Claudia Kothe-Heggemann,  Rechtsanwältin und Fachanwältin für Arbeitsrecht, Köln*

AGB-Recht für Arbeitsverträge -- sechs Jahre AGB-Kontrolle in der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung

Mit dem Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes am 1.1.2002 hat der Gesetzgeber eine lange Zeit bestehende Rechtsunsicherheit beendet und das Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen in das BGB integriert. Gleichzeitig ist die früher geltende sog. Bereichsausnahme, die nach dem Wortlaut des AGB-Gesetzes eine Nichtanwendung im Bereich des Arbeitsrechts vorgesehen hat, zugunsten des Arbeitsrechts im Wesentlichen entfallen. Seit dem 1.1.2002 ist das Recht zum Schutz von Verbrauchern vor unzulässigen allgemeinen Geschäftsbedingungen auch auf das Arbeitsrecht anzuwenden, soweit es um die Vereinbarung von (Formular-)Arbeitsverträgen geht.

Die Streichung der Bereichsausnahme hat dazu geführt, dass die Rechtsprechung eine Vielzahl von wichtigen Entscheidungen zu den arbeitgeberseitig verwendeten Klauseln in vorformulierten Arbeitsverträgen getroffen hat. Dieser Beitrag will einen Überblick über die wichtigsten Entscheidungen zu dieser Thematik geben.

 

Ausschlussfristen

In den meisten vorformulierten Arbeitsverträgen finden sich sog. Ausschlussfristen, innerhalb derer die Vertragsparteien fällige Ansprüche geltend machen müssen, wieder. Der Arbeitgeber, der solche Ausschlussfristen verwendet, will damit eine schnelle Klarheit im Arbeitsverhältnis erreichen.

Streit ist in den vergangenen Jahren insbesondere immer wieder über die Mindestfrist einer solchen Ausschlussklausel entstanden. So hat das BAG in seinen Urteilen v. 25.5.2005 -- 5 AZR 572/04 und v. 28.9.2005 -- 5 AZR 52/05 entschieden, dass Ausschlussfristen grundsätzlich auch in Formulararbeitsverträgen vereinbart werden können. Gleichzeitig hat es klargestellt, dass die Frist einer Ausschlussklausel -- sowohl für die außergerichtliche als auch die gerichtliche Geltendmachung -- mindestens drei Monate betragen muss. Eine kürzere Ausschlussfrist ist unwirksam, da sie eine unangemessene Benachteiligung des Arbeitnehmers entgegen den Geboten von Treu und Glauben darstelle.

In diesem Zusammenhang ist auf die Entscheidung des LAG Köln v. 16.1.2007 -- 9 Sa 1011/06 hinzuweisen, in der das LAG festgestellt hat, dass die Unwirksamkeit der zweiten Stufe einer vertraglichen Ausschlussfrist -- die Frist zur gerichtlichen Geltendmachung war zu kurz -- nicht automatisch die Unwirksamkeit der wirksamen ersten Stufe zur Folge hat. Nach dieser Entscheidung des LAG muss ein Arbeitnehmer zumindest die erste wirksame Stufe für die außergerichtliche Geltendmachung der Ausschlussklausel einhalten.

 

Widerrufsklauseln

Das BAG hat sich in zwei Entscheidungen v. 12.1.2005 -- 5 AZR 364/04 und v. 11.10.2006 -- 5 AZR 721/05 mit der Wirksamkeit von sog. Widerrufsvorbehalten auseinandergesetzt. Die Parteien stritten über die Wirksamkeit eines formularvertraglich vorbehaltenen Widerrufs einer außertariflichen Zulage und von Fahrtkostenerstattung. Der Arbeitgeber hatte sich im Arbeitsvertrag ausdrücklich vorbehalten, die übertariflichen Lohnbestandteile jederzeit unbeschränkt widerrufen zu können.

Nach Auffassung des BAG sei die Vereinbarung von Widerrufsvorbehalten grundsätzlich zulässig, soweit der widerrufliche Anteil am Gesamtverdienst unter 25 % bis 30 % liege und der Tariflohn nicht unterschritten werde. Allerdings müsse aus der Regelung selbst hervorgehen, dass der Widerruf der übertariflichen Gehaltsbestandteile nicht ohne Grund erfolgen dürfe. Aus der Klausel müsse sich erkennen lassen, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang ein solcher Widerruf möglich ist. Als Gründe kommen eine wirtschaftliche Notlage des Unternehmens, nicht ausreichender Gewinn, Rückgang der wirtschaftlichen Entwicklung, unterdurchschnittliche Leistungen oder eine schwerwiegende Pflichtverletzung des Arbeitnehmers in Betracht. Widerrufsvorbehalte in Neuverträgen, die nach dem 31.12.2001 abgeschlossen worden sind und die diesen Anforderungen des BAG nicht genügen, sind unwirksam.

 

Freiwilligkeitsvorbehalt

In vielen Arbeitsverträgen finden sich sog. Freiwilligkeitsvorbehalte wieder. Der Arbeitgeber will frei darüber entscheiden, ob er in dem laufenden Jahr Sonderzahlungen --wie Weihnachtsgeld -- zahlen möchte oder nicht. Nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG waren solche Freiwilligkeitsvorbehalte zumindest in Bezug auf Jahressonderleistungen für überwiegend zulässig erachtet worden.

Mit der Entscheidung v. 25.4.2007 -- 5 AZR 627/06 hat das BAG sich erstmals nach Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes mit der Wirksamkeit von Freiwilligkeitsvorbehalten auseinandergesetzt. Es hat festgestellt, dass standardmäßig verwendete Freiwilligkeitsklauseln jedenfalls dann unzulässig sind, wenn sie sich auf monatlich zu erbringende Arbeitgeberleistungen -- im entschiedenen Fall eine monatlich zu zahlende Leistungszulage -- beziehen. Nach Ansicht des BAG müsse der Arbeitnehmer in einem Arbeitsverhältnis grundsätzlich auf die Beständigkeit der monatlich zugesagten Zahlung einer Vergütung, die nicht an besondere Voraussetzungen geknüpft sei, vertrauen können. Ein vertraglich vereinbarter Ausschluss jeden Rechtsanspruchs bei laufendem Arbeitsentgelt benachteilige den Arbeitnehmer unangemessen und sei unwirksam.

Nach dieser Entscheidung dürfte feststehen, dass für laufendes, monatlich gezahltes Arbeitsentgelt die Vereinbarung eines Freiwilligkeitsvorbehalts nicht möglich ist. Ob dieselben Erwägungen auch bei Jahressondervergütungen gelten, hat das BAG offen gelassen.

 

Versetzungsklauseln

Mit zwei Entscheidungen vom 11.4.2006 -- 9 AZR 557/05 und v. 9.5.2006 -- 9 AZR 424/05 hat das BAG keine grundsätzliche Bedenken gegen sog. Versetzungsklauseln in Formulararbeitsverträgen geäußert. Sie stellen damit regelmäßig ein angemessenes Mittel dar, um auf Änderungen in dem auf Dauer angelegten Arbeitsverhältnis zu reagieren. Trotzdem ist für Arbeitgeber bei der Formulierung solcher standardmäßigen Versetzungsklauseln Vorsicht geboten. Die Klausel muss beinhalten, dass die Versetzung unter Wahrung der Interessen des Arbeitnehmers bzw. nach billigem Ermessen erfolgt. Schließlich hat das BAG für Versetzungsklauseln, die eine andere Art der Tätigkeit ermöglichen, entschieden, dass diese eine Einschränkung dahingehend enthalten müssen, dass dem Arbeitnehmer eine andere adäquate, gleichwertige Tätigkeit zugewiesen werden kann.

 

Inbezugnahme von Tarifverträgen

Das BAG hat in den drei Entscheidungen v. 14.12.2005, 18.4.2007 und 29.8.2007 seine bisherige Rechtsprechung zur Frage der Auslegung von sog. Inbezugnahmeklauseln in Arbeitsverträgen grundlegend verändert.

Nach der bisherigen Rechtsprechung des BAG war die Bezugnahme in einen von dem tarifgebundenen Arbeitgeber vorformulierten Arbeitsvertrag auf die für das Arbeitsverhältnis einschlägigen Tarifverträge ("im übrigen finden auf das Arbeitsverhältnis die jeweils gültigen Tarifverträge der ...-Industrie Anwendung") regelmäßig eine sog. Gleichstellungsabrede. Sie sollte die fehlende Tarifgebundenheit des Arbeitnehmers ersetzen und zur schuldrechtlichen Anwendung des Tarifvertrags auf das Arbeitsverhältnis führen. So hat die bisherige Rechtsprechung die Auffassung vertreten, dass die Wirkung der in den Arbeitsverträgen enthaltenen Inbezugnahmeklauseln aufgrund ihres Gleichstellungscharakters nach einem Betriebsübergang oder einem Verbandsaustritt des Arbeitgebers nicht über das hinausgehe, was aufgrund einer beiderseitigen Tarifbindung gelte.

Unter Berücksichtigung der drei aufgeführten Entscheidungen des BAG gilt dies alles jedoch nicht mehr. Der 4. BAG-Senat hat klargestellt, dass Arbeitnehmer mit dynamischen Bezugnahmeklauseln im Arbeitsvertrag an der weiteren Tarifentwicklung teilnehmen und ein Arbeitgeber auch nach einem Verbandsaustritt dazu verpflichtet ist, die nach dem Austritt abgeschlossenen Änderungstarifverträge gegenüber dem Arbeitnehmer arbeitsvertraglich anzuwenden. Dies gilt selbst dann, wenn der Betrieb eines Betriebserwerbers einer anderen Branche angehört und er ansonsten einen für allgemein verbindlich erklärten und für ihn wesentlich günstigeren Tarifvertrag anwendet. Diese Entscheidungen des BAG haben erhebliche Auswirkungen auf die betriebliche Praxis, da sich in vielen Arbeitsverträgen eine dynamische Bezugnahmeklausel wiederfindet.

In allen sog. Neuverträgen, die nach dem 31.12.2001 abgeschlossen worden sind, empfiehlt es sich dringend, eine neue Formulierung bisher verwandter Bezugnahmeklauseln vorzunehmen. In dieser Neuformulierung sollte der Gleichstellungscharakter deutlich hervorgehoben werden. Bei sog. Altverträgen, die vor dem Inkrafttreten der Schuldrechtsreform abgeschlossen worden sind, belässt es das BAG im Rahmen des Vertrauensschutzes bei der bisherigen Rechtsprechung.

 

Schlussbemerkung

Die aufgeführten Entscheidungen verdeutlichen, dass es in den letzten Jahren eine Vielzahl von relevanten Entscheidungen gegeben hat, die in der betrieblichen Praxis eine Anpassung bzw. Neuformulierung von bisher standardmäßig verwendeten Klauseln dringend erforderlich machen. Die vorformulierten Arbeitsvertragsklauseln sind durch den Wegfall der Bereichsausnahme in den Vordergrund gerückt und werden nicht selten nach einer kritischen Begutachtung der Rechtsprechung verworfen.

 

*              Ulrich Weber & Partner GbR.

 

 




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