Dr. Marc-André Rousseau,              
Rechtsanwalt, Frankfurt a. M.*

 

Anforderungen an den Erwerber von Geschäftsanteilen nach dem MoMiG

 

I. Aufwertung der Gesellschafterliste

Am 1.11.2008 ist das Gesetz zur Modernisierung des GmbH-Rechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen (MoMiG) in Kraft getreten (BGBl. I 2008, 2026 ff.). Im Rahmen von diversen teilweise umfangreichen Änderungen des geltenden Rechts führt das MoMiG u.a. auch zu einer erhebliche Aufwertung der (bisher sehr geringen) rechtlichen Bedeutung der Gesellschafterliste (vgl. Begr.RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 26). Damit geht jedoch zweifelsfrei auch die Steigerung der Bedeutung und Verantwortung für die Führung einer fehlerlosen Gesellschafterliste einher (so auch Rodewald, GmbHR 2009, 196 ff. -- in diesem Heft).

Gemäß § 16 Abs. 3 S. 1 u. 3 GmbHG n.F. kann ein gutgläubiger Erwerber einen Geschäftsanteil durch Rechtsgeschäft wirksam von einem Nichtberechtigten erwerben, wenn der Veräußerer als Inhaber des Geschäftsanteils in der im Handelsregister aufgenommenen Gesellschafterliste eingetragen ist. Voraussetzung hierfür ist nach § 16 Abs. 3 S. 2 GmbHG n.F., dass entweder die Gesellschafterliste zum Zeitpunkt des Erwerbs hinsichtlich des Geschäftsanteils mindestens drei Jahre unrichtig ist oder aber die Unrichtigkeit dem (wahren, nicht eingetragenen) Berechtigten zuzurechnen ist und der Gesellschafterliste kein Widerspruch nach § 16 Abs. 3 S. 3 u. 4 GmbHG n.F. zugeordnet ist.

 

II. Wann ist die Unrichtigkeit der Gesellschafterliste i.S.v. § 16 Abs. 3 S. 2 GmbHG n.F. "zurechenbar"?

Das Gesetz bestimmt jedoch nicht, unter welchen Voraussetzungen dem wahren Berechtigten die Unrichtigkeit der Gesellschafterliste hinsichtlich des Geschäftsanteils "zuzurechnen" ist (s. ausführlich zu dieser Problematik Apfelbaum, BB 2008, 2470 ff.). Die Gesetzesbegründung gibt diesbezüglich geringfügig Aufschluss. Zum einen erwähnt diese, dass dem Berechtigten die Unrichtigkeit nicht zuzurechnen ist, wenn der Geschäftsführer ohne Wissen des Berechtigten eine falsche Liste einreicht. Dieser Fall ist eindeutig. Zudem erwähnt die Gesetzesbegründung, dass dem wahren Berechtigten, der sich nach Erwerb nicht darum gekümmert hat, dass die Gesellschafterliste geändert wird und seine Rechtsstellung richtig wiedergibt, die Unrichtigkeit ohne Wartezeit zuzurechnen ist (vgl. Begr.RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 39). Nicht geklärt sind jedoch Fälle der Zurechenbarkeit, die nicht diesen beiden explizit genannten Beispielen zugeordnet werden können.

Aufgrund der von § 276 Abs. 1 BGB unterschiedlichen Terminologie des Gesetzes ist hierbei davon auszugehen, dass diesbezüglicher Maßstab nicht ein schuldhaftes Verhalten des wahren Berechtigten im Sinne von Vorsatz oder Fahrlässigkeit ist, sondern es allein auf die Zuordnung eines dem wahren Berechtigten obliegenden Verantwortungsbereichs ankommt (zur Zurechnung qua "Risikozuweisung s. Preuß, ZGR 2008, 676 [699]).

Eine Zurechenbarkeit des fehlerhaften Eintrags ist hierbei sicherlich in dem Fall anzunehmen, in dem der wahre Berechtigte aktiv an der Herbeiführung der Unrichtigkeit der Gesellschafterliste mitgewirkt hat. Im Falle der wirksamen Übertragung von Geschäftsanteilen von einem Berechtigten auf einen Dritten (neuen Berechtigten) sind Fälle der aktiven Herbeiführung der Unrichtigkeit der Gesellschafterliste durch den Erwerber als neuen Berechtigten jedoch aufgrund der in § 40 Abs. 2 GmbHG n.F. niedergelegten Verpflichtung des Notars praktisch nur in geringem Umfang vorstellbar (hier käme z.B. die fehlerhafte Mitteilung über den angeblichen Nicht-Eintritt einer in dem Kauf- und Übertragungsvertrag festgelegten aufschiebenden Bedingung in Betracht; der Notar darf sich i.d.R. auf eine Mitteilung durch die an dem Übertragungsvorgang beteiligten Parteien verlassen, vgl. auch Kort, GmbHR 2009, 169 ff. -- in diesem Heft). Des Weiteren ist dem wahren Berechtigten die Unrichtigkeit der Gesellschafterliste sicherlich "zuzurechnen", wenn diesem eine bestehende Unrichtigkeit positiv bekannt ist, er aber nicht auf die Berichtigung der Liste hinwirkt. Neben der aktiven Mitwirkung / Herbeiführung der fehlerhaften Eintragung in der Gesellschafterliste bzw. der Unterlassung des Herbeiführens der Berichtigung bei positiver Kenntnis einer bestehenden Unrichtigkeit ist allerdings zukünftig auch im Sinne der Gesetzesbegründung die unterlassene Herbeiführung und darüber hinaus wohl auch die unterlassene Kontrolle der ordnungsgemäßen Einreichung der Gesellschafterliste durch den Notar nach § 40 Abs. 2 GmbHG n.F. (u.U. auch nach Mitteilung an den Notar über den Eintritt aufschiebender Bedingungen hinsichtlich der Übertragung der Geschäftsanteile, welche zumindest auch in den Verantwortungsbereich des Empfängers fällt) als ein Fall der Zurechenbarkeit des fehlerhaften Eintrags durch einen Erwerber von Geschäftsanteilen anzusehen. Eine Kontrolle kann regelmäßig durch Anfordern einer Kopie der eingereichten Gesellschafterliste von dem beurkundenden Notar vorgenommen werden. Zudem ist die Gesellschafterliste im elektronischen Handelsregister ohne großen Zeit- und Kostenaufwand abrufbar. Eine derartige Anforderung ist einem Erwerber von Geschäftsanteilen auch durchaus zumutbar.

Zur Verdeutlichung der vorgestellten Problematik soll folgendes Beispiel dienen:

P erwirbt am 1.11.2008 im Rahmen eines notariell beurkundeten Kauf- und Übertragungsvertrags von dem berechtigten Gesellschafter O Geschäftsanteile an der XY-GmbH und ist für die folgenden zwei Jahre (der Rechtslage entsprechend) in der Gesellschafterliste eingetragen. Am 1.11.2010 veräußert P die von ihm gehaltenen Geschäftsanteile an den Erwerber Q, welcher die gemäß § 40 Abs. 2 GmbHG n.F. erforderliche Aktualisierung und Einreichung einer neuen Gesellschafterliste zum Handelsregister nicht weiter verfolgt; der die Abtretung der Geschäftsanteile beurkundende Notar vergisst die Einreichung der Gesellschafterliste beim Handelsregister gemäß § 40 Abs. 2 GmbHG n.F. bzw. fühlt sich hierfür nicht zuständig. Am 1.11.2012 veräußert P "seine" Geschäftsanteile ein weiteres Mal an den gutgläubigen R. Dieser vertraut auf die durchgängige vierjährige Eintragung des P in der Gesellschafterliste, insbesondere im Hinblick auf die Regelung in § 16 Abs. 3 S. 2 GmbHG n.F. Es stellt sich hierbei die Frage, ob R die Geschäftsanteile wirksam von P erworben hat (s. hierzu auch unter dem Blickwinkel der Legal Due Diligence den Beitrag von Rodewald, GmbHR 2009, 196 ff. -- in diesem Heft).

Nach dem Wortlaut des § 16 Abs. 3 S. 2 GmbHG n.F. ist ein gutgläubiger Erwerb von Geschäftsanteilen möglich, sofern die Gesellschafterliste hinsichtlich der relevanten Geschäftsanteile mindestens drei Jahre unrichtig ist. Eine mindestens dreijährige "unrichtige" Eintragung des P in der Gesellschafterliste liegt jedoch nicht vor. P hat seine Geschäftsanteile erst am 1.11.2010 an Q veräußert, ohne dass die Gesellschafterliste angepasst worden ist, so dass die Unrichtigkeit der Gesellschafterliste erst am 1.11.2010 entstanden ist und somit erst seit zwei Jahren gerechnet ab dem Zeitpunkt des Erwerbs durch R bestand. Nach der Gesetzesbegründung beginnt die Dreijahresfrist mit Aufnahme der Liste in das Handelsregister, die erstmalig einen Nichtberechtigten als Inhaber des Geschäftsanteils ausweist (vgl. Begr.RegE, BT-Drucks. 16/6140, S. 39). Nicht bedacht wurde hingegen der Fall, dass die (richtig) eingereichte Gesellschafterliste ohne erneute Aufnahme in das Handelsregister unrichtig wird. In diesem Fall ist auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem die Gesellschafterliste unrichtig wird (so auch Kort, GmbHR 2009, 169 ff. -- in diesem Heft). Aufgrund der durchgehenden vierjährigen Eintragung des P in der Gesellschafterliste erscheint daher auf den ersten Blick eine Regelungslücke zu Lasten des gutgläubigen Erwerbers R zu bestehen, da dieser grundsätzlich davon ausgehen kann, zumindest gutgläubig die Geschäftsanteile zu erwerben. Dies ist nach dem Gesetzeswortlaut des § 16 Abs. 3 S. 2 Alt. 1 GmbHG n.F. jedoch nicht der Fall. Nimmt man jedoch -- wie vorstehend ausgeführt -- an, dass der Erwerber von Geschäftsanteilen (im obigen Beispiel der Erwerber Q) künftig die korrekte Einreichung der Gesellschafterliste durch den beurkundenden Notar zu überprüfen hat, so kommt man über die "Zurechenbarkeit" der Unrichtigkeit nach Maßgabe von § 16 Abs. 3 S. 2 Alt. 2 GmbHG n.F. zu dem Ergebnis, dass R die Geschäftsanteile letztendlich gutgläubig von P erworben hat, obwohl die Unrichtigkeit der Gesellschafterliste noch keine drei Jahre bestand (kritisch zu dem durch § 16 Abs. 3 S. 1 GmbHG n.F. festgelegten Zurechnungsprinzip Bednarz, BB 2008, 1854 [1856]).

Zu beachten ist in diesem Zusammenhang auch, dass der wahre Berechtigte, welcher sich innerhalb der ersten drei Jahre der Unrichtigkeit der Liste auf eine behauptete fehlende Zurechenbarkeit beruft, darzulegen und zu beweisen hat.

 

III. Vermeidung eines "Verlusts" von Geschäftsanteilen

Anhand dieser Fallkonstellation zeigt sich, dass es aufgrund der gesetzlichen Neuregelung dem (eigentlich) Berechtigten vielfach obliegt, den Rechtsschein einer fehlerhaften Gesellschafterliste zu vermeiden bzw. aufzuheben. Zur Vermeidung eines "Verlusts" von Geschäftsanteilen an einen gutgläubigen Erwerber ist einem Inhaber von Geschäftsanteilen daher zukünftig anzuraten,

Ein Rechtsanwalt, der in der laufenden gesellschaftsrechtlichen Beratung bzw. Transaktionsberatung diese (augenscheinlich) nebensächlichen Anforderungen an einen Erwerber von Geschäftsanteilen übersieht und hierauf seine rechtsunkundigen Mandanten nicht hinweist, könnte sich möglicherweise einem Haftungsrisiko aussetzten.

 

*    SJ Berwin LLP.

 





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