Dr. Thomas F.W. Schodder, Rechtsanwalt / Rainer Mollowitz, Steuerberater, Bad Gandersheim *

Inkongruente Gewinnausschüttungen

Das BayObLG hat durch Beschl. v. 23.5.2001 – 3 Z BR 31/01, GmbHR 2001, 728 letztinstanzlich entschieden, daß das Registergericht eine sog. Öffnungsklausel bezüglich der satzungsmäßigen Gewinnverteilungsregelung nicht beanstanden kann. Gegenstand des Verfahrens war diese Satzungsbestimmung:

"Der ausgeschüttete Gewinn steht den Gesellschaftern entsprechend ihren Geschäftsanteilen zu, soweit sie nicht unter Zustimmung des Betroffenen etwas anderes beschließen".

Nach der Entscheidung des BayObLG ist eine Satzungsbestimmung, wonach die Gesellschafter unter Zustimmung des beeinträchtigten Gesellschafters alljährlich über eine von der satzungsmäßigen Regelung abweichende Gewinnverteilung beschließen, in das Handelsregister einzutragen.

Die Entscheidung betrifft den Problemkreis inkongruenter Gewinnausschüttungen, der infolge des Urt. des BFH v. 19.8.1999 – I R 77/96, GmbHR 1999, 1258 Gegenstand zahlreicher Erörterungen gewesen ist (vgl. Schwedhelm/Binnewies, GmbH-StB 2000, 281 m.w.N.). Das neue Urteil des BayObLG ist unter gesellschaftsrechtlichen und – angesichts des Nichtanwendungserlasses des BMF zu dem vorgenannten BFH-Urt. (BMF v. 7.12.2000 – IV A 2 - S 2810 - 4/00, GmbHR 2001, 88) – unter steuerlichen Gesichtspunkten von Interesse.

I. Gesellschaftsrechtliche Bedeutung

Die gesellschaftsrechtliche Bedeutung der Entscheidung des BayObLG liegt darin, daß das Gericht ausdrücklich klarstellt, daß eine entsprechende Öffnungsklausel in der GmbH-Satzung den Anforderungen einer von § 29 Abs. 3 S. 1 GmbHG abweichenden Satzungsregelung i.S.d. § 29 Abs. 3 S. 2 GmbHG genügt. Soweit ersichtlich, ist in Literatur und Rechtsprechung bisher für eine Regelung nach § 29 Abs. 3 S. 2 GmbHG verlangt worden, daß sich die von der Regel des § 29 Abs. 3 S. 1 GmbHG abweichenden Maßstäbe der Gewinnverteilung deutlich aus der Satzung ergeben müßten (vgl. BayObLG v. 23.5.2001 – 3 Z BR 31/01, GmbHR 2001, 728 sub II.2.b.bb mit zahlr. Nachw.). Teilweise ist in der Literatur zu dieser Frage nicht eindeutig Stellung bezogen worden (vgl. die Nachw. in der vorinstanzlichen Entscheidung des LG München I v. 30.11.2000 – 17 HK T 18447/00, GmbHR 2001, 114, 115 sub II.2.d).

Das BayObLG unterstreicht in seinem Beschluß ferner, daß die betreffende Satzungsklausel den Rechtsverkehr in ausreichendem Umfang über die Möglichkeit einer von der Satzung abweichenden Bestimmung der Gewinnverteilung durch die Gesellschafter informiere. Die Frage des Minderheitenschutzes stelle sich nicht, da nach der Satzungsbestimmung die abweichende Verteilung des ausgeschütteten Gewinns stets von der Zustimmung des betroffenen Gesellschafters abhänge, zu dessen "Nachteil" der Beschluß gefaßt wird.

Die Entscheidung des BayObLG ist u.a. deshalb zu begrüßen, weil sie den GmbH-Gesellschaftern im Bedarfsfall die Möglichkeit eröffnet, eine von der gesetzlichen Regel abweichende Gewinnverteilung flexibel zu handhaben. Die Gründe dafür können sich ändern. Eine vorsorglich alle denkbaren Konstellationen abweichender Gewinnverteilungen abdeckende Formulierung der Satzung wäre hingegen wenig praxisnah.

II. Wirtschaftliche und steuerliche Bedeutung

Die wirtschaftliche Bedeutung der Entscheidung des BayObLG ist dagegen eher nüchtern einzuschätzen.

Zwar hat der BFH in seinem erwähnten Urt. v. 19.8.1999 auch steuerlich – insbesondere auch unter Würdigung des § 42 AO – den Weg für eine inkongruente Gewinnausschüttung geebnet. Die Finanzverwaltung wendet das Urteil aber gemäß dem o.g. BMF-Schr. v. 7.12.2000 über den entschiedenen Einzelfall hinaus nicht an. Entgegen der BFH-Rechtsprechung schränkt der Erlaß den Anwendungsbereich der inkongruenten Gewinnausschüttung erheblich ein. Eine zu § 29 Abs. 3 S. 1 GmbHG abweichende Gewinnverteilung ist danach nur dann steuerlich anzuerkennen, wenn für eine vom gesetzlichen Verteilungsschlüssel abweichende Gewinnverteilung besondere Leistungen eines oder mehrerer Gesellschafter für die Kapitalgesellschaft ursächlich sind. Als typische Beispiele für besondere Leistungen nennt der Erlaß die unentgeltliche Überlassung wertvoller Grundstücke oder die unentgeltliche Geschäftsführung der Kapitalgesellschaft.

Diese beispielhafte Nennung läßt erkennen, daß es sich nicht um eine abschließende Aufzählung handelt. Vielmehr ist im konkreten Fall darauf abzustellen, ob einem Gesellschafter im Hinblick auf zusätzliche Beiträge zum Gesellschaftszweck eine Mehrbeteiligung am Gewinn der Kapitalgesellschaft eingeräumt werden kann. In der Literatur werden als weitere besondere Leistungen in dem genannten Sinne etwa das Know-how eines Gesellschafters und auch die inkongruente Einlage genannt (so Bartmuß/Möser, BB 2001, 1329 ff.).

Soweit keine wirtschaftlich beachtlichen Gesellschafterleistungen für die inkongruente Gewinnausschüttung ausschlaggebend sind, geht die Finanzverwaltung dagegen von einer anteiligen Veräußerung der Gewinnbeteiligung und der Realisierung von Einkünften nach § 20 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 EStG aus.

Eine abschließende Klärung ist durch das Schr. des BMF v. 7.12.2000 – IV A 2 - S 2810 - 4/00, GmbHR 2001, 88 nicht erfolgt. Die wesentliche Unterscheidung zwischen "besonderer Leistung" und Veräußerung der Gewinnbeteiligung ist nicht erschöpfend geregelt. Als derzeitiges Zwischenergebnis bleibt jedoch festzuhalten, daß für die steuerliche Anerkennung einer inkongruenten Gewinnausschüttung eine Öffnungsklausel in der Satzung der Kapitalgesellschaft zwingend erforderlich ist.

Negative steuerliche Rechtsfolgen ergeben sich gegenwärtig allein durch eine Öffnungsklausel nicht. Sollte allerdings –  abweichend von den Voraussetzungen gemäß dem BMF-Schr. – eine inkongruente Gewinnausschüttung ohne Vorliegen "besonderer Leistungen" vollzogen werden, empfiehlt sich unbedingt eine klare Regelung zwischen den Gesellschaftern, wie die steuerlichen Folgen untereinander gewürdigt werden.

* Sozietät Reuter Schodder Drewes, Steuerberater/Rechtsanwälte/Notar/Vereid. Buchprüfer.


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