedstaats nur in der Weise nachgeprüft werden kann, dass sie Auskünfte beim Niederlassungsstaat der ausschüttenden Gesellschaft einholen. ...

 

 




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